Volksetymologie
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Volksetymologien geben einleuchtende, aber falsche Erklärungen über die Herkunft von Wörtern. Die Etymologie dagegen gibt Auskunft über die tatsächliche Herkunft und Entwicklung der Wörter einer Sprache.
Volksetymologische Erklärungen beeinflussen insbesondere die lautliche Entwicklung von Wörtern, wie die folgenden Beispiele zeigen:
- Hängematte - Die ursprüngliche indianische Bezeichnung war hamáka. So heißt das Wort auch heute noch im Spanischen. Für das deutsche Lautsystem aber klingt das Wort fremd, und so erfuhr es zwischen dem 16. und dem 18. lautliche Veränderungen, die in Hängematte resultieren. Hängematte ist lautlich und semantisch dem Ursprungswort hamáka ähnlich. Das Ursprungswort selbst aber ist nicht aus den Bestandteilen hängen und Matte gebildet.
- Maulwurf - Volksetymologisch: Der Maulwurf ist ein Tier, das mit dem Maul Erde aufwirft zu Maulwurfshügeln. - Tatsächliche Entwicklung: Im Althochdeutschen hieß das Tier noch muwerf = Haufenwerfer (muga, muha, muwa = Kornhaufen;). Im Mittelhochdeutschen wurde moltwerf daraus (= Erdwerfer). Das Wort Molt für Erde, Staub aber starb aus, und die Sprecher des Deutschen konnten mit dem moltwerf nichts mehr verbinden. Daher entstand das lautlich ähnliche Maulwurf. Die wegen der klanglichen Ähnlichkeiten nahe liegende, aber falsche volksetymologische Deutung, dass moltwerf wohl etwas mit dem Maul zu tun haben müsse, hat die Entwicklung des Wortes beeinflusst.
- Tollpatsch - volksetymologisch ist der Tollpatsch ein leicht verrückter (toll, wie in Tollwut) ungeschickter täppischer (lautmalerisch: patsch) Mensch. - In Wahrheit kommt das Wort von ungar. Tolbatz (Spitzname für den ungarischen Fußsoldaten), wahrscheinlich abgeleitet aus ungar. 'talp' = 'Sohle, Fuß'. Die Rechtschreibkomission führte die Eindeutschung des Begriffs, die mit der Transformation von batz in patsch schon begonnen hatte, fort, indem sie die Schreibung mit zwei l vorschrieb: Tollpatsch. Das heute resultierende Wort ist also aufgrund volksetymologischer Herleitungen entstanden.
Literatur
- Heike Olschansky, Volksetymologie, Tübingen 1996 (Reihe Germanistische Linguistik 175).