Werner Conze
Werner Conze (* 31. Dezember 1910; † 28. April 1986) war ein deutscher Historiker. Er entstammte einer preussischen Gelehrten- und Juristenfamilie und wurde 1934 in Königsberg bei Hans Rothfels promoviert. Einem Ruf an die "Reichsuniversität Posen" 1943 konnte er wegen andauernder Verwendung als Frontoffizier nur fuer wenige Wochen folgen. Seine Universitaeten nach Kriegsende waren Göttingen, Münster und seit 1957 Heidelberg, wo er 1969/70 Rektor war.
Nach frühen wissenschaftlichen Versuchen auf den Feldern der Ostforschung und Volks- und Kulturbodenforschung verfolgte Conze auch in der Nachkriegszeit das Ziel, in der Geschichtsschreibung den methodischen Schwerpunkt von der Politik- auf die Sozialgeschichte zu verlagern. Er vertrat die Auffassung, dass sich die historischen Prozesse seit der Industrialisierung nicht mehr allein als Ergebnis politischer Entscheidungen verstehen lassen, sondern nur aus einer umfassenden Betrachtung aller gesellschaftlichen Faktoren und ihrer Wechselwirkungen. Hierzu zählen neben dem politischen auch das Wirtschaftssystem, Bevölkerungsentwicklung, Einkommensverteilung und anderes mehr. Conze fand für diesen Ansatz ein grosses Echo unter den jüngeren Historikern der 50er und 60er Jahre und bildete die wohl einflussreichste historische Schule der Nachkriegszeit. Er dachte und handelte stets interdisziplinaer und wirkte durch zahlreiche internationale Initiativen - insbesondere in Richtung Frankreich, Japan, und Sowjetunion - der Provinzialität der deutschen Geschichtswissenschaft entgegen.
Conzes grösste wissenschaftliche Leistung sind die "Geschichtlichen Grundbegriffe", das von ihm gemeinsam mit Reinhart Koselleck und Otto Brunner herausgegebene achtbändige Lexikon der politisch-sozialen Sprache in Deutschland. In seinen letzten Lebensjahren wandte er sich erneut, an die Anfänge in Königsberg anknüpfend, der Geschichte von Ostmitteleuropa zu. Er begründete die mehrbändige Reihe "Geschichte der Deutschen im Osten Europas".
Zehn Jahre nach seinem Tode wurde Conze - zusamen mit seinem Kollegen und Weggefährten Theodor Schieder, Albert Brackmann und Hermann Aubin, - Gegenstand einer Debatte auf dem deutschen Historikertag 1998 über seine Beteiligung an der NS-Bevölkerungspolitik in Osteuropa. Sie förderte für konservative Historikerkreise keine nachdenkenswerten Ergebnisse zutage und scheint dort mittlerweile abgeflaut, obwohl er mit Albert Brackmann, Theodor Schieder u.a. Historikern bereits direkt nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg für eine „kämpferische Wissenschaft“ eintrat, die volkstumspolitische Forderungen, die u.a. eine Revision der Versailler Verträge wollte, mit einer Politik des Lebensraum-Konzepte verband. Dazu gehörte die Germanisierung des "Ostraumes" und der „Schutz“ der Deutschen vor „Umvolkung“ durch „Überfremdung“ und durch Vermischung mit anderen „Volksgruppen“ und „Rassen“. Sie waren in der Ostforschung und Volks- und Kulturbodenforschung der "Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft" (NOFG) tätig und konnten sich nach der Befreiung in der Bundesrepublik reorganisieren.
Werke
- Agrarverfassung und Bevölkerung in Litauen und Weißrußland. Leipzig: Hirzel 1940
- Hirschenhof. Berlin: Junker & Dünnhaupt 1934
- Die weißrussische Frage in Polen. Berlin: Bund Dt. Osten 1939
- Deutsche Einheit. Münster: Aschendorff 1958
- Die preußische Reform unter Stein und Hardenberg. Bauernbefreiung und Städteordnung. Stuttgart: Klett 1956
- Bauernbefreiung und Städteordnung. Stuttgart: Klett 1956
- Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck. Stuttgart: Klett-Cotta 1972 ff.
Literatur
- Thomas Etzemüller: Sozialgeschichte als politische Geschichte. Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945. München: Oldenbourg Verlag 2001
- Angelika Ebbinghaus, Karl Heinz Roth, "Vorläufer des Generalplans Ost. Eine Dokumentation über Theodor Schieders Polendenkschrift vom 7. Oktober 1939" in: 1999. Zeitschrift für die Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 7 (1992), Heft 1, S. 62-94
- Götz Aly, "Theodor Schieder, Werner Conze oder die Vorstufen der physischen Vernichtung" in: Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle, Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1999
- Ingo Haar, Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der 'Volkstumskampf' im Osten, Göttingen 2000
Weblinks
- Vorlage:PND
- Kritischer Artikel aus der TAZ
- [Umvolkung IDGR http://lexikon.idgr.de/u/u_m/umvolkung/umvolkung.php]
- [Deutsches Historisches Museum 1933-33 „Wissenschaft und Forschung“ http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/wissenschaft/]
Personendaten | |
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NAME | Conze, Werner |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Historiker und Rektor der Universität Heidelberg |
GEBURTSDATUM | 31. Dezember 1910 |
STERBEDATUM | 28. April 1986 |