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Dichlormethan

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Strukturformel
Strukturformel des Dichlormethans
Allgemeines
Name Dichlormethan
Andere Namen
  • Methylenchlorid
  • Methylendichlorid
  • R30
Summenformel CH2Cl2
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit süßlichem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 75-09-2
PubChem 6344
Wikidata Q421748
Eigenschaften
Molare Masse 84,93 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,33 g·cm−3 (20 °C)[1]

Schmelzpunkt

−96,7 °C[1]

Siedepunkt

39,7 °C[2]

Dampfdruck

470 hPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

schlecht in Wasser (20 g·l−1 bei 20 °C[1])

Brechungsindex

1,4242 bei 20 °C[3]

Sicherheitshinweise
GHS-GefahrstoffkennzeichnungVorlage:CLP
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 351
P: 281​‐​308+313[1]
Treibhauspotential

8,7 (bezogen auf 100 Jahre) [4]

Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Dichlormethan (auch Methylenchlorid, DCM) ist eine organische chemische Verbindung aus der Gruppe der Chlorkohlenwasserstoffe mit der Summenformel CH2Cl2. Im Vergleich zur Stammverbindung Methan sind also zwei Wasserstoff- durch Chloratome substituiert.

Darstellung und Gewinnung

Großtechnisch wird Dichlormethan in einer radikalischen Substitution durch direkte Reaktion von Methan und Chlor oder Chlormethan bei einer Temperatur von 400–500 °C hergestellt. Bei dieser Temperatur findet eine schrittweise radikalische Substitution bis hin zu Tetrachlormethan statt:

Methan reagiert mit Chlor unter Bildung von Chlorwasserstoff zu Chlormethan, weiter zu Dichlormethan, Trichlormethan und schließlich Tetrachlormethan.

Das Ergebnis des Prozesses ist eine Mischung der vier Chlormethane, welche durch Destillation getrennt werden können.

Dichlormethan kann durch Rückflusskochen über Phosphorpentoxid (oder Phosphorpentoxid-haltigen Trocknungsmitteln) und anschließende Destillation getrocknet werden. Die Aufbewahrung von getrocknetem Dichlormethan erfolgt über Molekularsieb 3Å.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Dichlormethan ist eine farblose, nur schwer brennbare Flüssigkeit mit einem Schmelzpunkt von −96,7 °C. Der Siedepunkt bei Normaldruck liegt bei 39,8 °C. Die Verdampfungsenthalpie beträgt 28,82 kJ/mol.[5] Es riecht süßlich, ähnlich dem Chloroform. Die Mischbarkeit mit Wasser ist begrenzt. Mit steigender Temperatur sinkt die Löslichkeit von Dichlormethan in Wasser bzw. steigt die Löslichkeit von Wasser in Dichlormethan.[6]

Löslichkeiten zwischen Dichlormethan und Wasser[6]
Temperatur °C 0 9,2 17,3 26,8 35,7
Dichlormethan in Wasser in Ma-% 2,03 1,92 1,80 1,72 1,77
Wasser in Dichlormethan in Ma-% 0,082 0,106 0,135 0,186 0,218

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Dichlormethan kann entzündliche Dampf-Luft-Gemische bilden. Der Explosionsbereich liegt zwischen 13 Vol% (450 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 22 Vol% (780 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[7] Die Verbindung lässt sich allerdings nur sehr schwer entzünden. Das zeigt sich in der sehr hohen Mindestzündenergie von 9300 mJ.[8] Es konnte deshalb auch kein Flammpunkt gemessen werden. Die Zündtemperatur beträgt 605 °C.[7] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1. Die elektrische Leitfähigkeit ist mit 4,3·10−9 S·m−1 eher gering.[8]

Verwendung

Dichlormethan dient als Abbeizmittel für Lacke, Entfettungsmittel und Extraktionsmittel für Koffein sowie als Lösungsmittel für Harze, Fette, Kunststoffe und Bitumen. Außerdem wird es als Kältemittel in Kühlaggregaten eingesetzt.

Beim Herstellen von Polyurethanschäumen hat es lange Zeit das ungiftige, aber ozonabbauende Kältemittel 1,2-Dichlor-1-fluorethan (R-141) ersetzt. Aufgrund des Substitutionsgebotes werden heutzutage in Europa die meisten Polyurethanhartschäume mit Wasser oder Pentan/Cyclopentan aufgeschäumt.

In der laborchemischen Synthese ist Dichlormethan eines der gängigsten Lösungsmittel bei Reaktionen und Extraktionen und wird oft als Ersatz für das teurere und bereits an Luft und Licht zu Phosgenbildung neigende Chloroform genommen.

Im Modellbau (z. B. Architektur) wird es aufgrund seiner Fähigkeit, Acrylglas transparent und schnell zu verbinden ohne die Finger zu verkleben, häufig als Klebstoff eingesetzt. Aber auch für Polystyrol kommt es im Modellbau zur Anwendung.

In der Industrie wird Dichlormethan ebenfalls häufig dazu verwendet, Kunststoffe zu kleben. Dazu gehören eine Vielzahl thermoplastischer Kunststoffe. Hierbei wird der Kunststoff angelöst und nahtlos "verschweißt". Folgende Kunststoffe eignen sich zum Kleben mit Dichlormethan: Polystyrol, Acrylglas, Polycarbonat, Polyethylenterephthalat und Acrylnitril-Butadien-Styrol. Polypropylen und Polyethylen lassen sich nicht kleben, weil diese nicht löslich sind.

Sicherheitshinweise

Bei Aufnahme von flüssigem Dichlormethan - auch über die Haut - treten Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Appetitlosigkeit, bis hin zu narkoseähnlichen Zuständen auf. Die Dämpfe sind schwerer als Luft. Bei der Verbrennung von Dichlormethan kann das gasförmige, hochgiftige Phosgen entstehen. Für Dichlormethan besteht der Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. In Wasser gelöst schädigt es Kleinorganismen wie Daphnien.

Beim Umgang mit Dichlormethan sollte Schutzkleidung einschließlich Handschuhen getragen werden. Latex- oder Nitrilhandschuhe sind nicht ausreichend. Stattdessen sollten Handschuhe aus Viton oder Butyl verwendet werden. Butylhandschuhe sollten jedoch nur als Spritzschutz eingesetzt werden, da die Durchbruchzeit bei 8 Minuten liegt. Die Lagerung dieser Verbindung sollte in einem Temperaturbereich zwischen +15 bis +25 °C erfolgen. Dichlormethan darf keinesfalls mit metallischem Natrium oder anderen Alkalimetallen in Kontakt kommen, weil dies zu Explosionen führen kann.[1]

Rechtliche Situation

Die Verwendung von Dichlormethan in Abbeizmitteln wurde durch den Beschluss 455/2009/EG des Europäischen Parlamentes am 6. Mai 2009 für Privatpersonen sowie die gewerbliche Verwendung verboten. Ausgenommen hiervon bleibt die Industrie. Vorausgehend war diesem Schritt die Richtlinie 76/769/EWG, welche durch den Neubeschluss ersetzt, und in Anhang XVII der EGREACH-Verordnung übernommen wurde. Voraussetzung dieser Richtlinie war in Deutschland die Verabschiedung der TRGS 612 „Ersatzstoffe, Ersatzverfahren und Verwendungsbeschränkungen für dichlormethanhaltige Abbeizmittel“.

Aussagen des Beschlusses 455/2009/EG

Die Neuregelung als EU-Recht, welche in allen europäischen Staaten Anwendung findet, sieht folgende Restriktionen vor:

  • Betroffen sind Abbeizer, welche Dichlormethan in einer Menge größer/gleich 0,1 Gewichtsprozent beinhalten.
  • Verbot des erstmaligen Inverkehrbringens an Privatpersonen oder Gewerbe nach dem 6. Dezember 2010.
  • Verbot der Abgabe an Privatpersonen oder Gewerbe nach dem 6. Dezember 2011.
  • Verbot der Verwendung durch das Gewerbe ab dem 6. Juni 2012.

Hiervon ausgenommen sind Gewerbe, welche durch eine Sondergenehmigung weiterhin dichlormethanhaltige Abbeizer einsetzen dürfen. Hierfür sieht der Beschluss vor, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten Sonderregelungen treffen dürfen.

Ferner müssen seit dem 6. Dezember 2012 alle dichlormethanhaltigen Abbeizer explizit für die rein industrielle Verwendung gekennzeichnet sein.

Gründe für diesen Beschluss

Mit dem Beschluss zum Verbot dichlormethanhaltiger Abbeizer durch die Europäische Union ist ein großer Schritt in Richtung zu mehr Arbeitssicherheit gemacht worden. Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur:

  • Es gibt keinen wirksamen Atemschutz, der vor der Inhalation von Dichlormethan schützen kann. Ein wirksamer Atemschutz kann nur durch Fremdluftmasken bereitgestellt werden, welche im privaten Bereich überhaupt nicht, im Gewerbe nur in seltenen Fällen anzutreffen sind.
  • Durch den niedrigen Siedepunkt dieser Substanz werden im Bereich des Arbeitsplatzes extrem hohe Konzentrationen dieser Chemiekalie freigesetzt. Bei Messungen wurde bei schlechten Bedingungen im Freien eine fünffache, in Räumen sogar eine zehnfache Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte festgestellt.
  • Dichlormethan steht unter Verdacht, erbgutschädigend sowie krebsauslösend zu sein.
  • Seit Beginn des Einsatzes dichlormethanhaltiger Abbeizer kamen nach Angaben der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) in Europa 30 Menschen ums Leben. Dies rührt vor allem daher, da Dichlormethan im Körper zu Kohlenmonoxid abgebaut wird. Bei schlechter Belüftung droht daher der Erstickungstod.

Kritik an der neuen Gesetzgebung

Dichlormethan in Abbeizern lässt sich durch andere Chemikalien teilweise nur schlecht, oder gar nicht ersetzen. Vor allem bei alten Nitro- oder 2-Komponenten-Lacken haben heutige Abbeizer kaum Erfolg. Gerade im Bereich der Oldtimerrestauration gibt es kaum Alternativen. Auch andere Methoden zur Farbentfernung scheiden aufgrund der hervorgerufenen Beschädigungen aus.

Auch wird kritisiert, dass neben dem Abschleifen ein Entfernen durch Hitze stark gesundheitsschädliche Stoffe freisetzt.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Eintrag zu Dichlormethan in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  2. Rippen, G.: Handbuch der Umweltchemikalien. ecomed-Verlagsgesellschaft Loseblattsammlung, Stand: 1991; Landsberg/Lech, 1991
  3. Datenblatt Dichloromethane bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  4. P. Forster, P., V. Ramaswamy et al.: Changes in Atmospheric Constituents and in Radiative Forcing. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2007, S. 213, (PDF)
  5. Lide, D.R. (Editor-in Chief): CRC Handbook of Chemistry and Physics, 73rd edition; Boca Raton (1992)
  6. a b R. M. Stephenson: Mutual Solubilities: Water-Ketones, Water-Ethers, and Water-Gasoline-Alcohols in J. Chem. Eng. Data 37 (1992) 80–95, doi:10.1021/je00005a024.
  7. a b E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenndaten – Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
  8. a b Technische Regel für Betriebssicherheit – TRBS 2153, BG RCI Merkblatt T033 Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen, Stand April 2009, Jedermann-Verlag Heidelberg.