Nederlandsch-Indische Staatsspoorwegen
Die Nederlandsch-Indische Staatsspoorwegen, kurz üblicherweise Staatsspoorwegen (SS), war die staatliche Eisenbahngesellschaft auf Java, damals die wichtigste und bevölkerungsreichste Insel von Niederländisch-Indien. Man unterhielt auch einige Linien in den „äußeren Besitzungen.“ 1946-50 firmierte man als Verenigd Spoorwegbedrijf.
Geschichte

Die Firma wurde am 6. April 1875 gegründet,[1] auch weil sich angesichts des mangelnden wirtschaftlichen Erfolges der N.I.S. kaum private Investoren für den Eisanbahnbau in der Kolonie fanden. Das steigende Frachtaufkommen war angesichts der zunehmenden Rohstoffproduktion der Plantagen mit Zugtieren ab den 1860ern kaum noch zu bewältigen. In einem Bericht 1869 hatten J. A. Kool und N. H. Henket der Regierung zur Kostensenkung vorgeschlagen, künftige Strecken bevorzugt in Kapspur (1067 mm) zu bauen. Weiterhin sollten Stichbahnen in Schmalspur mit 600 oder 750 mm ausgeführt werden.

Organisation
An der Spitze des Unternehmens stand seit 1875 ein General-Inspekteur. Die Kontrolle übernahm 1888 das Departement van Burgelijke Openbare Werken. Zum 1. Juli 1909 wurde ein Haupt-Inspektorat eingerichtet. Nach einer Reorganisation zum 1. November 1917 gab es neun Abteilungen, die Trambahnen und die Linie zu den Kohleminen von Ombilin (Sumatra) wurden ausgegliedert.
Führungspositionen durften nur von Europäern ausgeübt werden, Eurasier hielt man bestenfalls für Posten bis zum Bahnhofsvorsteher geeignet. Einheimische (Javaner) und Chinesen wurden als Lokführer, Sekretäre 2. Klasse oder Haltepunktvorsteher eingesetzt. Eingeborene der „äußeren Besitzungen“ kamen allenfalls für Hilfsarbeiten in Frage. Dezember 1918 waren 2814 Beamte im Dienst (davon 6% Europäer), die nach 20jähriger Dienstzeit einen Pensionsanspruch erwarben (Mindestalter 45). Durch die zivilrechtlichen Reformen der 1920er wurden diese Diskriminierungen hinfällig, das Aufrücken war nun von der schulischen Qualifikation abhängig. Man beschäftigte 1937 103 Personen im höheren, 2403 im mittleren und 26159 im einfachen Dienst.
Zum 1. Januar 1936 wurde die Verwaltung neu organisisert. Es gab am jeweiligen Verwaltungssitz fünf regionale Direktionen für den laufenden Betrieb (Ost- und Westjava, Aceh, West- und Südsumatra). Dem Haupt-Inspektor unterstanden fünf Abteilungen: 1) Allgemeine Verwaltung, zuständig für Finanzen, Personal- und juristische Angelegenheiten 2) Depots 3) Strecken und Bauten, auch Brückenbau 4) Betrieb, Aufsicht über Material, Ausbesserungswerke usw. 5) Verkehrs- und Handelssachen, auch Werbung usw.
Preise
Ende 1917 zahlte man (pro km) in der 1. Klasse 4½ cent., 2. Klasse 3 c. und in der 3. Klasse streckenabhängig 1-1½ c.
Strecken
Als erste staatliche Strecke eröffnete man 1878 die Bahn von Surabaya nach Pasuruan (63 km), die schließlich bis Malang weitergeführt wurde. Drei Jahre später begann man mit dem Bau der Linie von Bogor nach Cicurug in West-Java, die bis 1888 zur Küste in Cilacap verlängert wurde. 1884 trafen in Surakarta die Linie von SS und NIS zusammen. Seit 1894 als die Strecke zwischen Maos und Cibatu vollendet wurde bestand eine durchgehende Verbindung zwischen Batavia und Surabaya. Die Reise dauerte bei einer reinen Fahrtzeit von 32½ Stunden, drei Tage, da nachts keine Züge verkehrten und wegen Spurweitenwechsel zwei Mal umgestiegen werden mußte. Durchgehende Züge gab es seit 1. Februar 1905, eine durchgehende dritte Schiene für Normalspur war angelegt worden. Die Eröffnung einer kompletten neuen Strecke durch die Berge von Peragan am 2. Mai 1906 verkürzte die Reisezeit auf zwei Tage, bei einer fahrplanmäßigen Fahrtdauer von 23 Stunden. Das Gesetz den Bau der Strecke Cirebon-Kroya autorisierend erging am 31. Dezember 1912, der erste Weltkrieg verzögerte jedoch die Fertigstellung bis Anfang 1917. Durch diesen Abschnitt wurde der Weg von Batavia nach Surabaya um 44 km verkürzt, außerdem umging man die 2,5%ige Steigung durch Bandung, so daß die Fahrzeit auf 17 Stunden sank. Ab 1918 durften auch nachts Züge verkehren. Unter staatlicher Regie betrieben waren 1917 in Ostjava 907 km Strecke, in Westjava 1449 km, auf Sumatra 245 km, zusammen 2601 km sämtlich in Kapspur, wovon 1729 km als Hauptlinien galten. Dazu kamen noch 84 km Schmalspurbahnen.
Die anfangs verwendeten Gleise wogen 25,7 kg/m, die Schwellen maßen 200×22×12 cm. Seit 1909 verwendete man Gleise von 33,4 kg/m die höhere Geschwindigkeiten und Zuladungen erlaubten. Die längsten Tunnel waren bei Lampaegan (632 m) und Idjoe (577 m), in der Zwischenkriegszeit baute man einen mit 950 m. Größere Ausbesserungswerke richtete man in Madoe, Bandung und Master Cornelis ein. Die durchschnittlichen Baukosten pro Kilometer lagen 1912 in Ostjava bei 79200 fl., in Westjava bei 90400 fl. Ein Schmalspurkilometer kostete vor dem ersten Weltkrieg rund 18000 fl.
Der neue, 1916 von C. W. Koch entworfene, Hauptbahnhof Tandjong Priok wurde 1924 endgültig fertig. Zum 50jährigen Jubiläum der Staatsbahn eröffnete man 1925 die erste elektrifizierte Strecke (1500 V Wechselstrom) von Bogor nach Batavia.
Die Vollendung der 1067 mm-Gleise zwischen Yogja und Surabaya zum 1. Mai 1929 verkürzte die Fahrzeit Batavia-Surabaya auf fahrplanmäßige 11½ Stunden. Der Eendaagsche-Expres, erreichte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 71,7 km/h. Nach 1931 wurde kaum noch in die Eisenbahn investiert. Allerdings führte man 1936 auf der Hauptstrecke zuschlagpflichtige luxuriöse Nachtexpreßzüge (ø 60 km/h) ein. Statt in neue Lokomotiven zu investieren baute man Güterloks um, so daß sie durch höhere Geschwindigkeiten mit LKW und Busverkehr konkurrieren konnten. Durch Lobbyarbeit erreichte man 1933 eine gesetzliche Beschränkung des LKW-Frachtverkehrs.
Während der Depression, die 1929-33 die Fahrgastzahlen etwa halbierte, legte man unrentabel gewordene Strecken still; 1932: Tulungagung-Tugu und Jatibarang-Karangampel; 1933: Warungdowo-Purwosari und Warungdowo-Ngempit; 1936: Tanahmerah-Kebanyar, schließlich 1937 Pamekasan-Kalianget. Das staatliche Streckennetz umfaßte Ende 1936 4350 km, davon 2929 auf Java, 645 in Südsumatra, 264 in West-Sumatra und 512 in Ajeh. Zusammen waren dies 2270 km Hauptlinien und 580 km Nebenstrecken. Dazu kamen noch 79 km Schmalspurbahnen. Die Krise verhinderte die Finanzierung der geplanten Elektrifizierung auf Java sowie die geplanten Anschlüsse der drei Teilnetze auf Sumatra untereinander und weitere Ausbauten auf Borneo (Bandjerjasmin-Amoetai; Pontianak-Samboe) und Celebes, wo die einzige Strecke schon nach acht Jahren 1930 wieder stillgelegt wurde.
1942-1951
Unter japanischer Besatzung wurden fast alle javanischen Normalspurstrecken auf Kapspur (1067 mm) verschmälert. Einige Normalspur-Lokomotiven wurden an die Südmandschurische Eisenbahn abgeliefert. Neu baute man, oft durch zwangsverpflichtete Arbeiter (Rōmusha, 労務者) in West-Java die Bajah-Bahn (89 km), 220 km, auf Sumatra und die Tondongkura-Bahn im süd-westlichen Sulawesi, die erst wenige Tage vor der Kapitulation Japans fertiggestellt wurde und daher nicht in Betrieb ging.
Nach Rückkehr der Kolonialherren 1946 hieß der nun für Java und Sumatra zuständige Staatsbetrieb Staatsspoorwegen/Verenigd Spoorwegbedrijf (SS/VS). Die Bahnstrecken waren für die „Polizeiaktionen“ von strategischer Wichtigkeit und daher auch bevorzugtes Angriffsziel der Freiheitskämpfer, so daß dem jungen Indonesien bei der Unabhängigkeit ein vollkommen marodes Bahnsystem überlassen wurde.
Fahrzeuge

An Lokomotiven wurden im 19. Jahrhundert vor allem von Beyer-Peacock B1'-Schlepptender eingesetzt. Ab etwa 1900 kamen auch Hartmann-Loks dazu. Weitere wichtige Lokomotivenlieferant waren Hanomag und die Maschinenfabrik Esslingen. Deren 1966 gebaute Nr. 5316 gilt als die „letzte“ Dampflok Indonesiens und steht heute im Museum von Ambarawa.
Die Reisezugwagen der Zwischenkriegszeit waren vergleichsweise modern, es kamen vierachsige Drehgestellwagen zum Einsatz, die Personenwagen der oberen Klassen mit seitlichem Gang und Abteilen.
Zum Jahresende 1917 hatte folgenden Bestand: Auf den ostjavanischen Strecken 237 Loks, 599 Personen-, 96 Gepäck- und 5055 Güterwaggons (6-10,5 t Kapazität). Knapp 111000 Zugbewegungen erzielten rund 6 Millionen km. Man beförderte 1917 fast 18 Millionen Passagiere, davon 17½ Mio. in der 3. Klasse. Auf den westjavanischen Strecken gab es 240 Loks, 648 Personen-, 156 Gepäck- und 4950 Güterwaggons. Ca. 192000 Zugbewegungen fuhren dort rund 8,85 Millionen km. Man beförderte 1917 fast 32,2 Millionen Passagiere, davon 30,9 Mio. in der 3. Klasse. In Westsumatra verfügte man über 71 Loks (größtenteils mit Zahradantrieb), 103 Personen-, 17 Gepäck- und 873 Güterwaggons (darunter auch 4achsige 20-Tonner für Kohlen). Man beförderte 1917 rund 3,3 Millionen Passagiere, davon 51000 in der 1. Klasse (keine 3. Klasse).
Literatur
- Jahresberichte: Staatsspoorwegen in Nederlandsch-Indië: verslag over het jaar ...; Batavia 1887-?1938 [geringe Titelvarianten; nach 1914 üblicherweise 2 Bde. jährlich] ZDB-ID 1053347-3, ZDB-ID 753561-2. 1930-3 zusätzlich Jaarstatistieken: over het jaar ... ZDB-ID 1053344-8
- Eekhout, Reneke Adrian; Aanleg van staatsspoorwegen in Nederlandsch Borneo en Zuid-Sumatra; Leiden 1891 (E.J. Brill)
- Richter, J. F. P.; Rapport nopens den aanleg van Staatsspoorwegen in Zuid-Sumatra; Batavia 1910-1 (Dienst der Staatsspoor- en Tramwegen), 3 Bde., 12 Karten
- Spoorwegaanleg op Java: particuliere of staatsspoorwegen? Zalt-Bommel 1875 (Noman), 33 S.; Separatdruck aus: Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, 25. Jan. 1875
- Zeitschrift: Verslag betreffende het spoor- en tramwegwezen in Nederlandsch-Indië; Batavia 1.1914-16.1930 (ZDB-ID:753565-x)
- Encyclopaedie van Nederlandsch-Indië 1917-3, Einträge Spoor- en Tramwegen in Bd. IV und VII
Einzelnachweise
- ↑ Ind. Stbl., Nr. 141 (6. Apr. 1875)
Siehe auch
Weblinks
- Geschichte einiger Bahnhöfe und Strecken (engl.)
- Prospekt des Hohenzollern-Werks von Lokomotiven zum Export nach NI (1920er)
- Kereta Api Indonesia - Indonesian Railway (engl., Bahnen in Indonesien allgemein)