Traumdeutung
Mit Hilfe der Traumdeutung bzw. Oneirologie (griech. óνειρoς "Traum") wird in der Neurophysiologie und Psychoanalyse versucht, unbewusste Wünsche und Ängste zu erkennen. Der Trauminhalt wird als Teil der Seele aufgefasst.
Die praktische Traumanalyse geht davon aus, daß in Wahrheit jeder selbst wirklich in der Lage ist, die momentane Bedeutung des Traumes für sich zu erkennen. Träume eignen sich sehr gut, um über sich selbst, seinen Körper, seine Begierden, seine Gefühle, seine Erinnerungen und sein intuitives Wissen mehr zu erfahren.
Sigmund Freud machte in seinem epochalen Werk "Traumdeutung" (1900) den Traum zu einem wichtigen Bestandteil seiner psychoanalytischen Theorie neurotischer Erkrankungen; er hielt die Interpretation des Traumes für den "Königsweg" zum Verständnis unbewusster Prozesse. Nach Freud gehen zwar auch äußere Sinnesreize, Reize aus dem Körperinnern und Erlebnisse des Vortags ("Tagesreste") in den Traum ein, vorwiegend ist er aber ein von äußeren Reizen relativ unabhängiges seelisches Produkt, das Trieb- und Affektzustände, Wünsche und Ängste der träumenden Person sowie deren lebensgeschichtlich bedingte Situation darstellt. Nach Freud ist der Traum der "Hüter des Schlafes", indem er die unbewussten, verdrängten Wünsche des latenten Trauminhalts in das geträumte Bilderrätsel des bewusstseinsfähigen manifesten Trauminhaltes übersetzt. Für diese so genannte Traumarbeit bedient er sich bestimmter Mechanismen wie der Verschiebung, Verdichtung und der Symbolisierung. Die psychoanalytische Traumdeutung verwendet die Technik der freien Assoziation, wobei der Träumer am Tag in einem entspannten Zustand Einfälle und Gedanken zu seinem Traum wiederfindet; mithilfe dieser Assoziation soll der latente Trauminhalt ausfindig gemacht werden.
C. G. Jung ging von einer Kontinuität von Wach- und Traumbewußtsein aus und verstand den Traum als unmittelbare Darstellung der inneren Wirklichkeit des Träumers.
Seit den Anfängen der Menschheit spielt die Deutung der Phantasiebilder, die im Schlaf erlebt werden, eine große Rolle in den Religionen und Mythen, aber auch bei der Bewältigung von alltäglichen Situationen. Sie wurden immer unterschiedlich aufgefasst — verdammt und gefürchtet als Trugbilder des Bösen, verehrt als göttliche Botschaften für die Zukunft. Die älteste, nachweisbare Beschäftigung mit dem Traum ist über 4.000 Jahre alt.
Die Deutung erinnerter Trauminhalte ist seit der Antike bekannt; sie wurde besonders von den Babylonier und Assyrern hoch geschätzt. Im Hellenismus bildete sich eine regelrechte Zukunftsdeutekunst der Traumkundigen. Während man in der Zeit der Aufklärung den Träumen relativ wenig Beachtung schenkte, entdeckte die Romantik die Beziehung der Träume zum Märchen und zum Unbewussten. Positivisten des 19. Jahrhunderts führten Träume auf Körpergeschehen (Leibreize, Hirnsekrete u. a.) zurück. Heute gibt es neben den geschilderten tiefenpsychologischen Auffassungen auch ein neuropsychologisches Verständnis des Traums, das im Traum entweder unkontrollierte elektrische Entladungen der Nervenzellen sieht oder ihn als Möglichkeit der Verarbeitung von Tagesresten versteht.
Literatur
- C. G. Jung :Traum und Traumdeutung, dtv, ISBN 3423351233
- Sigmund Freud:Die Traumdeutung, Psychologie Fischer, ISBN 359610436X