Heinrich Lausberg
Heinrich Lausberg (* 12. Oktober 1912 in Aachen; † 11. April 1992 in Münster) war ein deutscher Romanist und Rhetoriker.
Leben
Lausberg studierte klassische, romanische und indogermanische Sprachwissenschaft in Bonn und Tübingen. Nach einer Forschungsreise zur Dialektforschung in die süditalienische Basilikata wurde er 1937 mit einer bei Gerhard Rohlfs verfassten Dissertation über die Mundarten Südlukaniens promoviert. Anschließend war er Mitarbeiter am Französischen Etymologischen Wörterbuch sowie am Thesaurus Linguae Latinae. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Dolmetscher in Russland und Italien eingesetzt.
Gleich nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft habilitierte er sich 1945 an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit seiner als hervorragend bewerteten Dissertation. Kurze Zeit später lehrte Lausberg an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, wo er auf seinen zukünftigen Mentor Ernst Robert Curtius traf. 1949 wurde er an die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster als Leiter des Romanischen Seminars berufen. Dort beschäftigte er sich mit der europäischen Literatur und ihrer neuen Interpretation. Als Interpretationshilfsmittel verfasst Lausberg 1949 die Elemente der literarischen Rhetorik, die er 1960 mit dem Handbuch der literarischen Rhetorik fortführte.
1972 ging Lausberg an die Gesamthochschule in Paderborn, um dort das Romanische Seminar aufzubauen.
Nach dem Urteil Georg Weinrichs war Lausberg „ein Pionier der modernen Linguistik, ein Klassiker der Rhetorik und ein absoluter Philologe“.[1] In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Verdienste wurde er in mehrere Akademien berufen:
- Accademia della Crusca
- Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften
- Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Außerdem war er
- Komtur des Verdienstordens der italienischen Republik
- Offizier des Ordens der Palmes Académiques
Neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten war Lausberg auch als Chorleiter, Komponist und Arrangeur tätig.
Die Altphilologin Marion Lausberg ist seine Tochter.
Werke zur Rhetorik
Die Elemente und das Handbuch der literarischen Rhetorik sind zu Lausbergs Zeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster entstanden. Die Motivation zu diesen Arbeiten war schon in Bonn im Kontakt mit Curtius entstanden, der sich nach dem Krieg besonders mit der europäischen Literatur und ihrer Interpretation beschäftigt hatte. Angesichtes der Vielfalt der Literaturen formulierte Curtius eine Gemeinsamkeit: die europäische Literatur basiert auf Latein. Diesen Bezug zum Lateinischen und zur Antike sah Lausberg ebenfalls. Deswegen bezog sich Lausberg auf die klassische (antike) Rhetorik.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat die europäische Literatur erstmals aus den Nationalstaatsgrenzen in gegenseitigen Wettbewerb. Es galt, die Literaturen miteinander zu vergleichen. Besonders westliche und sozialistische Literatur traten in Konkurrenz. Lausberg entwickelte ein Interpretationshilfsmittel, welches denselben Hintergrund besitzt (Latein als Basis): D. h., die europäische Literatur konnte mit gleichen Maßstäben allgemein interpretiert werden. Lausberg besaß eine große Leidenschaft für Latein, d. h. für die Antike und das Mittelalter und versuchte, generell das Alte mit dem Neuen in Verbindung zu setzen. Deswegen bezog er sich in seinen Arbeiten zur Literaturinterpretation auf die Antike Rhetorik. Lausberg war praktizierender Katholik. In seinen rhetorischen Schriften und Textinterpretationen konnte er sich diesem Interesse widmen (christliche Texte auf Latein / das antike christliche Rom).
Allerdings reißt er in seinem Werken das gesamte System der Rhetorik nur kurz an, sein Hauptaugenmerk legte Lausberg auf zwei Stadien rhetorischer Produktion; dispositio und elocutio und hier im Besonderen die elocutio, also sprachliche Gestaltung eines Textes.
Dieses Vorgehen begründete Lausberg damit, dass er mit seinen Werken „ein pädagogischen Ziel verfolgt: es will dem Anfänger den Weg (…) zu einem (…) sinnvollen Studium der Literaturwissenschaft ebnen und darüber hinaus auch den in Praxis der Textinterpretation stehenden Philologen ein orientiertes Hilfsmittel sein“.
Lausberg sieht in der Rhetorik ein „System gedanklicher und sprachlicher Formen (..) Und wie auch grammatische Formen sollte der Literaturwissenschaftler auch diese rhetorischen Formen kennen und nach Möglichkeit beherrschen. Obwohl bei einem Zuhörenden oder Lesenden ein grammatisches Bewusstsein vorhanden sein muss, um zum Beispiel die Form eines Imperatives, die der Redende oder Orator verwendet, auch als einen Imperativ und die daraus resultierende erwartete Konsequenz zu erkennen, ist dies wiederum bei rhetorischen Formen nicht der Fall. Eine „empirische Beherrschung (..) der verwendeten rhetorischen Formen ist beim Zuhörer nicht notwendig(!)“. Ein Zuhörer wird also beispielsweise von einer rhetorischen Frage emotional erregt auch ohne dass er die rhetorische Frage als solche wissenschaftlich erkennt oder beherrscht.
Bei der Textinterpretation jedoch, lässt ein Philologe das Werk eines Verfassers nicht nur so auf sich wirken, wie es auf die Zuhörenden wirkt, sondern muss vielmehr analytisch erkennen, durch welche Formen, grammatischer aber auch rhetorischer Art, der Verfasser diese Wirkung erreicht.
Lausberg beschränkte sich jedoch in seinen Werken nicht nur auf die hauptsächliche Auseinandersetzung mit dispositio und elocutio, sondern betrachtete auch die Epoche. So beschäftigte er sich also nicht mit rhetorischen Formen der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit, sondern konzentrierte sich auf die Antike als Ausgangspunkt. Hier würden sich laut Lausberg die meisten Formen finden, die auch auf Mittelalter und Neuzeit angewendet werden können, da sich auch viele Parallelen zur Antike finden lassen. Lausberg erklärte sich das mit der Phänomen-Breite in der Antike, in der die Rhetorik verglichen mit anderen Epochen eine wesentlich stärkere Wissenschaftliche Bedeutung hatte.
Werke
- Mundarten Südlukaniens, Halle 1939
- Elemente der Literarischen Rhetorik, München 1949 u.ö.
- Romanische Sprachwissenschaft I−III, Berlin 1956
- Handbuch der Literarischen Rhetorik, München 1960 u.ö.
- Der Hymnus Ave maris stella, Opladen 1976
- Das Sonett Les Grenades von Paul Valéry, Opladen 1971
- Der Hymnus Veni Creator Spiritus, Opladen 1979
- Der Johannes-Prolog : rhetorische Befunde zu Form und Sinn des Textes, Göttingen 1984
- Ernst Robert Curtius : 1886−1956, Stuttgart 1993
Literatur
- Arens, Arnold: Schriftenverzeichnis von Heinrich Lausberg. In: Arnold Arens (Hrsg.): Text-Etymologie. Untersuchungen zu Textkörper und Textinhalt. Festschrift für Heinrich Lausberg zum 75. Geburtstag. Franz Steiner, Wiesbaden 1987, ISBN 3-515-04657-7, S. XIX–XLI.
- Weinrich, Harald / Richard, Hans Albert / Feldbusch, Elisabeth u.a.: in memoriam Heinrich Lausberg: Paderborner Universitätsreden, Paderborn 1993.
- Babilas, Wolfgang (Hrsg.): Heinrich Lausberg zum Gedenken: Akten eines wissenschaftlichen Kolloquiums. Nodus Publikationen, Münster 1994.
Weblinks
- Literatur von und über Heinrich Lausberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Heinrich Lausberg im SUDOC-Katalog (Verbund französischer Universitätsbibliotheken)
Personendaten | |
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NAME | Lausberg, Heinrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Romanist und Rhetoriker |
GEBURTSDATUM | 12. Oktober 1912 |
GEBURTSORT | Aachen |
STERBEDATUM | 11. April 1992 |
STERBEORT | Münster (Westfalen) |
- ↑ Zitiert nach: Wolfgang Babilas (Hrsg.) Heinrich Lausberg zum Gedenken [siehe Literatur], 12.