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Politisches Spektrum

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Politische Parteien und Ideen innerhalb der modernen Demokratien werden häufig vereinfachend anhand der eindimensionalen Systematik des politischen Spektrums klassifiziert. Dabei werden sie auf einer Achse platziert, deren Enden mit den einprägsamen und in ihrer eigentlichen Bedeutung weitestgehend wertneutralen Attributen links und rechts bezeichnet werden. Diese Sichtweise wird heute von den meisten politischen Parteien und auch von den meisten Medien angewandt, obwohl sie bei differenzierteren Betrachtungen - insbesondere bei politischen Randthemen - versagt und diese Unzulänglichkeit auch allgemein anerkannt wird.

Herkunft

Der Begriff der politischen Linken entstammt der Sitzordnung der Abgeordneten im französischen Parlament. Dort war der traditionell "ehrenvollere" Sitz rechts vom Parlamentspräsidenten dem Adel vorbehalten, so dass das Bürgertum, welches im Vergleich zum Adel als progressiv galt, links saß. Seitdem sitzen konservative Fraktionen meist rechts und progressive Fraktionen meist links, und auch außerhalb des Parlaments werden die beiden Attribute zur groben Klassifizierung der Parteien verwendet.

Typische Interpretationen

Der Gegensatz links-rechts steht im allgemeinen Verständnis stellvertretend für die nachfolgend beschriebenen Gegensätze.

Egalitär — Elitär

Angetrieben von der französischen Idee der Egalité schrieb sich die Linke vor allem die Gleichheit aller Menschen auf die Fahne. Insbesondere sollte der Benachteiligung oder gar Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen entgegengewirkt werden. Dies betraf zunächst hauptsächlich die weniger wohlhabenden sozialen Schichten, wurde später aber auch auf religiöse oder ethnische Minderheiten, Frauen, ältere Menschen, Behinderte, Homosexuelle und andere Bevölkerungsgruppen angewandt. Die Rechte rechtfertigte hingegen die Notwendigkeit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Ungleichbehandlung. Diese kann von sozialer Benachteiligung oder einem unterschiedlichen rechtlichen Status (z.B. Apartheid) bis hin zur gezielten staatlichen Verfolgung (z.B. Rassismus) reichen.

Diese Interpretation von links-rechts ist immer noch die populärste, obwohl gerade bei ihrer Anwendung die Unzulänglichkeit der eindimensionalen politischen Einordnung sehr deutlich wird. So kommt es zum einen bei der Etablierung links-gerichteter Systeme immer auch mehr oder weniger stark zur Bildung unterschiedlich privilegierter Schichten (z.B. thematisiert in George Orwells Animal Farm) und zum Teil auch zu Formen von Benachteiligung oder Diskriminierung (z.B. Umsiedlung und Verfolgung von Minderheiten in der Sowjetunion). Zum anderen berufen sich auch allgemein als rechts eingestufte Gruppierungen sehr oft auf egalitäre Ideen. Dabei wird die Gleichstellung innerhalb einer Gruppe und gleichzeitig die Ungleichbehandlung oder Ausgrenzung anderer Gruppen propagiert. Besonders deutlich wird dies bei dem Konzept des Nationalsozialismus und bei Vokabeln wie »Artgleichheit« oder »Volksgemeinschaft«.

Progressiv — Konservativ

In der Anfangszeit der westlichen Demokratien, insbesondere im 19. Jahrhundert, bemühten sich die Linken vor allem um die Verbesserung der Lebensbedingungen der unteren Schichten, insbesondere der Arbeiter, und um die Wahrung der Menschenrechte und damit um eine kontinuierliche Erneuerung der Gesellschaft, während die Rechten für die Wahrung des Status quo eintraten, weswegen sie dann auch die Bezeichnung »konservativ« erwarben. Wobei der Konservatismus an sich die Erhaltung und Bewahrung „alten Werten“ wie Fleiß, Gehorsam und Patriotismus darstellt. Mit den ersten demokratisch gewählten oder gewaltsam etablierten Linksregierungen befanden sich jedoch zum Teil auch die Rechten in der Rolle der Reformer und die Linken in der Rolle der Bewahrer.

Internationalistisch — Nationalistisch

Der egalitären Grundidee entsprechend verfolgte die Linke lange Zeit einen internationalistischen Ansatz, insbesondere in den sozialistischen Ländern. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die sozialistische Idee, zur Befriedigung patriotischer Emotionen in der Bevölkerung und vor allem aufgrund konkreter territorialer Machtansprüche wurden aber zunehmend auch nationalistische Ziele propagiert oder zumindest verfolgt. Besonders im Zuge der Globalisierungskritik fordern viele Linke heute, dass die Souveränität der Nationalstaaten nicht verlorengehen dürfe.

Während das rechte Lager bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts vehement eine nationalistische Politik und Ideologie verfolgte und auch immer noch propagiert, ist das bürgerliche Lager heute der Hauptmotor der Globalisierung, welche indirekt auch zum Abbau oder zumindest zur Verschiebung nationaler Schranken führt. Liberale sind von ihrem Selbstverständnis her weltoffen und befürworten die Globalisierung und den freien Handel.

Verwendung heute

Während kommunistische und sozialistische sowie gelegentlich auch sozialdemokratische und grüne Parteien und Gruppierungen sich selbst als links bezeichnen, wird der Begriff rechts von der Mehrheit der Medien derart negativ assoziiert, dass wenn überhaupt nur radikale und extreme Gruppierungen sich selbst als rechts bezeichnen und von den Medien als rechts bezeichnet werden, obwohl das bürgerlich-konservative Lager oder zumindest ein Teil davon sich per Definition auch rechts der imaginären Mitte befinden müsste.

Immer mehr setzt sich die Idee durch, es ginge bei der Politik mehr um „handwerkliches Geschick“ (politische Fähigkeiten und Erfahrungen) und „moralische Werte“ (Offenheit gegenüber dem Wähler, Mut zu Veränderungen) als um ideologische Grundsatzpositionen. Zudem betreiben einige Parteien eine mehr oder weniger offene Klientel-Politik (für bestimmte Regionen oder Einkommensschichten). Dies impliziert dann natürlich, dass die entsprechenden Parteien keine für die Gesamtbevölkerung geeignete Politik verfolgen.

Die großen „Volksparteien“ stellen sich in den westlichen Demokratien zunehmend als knapp links bzw. knapp rechts neben der Mitte befindlich dar. Eine vereinfachende Erklärung für diese Strategie kann man durch Betrachtung des Eisverkäufer-am-Strand-Problems erhalten. Die kleineren etablierten Strömungen (Grüne und Liberale) können zwar grob dem linken bzw. rechten Teil des Spektrums zugeordnet werden, es kann jedoch immer weniger aufgrund von objektiven Kriterien oder Aussagen von Vertretern dieser Parteien bestimmt werden, ob diese links oder rechts der Volksparteien anzusiedeln sind (also die Grünen bezüglich der Sozialdemokraten bzw. die Liberalen bezüglich der Konservativen). In den Medien werden die Parteien deswegen heute meist unverfänglich von links nach rechts in absteigender Reihenfolge ihres Ergebnisses bei der letzten Wahl angezeigt.

Einordnung der politischen Strömungen

Konservatismus

Das „bürgerliche“ Lager betont in der Eigendarstellung meist den konservativen (Bewahrung alter Werte) und seltener den elitären Aspekt der eigenen Politik. Gerade aus der Opposition heraus wird häufig mit egalitären Ideen geworben, zum Teil auch zur Abgrenzung von den Liberalen.

Der Begriff rechts für die eigene Position wird von den Konservativen vermieden, der Begriff links wenn überhaupt meist nur stark abwertend benutzt.

Sozialdemokratie

Viele sozialdemokratische Parteien verabschieden sich ostentativ von der Klassifizierung als linke Partei, um sich eine breitere Akzeptanz zu sichern. So warb die deutsche SPD 1998 mit dem Schlagwort der Neuen Mitte.

Liberalismus

Der Liberalismus lässt sich anhand dieser Sichtweise kaum einer bestimmten politischen Orientierung zuordnen, weil er einerseits sehr stark die rechtliche Gleichstellung propagiert, leistungsbedingte soziale Unterschiede jedoch als Anreiz für persönliches Engagement befürwortet. Oftmals wird von der Liberalen dem Gegensatz elitär-egalitär der Gegensatz liberal-regulativ entgegen gesetzt. Liberale streben sowohl in Bereichen des persönlichen als auch im Bereich des wirtschaftlichen Lebens nach der größtmöglichen Selbstbestimmung des Individuums.

Sozialisten

Die Sozialisten definieren sich mittlerweile mehr über das Attribut „links“ als über das Ziel des Sozialismus. Dies kommt deutlich in dem Namen der aus der PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) hervorgegangenen deutschen Linkspartei zum Ausdruck, ebenso wie im Namen der österreichischen Sozialistischen Linkspartei.

Grüne

Die Grünen in den westlichen Ländern entsprangen der 68er-Bewegung und galten deshalb lange Zeit als links bzw. links-liberal. Mit den zunehmenden Regierungsbeteiligungen in den 1990er Jahren haben sie sich jedoch in einigen Ländern von radikal-pazifistischen Positionen verabschiedet und in Wirtschaftsfragen neoliberalen Konzepten genähert, was diese Einstufung in Frage stellt.

In den Staaten des ehemaligen Ostblocks sind ökologische Positionen nicht notwendigerweise mit traditionell linken Positionen verknüpft. So gelten zum Beispiel die Grünen in Lettland eher als konservativ. Die Bürgerrechtler des Bündnis 90, welches 1993 mit den gesamtdeutschen Grünen fusionierte, sahen sich zwar eher links, grenzten sich aber radikal von der offensiv linken PDS ab. Einige Mitglieder vertraten sogar rechtskonservative Positionen, wie zum Beispiel Vera Lengsfeld, die später zur CDU wechselte.

Wertung der Randbereiche

Aufgrund der Vielzahl an Parteien erfolgt im deutschsprachigen Raum an den Enden des politischen Spektrums eine zusätzliche Abstufung mittels der Attribute radikal und extrem, wobei letzteres als weiter von der Mitte „entfernt“ betrachtet wird.

Hieraus ergibt sich folgende Skala:

linksextrem - linksradikal - links - Mitte - rechts - rechtsradikal - rechtsextrem

Diese muss jedoch mit Vorsicht behandelt werden. Nach dem sehr einflussreichen Ansatz von Lipset und Raab (1971) bedeutet Extremismus "Antipluralismus" bzw. die "Schließung des politischen Marktes". Hiernach ist für Lipset auch ein Extremismus der Mitte denkbar!

Siehe auch: Radikalismus und Extremismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus, Linke Politik, Grundgesetz

Alternative und ergänzende Attribute

Da das Modell des politischen Spektrums nur unzureichend ist, um die Parteienlandschaft zu beschreiben, werden zusätzliche Attribute für die Einordnung herangezogen. Dabei werden die Parteien und Strömungen allgemein oder in Bezug auf ein bestimmtes Themenfeld Ideologien und politischen Konzepten zugeordnet.

Durch weitere Zusätze wird versucht, zusätzliche Nuancen zu setzen:

  • Mit dem Zusatz "neo" wird die Renaissance bereits bestehender Strömungen bezeichnet. Meistens sind die Ableger inhaltlich flexibler oder methodisch radikaler. Die Vorsilbe hat allgemein eine negative Konnotation und wird deswegen selten bei der Selbstbezeichnung verwendet. Siehe Neoliberalismus, Neokonservativismus.
  • Mit dem Zusatz "wert" wird die Einstellung von Parteien zu Fragen von Moral und Ethik bewertet (meist wertkonservativ, seltener wertliberal).
  • Da gerade das Konzept des Liberalismus auf sehr unterschiedliche Themenfelder bezogen wird, wird besonders oft mit Zusätzen versehen (z.B. wirtschaftsliberal, rechtsliberal, linksliberal). Das Adjektiv "sozialliberal" bezeichnet allerdings keine Strömung, sondern eine Koalition aus Sozialdemokraten und Liberalen.
  • Mit dem Attribut "alternativ" haben sich Strömungen und Konzepte der Umwelt- und Friedensbewegung selbst beschrieben. Damit sollte vor allem der radikale Bruch mit dem bestehenden politischen Establishment zum Ausdruck gebracht werden. Da sich die Bewegung mit den Grünen aber mittlerweile selbst etabliert hat und das Adjektiv keine inhaltliche Abgrenzung darstellt, wird es heute kaum noch verwendet.
  • Gelegentlich werden bestimmte Parteien als "populistisch" bezeichnet, weil sie vermeintlich überwiegend mit populären Forderungen und weniger mit kohärenten Programmen um Unterstützung in der Bevölkerung kämpfen. Dies betrifft vor allem die als rechtspopulistisch bezeichnete österreichische FPÖ.
  • Das Attribut "post" dient zur Charakterisierung von Parteien anhand einer Vergangenheit, von der sie sich mehr oder weniger distanziert haben, z.B. beim Übergang von einer Diktatur zu einer Demokratie (Postkommunisten, Postfaschisten).

Kritik

Starke Vereinfachung

Ein Hauptkritikpunkt ist die extreme Vereinfachung der politischen Landschaft durch die Projektion verschiedener programmatischer Unterschiede auf eine einzige Achse. Darüber hinaus wird kritisiert, dass der Begriff Spektrum eine Kontinuität suggeriert (wie z.B. bei den Farbschattierungen des Lichtspektrums), obwohl auch ideologisch "benachbarte" politische Strömungen klare Bruchlinien aufweisen können und die einzelnen politisch-ideologischen Ausrichtungen keineswegs immer bruchlos ineinander übergehen.

Korrelation zwischen Zielen und Methoden

Die Verwendung dieser Attribute stellt indirekt eine positive Korrelation zwischen der Radikalität von Ideen (d.h. wie sehr sie vom Status Quo abweichen) und der Vehemenz, mit der sie vertreten werden (latente oder offene Gewalt gegen Andersdenkende oder den Staat), her. Obwohl diese Korrelation naturgemäß in gewissem Maße gegeben ist (die Parteien der Mitte haben in der Regel die Unterstützung von Exekutive, Justiz und Medien und bedürfen selbst keiner extremen Maßnahmen), ist sie jedoch keineswegs zwingend. So gibt es moderate Gruppierungen mit radikalen Ideen und aggressive Verfechter allgemein akzeptierter Ansichten. Diesen Umstand versuchen linke und rechte Gruppierungen in jüngster Vergangenheit durch den Begriff Mitt-Extremismus (siehe Extremismus der Mitte) zu verdeutlichen.

Alternative Modelle

Hufeisentheorie

Ein alternativer, aber ebenfalls stark vereinfachender Ansatz besteht darin, das politische "links-rechts"-Spektrum nicht als gerade, links und rechts immer weiter auseinanderlaufenden Linie, sondern als offenen Kreis zu sehen (sogenannte "Hufeisentheorie"): Durch sie soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die beiden Ränder in manchen Punkten näher sind als es der Rand zur Mitte ist. Dabei wird ignoriert, dass die Ähnlichkeiten zwischen den Rändern meist nicht in der Programmatik, sondern in der Methodik (Organisationsstrukturen, Methoden der Agitation etc.) bestehen. Dies ist bedingt durch die Radikalität der Ansichten an sich und der daraus resultierenden Stellung in der Gesellschaft.

Politisches Wertedreieck

Speziell von den Liberalen wird das sogenannte "politischen Wertedreieck" als Modell angewandt. Hier gibt es nicht wie beim linearen Spektrum ein links und rechts, sondern ein Dreieck mit folgenden Werten als Eckpunkte:

  • Sicherung/Konservatismus - Bewährtes bewahren, Sicherung des Status Quo
  • Gleichheit/Sozialismus - auf Ausgleich innerhalb der Gesellschaft setzen
  • Freiheit/Liberalismus - mögliche Chancen nutzen und persönliche Freiheiten stärken

Vorteil dieses Models liegt darin, dass man die Parteien innerhalb dieses Dreiecks genauer platzieren kann. Das Extreme ist hierbei nicht nur auf die drei Spitzen beschränkt sondern auch auf den gesamten Rand der drei Dreiecksseiten.


Sitzordnung in einigen Parlamenten

Deutscher Bundestag

Beim Deutschen Bundestag wird die Sitzordnung vom Vor-Ältestenrat auf der Basis von Vorschlägen der Bundestagsverwaltung festgelegt. Der Vor-Ältestenrat besteht aus dem noch amtierenden Bundestagspräsidenten und den parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen des scheidenden Bundestages und Vertretern aller Fraktionen des neuen Bundestages.

Bei der Sitzordnung orientiert man sich traditionell am politischen Spektrum. Es wird aber auch versucht, die Regierungsparteien nebeneinander sitzen zu lassen. Deswegen wird die Sitzordnung erst nach den Koalitionsverhandlungen festgelegt.

Sitzordnung des Deutschen Bundestages seit der Wiedervereinigung:

Die Linkspartei.1 - SPD - Bündnis 90/Die Grünen2 - CDU/CSU - FDP


1

2

Nationalrat (Österreich)

SPÖ - Grüne - FPÖ - ÖVP

Nationalrat (Schweiz)

SPS - GPS (vorn) / CVP (hinten) - EVP/CVP - FDP (hinten) - SVP

Abbildung