Depression
Sonstige Bedeutungen: Depression (Begriffsklärung)
Eine Depression (lat. "Niederdrückung") ist eine psychische Störung, die durch die Hauptsymptome gedrückte Stimmung, Interesselosigkeit bzw. Freudlosigkeit und Antriebsstörung gekennzeichnet ist.
Symptome
Neben den bereits genannten Hauptsymptomen können u. a. das Gefühl der Minderwertigkeit, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle, Müdigkeit, verringerte Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit, sinnloses Gedankenkreisen, langsameres Denken, Reizbarkeit, Ängstlichkeit, vermindertes Gefühlsleben bis hin zur Unfähigkeit des Zeigens einer Gefühlsreaktion und verringertes sexuelles Interesse auftreten. Oft werden auch negative Gedanken und Eindrücke überbewertet und positive Aspekte nicht wahrgenommen bzw. für zufällig gehalten.
Depressionen äußern sich oft auch in körperlichen Symptomen (sog. Vitalstörungen) wie z.B. Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Gewichtsabnahme, Gewichtszunahme, Verspannungen, Engegefühl im Brust- oder Bauchraum, Kopfschmerzen und verlangsamten Bewegungen. Auch kann eine verstärkte Infektionsanfälligkeit beobachtet werden.
Je nach Schwere der Depression ist diese mit latenter oder akuter Suizidalität verbunden. Es wird vermutet, daß der größte Teil der ca. 12.000 Suizide pro Jahr in Deutschland (Männer: 8.800, Frauen: 3.400) auf Depressionen zurückzuführen ist. Damit sterben mehr Menschen in Deutschland an Depression als an Verkehrsunfällen.
Verbreitung
Die Depression ist die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung. Es gibt jedoch sehr unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch der wirkliche Anteil derjenigen ist, die davon betroffen sind. Das hängt zum einen mit der hohen Dunkelziffer zusammen (viele Depressionen werden nicht als solche erkannt) und zum anderen mit der Definition der Krankheit. Die meisten Veröffentlichungen gehen jedoch heute davon aus, dass in Deutschland mehr als 10% der Personen im Laufe ihres Lebens eine behandlungsbedürftige Depression durchleben.
Bei Frauen werden Depressionen im Durchschnitt doppelt so oft wie bei Männern diagnostiziert. Dies kann auf eine verstärkte genetische Disposition von Frauen zur Depression hinweisen, aber auch mit den unterschiedlichen sozialen Rollen und Zuschreibungen zusammenhängen, da deutlich mehr Männer an meist Depressions-bedingten Suiziden sterben als Frauen.
In den vergangenen Jahren wurde in den entwickelten Ländern ein starker Anstieg der depressiven Erkrankungen beobachtet, ganz besonders in den hoch industrialisierten Ländern. Die Ursachen dafür sind noch unklar, häufig wird jedoch der Stress in der Gesellschaft (in Form von gestiegener Beanspruchung und Unsicherheit durch die persönliche und berufliche Situation) mit verantwortlich gemacht. So wurde zum Beispiel nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine schlagartige Zunahme von Depressionen und Suiziden in vielen osteuropäischen Staaten beobachtet. Eine weitere Ursache mag sein, dass die Stigmatisierung der Depression in den letzten Jahren weitgehend überwunden wurde und die Patienten heute häufiger ärztliche Behandlung suchen. Dies würde auch mit den Statistiken für Suizid übereinstimmen, nach denen im Jahre 1980 noch 18.000 Deutsche jährlich durch Suizid das Leben verloren, während es im Jahre 2000 nur noch 12.000 waren.
Unterschiedliche Formen
Früher wurde unterschieden zwischen der endogenen Depression, die ohne erkennbare Ursache auftritt, und der reaktiven Depression, die Folge erkennbarer Ursachen ist (z. B. nach einem Trauerfall). Heute wird i. A. nicht mehr an dieser Klassifikation festgehalten, sondern die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) verwendet.
In ICD-10 wird unterschieden zwischen Episoden (einzelnen Vorkommen von Depression bzw. Manie) und rezidivierenden Störungen (wiederholtes Vorkommen von Episoden). Die Schwere der Depression wird mit leicht, mittelgradig oder schwer bezeichnet, hinzu kommen können psychotische Störungen.
Bei der seltener anzutreffenden bipolaren affektiven Störung wechseln sich Depression und Manie (die sich durch unkontrollierte Hyperaktivität, gehobene Stimmung und mangelnde Kritikfähigkeit auszeichnet) in zeitlich unterschiedlich langen Phasen ab, daher auch die ältere Bezeichnung manisch-depressiv. In leichter, aber über Jahre andauernder Form wird sie als Zyklothymie bezeichnet. Manche Psychiater diagnostizieren eine spezielle Winterdepression (SAD), die durch Mangel an Sonnenlicht begünstigt wird. "SAD" steht für "Seasonal Affective Disorder". Eine weitere Sonderform ist die Altersdepression: bei den 70- bis 74-Jährigen sind 14% depressiv, bei über 80-Jährigen sind es 42%, auch hier Frauen doppelt so häufig wie Männer. Allerdings gehen die Alterspsychiater heute davon aus, dass es keine spezielle Altersdepression gibt, sondern alle Formen der Depression auch im höheren Lebensalter vorkommen können. Auch geht man davon aus, daß Depressionen im Alter nicht häufiger sind als in anderen Lebensabschnitten. Bei ca. 10% der Frauen kommt es nach einer Geburt zu einer postpartalen Depression, für die hormonelle Ursachen vermutet werden.
Ursachen
Die Ursachen, die zu einer Depression führen, sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Neben der Möglichkeit einer genetischen Disposition stellt beispielsweise das Erleben von Entwertung, Erniedrigung und Verlust in engen Beziehungen ein hohes Risiko für das Entstehen einer Depression dar. Auch Stresssituationen scheinen als Ursache eine Rolle zu spielen.
Diese psychischen Ursachen hinterlassen i.d.R. physisch nachweisbare Reaktionen im Gehirn. Insbesondere in älteren Diagnoseansätzen der Schulmedizin wird diesen neuronalen Veränderungen an sich die auslösende Ursache für die Krankheit zugeschrieben. Andere Diagnoseansätze fokussieren mehr auf die Auslöser der biochemischen Veränderungen in der Umwelt und den Lebensgewohnheiten des Patienten.
Eine Sonderform der Depression ist die anaklitische Depression (Anaklise=Abhängigkeit von einer anderen Person) bei Babys und kleinen Kindern, wenn diese allein gelassen oder vernachlässigt werden. Die anaklitische Depression äußert sich durch Weinen, Jammern, anhaltendes Schreien und kann in psychischen Hospitalismus übergehen.
Stress als Ursache
Als natürlicher Schutzmechanismus wird im Gehirn in Gefahrensituationen die Produktion von Serotonin gehemmt. Dieser Vorgang ist nachweisbar, während der hochkomplexe individuelle Sozialisationsprozess und das charakterlich-affektive Verhalten im Erleben des Menschen nicht so einfach nachzuweisen ist. Die Serotoninproduktion ist eine möglich Reaktion des Gehirns auf interpersonelle (zwischenmenschliche) oder intrapersonelle (selbstreflektierte) Stressinteraktionen des Menschen. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei weitsichtigem Denken, was aber in Gefahrensituationen nicht sinnvoll ist. Normalisiert sich die Situation wieder, so wird beim gesunden Menschen die Serotoninproduktion wieder aufgenommen - der Betreffende denkt wieder klar.
Besonders wenn mehrere Stresssituationen über einen Zeitraum von einigen Jahren anhalten, kann es vorkommen, dass sich die Serotoninproduktion nicht mehr normalisiert, wenn schließlich doch wieder eine ruhigere Phase im Leben eintritt. Depressionen werden im Alter von etwa 30 Jahren verstärkt beobachtet, zu einem Zeitpunkt also, da bei manchen Menschen nach einer stressreichen Jugendzeit das Leben in ruhigeren Bahnen verläuft. Das Serotoninniveau bleibt niedrig, und nun wird nicht mehr Stress im Leben bewältigt, sondern ein normaler, nicht übermäßig aufregender Alltag gedämpft. An dieser Stelle setzt die Depression ein. Das weitsichtige Denken ist gestört, was aber notwendig ist, um sich auf künftige Ereignisse freuen zu können. Viele psychologische Selbstschutzmechanismen (etwa der Gedankengang, dass an einem Problem auch andere schuld sein könnten, und nicht man selbst) sind bei Depressionserkrankten offenbar "ausgehebelt" oder konnten sich gar nicht erst ausbilden.
Eine anfängliche Krise kann einen Kranken in einen Teufelskreis reißen, den er allein nur sehr schwer wieder durchbrechen kann: Im Verlauf der Erkrankung zeigt sich, dass - gerade bei lange andauernden Depressionen - die Krankheit so stark in das Leben der Betroffenen eingreift, dass zwischenmenschliche Beziehungen und auch z.B. schulischer und beruflicher Erfolg darunter zu leiden haben. Das durch die Krankheit bedingte Ausbleiben von Erfolgserlebnissen bzw. das häufigere Erleben von Rückschlägen im eigenen Fortkommen führt dann wieder in das die Depression bestimmende Denkmuster von Hilfs- und Hoffnungslosigkeit.
Im Blut und Urin von Depressiven lassen sich in der Regel überhöhte Mengen des Stresshormons Kortisol nachweisen.
Körperliche Ursachen
Verschiedene körperliche Zustände oder Erkrankungen können die Ursache einer symptomatischen Depression ein. Dazu zählen viele Hormonstörungen, bzw. Veränderungen im Regelkreis der Hormone , z.B. Umstellung der Sexualhormone nach der Schwangerschaft oder während der Pubertät, bei Schilddrüsenfunktionsstörungen und Hypophysen- oder Nebenierenerkrankungen.
Diese Depressionen verschwinden aber in der Regel wieder bei richtiger Behandlung der Grunderkrankung, bzw. Ende des auslösenden Zustandes.
Genetische Ursachen
Aus der Zwillingsforschung ist bekannt, dass es eine genetische Komponente bei der Neigung zu Depressionen geben muss. Vermutlich sind mehrere Gene für eine Anfälligkeit gegenüber Depressionen verantwortlich, so hat man etwa bei Depressiven überzufällig häufig eine Mutation auf dem Gen 5-HTT entdeckt.
Behandlung
Depressionen können durch Psychotherapie, durch physikalische Maßnahmen und medikamentös (Antidepressiva) oftmals wirksam behandelt werden. Häufig wird auch eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung angewandt.
Bei den Psychotherapien haben sich die kognitiven Verhaltenstherapien als sehr effektiv bewährt. Sie zeigen vor allem in der Langzeitbetrachtung eine gute Wirksamkeit, da die depressionsauslösenden Denkmuster nachhaltig verändert werden. Vorreiter dieser modernen Therapieansätze waren u.a. Albert Ellis und Aaron T. Beck.
Aber auch in der medikamentösen Behandlung gab es in den letzten Jahren enorme Fortschritte: Neuere Antidepressiva (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, z.B. Fluoxetin, bekannt z.B. unter den Markennamen Prozac und Fluctin) haben deutlich geringere Nebenwirkungen als die früheren Mittel. Sie wirken allerdings erst nach mehrwöchiger Einnahmedauer.
Bei einigen älteren Medikamenten gibt es den Effekt, daß der Antrieb zuerst aktiviert wird, die stimmungsaufhellende Wirkung erst später einsetzt. Dies kann zu einer erhöhten Selbstmordgefahr führen, deswegen ist unter Umständen ein zeitweilige Beobachtung oder die gleichzeitige Gabe von dämpfenden Medikamenten angezeigt. Zur Minderung der Nebenwirkungen werden die meisten Medikamente ein- und ausschleichend verabreicht.
Antidepressiva sind Medikamente, die Depressionen lindern oder beenden können. Dazu zählen:
- trizyklische bzw. tetrazyklische Antidepressiva
- Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
- Lithium, speziell für manisch-depressive Störungen und als Wirkungsverstärker anderer Antidepressiva
- Johanniskraut wird oft für leichte bis mittlere Fälle angewandt, die Wirksamkeit ist aber umstritten, da es sowohl klinische Studien gibt, die eine Wirksamkeit belegen, als auch solche, die keine Überlegenheit gegenüber Plazebo zeigen. Dies liegt daran, dass Johanniskraut nicht direkt wirkt, sondern indirekt über eine Erhöhung der Lichtrezeption des menschlichen Körpers und deshalb nur in Verbindung mit Sonnen- oder speziellem Kunstlicht "wirken" kann.
Andere Therapieformen
Elektrische/Elektromagnetische Stimulationen
Insbesondere bei schweren und über lange Zeit gegen medikamentöse Behandlung resistenen Depressionen kommen gerade in jüngerer Zeit wieder stärker nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren zum Einsatz, deren Wirkprinzipien jedoch weitgehend unklar sind. Das häufgste diesbezüglich eingesetzte Verfahren ist die Elektrokrampftherapie. Derzeit in einigen Studien befindlich ist die Vagusnerv-Stimulation, bei der eine Art Herzschrittmacher im Abstand von einigen Minuten jeweils kleine elektrische Impulse an den Vagusnerv schickt. Diese Therapie, die ansonsten insbesondere bei Epilepsie-Patienten Anwendung findet, scheint bei etwa 30-40% der (ansonsten therapieresisteten!) Patienten anzuschlagen. Ebenfalls getestet wird derzeit die transkranielle Magnetstimulation, bei der das Gehirn der Patienten durch ein Magnetfeld angeregt wird. Die Anzahl der mit den letztgenannten Verfahren behandelten Studienteilnehmer ist jedoch noch recht gering, so dass derzeit (2004) keine abschließenden Aussagen zu machen sind.
Antidepressiv wirksam können auch sein:
- körperliche Bewegung an der frischen Luft (z.B. Joggen)
- Kalte Güsse nach Sebastian Kneipp
- Sonnenlicht, spezielles Kunstlicht (insbesondere bei der Winterdepression / SAD); s.a. Lichttherapie
- Kaffee, Schokolade
- Opiate
- Schlafentzug
Literatur
- Rolf Merkle Wenn das Leben zur Last wird - Ein praktischer Ratgeber zur Überwindung seelischer Tiefs und depressiver Verstimmungen. Pal Verlag, 2001, ISBN 3923614470
- Andrew Solomon Saturns Schatten - Die dunklen Welten der Depression. Frankfurt, S. Fischer, 2001, ISBN 3100704029
- Joseph E. LeDoux Das Netz der Gefühle. München, dtv, 2001, ISBN 3423362537
- Ursula Nuber Depression - die verkannte Krankheit. Wissen, behandeln, mit der Krankheit leben. Zürich, Kreuz Verlag, 2000, ISBN 3783119545
- Josef Giger-Bütler Sie haben es doch gut gemeint. Depression und Familie. Weinheim, Beltz Verlag, 2003, ISBN: 3407857888
Weblinks
- Information
- Kommunikation, Erfahrungsaustausch
- Erfahrungsberichte, Selbsthilfe