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Fusionsenergie

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Ein Deuterium- und ein Tritium-Atomkern verschmelzen zu einem Heliumkern unter Freisetzung eines schnellen Neutrons. Diese Reaktion könnte den Energiebedarf der Menschheit auf Jahrtausende hinaus decken.
Blick auf Wendelstein 7-AS, bis 2002 in Garching betriebener Forschungsreaktor nach Stellaratorkonzept
Datei:EAST比例模型.jpg
Modell des 2006 fertiggestellten Versuchsreaktor EAST in China, Beispiel eines supraleitenden Tokamak
Querschnitt durch den 2009 fertiggestellten NIF, einen Forschungsreaktor zur Laserfusion in den USA

Ein Kernfusionsreaktor oder Fusionsreaktor ist eine technische Einrichtung, in der eine kontrollierte Kernfusion abläuft.

Das Ziel, die Kernfusion zur kommerziellen Stromerzeugung zu nutzen, wird bereits seit den 1960er Jahren verfolgt, rückt aber aufgrund unerwarteter physikalischer Phänomene und technologischer Herausforderungen nur langsam näher. Fusionskraftwerke hätten gegenüber den auf der Kernspaltung basierenden Kernkraftwerken die Vorteile eines fast unerschöpflichen Brennstoffvorrats,[1] höherer Anlagensicherheit[2] und der weitgehenden Vermeidung langlebiger radioaktiver Abfälle[3].

Die Fusionsreaktionen im Kern der Sonne laufen trotz technisch unerreichbarer Dichte nur sehr langsam ab, in Milliarden von Jahren. Fusionsreaktoren verwenden daher Deuterium und Tritium als reaktionsfreudigeren Brennstoff und noch extremere Temperaturen als in der Sonne. Deuterium lässt sich preiswert und in unerschöpflicher Menge aus dem Meer gewinnen, während Tritium mit den Neutronen der Fusionsreaktion aus Lithium-6 erbrütet werden soll. Als technische Hürde erweist sich insbesondere die Belastung des Wandmaterials, sowohl thermisch als auch durch Neutronen. Aktuell im Bau befindliche, noch experimentelle Reaktoren sind ITER und Wendelstein 7-X, die mit magnetischem Einschluss nach zwei verschiedenen Verfahren arbeiten.

Technisch-physikalische Grundlagen

Bei einer Kernfusion verschmelzen Atomkerne miteinander und geben Energie in Form von Neutronenstrahlung und Bewegungsenergie des entstandenen Produktkerns ab. Zur Fusion unter technisch herstellbaren Bedingungen sind nur bestimmte leichte Nuklide geeignet. Auch in der Sonne laufen seit Jahrmilliarden Kernfusionsprozesse ab, allerdings sind die dort wirksamen Kernreaktionen – Proton-Proton-Reaktion und CNO-Zyklus – für eine technische Nutzung auf der Erde ungeeignet.

Damit es zwischen zwei Atomkernen zur Fusionsreaktion kommt, muss ihre gegenseitige elektrische Abstoßung überwunden werden. Für kernphysikalische Untersuchungen lässt sich dies durch Beschleunigung von Ionen in Teilchenbeschleunigern erreichen. Aus solchen Laborversuchen sind die Eigenschaften der für die Energiegewinnung geeigneten Kernfusionsreaktionen gut bekannt. Jedoch wird bei einem solchen Experiment insgesamt viel mehr Energie aufgewendet, als durch die Reaktion freigesetzt wird.

Der Betrieb eines zur Stromerzeugung geeigneten Kraftwerks ist auf diese Weise nicht möglich. Dort müssen die Kernreaktionen – ähnlich wie chemische Reaktionen in einer Flamme – von selbst ablaufen, d. h. ohne ständige äußere Energiezufuhr zur Beschleunigung der Atomkerne. Eine solche Energiezufuhr ist allerdings für das anfängliche Aufheizen auf die zur Fusion notwendige kinetische Energie der Atomkerne nötig. Im Gegensatz zu den Fusionsvorgängen im Sonneninneren bei etwa 15 Millionen Grad Celsius ist durch die geringeren Gravitationsverhältnisse auf der Erde eine Temperatur von etwa 150 Millionen Grad Celsius notwendig.[4] Um die Fusions-Kettenreaktion einzuleiten, wird zunächst ein Plasma hergestellt und durch Energiezufuhr von außen erhitzt. Bei ausreichend hoher Temperatur und Dichte „zündet“ dann die Reaktion von selbst. Danach dient ein Teil der bei den Verschmelzungen gewonnenen Energie zur Aufrechterhaltung der Temperatur.

Eine Energiegewinnung durch Kalte Fusion, also eine Kernverschmelzung unter Energieabgabe aber ohne die Notwendigkeit eines Plasmas mit hoher Temperatur und Dichte, wird seit Beginn der Fusionsforschung diskutiert. Da überprüfbare Ergebnisse bis heute nicht erbracht werden konnten[5], schliesst die Mehrzahl der Wissenschaftler heute eine Kernreaktion mit Energiefreisetzung auf diese Weise aus[6].

Geschichte

Grundlagenforschung

Erste theoretische Konzepte zur kontrollierten Kernfusion als Energietechnologie wurden schon während der Entwicklungsphase der Atombombe unter anderem durch Edward Teller und Enrico Fermi entwickelt. Eine der Ideen war, ein äußerst heißes Deuterium-Tritium-Plasma durch ein Magnetfeld einzuschließen. In England wurde nach dem Zweiten Weltkrieg das erste zivile Forschungsprogramm zur Nutzung der Kernfusion gestartet. George Paget Thomson und Moses Blackman entwickelten hier die Idee zum Einschluss eines ringförmigen Deuterium-Plasmas mittels Magnetfeld und dem Aufheizen mittels Hochfrequenzwellen.

Erste Stellaratoren und Tokamaks

Dieses Konzept wurde in den folgenden Jahren in zwei Varianten unabhängig voneinander in den USA und der Sowjetunion weiterentwickelt. In den USA entwickelte Lyman Spitzer den Stellarator, der ab 1951 im Rahmen von Projekt Matterhorn und Projekt Sherwood, u. a. an der Universität in Princeton erforscht wurde.[7] Der Stellarator erwies sich bald als zu kompliziert, da die komplexe Geometrie seiner Magnetfeldspulen für die Forscher ein damals unüberwindliches Hindernis darstellte. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnten die nötigen Berechnungen dank leistungsfähiger Computer durchgeführt werden, wodurch der aktuelle Bau des Test-Stellarators Wendelstein 7-X in Greifswald möglich wurde.

In der Sowjetunion wurde 1952 durch Andrej Sacharow und Igor Tamm eine andere Variante des magnetischen Einschlusses vorgestellt, der Tokamak[8]. Hier trägt ein in dem Plasma erzeugtes Magnetfeld zu dessen Einschluss bei. Dieses einfachere Design sollte zur Grundlage fast aller folgenden Fusionsexperimente werden.

Weitere Entwicklung in der EU und den USA

Alle diese ersten Versuche fanden unabhängig voneinander und unter strenger Geheimhaltung statt. Im Jahre 1956 brach der Physiker Igor Wassiljewitsch Kurtschatow, der frühere Leiter des sowjetischen Atombomben-Programms, mit einem Fachvortrag im englischen Forschungszentrum Harwell die Geheimhaltung. Auf der zweiten internationalen Atomkonferenz in Genf wurde 1958 erstmals eine Offenlegung der Ergebnisse und eine stärkere internationale Zusammenarbeit beschlossen, nicht zuletzt auf Grund der großen technologischen Schwierigkeiten, auf die die einzelnen nationalen Forschungsprogramme gestoßen waren.

In Europa wurde 1958 der Euratom-Vertrag geschlossen, den zunächst sechs europäische Länder unterzeichneten, die sich damit verpflichteten, im Bereich der Kernenergie und Kernforschung zusammenzuarbeiten. Dies führte 1973 zum Beschluss des Baus des aktuell größten Tokamaks, des Joint European Torus (JET) in Culham in Großbritannien, der 1983 in Betrieb ging. Am JET konnte am 9. November 1991 erstmals eine nennenswerte Energiemenge aus kontrollierter Kernfusion freigesetzt werden: ein Deuterium-Tritium-Plasma lieferte zwei Sekunden lang eine Leistung von 1,8 Megawatt. 1997 wurde dann eine Fusionsleistung von 16 Megawatt erreicht, wobei für die Plasmaheizung bei diesem Versuch allerdings 24 Megawatt erforderlich waren[9].

Eine positive Energiebilanz, also die Gewinnung von mehr Energie als zur Heizung des Plasmas aufgebracht werden muss, soll erstmals im zukünftigen internationalen Fusionsreaktor ITER verwirklicht werden, der aktuell (2012) im südfranzösischen Forschungszentrum Cadarache errichtet wird. Die Forschungsergebnisse aus ITER sollen wiederum den Weg ebnen für DEMO, das erste Fusionskraftwerk, das Strom erzeugen und damit die kommerzielle Nutzbarkeit der Kernfusion nachweisen soll, frühestens ab 2030[10].

Brennstoffe

Deuterium-Tritium

Am geringsten ist die Abstoßung offensichtlich zwischen Atomkernen, die nur je eine einzige Elementarladung tragen. Dies sind die Isotope des Wasserstoffs. Die Fusionsreaktion zwischen den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium:

(siehe auch Kernfusion) zeichnet sich durch einen hohen Energiegewinn und einen ausreichenden Wirkungsquerschnitt (Reaktionswahrscheinlichkeit) bei technisch erreichbaren Plasmatemperaturen aus. Ein Deuterium-Tritium-Gemisch, im Folgenden kurz „DT“, ist daher der Fusionsbrennstoff, auf dem bis jetzt die gesamte Fusionstechnologie – die zivile ebenso wie die der Kernwaffen – beruht. Die Möglichkeit zur Freisetzung großer Energiemengen durch die DT-Reaktion wird durch die Wasserstoffbombe demonstriert, in der diese Reaktion explosionsartig abläuft.

Sonstige Brennstoffe

Bestimmte andere Fusionsreaktionen und damit -brennstoffe hätten Vorteile gegenüber DT, z. B. hinsichtlich Radioaktivität und/oder hinsichtlich leichter Nutzbarmachung der gewonnenen Reaktionsenergie. Sie stellen aber – wegen kleineren Energiegewinns pro Einzelreaktion, viel höherer nötiger Plasmatemperaturen und/oder mangelnder Verfügbarkeit auf der Erde – bis auf Weiteres nur theoretisch-utopische Möglichkeiten der Energiegewinnung dar.

Deuterium-Deuterium

In den bisherigen Versuchsanlagen wird fast ausschließlich reines Deuterium als Brennstoff verwendet, denn die meisten technischen Probleme der Herstellung und Erhaltung eines Fusionsplasmas können auch damit untersucht werden. Für die DD-Fusion ist kein Erbrüten des Brennstoffs nötig, Deuterium ist nicht radioaktiv und die Abstoßung zwischen den Reaktionspartnern ist nicht größer als bei der DT-Reaktion. Zwei Reaktionskanäle sind möglich:

Für eine Kraftwerksnutzung sind die Nachteile gegenüber DT der viel kleinere Energiegewinn und der viel kleinere Wirkungsquerschnitt, was die erforderliche Einschlusszeit erhöht. Das Plasma ist durch das entstehende Tritium nicht ganz frei von Radioaktivität. Als Folgereaktionen treten im DD-Plasma zusätzlich auf:

Deuterium–Helium-3 und Helium-3–Helium-3

Der Helium-3-Kern ähnelt dem Tritiumkern; einzig die Anzahl an Neutronen und Protonen ist vertauscht. Die D-3He-Reaktion (oben als Folgereaktion der Deuterium-Deuterium-Fusion erwähnt) liefert dementsprechend einen Helium-4-Kern und ein Proton von 15 MeV Energie. Allerdings muss die höhere Abstoßung des doppelt geladenen Helium-3-Kerns überwunden werden. Die Umsetzung der kinetischen Energie des Protons in nutzbare Form wäre einfacher als beim Neutron. Gleichzeitig würden auch Deuteriumionen untereinander zu Protonen und Tritium reagieren; das Tritium kann wieder mit Deuterium reagieren, wobei ein Neutron entsteht.

In einem allein mit 3He betriebenen Fusionsreaktor gäbe es so gut wie keine Radioaktivität. Allerdings müssten für die Reaktion

noch größere Abstoßungskräfte überwunden werden. Die Vorteile wären die gleichen wie bei D-3He.

Eine grundsätzliche Schwierigkeit liegt in der Verfügbarkeit von He-3, das auf der Erde nur in geringer Menge vorhanden ist. Größere Mengen He -3 sind in Mondgestein nachgewiesen worden. Für eine mögliche Gewinnung auf dem Mond und Transport zur Erde müsste die sichere technische Machbarkeit nachgewiesen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis abgewogen werden.

Weitere denkbare Brennstoffe

Der He-4-Atomkern weist im Vergleich zu seinen Nachbarnukliden eine besonders hohe Bindungsenergie pro Nukleon auf. Deshalb sind auch andere Reaktionen leichter Nuklide, soweit sie He-4 erzeugen, als Fusions-Energiequellen denkbar.[11] Jedoch sind die erforderlichen Bedingungen für diese Reaktionen noch viel schwieriger zu erreichen, weil es sich um mehrfach geladene Atomkerne mit entsprechend stärkerer Abstoßung handelt. Ein Beispiel ist die Bor-Proton-Reaktion

,

die ebenso wie die 3He-3He-Reaktion keine Neutronen freisetzt. Für sie muss im Vergleich zur DT-Reaktion die Temperatur 10-mal höher und die Einschlusszeit 500-mal länger sein. Selbst dann ist die Leistungsdichte nur 1/2500.

D-T-Fusionsreaktoren

Grundprinzip

Für den Betrieb eines kontinuierlich laufenden Fusionsreaktors muss eine Vielzahl an technischen Schwierigkeiten überwunden werden. So ist auf diesen Gebieten noch viel Forschungsaufwand notwendig, bis ein praktisch nutzbarer und wirtschaftlich rentabler Fusionsreaktor gebaut werden kann.

Ein DT-Fusionsreaktor muss neben der Gewinnung und technischen Nutzbarmachung der Energie auch, ähnlich einem Brutreaktor, den Brennstoff Tritium aus Lithium erbrüten, da Tritium als natürliche Ressource nicht vorhanden ist. Der Reaktor ist dazu von einem Brutmantel, dem Blanket, umgeben. Tritium ist radioaktiv. Es emittiert allerdings nur eine Betastrahlung mit geringer Maximalenergie und ohne begleitende Gammastrahlung. Im Radioaktivitätsinventar eines Fusionsreaktors wird es nur einen relativ kleinen Beitrag darstellen (siehe auch Abschnitt „Umweltaspekte und Sicherheit“).

Die Nutzenergie des DT-Reaktors tritt in Form sehr schneller Neutronen auf. Die große Neutronenflussdichte und die hohe Energie der Neutronen (14,1 MeV) stellen ganz spezielle Anforderungen an die Materialien der Anlage. Metallische Werkstoffe werden nicht nur wie bei Kernspaltungsreaktoren durch Versprödung, sondern zusätzlich durch Schwellung geschädigt (aufgrund von (n,p)- und (n,alpha)-Kernreaktionen, die im Metallgefüge Gas, Wasserstoff bzw. Helium, erzeugen). Außerdem werden durch Kernreaktionen in den Materialien radioaktive Nuklide gebildet. Um möglichst wenige davon zu erzeugen, die zudem möglichst geringe Halbwertszeiten aufweisen sollten, können nur Materialien aus bestimmten Elementen verwendet werden. Das Strukturmaterial von ITER ist zwar noch ein üblicher austenitischer Chrom-Nickel-Edelstahl. Für zukünftige Kraftwerksreaktoren sind solche Stähle aber nicht brauchbar, weil aus dem Nickelanteil große Mengen des relativ langlebigen und stark gammastrahlenden Cobalt-60 entstehen würden.

Die Werkstoffentwicklung ist daher ein entscheidend wichtiger Teil der Fusions-Entwicklungsprogramme. Sie konzentriert sich auf nickelfreie, ferritisch-martensitische Stähle; daneben werden auch Legierungen auf Vanadiumbasis und das keramische Siliziumcarbid (SiC) untersucht.

Plasmaeinschluss und Lawson-Kriterium

Für eine selbsterhaltende energetische Kettenreaktion, die mehr Energie liefert, als zu ihrer Einleitung aufgewendet wurde, muss bei gegebener Temperatur des DT-Plasmas das Produkt aus der Plasmadichte und der Einschlussdauer, während der diese Dichte und Temperatur aufrechterhalten bleiben, einen bestimmten Mindestwert übersteigen (Lawson-Kriterium). Das Plasma muss dabei so eingeschlossen werden, dass es nicht mit Materie (Gefäßwand) zusammenstößt, weil es sonst sofort auskühlen würde.

Diese Bedingung kann auf zwei ganz verschiedene Arten erfüllt werden:

  • mit mäßig hoher Plasmadichte und dauerhaftem – mindestens minutenlangem – Einschluss des Plasmas durch Magnetfelder;
  • mit extrem hoher Plasmadichte und sehr kurz dauerndem Einschluss (Nanosekunden), der durch die Massenträgheit des Plasmas selbst bewirkt wird.

Die technologische Entwicklung zur zivilen Nutzung der Fusionsenergie umfasst bis heute fast nur die magnetische Einschlussmethode.

Reaktorkonzepte mit magnetischem Einschluss

In Tokamaks und Stellaratoren schließt ein torusförmiges, verdrilltes Magnetfeld das Plasma ein. Tokamaks erzeugen die Verdrillung durch Induzieren eines elektrischen Stroms in das Plasma, Stellaratoren haben stattdessen spezielle, komplizierte Formen der Magnetfeldspulen.

Der Tokamak ist das am weitesten fortgeschrittene und international mit ITER (siehe oben) verfolgte Konzept. Er hat jedoch den prinzipbedingten Nachteil, dass sein Betrieb nicht kontinuierlich, sondern nur gepulst, das heißt mit regelmäßigen kurzen Unterbrechungen, möglich ist. Deshalb wird als Alternative auch die Stellarator-Entwicklungslinie mit öffentlichen Forschungsmitteln unterstützt.

Ein Netto-Energiegewinn erfordert

  • relativ große Reaktorgefäße (vgl. ITER-Abbildung und Technische Daten), da nur in diesen genügend hohe Plasmatemperaturen erreicht und gehalten werden können,
  • den Einsatz supraleitender Magnetspulen, damit deren elektrischer Energieverbrauch gering bleibt.

Auch einige existierende Versuchsanlagen (LHD, Tore Supra) und die im Bau befindlichen Wendelstein 7-X und ITER verwenden bereits supraleitende Spulen.

Bemerkung zur Terminologie: Mit der Bezeichnung „Reaktor“ ist meist die Gesamtanlage gemeint, die schon bei den heutigen Versuchseinrichtungen aus vielen Teilen besteht: mindestens aus dem Plasmagefäß, der Magnetspulenanordnung mit Stromversorgung und ggf. einer kryotechnischen Anlage, Plasma-Heizeinrichtungen sowie Messeinrichtungen. Beim zukünftigen Fusionskraftwerk kommen noch das Blanket (Reaktormantel) mit Kühlkreislauf, eine Anlage zur Tritiumaufarbeitung, der/die Dampferzeuger und Turbinen-Generator-Sätze dazu.

Herstellen und Aufheizen des Plasmas

Um den Prozess in Gang zu bringen, müssen in das viele Kubikmeter große, fast völlig evakuierte Reaktionsgefäß einige Gramm Deuterium-Tritium-Gasgemisch eingelassen und dann von außerhalb des Reaktionsgefäßes zu einem Plasma von etwa 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Die Teilchendichte (Zahl der Teilchen pro Volumen) entspricht dann noch immer einem Hochvakuum, aber wegen der hohen Temperatur übt das Plasma einen Druck der Größenordnung 1 Bar aus, der durch das Magnetfeld gehalten werden muss.

Für das Aufheizen werden verschiedene Methoden entwickelt:

  • Elektrisches Aufheizen: Plasma ist ein elektrischer Leiter und kann mittels eines induzierten elektrischen Stromes aufgeheizt werden. Dabei wirkt das Plasma wie die Sekundärspule eines Transformators. Allerdings steigt die Leitfähigkeit des Plasmas mit steigender Temperatur, so dass der dem Strom entgegengesetzte Widerstand ab etwa 20–30 Millionen Grad bzw. 10 keV nicht mehr ausreicht, das Plasma stärker zu erwärmen.
  • Neutralteilchen-Einschuss: Beim Einschießen schneller neutraler Atome in das Plasma („neutral beam injection“, kurz NBI) bewirkt die kinetische Energie der Atome – die im Plasma sofort ionisiert werden – das Aufheizen des Plasmas.
  • Ionen-Einschuss: Ionen- oder Schwerionenstrahlen werden in das Plasma geschossen. Diese lassen sich relativ leicht erzeugen und beschleunigen und tragen eine sehr hohe Energie in das Plasma.
  • Magnetische Kompression: Das Plasma kann wie ein Gas durch schnelles („adiabatisches“) Zusammenpressen erwärmt werden. Ein Magnetfeld ist geeignet, das Plasma zusammenzupressen. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Methode ist, dass zugleich die Plasmadichte erhöht wird.
  • Elektromagnetische Wellen: Mikrowellen können die Ionen und Elektronen im Plasma auf ihren Resonanzfrequenzen anregen und somit Energie in das Plasma übertragen. Diese Methoden des Aufheizens werden „ion cyclotron resonance heating“ (ICRH), „electron cyclotron resonance heating“ (ECRH) und „lower hybrid resonance heating“ (LHRH) genannt.

Wenn die Fusionsreaktion dann als energetische Kettenreaktion abläuft, geben die gebildeten Heliumkerne ihre Energie – ein Fünftel der Energieausbeute der Kernreaktion (3,5 MeV) – durch Stöße an Deuterium- und Tritiumkerne ab und erhalten so die notwendige Plasmatemperatur aufrecht.

Entfernen von Helium und Verunreinigungen

Das Reaktionsprodukt Helium-4 sowie unvermeidlich aus dem Wandmaterial herausgeschlagene Kerne wirken als Verunreinigungen und müssen ständig aus dem Plasma entfernt werden. Alle haben höhere Ladungszahlen als die Wasserstoffisotope und werden infolgedessen magnetisch stärker abgelenkt. Zu ihrer Entfernung werden Divertoren entwickelt, die mit einem Hilfs-Magnetfeld die unerwünschten Ionen aus dem Plasma heraus auf besondere, am Rande des Torus montierte Prallplatten lenken. Dort kühlen sie ab und fangen dadurch wieder Elektronen ein, d. h. sie werden zu neutralen Atomen. Diese werden von Magnetfeldern nicht beeinflusst und können von der ständig für Hochvakuum sorgenden Absauganlage ausgeschleust werden.

Abfuhr und Nutzung der freigesetzten Energie

Von der Energieausbeute der Kernreaktion (pro Einzelreaktion 17,6 MeV) treten vier Fünftel, also 14,1 MeV, als Bewegungsenergie des erzeugten Neutrons auf. Die Neutronen werden vom Magnetfeld nicht beeinflusst, durchdringen leicht die Wand des Plasmagefäßes und gelangen damit in das Blanket, wo sie zunächst durch Stöße ihre Energie als nutzbare Wärme abgeben und danach zum Erbrüten je eines Tritiumatoms dienen sollen. Die Wärme soll – wie in anderen Kraftwerken, über Wärmetauscher Wasserdampf erzeugen der in herkömmlicher Weise Turbinen mit angekoppelten Stromgeneratoren antreibt.

Reaktoren mit Trägheitseinschluss

In einem Trägheitseinschluss-Fusionsreaktor würden, stark vereinfacht gesagt, sehr kleine Wasserstoffbomben in einem Reaktorgefäß gezündet werden. Das Problem, die nötige Zündenergie genügend schnell (innerhalb weniger Nanosekunden) in ein Zielvolumen von weniger als einem Kubikzentimeter zu bringen, lässt sich mittels Laserstrahlen oder Ionenstrahlen aus Teilchenbeschleunigern lösen. Der dadurch extrem schnell aufgeheizte Brennstoff – beispielsweise 2,5 Milligramm DT, also rund 3×1020 Atompaare – wird durch Rückstoßeffekte zu einem Plasma sehr hoher Dichte, dessen Fusionsprozess insgesamt eine Energie von 1 GJ freisetzt. Die Reaktion läuft nur so lange ab, wie der Brennstoff durch seine Massenträgheit zusammenhält (Picosekunden), aber wegen der Dichte genügt dies für einen großen Netto-Energiegewinn. In einem Reaktor dieser Art würden pro Sekunde mehrere eingeschossene DT-„Targets“ abbrennen.

Ein Versuchsreaktor nach dem Prinzip des Trägheitseinschluss wurde in den USA errichtet (National Ignition Facility), der Bau eines europäischen Projektes (Laser Mégajoule in Frankreich) soll 2012 abgeschlossen werden.[12][13] Erklärter Zweck der Versuche ist es, die eingestellten Kernwaffentests zu ersetzen. Die zu erwartenden physikalischen Grundlagenerkenntnisse würden jedoch auch einer zivilen Reaktorentwicklung nützen. Laserstrahlen werden verwendet, weil Hochleistungslaser beispielsweise schon im Rahmen des SDI-Projektes weit entwickelt worden sind. Für Reaktorkraftwerke, also Anlagen mit Netto-Energiegewinn, sind jedoch gerade Laser wegen ihrer geringen Wirkungsgrade kaum geeignet.

Liste von Versuchsanlagen

Tokamaks

Felder und Kräfte in einem Tokamak.

Im Betrieb befindliche größere Versuchsreaktoren

Im Bau

Stellaratoren

Beendete Experimente

Im Betrieb

Im Bau

Trägheitseinschluss (Laserfusion)

Andere

Neutronenbilanz bei der Deuterium-Tritium-Fusion

Pro Fusionsreaktion eines Deuterium- und Tritium-Kerns zum Helium-4-Kern entsteht jeweils ein Neutron, welches den überwiegenden Teil der Fusionsenergie aufnimmt. Zugleich wird ein Neutron benötigt, um über die folgende Kernreaktion das verbrauchte Tritium-Atom aus einem Lithium-6-Atom nachzuproduzieren:

Allerdings wird es nie gelingen, alle per Fusion erzeugten Neutronen derart zur Tritium-Gewinnung einzusetzen. Zudem zerfällt ein kleiner Teil des Tritiums radioaktiv, bevor es in der Fusionsreaktion verbraucht wird. Folglich würde ein nur mit Lithium-6 betriebener Fusionsreaktor neben der Tritium-Eigenproduktion auf einen dauerhaften Nachschub von außen angewiesen sein. Dazu wären nach dem derzeitigen Stand der Technik der Betrieb eines herkömmlichen Kernspaltungskraftwerks oder der energieaufwändige Betrieb einer intensiven Spallations-Neutronenquelle erforderlich.

Es gibt auch eine Tritium produzierende Reaktion zwischen einen Neutron und Lithium-7. Da bei dieser fast 2,5 MeV an Energie verbraucht werden, kann sie nur stattfinden, wenn hochenergetische Neutronen aus der Fusionsreaktion direkt auf Lithium-7 treffen. Dazu wurde in früheren Reaktorkonzepten vorgesehen, ein Blanket aus reinem natürlichem Lithium (das zu über 90% aus Li-7 besteht) zu verwenden:

.

Da hier ein Tritium-Atom erzeugt und zugleich wieder ein Neutron freigesetzt wird, das mit Lithium-6 ein weiteres Tritium-Atom erzeugen kann, könnten im Prinzip mit einem Teil der Neutronen je zwei Tritium-Atome erbrütet werden, und eine Eigenversorgung des Fusionsreaktors mit Tritium wäre grundsätzlich möglich.

Alternativ zur Lithium-7-Reaktion können im Blanket Beryllium oder Blei mittels ihrer (n,2n)-Kernreaktionen zur Neutronenvermehrung eingesetzt werden; alle neueren Blanketkonzepte sehen zur Erreichung eines Tritium-Brutverhältnisses (Tritium Breeding Ratio, TBR) von mehr als 1,0 eine dieser beiden Möglichkeiten vor. Die (n,2n)-Kernreaktion an Beryllium ist

.

Beide freigesetzten Neutronen können dann mit Lithium-6 reagieren.

Kommerzielle Fusionsreaktoren müssen so ausgelegt werden, dass eine leichte Tritium-Überproduktion möglich ist. Über den Anreicherungsgrad des Lithiums kann dann das Tritium-Brutverhältnis auf 1,0 ein- und nachgeregelt werden.

Pro und Contra

Tritiumgewinnung

Das für den Versuchsbetrieb von ITER benötigte Tritium – für die vorgesehene Laufzeit insgesamt einige Kilogramm – wird entweder aus Schwerwasserreaktoren als Abfallprodukt stammen[19] oder könnte aus Lithium-6 in Kernspaltungsreaktoren hergestellt werden.

Diese bisher einzigen Quellen könnten jedoch bei weitem nicht genügend Tritium für Fusionskraftwerke liefern. Der Jahresverbrauch eines Fusionskraftwerks mit 1000 MW elektrischer Leistung wird etwa 100 kg Deuterium und 150 kg Tritium betragen. Die wirtschaftlich vernünftige Gewinnung von Tritium in solchen Mengen ist nur durch die Herstellung aus Lithium nach den im Abschnitt "Neutronenbilanz" genannten Reaktionen in der Fusionsanlage selbst (siehe Blanket) mittels der ohnehin vorhandenen freien Neutronen möglich.

Die technologische Entwicklung dieser Tritiumgewinnung ist eine entscheidende Aufgabe in den Fusionstechnikprogrammen. Ob dieses Erbrüten von Tritium mit ausreichender Effizienz möglich ist, konnte bisher nicht in der Praxis untersucht werden, da es noch keinen im Dauerbetrieb arbeitenden DT-Fusionsreaktor gibt. Aber nur wenn solche Anlagen ihren Tritium-Eigenbedarf decken können und die für den Start eines solchen Prozesses benötigten großen Mengen Tritium anderweitig gewonnen werden können, ist der Aufbau einer auf Fusionsreaktoren basierenden Energieversorgung möglich. Diese Frage wird in wissenschaftlichen Veröffentlichungen diskutiert.[20] Viele Fusionsforscher sehen in diesem Punkt keine prinzipiellen Probleme.[21] Manche wissenschaftlichen Kritiker wie Michael Dittmar vom CERN bezeichnen die Selbstversorgung von Fusionsreaktoren mit Tritium angesichts bisheriger experimenteller und rechnerischer Ergebnisse jedoch als unrealistisch[22].

Verfügbarkeit der Brennstoffe

Deuterium ist zu etwa 0,015 % im natürlichen Wasserstoff enthalten und kann daher z. B. aus Meerwasser in praktisch unbegrenzter Menge gewonnen werden.

Tritium ist in der Natur fast nicht verfügbar, muss also wie oben erwähnt aus Lithium erzeugt werden. Da Lithium seltener vorkommt als Deuterium, stellt es die begrenzende Ressource dar. Die technisch nutzbaren Lithiumvorkommen reichen jedoch – vorausgesetzt, die Brut-Technik funktioniert – rechnerisch aus, um den Energiebedarf der Menschheit für einige tausend Jahre zu decken. Zum Tritiumbrüten wird nur das seltenere Isotop Lithium-6 (natürlicher Anteil 7,5%) benötigt; eine Konkurrenz mit dem Lithiumbedarf anderer Industriezweige, wo die Isotopenzusammensetzung keine Rolle spielt, ist daher kaum zu befürchten. Lithium ist demnach

  • langfristig vorhanden
  • leicht zu gewinnen
  • für den hier vorgesehenen Zweck ausreichend preiswert
  • weltweit verteilt (vergleiche jedoch Vorkommen von technisch nutzbarem Lithium).

Das zum Start eines ersten Fusionsreaktors nötige Tritium muss in Kernspaltungsreaktoren gewonnen werden. In mit Schwerwasser moderierten Reaktoren (siehe z. B. CANDU) fällt Tritium in einer Menge von rund 1 kg pro 5 GWa erzeugter elektrischer Energie als unvermeidliches Nebenprodukt an.

Machbarkeit und Kosten

Zwischen den bisherigen Kenntnissen und einem funktionierenden Prototypkraftwerk stehen noch enorme technische Probleme. Es ist nicht erwiesen, dass ein Fusionsreaktor überhaupt kommerziell nutzbare Energie liefern kann. Mit ITER soll gezeigt werden, dass die Vergrößerung des Reaktors das erhoffte bessere Verhältnis von aufgewendeter zu gewonnener Energie liefert. Die Kosten des Fusionsexperimentes ITER wurden bei Projektbeginn mit fünf Milliarden Euro angegeben. Seit Beginn des Projektes mehren sich die Anzeichen, dass weder der Zeit- noch der Kostenplan zu halten sind. ITER soll nach offiziellen Angaben frühestens im Jahr 2026 voll einsatzfähig sein. Zudem werden die Kosten des Projektes auf mindestens 15 Milliarden ansteigen.[23] Der Nachfolger von ITER, DEMO, soll frühestens um das Jahr 2030 kommerziell nutzbare Energiegewinnung demonstrieren.

Um wirtschaftlich zu sein, müssen Fusionskraftwerke nach dem aktuellen Stand der Forschung eine Mindestbaugröße aufweisen, welche etwa den heutigen neueren Kernspaltungskraftwerken entspricht oder sie leicht übersteigt (im Bereich zwischen 1000 und 2000 MW pro Block). Eine Integration solcher Anlagen in die zukünftigen, voraussichtlich sehr großen Verbundstromnetze wäre möglich. Allerdings bleibt die grundsätzliche Problematik großer Blöcke, nämlich das Erfordernis entsprechender Reserveleistung im Netz für Ausfälle und die Angreifbarkeit mit großen Auswirkungen.

Wie bei der Kernspaltungsenergie würde sich die Kernfusion wegen der komplexen Technologie nur für hoch entwickelte Länder eignen.

Das Energy research Centre of the Netherlands, eine Einrichtung, die verschiedene Arten der Energiegewinnung erforscht und bewertet, hat 1999 detailliert untersucht, welche Rolle die Fusionsenergie unter der Annahme, dass sie ab 2050 technisch bereitsteht, dann im Energiemarkt Europas spielen könnte. Wenn die Kernspaltungstechnik nicht weiter ausgebaut wird und die CO2-Emission verringert werden soll, könnten Fusionskraftwerke dann die Grundlastversorgung übernehmen. Es wurden Tokamak-Kraftwerke mit je 1 Gigawatt elektrischer Leistung betrachtet.[24] Bei Berücksichtigung typischer, in der Technik bekannter Erfahrungs-"Lernkurven" sollen bei den 1999 geschätzten Angaben die Stromkosten der zehnten Anlage dieser Art zwischen 0,06 und 0,10 Euro pro Kilowattstunde liegen, wobei Folgendes angenommen und eingerechnet wurde:

  • 75% jährliche Auslastung,
  • 30 Jahre Lebensdauer,
  • 5% jährlicher Kapitalzins.

Diese Kosten bestehen zu

  • 62% aus Investition für die Anlage,
  • 30% Austausch von Verschleißteilen (Blanketteile, Divertorplatten) während der Betriebsdauer,
  • 8% laufender Betrieb, Wartung, Brennstoff und Entsorgung.

Zu beachten sind dabei die Kostensteigerungen, die eine rein marktwirtschaftliche Finanzierung derartiger Großprojekte ohne staatliche Subventionierung unwahrscheinlich machen[25][26]. Eine Analyse der Citibank wurde mit den Worten überschrieben: "New Nuclear - The Economics Say No"[27].

Umweltaspekte und Sicherheit

Fusionskraftwerke hätten

  • im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftwerken auf Basis von Kohle, Öl oder Gas
  • im Gegensatz zu Kernspaltungsreaktoren
    • keine Reaktion, die außer Kontrolle geraten (überkritisch werden) kann, da die Zündbedingungen mit großem Aufwand aufrechterhalten werden müssen und die Energiefreisetzung schon bei kleinen Störungen abbricht;[28]
    • außer der Versorgung mit dem initialen Tritium-Vorrat keine Transporte radioaktiven Brennstoffs nötig, da die Ausgangsstoffe Lithium und Deuterium nicht radioaktiv sind;[29]
    • keine Erzeugung von radioaktivem Material aus dem Brennstoff; das im Blanket erbrütete Tritium wird in derselben Anlage laufend wieder verbraucht. Schätzungen besagen, dass der ständige Tritiumvorrat einer 1-GW-Anlage in der Größenordnung 1 kg läge. Nicht verbrauchtes Tritium zerfällt mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren zum stabilen Helium-3;
  • ähnlich wie Kernspaltungsreaktoren
    • die Neutronenaktivierung von Anlagenteilen, Kühlmitteln und Strukturmaterial. Die Aktivierung wäre mengenmäßig vor allem wegen der großen Materialmengen erheblich größer als im Spaltreaktor und würde den größten Teil des radioaktiven Inventars der Anlage ausmachen;
    • Anlagenteile, die so starker Neutronenstrahlung ausgesetzt sind, dass sie regelmäßig gewechselt und die bestrahlten Anlagenteile endgelagert werden müssen (bei herkömmlichen Kernreaktoren sind dieses insbesondere die Brennelementhüllen, in denen sich der Uran-Brennstoff befindet, und die zusammen mit dem Brennstoff getauscht werden, bei Fusionsreaktoren wären es z. B. Teile des Divertors und des Blankets).

Mit derzeitigen Strukturmaterialien (austenitischer Chrom-Nickel-Edelstähle) entstehen große Mengen des relativ langlebigen und stark gammastrahlenden Cobalt-60. Durch bisher nicht vorhandene Werkstoffentwicklungen soll dieser Nachteil beseitigt werden. Erst dann ist erreicht, dass der größte Teil der aktivierten Anlagenteile nach Ende der Nutzungsdauer eines Fusionskraftwerks nur für etwa 100 Jahre kontrolliert gelagert werden muss und sich die Problematik der Endlagerung entsprechend verringert. Mit dieser Vorgabe sollen Materialien entwickelt werden, die alle Anforderungen an Stabilität, Beständigkeit unter Neutronenbestrahlung und Vakuumdichtigkeit erfüllen.[28]

Bisher wird davon ausgegangen, dass die innerste Hülle periodisch ausgewechselt werden muss, da kein Material die hohen Neutronenflüsse eines kommerziellen Reaktors über Jahre aushält.[30] Wegen der Strahlung der aktivierten Teile müssten Reparaturen und Wartungsarbeiten nach Inbetriebnahme ferngesteuert ausgeführt werden.

Im Regelbetrieb ließe sich die Freisetzung von Radionukliden aus der Anlage – wie auch beim Kernreaktor – weitgehend reduzieren, aus physikalischen Gründen aber niemals vollständig verhindern.

DT-Fusionsreaktoren wären demnach keineswegs frei von Radioaktivitätsproblemen, aber bei guter Neutronenbilanz (d. h., die allermeisten erzeugten Neutronen werden zur Tritium-Erzeugung verbraucht und führen nicht zur Aktivierung von anderen Materialien) bezüglich Sicherheit und Umweltverträglichkeit ein Fortschritt gegenüber herkömmlichen Kernreaktoren. Wahrscheinlich ist ein Betriebszustand möglich, bei dem das mobile (also als Gas, Flüssigkeit oder niedrig siedender Feststoff vorliegende) radioaktive Inventar geringer ist als zum Beispiel bei der Katastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde. Kritiker weisen auf die in weiter Zukunft liegende Verfügbarkeit hin und geben zu bedenken, dass manche dieser Fragen erst bei einem voll entwickelten Konzept zu beantworten sind. Eine Verringerung des radioaktiven Inventars um Größenordnungen wäre erst mit anderen, heute noch utopischen Fusionsreaktionen möglich (siehe oben unter Brennstoffe).

Risiken hinsichtlich Kernwaffenverbreitung

Bereits ein paar Gramm eines Tritium-Deuterium-Gemischs können im Inneren einer Atombombe deren Energiefreisetzung und damit ihre Zerstörungskraft deutlich steigern. Die bei der Fusion zahlreich erzeugten Neutronen intensivieren die Kettenreaktion im Uran- oder Plutonium-Kernsprengstoff, dies ist als Fusions-Booster bekannt. Zwar entsteht Tritium auch als radioaktives Abfallprodukt in herkömmlichen Kernreaktoren, insbesondere in Schwerwasserreaktoren, jedoch wird es dort bisher üblicherweise nicht abgetrennt und als Reinstoff aufkonzentiert. Die Gefahr zur Proliferation geht dabei sowohl von dem Tritium selbst, als auch von dem Wissen um die Details seiner Herstellung aus.[31]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Jeffrey (siehe Literaturliste) "deuterium can be easily extracted at a very low cost", "enough [...] for 2 billion years" (S. 16), "20.000 years of inexpensive Li6 available" (S. 17)
  2. Jeffrey S. 17
  3. Stacey S. 151-154, Jeffrey, "radioactive structural material [...] storage time required [...] 100 years" (S. 17)
  4. ITER, Facts & Figures: 150 million °C, eingefügt 07.März 2012
  5. Frankfurter Allgemeine - Wissen, 23.Juli 2008: Labortricksereien - Bis die Blase platzt, eingefügt 3. April 2012
  6. Bart Simon, 2002: Undead Science.Science Studies and the After Life of Cold Fusion Ein soziologisches Fachbuch über das Phänomen der kalten Fusion, die von der Mehrheit der Forscher verworfen, von eine Minderheit aber weiter verfolgt wird, eingefügt 3.April 2012
  7. Joan Lisa Bromberg: Fusion- science, politics, and the invention of a new energy source. MIT Press, Cambridge 1982, ISBN 0-262-02180-3. S.36ff (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  8. Eckhard Rebhan: Energiehandhuch, S.524ff, ISBN 3-540-41259-X, ISBN 978-3-540-41259-5
  9. EFDA: History & Anniversaries, eingefügt 1.April 2012
  10. ITER, Webseite (engl.): On to DEMO, eingefügt 1.April 2012
  11. Stacey (s. Literaturliste) S. 1
  12. CEA: Le Laser Mégajoule, eingefügt 2.April 2012
  13. Facts&Arts: France banking on laser research, eingefügt 2.April 2012
  14. Xinhua: Nuke fusion reactor completes test, 24. März 2006
  15. Japan Atomic Energy Agency, Naka Fusion Institute, JT-60 Research Program
  16. http://www-fusion-magnetique.cea.fr/gb/cea/ts/ts.htm
  17. http://www.nfri.re.kr/english/research/kstar_operation_01.php?tab=1
  18. http://www-fusion.ciemat.es/New_fusion/en/TJII/presentacion.shtml
  19. A. Fiege: Tritium. Bericht KfK-5055, Kernforschungszentrum Karlsruhe, 1992. ISSN 0303-4003
  20. M. E. Sawan, M. Abdou: Fusion Engineering and Design, 81 (2006) 1131–1144 Physics and technology conditions for attaining tritium self-sufficiency for the DT fuel cycle
  21. S. Hermsmeyer: Improved Helium cooled pebble Bed Blanket; Forschungszentrum Karlsruhe, Wissenschaftliche Berichte, FZKA6399
  22. Michael Dittmer, The Future of Nuclear Energy: Facts and Fiction – Part IV: Energy from Breeder Reactors and from Fusion? (online)
  23. Deutschlandfunk-Meldung vom 28. Mai 2010; Online verfügbar (Abgerufen am 07. März 2011.)
  24. P. Lako et al.: "Long Term Scenarios and the Role of Fusion Power"". Bericht ECN-C-98-095, 1999; zitiert nach H. S. Bosch und A. Bradshaw, Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 11 S. 55-60
  25. Energy Bulletin, 24.Juli 2009: Boiling The Frog: Nuclear Optimism Hides True Costs Till It's Too Late, eingefügt 2.April 2012
  26. The Star, 14.Juli 2009: $26B cost killed nuclear bid, eingefügt 2.April 2012
  27. CitiBank, 9.November 2009: New Nuclear - The Economics Say No, eingefügt 2.April 2012
  28. a b ITER & Safety, ITER Organization (englisch)
  29. ITER Fusion Fuels, ITER Organization (englisch)
  30. The Oil Drum: The Future of Nuclear Energy: Facts and Fiction – Part IV: Energy from Breeder Reactors and from Fusion?
  31. Martin Kalinowski: International control of tritium for nuclear nonproliferation and disarmament. CRC Press, 2004, ISBN 978-0-415-31615-6, S. 34.