Haddsch
Haddsch (arabisch حج), auch Hadschdsch, Hadjdj, Hajj oder Hagg, ist die islamische Pilgerfahrt nach Mekka. Sie zählt zu den fünf Säulen des Islam und findet jährlich während des Monats Dhu al-hijja statt.
Wortverwandtschaft
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist das arabische Wort Haddsch mit dem hebräischen Wort חג "Chag" = "Fest" verwandt, das im biblischen Kontext für die drei jüdischen Wallfahrtsfeste Pessach, Schawuot und Sukkot verwendet wird. In gleicher Bedeutung existiert die Wurzel auch im Aramäischen und seinen späteren Ausläufern.
Allgemein
Jeder freie volljährige Muslim, der es sich leisten kann, ist verpflichtet, einmal im Leben nach Mekka zu pilgern. Eine Person, die die Haddsch auf sich genommen hat, trägt den Ehrentitel «Haddschi (حاجي)». In ärmeren Ländern, in denen sich kaum jemand die Reise nach Mekka leisten kann, ist zur Erfüllung der Glaubenspflicht auch ein Besuch bestimmter einheimischer Wallfahrtsstätten möglich, so zum Beispiel des tunesischen Kairouan. Dies ist aber vielmehr Ausdruck eines verklärten Volksglaubens, als es dem Islam entspricht. Für jene, die sich die Haddsch nicht leisten können, ist diese auch nicht verpflichtend. In manchen islamischen Ländern gibt es den Brauch, dass eine Dorfgemeinschaft Spenden zusammenlegt, um wenigstens einem für würdig und geeignet angesehenen Mitglied stellvertretend für alle die Haddsch zu ermöglichen.
Die große Pilgerfahrt, der Haddsch, kann nur während bestimmer Tage im Jahr (8.–12. Dhu'l Hidscha) durchgeführt werden, die kleine Pilgerfahrt, ʿUmrah genannt, aber zu jeder beliebigen Zeit erfolgen.
Kleidung
Die Pilger hüllen sich während der Pilgerfahrt in zwei weiße, ungesäumte Tücher (so werden die Totentücher symbolisiert) und dürfen sich während der Wallfahrt weder rasieren, noch kämmen, noch Haare oder Nägel schneiden. Dieser Weihezustand wird im Arabischen als ihrâm (احرام) bezeichnet.
Verlauf
Die Haddsch beginnt am 8. Dhul al-Hidscha in Mekka mit dem Anziehen des Ihram, eines Pilgergewandes, und dem Gang nach Mina. Dort bleiben die Pilger bis zum nächsten Morgen und brechen dann in Richtung des Berges Arafat 25 km östlich von Mekka auf. Zu den Höhepunkten der Wallfahrt gehört das Stehen im Bereich dieses Berges, der auch der „Berg der Vergebung“ genannt wird, am 9. Dhu al-Hidscha. Dort wird Gott um Vergebung gebeten, was bei den Pilgern der emotionalste Teil der Wallfahrt ist. Sie halten sich bis zum Sonnenuntergang an diesem Ort auf und begeben sich anschließend nach Muzdalifa, um dort zu übernachten.

Kurz vor Sonnenuntergang am 10. Dhu al-Hidscha erfolgt der Aufbruch nach Mina. Dort wird der Ritus der symbolischen Steinigung des Teufels vollzogen, indem sieben (oder ein Vielfaches davon wie 49 oder 70) kleine Steine auf eine Säule geworfen werden, welche den Teufel symbolisiert. Im Anschluss rasieren sich männliche Pilger oft das Haupthaar und Frauen schneiden sich eine Haarsträhne ab, was den Beginn eines neuen Lebensabschnitts, befreit von früheren Sünden, symbolisiert. Danach, noch am 10. Dhu al-Hidscha, werden Opfertiere geschlachtet, wobei die Pilger nur einen kleinen Teil für sich behalten und den Rest den Armen überlassen. Dieser Tag, das Opferfest (Id ul-Adha), ist der höchste islamische Feiertag und wird auch von den daheimgebliebenen Muslimen überall auf der Welt begangen. Danach ist der Zustand des Ihram aufgehoben und die während des Tragens des Pilgergewandes zuvor verbotenen Dinge sind wieder erlaubt (mit Ausnahme des Geschlechtsverkehrs mit dem Ehepartner).
In der Folge kehren die Pilger zurück nach Mekka und zur Kaaba, einem würfelartigen Gebäude mit einem schwarzen Stein, zurück und vollziehen den sogenannten Tawaf. Dabei wird die Kaaba sieben Mal umschritten. Unweit davon erfolgt danach der siebenmalige Gang zwischen den beiden Hügeln Safa und Marwa, mit dem die Suche nach Wasser, wie Hagar sie erlebte, nachempfunden werden soll. Die nächsten 2 oder 3 Tage verbringen die Pilger in Mina. Dort findet erneut der Ritus der symbolischen Steinigung des Teufels statt, wobei nun aber drei Säulen mit jeweils sieben Steinen beworfen werden. Die Haddsch wird mit dem Abschiedstawaf und der Rückkehr in die Heimat abgeschlossen.
Geschichte
Die wichtigsten und größten Pilgerrouten nahmen lange Zeit in Kairo und Damaskus ihren Anfang. Die Pilger aus dem Maghreb schlossen sich der ägyptischen Karawane an, die dann in 30 bis 40 Tagen durch den Sinai nach Mekka zog. Ende des 15. Jahrhunderts umfasste sie dreißig- bis vierzigtausend Pilger. Die Muslime aus Anatolien, dem Iran, dem Irak und Syrien bildeten die andere große Karawane, die ebenfalls etwa dreißig bis vierzig Tage unterwegs war.
Die ägyptischen Pilger brachten auch die Kiswah mit, ein kostbares golddurchwirktes Tuch, mit dem die Kaaba jährlich neu umhüllt und das anschließend in kleinen Stücken an die Pilger als Souvenir verkauft wurde.
In früheren Zeiten war die Haddsch ein gefährliches Unterfangen. Oft wurden Pilgerkarawanen auf ihrem Weg nach Mekka überfallen, zum Beispiel von der ismaelitischen Sekte der Qaramitah (Karmaten), die 930 sogar den schwarzen Stein aus Mekka raubten und unter den Pilgern ein Massaker verübten. Später übernahmen die Qaramitah gegen erhebliche Summen den Schutz der Pilgerkarawanen. So zahlten die ägyptischen Fatimiden jährlich 300.000 Dinar an sie. Manchmal fiel eine der großen Pilgerkarawanen aufgrund der politisch unsicheren Situation auch komplett aus.
Sonstiges
Der Haddsch ist an sich explizit friedlich und gewaltfrei konzipiert, was in der Regel einen ordnungsgemäßen Ablauf ermöglicht. Dass Extremisten oder Fundamentalisten den Haddsch für Gewaltakte nutzen, kommt selten vor. In der Vergangenheit kam es aber mitunter zu Massenpaniken, die auch Menschenleben forderten. Der Zutritt zu dem Bereich rund um die Kaaba ist ausschließlich Muslimen vorbehalten.
Als Hüter der Heiligen Stätten genießt der jeweilige Machthaber über Mekka, früher der Scherif von Mekka und heute das saudische Königshaus, eine herausgehobene Stellung im Islam. Die Pilgerfahrten stellen aufgrund der enormen Teilnehmerzahlen stetig wachsende Anforderungen an das Management des religiösen Großereignisses. Vor allem müssen Trinkwasser und Unterkünfte bereitgestellt werden. In der Infrastruktur der Region kommt es während der Haddsch immer wieder zu Überlastungen.
Das Wort hat Eingang in den österreichischen Dialekt gefunden. "haddsch'n" bedeutet spazieren, wandern.