Wirtschaft der Türkei
Die wirtschaftliche Situation der Türkei ist immer noch sehr widersprüchlich. Einerseits besteht eine sehr große Kluft zwischen dem industrialisierten Westen und ihrer modernen Industrie (insbesondere den großen Metropolen) und dem agrarisch strukturierten und wenig entwickelten Osten.
Wirtschaftsgeschichte
Die industrielle Revolution, die im 19. Jahrhundert in Europa stattfand, erreichte das Osmanische Reich aus mehreren Gründen nicht. Zum einen fehlte es an Kapital und Infrastruktur, jedoch auch an der fehlenden unternehmerischen Mentalität in der Bevölkerung. Der Unternehmer war in der Gesellschaft des osmanischen Reiches nicht so sehr angesehen wie eine Laufbahn als Offizier oder Beamter. Eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Handwerks, der Landwirtschaft und als Großgrundbesitzer fand nicht statt.
Das Handwerk geriet im 19. Jahrhundert in immer größere Schwierigkeiten, da es nicht mit den industriell produzierten Waren konkurrieren konnte. Die europäischen Mächte hatten nämlich durch Verhandlungen (Kapitulationen) eine weitestgehende Zollfreiheit für Manufakturprodukten erreicht und "überschwemten" den Markt mit billiger Maßenware. Die finanzielle Abhängigkeit, die wirtschaftliche Schwäche und die kostspieligen Kriege führten das Osmanische Reich in immer größere Abhängigkeit zum Westen. 1875 erklärte das Reich aufgrund der Zinsbelastung in Folge der hohen Verschuldung seinen Staatsbankrot. Um Zahlungsfähig zu bleiben musste das Reich seine Finanzhoheit an die gläubiger Länder abtreten. Die finanzielle und wirtschaftliche Souveränität wurde wieder erst nach der Republiksgründung wieder erlangt.
Es existierten nur wenige industrielle Betriebe im Reich. Die meisten waren in Istanbul, Izmit, Eskisehir, Bursa, Manisa und Izmir angesiedelt und befanden sich zumeist in staatlicher Hand. Die wenigen privaten Unternehmen waren im Besitz von Minderheiten wie Armenier, Griechen und Juden. Die Landwirtschaft und das Handwerk bildeten so das Rückgrat der osmanischen Wirtschaft.
Das Erbe der Osmanischen Vergangenheit lastete schwer auf der neugegründeten Republik. Das Handwerk, die Kreditwirtschaft, der Außenhandel litten an dem Verlust des Know-hows der Armenier und Griechen. Mit dem Weggang der Mehrzahl dieser Minderheiten gingen nicht nur Kapital verloren sondern auch weiche Faktoren wie kaufmännische Erfahrung und internationalen Handelsbeziehungen.
Die Landwirtschaft fiel Finanzquelle für Investitionen aus weil sie uneffizient organisiert war. Das Land gehörte größtenteils Großgrundbesitzern die ihr Land an Kleinbauern verpachteten oder bewirtschaften ließen. Es fehlte der Anreiz die Erträge zu steigern. Auch die Rahmenbedingungen waren für einen wirtschaftlichen Aufschwung nicht vorhanden. Es fehlte an einem modernen Wirtschaftsrecht, Verwaltung, Steuersystem und einer ausgebildeten Bevölkerung (90% der 14 Mio. türkische Türken waren 1927 Analphabeten).
Bei der Entwicklungspolitik setzte die Regierung unter Mustafa Kemal ab 1923 auf die Industrie und vernachlässigte die Landwirtschaft. Um die private Wirtschaft anzuregen investierte der Staat in den Folgejahren in die Infrastruktur. Ansonsten betrieb sie eine lieberale Wirtschaftspolitik. Die private Wirtschaft kam aber in den frühen Jahren der Republik, aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen, nicht im gwünschten Rahmen in Gang. Obwohl die türkische Wirtschaft zwischen 1923 und 1930 durchschnittlich 11%. Auch war die Türkei für ausländische Investoren aufgrund ihres kleinen Marktes zu uninteressant. 1927 waren in der der Türkei schätzungsweise nur 27.000 Industriemitarbeiter beschäftigt.
Nach dem Ende der Wirtschaftskrise der 30er-Jahre ging die Türkei dazu über die Industrialisierung durch staatliche Investitionen und Firmengründungen zu forcieren. Der Etatismus wurde zu einem der sechs kemalistischen Prinzipien erhoben. Hierzu wurden "Fünfjahrespläne" aufgestellt und in Branchen wie z.B. Textil, Zement, Keramik, Banken investiert. Zur Schaffung des Investitionsvolumens nahm die Türkei einen Kredit von der Sowjetunion auf. Die politik verfolgte nun eine Import Substitutionspolitik über. Dennoch waren 1953 gerade mal 26.000 in privaten und 86.000 Arbeiter in staatlichen Industrie-Unternehmen beschäftigt.
Die Phase zwischen 1945 und 1980 kann als eine binnenorientierte Import Substitutionspolitik Wirtschaftspolitik bezeichnet werden. Die inländischen Unternehmer wurden durch Schutzzölle vor der ausländischen Konkurrenz geschützt. Gleichzeitig hemmte die staatliche Bürokratie die Exporte, womit die notwendigen Devisen fehlten um die für die weitere Industrialisierung notwendigen Investitionsgüter und Vorprodukte zu importieren. Der Großteil der staatlichen Wirtschaftsunternehmen war ineffizient organisiert. Die Staatsbetriebe wurden von der Politik für politische und soziale Ziele instrumentalisiert. Zum einen mussten sie zu politisch motivierten Festpreisen ihre Waren verkaufen, zum anderen wurden sie als Auffangbecken für Arbeitslose missbraucht und stellten daher Personal über ihren Bedarf ein. Um die hochgesteckten Ziele der Fünfjahrespläne zu erfüllen musste der Staat mehr investieren als er einnahm. Das Haushaltsdefizit stieg und mit ihm die Schulden, bis die Inflation auf zweistellige Werte anstieg (erst 2004 wurden wieder einstellige Inflationszahlen erreicht).
Die neue DP- Regierung unter Menderes nahm ab 1950 die Landwirtschaft in den Mittelpunkt der Entwicklung auf. Mit Subventionen und Garantiepreisen wurde die Landwirtschaft unterstützt. Die populistischen MAßnahmen führten zu einer hohen Staatsdefizit. Erst unter der neuen CHP- Regierung wurde wieder langfristig geplante Wirtschaftspolitik betrieben. Hierzu wurde der "Staatliche Planungsamt" (Devlet Planlama Teskilati) gegründet.
Die steigende Abhängigkeit durch die Auslandsverschuldung führte in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren zu drei Finanz- und Wirtschaftskrisen die soziale und politische Krisen nach sich zogen und in Militärputschen endeten. Vor allem in den 60er-Jahren wanderten viele Türken aus (Gastarbeiter), vor allem nach Europa. Dadurch sank der Druck auf den Arbeitsmarkt, der durch ein starkes Bevölkerungswachstum hervorgerufen wurde. Die Geldüberweisungen der "Auslandstürken" waren in den folgenden Jahrzehnten einer der wichtigsten Devisenquellen der Türkei. Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten war das durchschnittliche wirtschaftliche Wachstum der Türkei recht hoch. In den 50er-Jahren betrug es 6,7%, in den 60ern 5,6% und in den 70ern 4,1%. Die Wachstumsraten reichten allerdings nicht aus die Lücke zu den Industrienationen zu schließen.
Ab 1982 vollzog sich eine wirtschaftspolitische Wende in der Türkei hin zu einer Liberalisierung. Dieser Wandel fand unter Turgut Özal (Ministerpräsident von 1983 bis 1989) statt und kann als exportorientierte Industrialisierung bezeichnet werden. Unter Özal wurde die Geld-, Finanz-, Außenhandels- und Devisenpolitik radikal verändert. Um die türkische Wirtschaft konkurrenzfähiger zu machen wurden Importverbote und -beschränkungen abgebaut und der Export gefördert. Damit ging ein weiterer Abbau der Bürokratie einher (z.B. Erleichterung ausländischer Investitionen). Während dieser Zeit stieg der Anteil der privaten Wirtschaft stark an, auch wegen der zunehmenden Privatisierung von ehemals staatlichen Unternehmen. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in den 80ern betrug 4,8%. Allerdings verteilte sich das Wachstum ungleichmäßig innerhalb der Regionen der Türkei (West und Ost) und zwischen den Bevölkerungsschichten. Diese Entwicklung verstärkte sich mit den Auseinandersetzungen im Südosten ab 1984 (Siehe: Kurdenkonflikt in der Türkei).
Durch die zunehmende Senkung der Importbarrieren stieg der Konkurrenzdruck auf die türkischen Betriebe. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete 1996 der Beitritt zur europäischen Zollunion. Das befürchtete Zusammenbrechen der türkischen Wirtschaft trat jedoch nicht ein. Aber auch die erhoffte Zunahme der ausländischen Investitionen blieb aus. In den 90ern wuchs die türkische Wirtschaft mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von über 5%, und das, obwohl es immer wieder zu schweren Wirtschaftskrisen (1994, 1999 und 2001) kam.
Die letzte Krise im Jahre 2001 wurde durch ein steigendes Leistungs- und Handelsbilanzdefizit, verbunden mit einem maroden Bankensystem und einer Staatskrise ausgelöst. Aufgrund dieser Probleme kam es zu Spekulationen und Kapitalflucht, was die türkische Zentralbank dazu zwang, die türkische Lira freizugeben. Durch den starken Wertverlust der Lira (innerhalb weniger Stunden 40%) stiegen die ausländischen Schulden (in Lira gerechnet) in unbezahlbare Höhen, woraufhin viele Unternehmen in Konkurs gingen und die Arbeitslosigkeit stark anstieg. Resultat war eine der schwersten Rezessionen der türkischen Geschichte (die türkische Wirtschaftsleistung schrumpfte um über 8%). Um einen Staatsbankrott abzuwenden gewährte der IWF der Türkei im Zeitraum von 2002–2004 einen Kredit in Höhe von insgesamt 31 Mrd. $. Aufgrund der strikten Austeritätspolitik der Regierungen seit 2001 und der Auflagen des IWF hat die Türkei die schwere Finanzkrise von 2001 überwunden.
Zwischen 2002 und 2005 wuchs die Wirtschaft jährlisch mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 7,2 %. Der Export konnte sich in demselben Zeitraum mehr als verdoppeln. Gleichzeitig scheint die chronische Inflation die teilweise dreistellige Werte erreichte überwunden zu sein. Sie lag 2004 unter 10 %. Auch sank das Haushaltsdefizit von 21 % auf 7 % 2004 und soll nach Regierungsplänen 2006 bei 2,5 % liegen. Positiv anzumerken ist die 2005 sehr erfolgreich verlaufende Privatisierung von Staatsunternehmen.
Risiken für einen weiteren anhaltenden Wachstum liegen in der hohen Verschuldung (78 % am BSP). Dem immer noch zu hohen Staatsdefizit und dem hohen Handelsdefizit. Ein weiteres Risiko stellt derzeit die Aufwertung der Lira gegenüber dem Euro und dem Dollar dar. Eine zu starke Lira könnte die Exporte erschweren und somit das Wirtschaftswachstum bremsen.
Strukturelle Probleme
Der Großraum Istanbul erreicht beispielsweise 41 % des durchschnittlichen Einkommens der 15 „alten“ EU-Staaten, der Osten hingegen nur 7 %. Diverse Projekte, u.a. die großen Staudamm-Projekte (Südostanatolien-Projekt (GAP)) sollen dem Osten helfen, sich besser zu entwickeln.
Zudem gibt es innerhalb der türkischen Volkswirtschaft erhebliche strukturelle Probleme. So trägt die Landwirtschaft zum BSP lediglich 11,9 % bei, beschäftigt aber 30,6 % der Arbeitskräfte.
Die Industrie trägt 29,6 % zum BSP bei und der Dienstleistungssektor 58,5 %. In der Industrie arbeiten 19,3 % aller Erwerbstätigen und in der Dienstleistung 44,5 %. Seit 1996 besteht zwischen der Türkei und der EU eine Zollunion (51,6 % der Exporte gehen in die EU).
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen stieg August 2005 gegenüber dem Vorjahr von 44,6 % auf 48,9 %.
Die Türkei scheint ihre chronische Inflation mittlerweile in den Griff bekommen zu haben. Die Inflation erreichte zeitweise dreistellige, beinahe hyperinflationäre Zahlen (1994/1995 betrug sie 150%), 2003 sank sie auf 18,4%, nach Schätzungen betrug sie 2004 ca. 9,4%. Am 1. Januar 2005 wurde die alte „Türkische Lira“ durch die „Neue Türkische Lira“ (Yeni Türk Lirası) ersetzt. Damit verliert die Türkische Lira 6 Nullen. Außerdem wird die Untereinheit der Lira, der Kuruş, wieder eingeführt. Der Kuruş wurde vor ca. zwei Jahrzehnten abgeschafft, weil aufgrund der hohen Inflation die Lira stark an Wert verloren hatte. Auf den Vorderseiten der neuen 20, 50 und 100 Lira-Scheine ist wie bis dahin der türkische Staatsgründer Atatürk zu sehen. Bis Ende 2005 sind beide Währungen gültig. Eine weitere wirtschaftliche Herausforderung für die Türkei stellt der hohe Schuldenstand dar. Bezogen auf das BSP beträgt sie 78,7% (Stand 2003). Damit bekleidet die Türkei weltweit den 22. Platz der relativ am wenigsten verschuldeten Staaten.
Struktur
Dominiert wird der private Industriesektor durch Industriellenfamilien wie Sabancı und Koç.
Industrie
Die Textilindustrie ist der wichtigste Industriesektor der Türkei und stellt zugleich den größten Anteil bei den Ausfuhren dar. Allein 2004 exportierte die türkische Textilindustrie Waren im Wert von ca. 20 Mrd. $ (2003 waren es noch 15 Mrd. $). Begünstigt wird die starke Stellung der türkischen Textilindustrie dadurch, dass die Türkei der sechstgrößte Baumwollhersteller der Welt ist. Zunehmend gehen die türkischen Textilunternehmen dazu über statt billiger Massenware Markenmode zu produzieren und zu vertreiben. Dadurch versuchen die türkischen Unternehmen der Konkurrenz aus China auszuweichen. Die Türkei gehört weltweit zu den wichtigsten Textilproduzenten. Die Textilindustrie konzentriert sich überwiegend um die Städte Istanbul und Bursa. Insgesamt beschäftigt sie ca. 4 Millionen Menschen.
Daneben gewinnen die Automobilindustrie und die Elektronikbranche zunehmend an Bedeutung. In der Türkei wurden 2004 862.000 Autos produziert, von denen 519.000 exportiert wurden. Zentrum der Automobilindustrie ist die Stadt Bursa. Die Autoindustrie inklusive Autozulieferindustrie exportierte 1999 Waren im Wert von 2,2 Milliarden Dollar. 2004 stiegen die Exporte auf 10,7 Milliarden, 2005 erreichte sie schon in den ersten 10 Monaten 10,6 Milliarden. Etwa 500.000 Menschen arbeiten in dieser Branche.
Eine besondere Stärke wurde in den letzten Jahren die Produktion von Fernsehgeräten. Nahezu alle großen Markenhersteller lassen bei den drei türkischen Unternehmen Vestel, Beko oder Profilo-Telra bauen. Ein Drittel aller in Europa verkauften Fernseher wird in diesen Firmen hergestellt. Zuletzt hat aufgrund dieser Stärke die Beko Electronic A.S. das traditionsreiche deutsche Unternehmen Grundig AG aufgekauft. 1999 betrug die Produktion in der Elektroindustrie 2,4 Milliarden Dollar. Farbfernsehgeräte im Wert von 674 Millionen Dollar wurden 1999 exportiert.
Die Nahrungsmittelindustrie konzentriert sich auf Westanatolien. Der Staat ist noch mit Unternehmen wie Zucker, Tee, Tabak und alkoholische Getränken tätig.
Tourismus

Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftssektor der Türkei und einer der wichtigsten Devisenquellen des Landes. 2005 erreichte die Zahl der ausländischen Touristen, in den ersten 11 Monaten, mit 20,2 Mio. Urlaubern einen neuen Rekordstand (2004 waren es noch etwa 17,2 Mio.). Die größte nationale Gruppe unter den Türkei-Touristen stellen mit ca. 4 Millionen die Deutschen gefolgt von den Russen (1,6 Mio) und den Briten (1,3 Mio). Touristische Zentren sind die südliche Ägäis-Küste und die sogenannte türkische Riviera zwischen Antalya und Kap Anamur. 2004 erziehlte die Türkei mit dem Tourismus, Einnahmen von ca. 15,9 Milliarden Dollar.
Bankwesen
2001 deckten Wirtschaftsprüfer Ungereimtheiten bei vielen Privatbanken auf. Dieser Wirtschaftsskandal war damals einer der Ursachen für die schwere Wirtschaftskrise. Daraufhin wurden viele Banken unter die staatliche Kontrolle gebracht und nach der Sanierung privatisiert. Die größten Banken des Landes sind die staatliche Ziraat Bank und die private Is- und Akbank.
Landwirtschaft
Etwa 33% der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt. Angebaut werden in der Türkei Getreide, diverse Obst- und Gemüsesorten, daneben ist die Türkei Weltmarktführer bei Haselnüssen. Wichtig sind zudem Baumwolle, Tabak und Oliven. Seit 1980 gewinnt der Weinbau in der Türkei wieder an Bedeutung.
Mit Hilfe des gigantischen Südostanatolien-Projekts soll die Landwirtschaftliche Nutzung, eines Gebietes von der Größe der Benelux-Länder, ermöglicht werden. Mit Hilfe des Projektes soll der landwirtschaftliche Anbau stärker diversifiziert werden.
Bergbau
In der Türkei werden Chrom, Steinkohle, Braunkohle, Eisen und in geringeren Mengen Blei, Zink, Kupfer und Silber gefördert. 2004 wurden Produkte im Wert von ca. 1,08 Milliarden $ exportiert. Mit dem neuen Bergbau -Gesetzen und neuen Privaten Abbaugebieten rechnet die Regierung 2006 mit einem Export Volumen von 2 Milliarden $.
Außenhandel
Außenwirtschaftlich sucht die Türkei eine engere Anbindung an die EU und zugleich eine stärkere Einflussnahme auf die zentralasiatischen Turkvölker (u.a. Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan).
46% der gesamten Importe stammen aus der EU, dies waren im ersten Halbjahr 2003 11 Milliarden US Dollar. Auch zur Erschließung der Absatzmärkte in den früheren GUS Staaten, spielen die Niederlassungen der europäischen Konzerne eine bedeutende Rolle.
Deutschland ist mit über 13% (9,4 Mrd $) der Importe und ca. 17% (9,4 Mrd. $) der Exporte der größte Handelspartner der Türkei. Weitere wichtige Handelspartner sind die USA (Exporte 3,7 und Importe 3,4 Mrd. $), Großbritannien (Exporte 3,7 und Importe 3,5 Mrd. $), Italien (Exporte 3,2 und Importe 5,4 Mrd. $), Russland (Exporte 1,5 und Importe 5,4 Mrd. $) und Frankreich (Exporte 2,8 und Importe 4,2 Mrd. $).
Die Türkei nimmt als Absatzmarkt für die Europäische Union mittlerweile den sechsten Rang an. Gleichzeitig ist die Türkei zum siebt größten Exportland gewachsen. Das negative Handelsdefizit mit der EU konnte verglichen mit 2004 um 0,4 Mrd. € auf 4,7 Mrd. € gesenkt werden.
Siehe auch: Zentralasiatisch-Türkischer Gipfel, Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation
Ausländische Investitionen
Das neue Investitionsförderungsgesetz aus dem Jahr 2003 stellt in- und ausländische Investoren gleich und zeigt schon erste Erfolge. Allein in den ersten neun Monaten 2005 wurden in der Türkei ausländische Direktinvestitionen von 3,7 Mrd. $ getätigt. Durch diese Investitionen wurden direkt und indirekt über 35.000 Arbeitsplätzte geschaffen. Demgegenüber lag die Summe der ausländischen Investitionen bis 2002 bei vergleichsweise geringen 5,5 Mrd. $, davon alleine 4 Milliarden aus Deutschland.
September 2005 waren 11.707 ausländische Kapitalgesellschaften (inkl. Unternehmen mit ausländischer Beteiligung) in der Türkei aktiv davon 2.013 Unternehmen aus Deutschland. Alleine in den letzten 18 Monaten kamen 600 neue deutsche Unternehmen ins Land.
So lassen die Unternehmen MAN und DaimlerChrysler Busse in der Türkei bauen. Die BSH (Bosch-Siemens Hausgeräte) stellt am Rande von Istanbul Kühlschränke und Küchengeräte her. Das in Iskenderun gebaute Steinkohlekraftwerk ist das größte deutsche Investitionsprojekt, bei dem die Firmen Steag und RWE ca. 1,5 Mrd. US-Dollar investiert haben.
Privatisierung
2004 wurden durch Privatisierung der Staatsunternehmen lediglich 1,2 Milliarden Dollar erzielt. 2005 kamm die Privatisierung von Staatsunternehmen voran. Im gesamten Jahr 2005 wurden 16 Milliarden Dollar Privatisierungserlöse erzielt. Rechnet man die Gebühren für die 15-jährigen privaten Nutzungsrechte für den Flughafen "Atatürk Havalimanı" hinzu, erzielte der Staat Erlöse von 20 Milliarden Dollar.
Die höchsten Einnahmen erzielte der Staat durch den Verkauf von 55% von Türk Telekom. Ein Firmenkonsotium (Oger Telecom Ortak Girişim Grubu) bot für die Mehrheit 6,55 Mrd $. Das Firmenkonsortium ist ein zusammenschluss eines libanesischen Familienunternehmens (Saudi Oger) und der Telecom Italia. Am 13. September 2005 erwarb die Koç Gruppe zusammen mit der SHELL- Gruppe das Petroindustrie Unternehmen Tüpraş. Für 51% TÜPRAŞ- Aktien zahlte das Konsortium 4,14 Mrd. $.
Im Oktober erhielt OYAK für 2,77 Mrd. $ 46,12% der Aktien von Erdemir. Erdemier gehört zu den 13 größten Stahlproduzenten der Welt. Oyak ist die Beteiligungsgesellschaft des "Unterstützungsfonds für die Armee" (Ordu Yardimlasma Kurumu). Für 755 Millionen $ ging der Hafen von Mersin an die PSA-Akfen Gruppe aus Singapur.
Als nächstes sollen staatliche Energie-, Zement- und die staatliche Lotterie- Unternehmen privatisiert werden.
Steuerpolitik
Anfang 2006 wird die Körperschaftssteuer von 30 % auf 20 % abgesenkt. Gleichzeitig soll der Spitzensatz bei der Einkommenssteuer von 40 % auf 35 % abgesenkt werden, der Eingangssteuersatz liegt bei 15 %. Ebenfalls ab dem 1. Januar 2006 soll eine Kapitalgewinnstuer von 15 % eingeführt werden.
Vor allem das Absenken der Körperschaftssteuer dient der Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der türkischen Wirtschaft gegenüber den Osteuropäischen Ländern.
Die Steuerhinterziehungsquote lag, nach einem Bericht des Finanzministeriums, 2005 bei 26,22 %. In absoluten Zahlen verliert der Staat so jährlich ca. 9 bis 11 Milliarden $ Steuereinnahmen.
Wirtschaftsdaten
Die offiziellen Angaben zum BSP sind insbesondere im Falle der Türkei mit Vorsicht zu genießen. Da ein erheblicher Teil der Wirtschaftsleistung in der Schattenwirtschaft (Schwarzarbeit, Schwarzhandel etc.) abläuft, kann diese durch die Behörden nicht erfasst werden. Daher dürfte die „wahre“ volkswirtschaftliche Leistung der Türkei viel höher sein als die offiziellen Angaben. Offizielle türkische Schätzungen gehen für das Jahr 2005 von einem Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt von 26 % aus. Während der ständigige EU-Vertreter in Ankara diesen auf 50 % veranschlagt.
Die türkische Wirtschaft wuchs in den ersten sechs Monaten des Jahres 2004 mit einer überraschend hohen Wachstumsrate von 13,5 % und überholte damit sogar deutlich den Spitzenreiter China.
Dieses Jahr (2005) wächst die türkische Wirtschaft im Vergleich nur noch moderat. Im 1. Quartal konnte das BSP um 5,3% zulegen. Für 2005 erwarten die Analysten von HSBC Securities Türkei weiterhin eine Wachstumsrate von 5,2% (BIP). Nachdem der Staat in den Vorquartalen als Wachstumsmotor ausgefallen war (bedingt durch Haushaltskonsolidierung), meldete sich der Sektor wieder zurück. Die öffentlichen Investitionen sind um über 36% gegenüber dem Vorjahresquartal angestiegen.
Datenblatt:
2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 Schätzung | |
BSP-Wachstum in % | +6,3 | −9,5 | +7,9 | +5,9 | +9,9 | +5 |
BSP | 201,44 Mrd. $ | 148,22 Mrd. $ | 180,89 Mrd. $ | 239,24 Mrd. $ | 299,48 Mrd. $ | k.a. |
BIP in Kaufkraftparität | unbekannt | 508,7 Mrd. $ | k.a. | |||
BSP pro Kopf | 2.965 $ | 2.123 $ | 2.598 $ | 3.383 $ | 4172 $ | k.a. |
BSP pro Kopf in Kaufkraftparität | 7400 $ | k.a. | ||||
Inflation in % | 50,9 | 55,3 | 44,4 | 22,5 | 9,5 | 8 |
Export | 27,77 Mrd. $ | 31,33 Mrd. $ | 36,06 Mrd. $ | 47,25 Mrd. $ | 63,12 Mrd. $ | 72,60 Mrd. $ |
Import | 54,50 Mrd. $ | 41,40 Mrd. $ | 51,55 Mrd. $ | 69,34 Mrd. $ | 97,54 Mrd. $ | 115,50 Mrd. $ |
Staatsdefizit in % des BSP | 18,9 | 21,1 | 12 | 9,8 | 7,0 | k.A. |
Arbeitslosigkeit | 6,6 | 8,7 | 10,3 | 10,5 | 10,3 | k.a. |
Schuldenstand | 134,4 Mrd. $ | 191,9 Mrd. $ | 235,8 Mrd. $ | 242,8 Mrd. $ | ||
Verschuldungsgrad am BSP | 80,2% | 78% | k.a. |
Weblinks
- Zentralbank der Türkei (in Englisch)
- Deutsch-Türkische IHK in Istanbul
- Türkisch-Deutsche IHK in Köln
- Türkischer Verband der Industriellen und Unternehmer in Berlin