Bauernopfer
Unter Bauernopfer versteht man im Schachspiel die freiwillige Preisgabe eines Bauern mit dem Ziel, ein anderweitiges Äquivalent bzw. einen Vorteil zu erlangen. Motive dazu sind beispielsweise das Öffnen von Linien oder Diagonalen, das Zerstören günstiger gegnerischer Bauernstrukturen, das Aufreißen der gegnerischen Königsstellung oder eine Feldräumung. Im Defensivspiel kann auch die Verminderung eines unvermeidlichen Nachteils Anlass für ein Bauernopfer sein, wenn der Verlust eines Steines droht und ein Schlagen einer eigenen Figur durch den Gegner nur durch die Preisgabe eines Bauern verhindert werden kann. Da beim Schach das Übergewicht von einem Bauern einen partieentscheidenden Vorteil darstellen kann, muss der erzielte Vorteil (die Kompensation) in jedem Fall ausreichend hoch sein.
In der Eröffnungsphase werden Bauernopfer, seltener auch Figurenopfer, die auf Entwicklungsvorteil oder Angriff ausgerichtet sind, als Gambit bezeichnet.
Übertragener Sinn
Allgemeinsprachlich wird der Begriff oft im übertragenen Sinne verwendet, wenn etwas (tatsächlich oder vorgeblich) Nachrangiges geopfert wird, um etwas Höherwertiges zu erhalten oder zu stärken. Beispielsweise kann so eine Person bezeichnet werden, die bei Verhandlungen über Postenbesetzungen nicht zum Zug kommt, weil ihre Unterstützer dies als notwendige Konzession an die Verhandlungsgegner ansehen. Auch wendet man den Begriff in Fällen an, in denen hochrangigen Amtsträgern, oft Politikern, die Verantwortung für einen vermeintlichen Missstand zugeschrieben wird und der Amtsträger daraufhin einen leitenden Untergebenen zum Rücktritt veranlasst oder ihn entlässt, statt selbst zurückzutreten.
Benjamin Lahusen[1] führte 2005 den Begriff „Bauernopfer-Referenz“ als Plagiatsart ein: „Ein kleiner Teil wird als Ergebnis fremder Geistestätigkeit gekennzeichnet, damit die Eigenautorschaft [...] hinsichtlich des übrigen Textes umso plausibler wird.“ Eine wichtige Rolle spielte dieser Begriff zum Beispiel bei der Diskussion um Annette Schavans Dissertation [2] und beim Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt (14. April 2011) im Verfahren gegen eine Hochschullehrerin, in dem diese sich gegen Plagiatsvorwürfe und die Aberkennung ihres Doktortitels wandte.[3]
Der Begriff 'Bauernopfer' kann Bedeutungsüberschneidungen zu Kuhhandel oder Sündenbock haben.
Literatur
- Jakow Estrin: Bauernopfer in der Eröffnung. 2. Auflage, Franckh, Stuttgart 1983. ISBN 3-440-04880-2
- Timothy Taylor: Pawn sacrifice! Everyman Chess, London 2008. ISBN 978-1-85744-565-7
Einzelbelege
- ↑ Lahusen, Benjamin (2005): Goldene Zeiten. Anmerkungen zu Hans-Peter Schwintowski, Juristische Methodenlehre, UTB basics Recht und Wirtschaft, S. 405 (PDF)
- ↑ aus: Dokumentation der Plagiate
- ↑ Pressemitteilung zum Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 14. April 2011