Basel II
Basel II bezeichnet die Gesamtheit der Eigenkapitalvorschriften, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht in den letzten Jahren vorgeschlagen wurden. Die Regeln werden offiziell in der Europäischen Union Ende 2006 in Kraft treten, finden aber bereits heute in der täglichen Praxis Anwendung. Die Umsetzung in deutsches Recht wird durch die "Mindestanforderungen an das Risikomanagement" (MaRisk) für die "zweite Säule" von Basel II sowie die Solvabilitätsverordnung (SolvV) für die "erste" und "dritte Säule" von Basel II erfolgen.
Motive
Basel II ist die Reaktion auf die Kritik der ursprünglichen Basler Eigenkapitalverordnung von 1988, Basel I.
Ziel ist, wie bereits bei Basel I, die Sicherung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung der international operierenden Banken und die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen sowohl für die Kreditvergabe, als auch für den Kredithandel.
Die Kritik an Basel I stützt sich auf drei Punkte: 1) Fehlallokation des aufsichtsrechtlichen Kapitals (berücksichtig in Säule 1 von Basel II) Da unter Basel I die Eigenkapitalunterlegung für Kredite an ein Kundensegment (z.B. Firmenkunden) unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers erfolgte, bestand ein Anreiz, Kredite an Kunden mässiger Bonität zu vergeben, weil bei diesen höhere Zinsen durchsetzbar und so ein größerer Gewinn auf das zu unterlegende Kapital erzielt werden konnte. 2) Einbeziehung weiterer Risiken (berücksichtig in Säule 1 von Basel II) Unter Basel I mussten nur Marktpreisrisiken und Kreditrisiken mit Eigenkapital unterlegt werden. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass eine Vielzahl von Bankenkrisen nicht durch diese Risiken, sondern durch operationelle Risiken ausgelöst wurden. So z.B. die Pleite des UK Bankhauses Barings durch fehlerhafte Kontrollen des Händlers Nick Leeson in Singapur. Inoffiziell ist auch bekannt, dass, neben der faktischen Relevanz operationeller Risiken, die Erwartung geringerer Eigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken dazu führte eine Unterlegung der operationellen Risiken anzutreiben. 3) Mangelnde Konformität bei aufsichtsrechtlicher Prüfung und Veröffentlichung von Risikoinformationen (berücksichtig in Säule 2 und 3 von Basel II) Bisher bestanden keine internationalen Standards für die aufsichtsrechtliche Prüfung in verschiedenen Ländern. Ebenso bestanden keine einheitlichen Standards die die unternehmenseigene Veröffentlichung von risikorelevanten Informationen regelten
Inhalt
Basel II besteht aus drei sich gegenseitig ergänzenden Säulen:
- Mindesteigenkapitalanforderungen
- Bankaufsichtlicher Überprüfungsprozess
- Erweiterte Offenlegung
Mindesteigenkapitalanforderungen
Ziel der ersten Säule ist die genauere Berücksichtigung der Risiken einer Bank bei der Bemessung ihrer Eigenkapitalausstattung. Dazu werden drei Risiken herangezogen:
- Das Kreditrisiko wird anhand eines internen oder externen Ratings bestimmt. Das externe Rating (Standardansatz) wird von einer Ratingagentur (v.a. Standard & Poor's, Moody's und Fitch) vorgenommen. Beim internen Rating bewertet die Bank das Risiko selbst (IRB-Ansätze: auf internen Ratings basierender Ansatz). Dazu bedarf es aber der Zustimmung durch die Bankenaufsicht. Die Bank muss nachweisen können, dass sie bestimmte Auflagen in Bezug auf Methodik und Offenlegung erfüllt. Für Privatkunden gibt es ein vereinfachtes Verfahren, das Scoring.
- Das Marktrisiko wurde bereits 1996 den ursprünglichen Vereinbarungen hinzugefügt. An diesen Regelungen ändert sich nichts.
- Neu ist die Einbeziehung des operationellen Risikos. Es stellt das Risiko direkter oder indirekter Verluste infolge unzulänglicher oder ausfallender interner Verfahren, Mitarbeiter und Systeme, oder infolge bankexterner Ereignisse dar.
Bankaufsichtlicher Überprüfungsprozess
Der bankaufsichtliche Überprüfungsprozess (Supervisory Review Process, SRP) fordert die Etablierung adäquater Risikomanagementsysteme bei Banken und Wertpapierfirmen sowie deren Überwachung durch eine Aufsichtsbehörde . Die Bankenaufsicht (in Deutschland: BaFin, in der Schweiz: EBK, in Österreich: FMA) beurteilt und überwacht die Einhaltung der Anforderungen an Methodik und Offenlegung, die notwendig sind, damit die Bank interne Ratings verwenden darf. Grundlage ist der Grundsatz der doppelten Proportionalität, der besagt, dass sowohl die Steuerungsinstrumentarien in einer Bank als auch die Intensität der Überwachung durch die Bankenaufsicht proportional zu den eingegangenen Risiken einer Bank sein sollen. Bedeutsam ist weiterhin, dass Säule 2 über die Risiken, die in Säule 1 erfasst werden, weitere Risikoarten (z.B. die Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch) erfasst, so dass alle Risiken, die eine Bank eingeht, durch Säule 2 berücksichtigt werden.
Erweiterte Offenlegung
Ziel der dritten Säule ist die Stärkung der Marktdisziplin durch vermehrte Offenlegung von Informationen im Rahmen der externen Rechnungslegung der Banken (z.B. Jahresabschlüsse, Quartalsberichte oder Lageberichte). Eine wirksame Offenlegung soll sicherstellen, dass die Marktteilnehmer einen besseren Einblick in das Risikoprofil und die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung einer Bank gewinnen.
Auswirkungen
Generell gilt, dass höhere Risiken höhere Zinsen bewirken. Wenn die Bank bei einem schlechten Rating mehr Eigenkapital unterlegen muss, erhöhen sich auch ihre Eigenmittelkosten. Diese erhöhten Kosten werden über höhere (Kredit)Zinsen an den Kreditnehmer weitergegeben. Umgekehrt profitiert ein Kreditnehmer mit gutem Rating durch niedrigere Kreditzinsen, wenn die Bank für den Kredit geringere Eigenmittel hinterlegen muss.
Gemäß Basel I war jeder Kredit mit einheitlich 8% Eigenmitteln zu unterlegen. An dieser Vorgehensweise hat sich mit Basel II grundsätzlich nichts geändert. Jedoch werden die ausstehenden Forderungen der Bank nunmehr, je nach Rating des Geschäftspartners, mit einem Prozentsatz zwischen 0% (beispielsweise Forderungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland) und 150% gewichtet. Die daraus resultierenden "risikogewichteten Aktiva" sind mit jeweils 8% Eigenkapital zu unterlegen. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich auf den Standardansatz. Die Vorgehensweise in den IRB-Ansätzen ist deutlich komplexer.
Mögliche Zinsänderungen für Kreditnehmer sind in diesem Aufsatz (Seite 2) dargestellt.
Kritik
- Problematisch können sich die Vorschriften für Unternehmen aus dem Mittelstand herausstellen, da diese typischerweise knapp an Eigenkapital sind. Damit ist für sie eher ein schlechtes Rating zu erwarten. Um diese Besonderheit der deutschen Volkswirtschaft zu berücksichtigen, wurde mit dem Basler Ausschuss eine Einigung erzielt, bei der die Eigenkapitalunterlegung für Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) deutlich geringer ausfällt. Darüber hinaus fehlen vielen KMU die Kapazitäten und das Fachwissen, die für Basel II nötigen Dokumente zu erstellen.
- Basel II wirkt volkswirtschaftlich strukturkonservierend. Unternehmen mit dem besten Rating, also der besten Bonität, erhalten die günstigsten Kreditkonditionen. Diese Unternehmen sind aber naturgemäß auch die Unternehmen, die die wenigsten Kredite benötigen.
Siehe auch
- Kredit, Basel I
- Solvabilität
- Bankenaufsicht, Bankbetriebslehre
- Capital Adequacy Directive (Kapitaladäquanz)
Weblinks
- Konsultationspapiere der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu Basel II
- Informationsseiten der Deutschen Bundesbank zu Basel II
- Information der Oesterreichischen Nationalbank zu Basel II
- Ausführliche Informationen zu Basel II - Neue Bedingungen, Rating und Tipps
- Basel-II.info - kostenloses dt. Informationsportal mit umfangreichen Artikeln, Downloads und Studien.
- Basel II Portal für Asien und Pazifik Region
- div. Artikel und Referate des 'Förderungsverein der Primärbanken' zu Basel II
- Rating aktuell - dt. Fachzeitschrift mit den Schwerpunkten Rating & Basel II
- Basel II Navigator: Interakiv durch den neuen Basler Akkord. - Animiertes Nachschlagewerk für Fachleute der Basler Eigenkapitalübereinkunft
- Themenpool Basel II - Informationen, Poster, Anwendungen, Publikationen, weiterführende Informationen und weitere Links zum Thema Basel II
- Informationsportal zum Thema Risikomanagement, Rating, Corporate Governance und Basel II