Januswort
Ein Januswort (nach dem Gott Janus; auch Autoantonym) ist ein Wort mit mindestens zwei Bedeutungen, wobei eine Bedeutung das Gegenteil einer anderen ist („Auto-Antonymie“). Januswörter verhalten sich zueinander zugleich antonym (eine entgegengesetzte Bedeutung habend) und homonym (gleichklingend).
Die komplementäre Erscheinung ist die (z. B. durch Desemantisierung bedingte) Homonymie eigentlich antonymer Wörter, wie z. B. bei praktisch und theoretisch, die in umgangssprachlichen Wendungen wie das kannst du praktisch weglassen austauschbar sind, ohne dass sich die Satzbedeutung ändert: das kannst du theoretisch weglassen.
Bezeichnungen
Der Sprachwissenschaftler Andreas Blank spricht von Autoantonymie.[1] Die Bezeichnungen Antagonym und Kontranym sind in der deutschen Sprache neue Lehnübersetzungen und selten.
Die englische Bezeichnung antagonym wurde von Charles N. Ellis erfunden, der eine Liste englischer Januswörter im Internet unterhält.[2] Die Bezeichnung auto-antonymy wurde 1994 von Alex Eulenberg vorgeschlagen.[3]
Vorkommen
In der Praxis treten Januswörter aufgrund ihrer Zweideutigkeit eher selten auf. Im Englischen sind sie etwas verbreiteter als im Deutschen. Entstehen können sie durch Bedeutungswandel (Polysemie) oder lautlichen (Homophonie) oder schriftlichen Zusammenfall (Homographie) unterschiedlicher Wörter.
Meist wird durch den Satzkontext die beabsichtigte Bedeutung klar, manchmal auch nur durch die linguistische Varietät. So steht beispielsweise das Wort Untiefe in der Nautik für eine sehr geringe Tiefe (un- als Negation), außerhalb der Seefahrt jedoch für eine sehr große (unermessliche) Tiefe (Augmentativbildung mit un-). In anderen Fällen unterscheiden sich scheinbare Januswörter im Wortakzent (umfáhren – úmfahren) oder sind syntaktisch oder hinsichtlich der thematischen Rolle ihrer Bezugswörter eingeschränkt (z. B. transitives/intransitives anhalten, un-/belebtes Objekt zu anhalten).
Beispiele im Deutschen
- abdecken
- ‚bedecken‘, z. B. einen Brunnen abdecken
- ‚Bedeckung entfernen‘, z. B. das Dach abdecken
- anhalten
- ‚sich fortsetzen‘, z. B. Das Wetter wird anhalten.
- ‚zum Stillstand bringen‘, z. B. die Maschine anhalten
- ‚zum Handeln bringen‘, z. B. jemanden zur Eile anhalten
- aufheben
- ‚aufbewahren‘
- ‚abschaffen‘
- ausbauen
- ‚etwas entfernen‘
- ‚etwas erweitern‘
- Bundesstaat
- ‚ein aus mehreren Gliedstaaten aufgebauter Nationalstaat‘
- ‚einer dieser Gliedstaaten‘
- einstellen
- ‚aufkommen‘, z. B. Lärm stellt sich ein.
- ‚beendigen‘ z. B. den Lärm einstellen
- frugal
- ‚einfach, bescheiden‘, z. B. eine Mahlzeit
- ‚üppig, luxuriös,: z. B. eine Wohnungseinrichtung
- Kriegsgegner
- ‚Gegner des Krieges, Pazifist‘
- ‚Gegner im Kriege, Feind‘
- lassen
- ‚(be)stehen lassen‘
- ‚weglassen‘
- übersehen
- ‚ganz sehen‘
- ‚nicht sehen‘
- umfahren
- ‚um ein Hindernis herum (vorbei) fahren‘
- ‚niederfahren‘
- Untiefe[4]
- ‚seichte Stelle in einem Gewässer‘
- ‚große Tiefe‘
- verabschieden
- ‚beschließen‘: ein Gesetz verabschieden
- ‚verwerfen‘, z. B. sich von einem Gedanken verabschieden
Weblinks
Belege
- ↑ A. Blank: Einführung in die lexikalische Semantik für Romanisten (2001).
- ↑ http://www-personal.umich.edu/~cellis/antagonym.html#derivation
- ↑ http://linguistlist.org/issues/6/6-74.html
- ↑ Duden : Untiefe : Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Synonyme. Bibliographisches Institut GmbH, abgerufen am 7. Juni 2013.