Gesangspädagogik
Die Gesangspädagogik beschäftigt sich mit dem Aufbau einer für den musikalischen Gebrauch geeigneten Gesangstechnik und einer aussagekräftigen künstlerischen Interpretation.
Gesangsunterricht wird an Musikschulen, an Musikhochschulen sowie im Privatunterricht gegeben und läuft generell im Einzelunterricht ab. Über das "Jedem Kind seine Stimme"-Programm (JEKISS) wird Gesangsunterricht an Schulen vermehrt auch als Unterricht in Kleingruppen erteilt. Für Chöre besteht die Möglichkeit der chorischen Stimmbildung.
Geschichte
Antike
Die ersten Spuren einer Gesangsschule lassen sich im antiken Griechenland festmachen. Der Bedarf für eine spezialisierte Schule wurde durch die immer virtuoseren Stücke der Theater eingefordert. Euripides, Phrygis von Mitylene und Timotheus von Milet ließen solistische Stücke entstehen, die sich u.a. durch schnelle und hohe Koloraturen auszeichneten. In Athen entstand um 500 v. Chr. der dionysische Verein, der Schauspieler, Sänger und Musiker mit einer Ausbildung versah. Er verbreitete sich rasch über ganz Griechenland und seine Kolonien bis hin nach Rom. Hadrian schloss dort einen Weltbund der dionysischen Gilden.
Mittelalter


Im Mittelalter gründete Papst Sylvester eine Gesangschule in Rom, die sich mit dem liturgischen Kirchengesang befasste. Der Überlieferung nach soll Papst Gregor die Schola cantorum gegründet haben. Musikalisch begabte Waisenknaben fanden hier Ausbildung und Unterkunft.
Der kirchengesangliche Unterricht eines Schülers erstreckte sich im Regelfall auf vier Jahre. Schriftliche Dokumente wie Noten oder andere Anleitungen wurden nicht verwendet, Melodien und Gesangstechnik mündlich überliefert. Dabei wurde auf den Schönklang der Stimme besonderer Wert gelegt. Das galt insbesondere für den Vorsänger, der die Responsorien anführte. Papst Gregor erneuerte die Liturgie dahingehend, dass ein Sänger auf Improvisationen und Verzierungen verzichten sollte. Ferner förderte er den einheitlichen Chorklang mit der Bemerkung, ein Sänger dürfe nicht zu schnell oder zu langsam im Chor singen. Durch die ersten Notizen Papst Gregors entstanden die Neumen.
Fertig ausgebildete Schüler zogen von Rom in andere Städte Europas und gründeten dort eigene Sängerschulen. Bis zu hundert Knaben waren nicht unüblich in einem Gottesdienst. Mit der Erfindung der Notenschrift von Guido von Arezzo wurden die Sänger aus Rom entbehrlicher, und jedes Kloster führte ein Exemplar des Antiphons. Auch die Knaben wurden nach dem System der Guidonischen Hand und der Solmisation unterrichtet.
Musikalisch neu war die aufkommende Mehrstimmigkeit oder Polyphonie, durch welche erstmals verschiedene Stimmen und Texte gegeneinander gesetzt wurden. Hieronymus von Moravia schreibt:
„Die verschiedenen Singstimmen sollen im Kirchengesang nicht vermischt werden, weder die Brust- mit der Kopfstimme noch die Kehl- mit der Kopfstimme. Meistens sind tiefe Stimmen, also Bässe, Bruststimmen, hohe Stimmen Kopfstimmen, die dazwischenliegenden Stimmen Kehlstimmen. Sie sollen im Kirchengesang nicht vermischt werden, sondern getrennt für sich bleiben.“
Auf der weltlichen Seite bildeten die bisher frei umherziehenden Sänger und Troubadours eigene Sängervereinigungen, in denen die Künstler des Minnesangs untereinander Wettveranstaltungen abhielten. Vom 13. Jahrhundert an wurde der Minnesang durch bürgerliche Meistersinger weitergeführt. Zuerst als Vaganten frei umherziehend, bildeten sie bald eigene Schulen in Augsburg, Mainz, Nürnberg und weiteren deutschen Städten. Oft bildeten biblische Texte die Grundlage ihrer bevorzugten Lieder. Die Tradition der Meistersinger starb Ende des 16. Jahrhunderts aus.
Renaissance
Die gesteigerten Anforderungen des polyphonen Kirchengesangs ließen Bedarf nach einer allgemeinen Gesangsschule aufkommen. Um 1500 entstand in Neapel eine der ersten italienischen Schulen, der bald darauf weitere folgen sollten. Leonardo da Vinci stellte Überlegungen zur Tonerzeugung im Kehlkopf an. Durch seine Initiative fand man bald die Bedeutung der Stimmlippen und der Glottis heraus. 1562 veröffentlichte Camillo Maffei die erste Schrift über die Physiologie des Gesangs unter dem Titel Discorso della voce. Körperhaltung, Atemführung und Tongebung werden behandelt, Zunge und Mundöffnung erwähnt. Er empfiehlt, den Stimmklang mit Hilfe des Echos zu überprüfen und verfasst auch Koloraturübungen. Hier sind die Grundzüge der heute noch gültigen Gesangsausbildung zu finden.
Durch das Verbot der Frauenstimme in der Kirche war der Kirchengesang ausschließlich Knaben und Männern vorbehalten. Die klaren, hohen Knabenstimmen verloren naturgemäß in der Pubertät bedeutend an Höhe und Klarheit. Falsettisten konnten die volle Höhe eines Knabensoprans nicht erreichen. Ein Ersatz wurde durch die Kastraten geschaffen, die in den folgenden Jahrhunderten erstaunliche gesangliche Leistungen zu vollbringen imstande waren. Der Umfang und die Beweglichkeit der Knabenstimme blieb erhalten, dazu kam die Kraft des ausgewachsenen Körpers des Erwachsenen. Im 17. Jahrhundert sangen sie zumeist in der Kirchenmusik, bei Messen, Motetten und Madrigalen. Später sollten sie die begehrtesten Virtuosen der Oper werden.
Barock
Die italienischen Gesangsschulen des 16. Jahrhunderts wurden ähnlich der mittelalterlichen Schola cantorum zu Konservatorien für musikalische Waisen umgewandelt. Die Lehrer waren zumeist Kirchenkapellmeister, Sänger und Komponisten. Pier Francesco Tosi verfasste mit seinen Opinioni de' cantori antichi e moderni ein Werk, das erstmals die Grundsätze des italienischen Belcanto erläuterte. Giambattista Mancini schloss sich ihm mit seinen Pensieri e reflessioni sopra il canto figurato an. Die hohe Schule des altitalienischen Gesangs bescherte dem Sänger eine kaum enden wollende Atemdauer, große Agilität, gut geführtes Legato, einwandfreie Aussprache und einen gleichen Stimmklang in allen Registern. Gute Kastraten waren die Glanzpunkte der Opernaufführungen und wurden bald zu Publikumsmagneten.
Während sich die italienische Schule des Belcanto bald in ganz Europa verbreitete und die Schriften Tosis und Caccinis übersetzt oder zur Grundlage neuerer Werke herangezogen wurden, begann das inzwischen überzüchtete Virtuosentum der Kastraten den Zuhörern nach und nach zu missfallen. Ein Zitat von Tosi belegt dies:
„Die neue Mode verlangt, dass der Sänger bereit ist, bei jeder Gelegenheit in Schluchzen und Weinen auszubrechen. Weiter sagt er, dass die Sänger mit ihrem allzu vielen Coloriren die im Gesang vorgeschriebenen Limites überschreiten und denselben dermaßen verderben und verdunkeln, dass man nicht weiß, was sie singen, auch weder den Text noch die Noten verstehen kann.“
Christoph Willibald Gluck setzte mit seiner Opernreform wieder die Musik in den Mittelpunkt der Oper. Er führte damit auch die orchesterbegleiteten Rezitative ein und verhalf dem Werk so zu einer neuen dramatischen Intensität.
Das 18. und 19. Jahrhundert
Das orchesterbegleitete Rezitativ verlangte von den Sopranistinnen und Tenören, welche die Stelle der Kastraten einnahmen, wieder ein Umdenken. Transpositionen in eine bequemere Lage waren nicht mehr möglich, die Partien, die ursprünglich für Kastraten geschrieben worden waren, wurden durch ungleiche biologische Gegebenheiten unsingbar. Neu war ebenfalls, dass die Stimme über das Orchester hinweg tragen können musste. Für die Tenöre bestand nun das Ziel darin, laute und hohe Töne treffen und halten zu können. Der Tenor Duprez erreichte sein hohes c mit der Bruststimme und verlieh ihm damit ungemeine Strahlkraft. Er galt fortan als Vorbild für seine Nacheiferer. In dieser Zeit finden durch die verschiedensten neuen Anforderungen und Möglichkeiten die ersten Kategorisierungen der Stimmen statt, die heute das deutsche System der international verbreiteten Stimmfächer bilden.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin wurden die Anforderungen hinsichtlich der dramatischen Ausdruckskraft der Stimme vor allem in der Höhe immer größer.
Wagner und die Folgen


Richard Wagner brauchte für seinen neuen Typus des Musikdramas Sänger, die nicht unbedingt in der Höhe, dafür aber in der Ausdauer enorm strapazierfähig sein sollten. Teilweise müssen die Solisten durchgehend über eine halbe Stunde hinweg so singen, dass sie auch noch über das deutlich größere romantische Orchester hörbar sind. Hinzu kommen die extremen emotionalen Wechselbäder, die eine authentische Darstellung der Figur heute erfordern. Eine gesamte Oper kann drei bis fünf Stunden am Stück dauern. Viele Sänger haben durch diese enormen Anforderungen ihre Stimme geschädigt. Nur wenige Solisten wie Birgit Nilsson, Anja Silja und Martha Mödl bringen die Belastbarkeit und Elastizität mit, Wagnerpartien unbeschadet über lange Jahre singen zu können.
Julius Hey erfand zu dieser Zeit seine Sprechlehre, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat.
Manuel Patricio Rodríguez García war einer der bedeutendsten Gesangspädagogen. Er setzte als erster einen Kehlkopfspiegel ein, mit dem man einen Blick in das Innere der Kehle zu werfen vermochte. Dies führte zu einem wesentlich besseren Verständnis der Funktion der Stimmlippen, aber auch zusammen mit einer eher unklaren Terminologie (die er in späteren Jahren korrigierte) zu einigen Missverständnissen. Seine Schüler Julius Stockhausen, Johannes Messchaert sowie Salvatore Marchesi und Mathilde Marchesi gaben seine Lehre weiter.
20. Jahrhundert
Franziska Martienssen-Lohmann, eine Schülerin Messchaerts, unterrichtet in Dresden mit ihrem Schüler und späteren Ehemann Paul Lohmann klassischen Gesang. Sie verfasst Aufsätze, Bücher ("Der wissende Sänger") und fördert den sängerischen Nachwuchs in Deutschland und Skandinavien mit ihren eigenen Meisterkursen. Martienssen-Lohmanns Schriften gelten bis heute als eine wichtige Grundlage der Gesangspädagogik.
Im Zeitalter der Neuen Musik wird die souveräne Beherrschung des Stimmapparates mehr denn je vorausgesetzt. Der Klang der Stimme an sich wird genauso erforscht wie der Klang der Instrumente. Zum eigentlichen Singen treten nun Geräusche und lautmalerische Äußerungen, Sprechen, Rufen, Zischen, Hauchen, Murmeln, Weinen, Schreien und Lachen. Daneben sind ungewöhnliche Intervalle genau zu treffen, was ein sehr gut ausgebildetes Tongedächtnis bzw. intonationssicheres Gehör verlangt. Darüber hinaus muss sich der Sänger ggf. mit der Notation der Werke auseinandersetzen und herausfinden, welche Intentionen den Zeichen zugrunde liegen, wo improvisatorische Freiheiten vorhanden sind, welche Rolle die Worte in einem Werk spielen, ob sie verständlich sein sollen oder als Vehikel für Klangsilben behandelt werden - jedes Werk hat seine spezifischen Anforderungen, mit denen sich der Sänger intensiv auseinandersetzen muss.
Gesangspädagogik in Jazz, Pop und Rock
Im Gegensatz zu der traditionsreichen Schule des klassischen Gesangs kann der Popgesang nicht auf einen derart großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Da das wesentliche Element im Jazz-Rock-Pop-Bereich die Unverwechselbarkeit der Stimme ist, ist die Ausbildung von Sängern in diesem Bereich anders gestaltet und stärker auf Individualität aufbauend angelegt. Eine grundlegende Technik für diesen Bereich ist das Belten, bei dem die Bruststimmfunktion als Grundfarbe der Stimme ausgebaut und in die Höhe getrieben wird.
Für eine gesunde Stimmtechnik bleibt dennoch eine grundsätzliche Stimmschulung unabdingbare Voraussetzung für eine langlebige und tragfähige Stimme. Besonders zum Tragen kommen diese Elemente im Bereich von Soul und für bestimmte Formen des Popgesangs. Whitney Houston und Christina Aguilera demonstrieren dieses Können vor allem mit reichen Koloraturen, Dame Shirley Bassey und Tina Turner mit langgezogenen Melodien. Auch Barbra Streisand, die ihre Karriere als Musicalsängerin begann, konnte von Anfang an mit einer profunden Stimmtechnik aufwarten, die ihr Jazz, Musical und Klassik gleichermaßen zugänglich machten.
Weiterhin wird in der Jazzausbildung dem Scatgesang und der Improvisation besonderes Gewicht zugesprochen.
Keine eigenen Schulen gibt es für die Stilistiken Jodeln, Hip-Hop, Rock und Metal. Gerade im Metalgesang werden durch ständiges lautes Schreien, Shouten, Rufen sowie die in dieser Musik erwünschten Effekte des Growlens die Stimmlippen stark in Mitleidenschaft gezogen, was bei andauernder Ignoranz zu starker Beeinträchtigung bis zur Funktionsunfähigkeit führen kann. Auch in der Jodelszene sind Stimmschäden verbreitet, da der charakteristische Bruch zwischen den Registern, der den typischen Eigenklang des Jodelns erzeugt, oft in einer zu hohen Tonart ausgeführt wird und damit die Gefahr besteht, dass die Bruststimmfunktion ohne schützende Rand- oder Kopfstimmfunktion in ein zu hohes Register geführt wird.
Stimmbildung

Voraussetzungen
Grundvoraussetzung für eine Gesangsausbildung ist eine gesunde und belastbare Stimme sowie ein funktionstüchtiges Gehör. An einigen Hochschulen wird deshalb heute noch ein positives phoniatrisches Gutachten vor Beginn einer Ausbildung gefordert. Sind bereits Stimmschäden vorhanden, ist es möglich, diese durch einen mit Sängern erfahrenen Phoniater oder Logopäden behandeln zu lassen, da meistens auch die Sprechstimme beeinträchtigt ist. In einer Bestandsaufnahme wird festgestellt, ob übermäßige Belastungen oder Schäden an der Stimme aufgetreten sind und welche Maßnahmen zu einer Verbesserung helfen können. Das kann von absoluter Stimmruhe über eine bestimmte medikamentöse Unterstützung bis hin zum operativen Eingriff bei schweren Fällen reichen (Stimmknötchen). In seltenen Fällen sind auch Gesangslehrer dazu fähig, falsche Angewohnheiten im Singen (Überdruck, Tremolo, Heiserkeit durch falsche Muskelspannung etc.) und schwerer wiegende Stimmschäden durch entsprechende Übungen teilweise oder auch ganz zu korrigieren und zu einer gesünderen Stimmgebung beizutragen.
Haltung
Die ökonomischste Haltung im klassischen Singen ist der gerade Stand. Beide Füße stehen schulterbreit auf der Erde, die Kniegelenke sind weich und nicht durchgedrückt, das Becken ist leicht nach vorn gekippt, um der Haltung des Hohlkreuzes entgegenzuwirken, das Brustbein ist leicht gehoben und der Brustkorb offen. Die Arme hängen locker seitlich herab, die Schultern fallen locker nach hinten und unten. Der Kopf blickt geradeaus und ist über dem Körpermittelpunkt ausgerichtet. Diese Haltung wird bis heute traditionell im Konzert verwendet. Varianten sind die Stellung im Standbein und Spielbein oder eine veränderte Armhaltung durch das Halten von Noten. Einzelne Gesten und Bühnenaktionen können als Mittel der Auflockerung eingesetzt werden. Beim Singen mit szenischem Bühnengeschehen orientiert sich die Haltung auf der Bühne primär an den Forderungen der Regie, im Musical ggf. auch an der Choreographie. Im Rock- und Popgesang sind ausdrucksstärkere Gesten und Bewegungen auf der Bühne üblich.
Chorproben finden auch häufig im Sitzen statt. Hier ist eine gerade Haltung der Wirbelsäule mit der Aufrichtung über den Sitzhöckern wichtig, um den Stimmklang ebenso wie im stehenden Singen nutzen zu können.
Für die Verbesserung der allgemeinen Haltung, wie sie auch im Alltag praktiziert wird, sind Übungen aus dem Yoga, Alexandertechnik, Feldenkrais, Kieser-Training und anderen Körperschulen hilfreich. Die allgemeine Haltung wird durch Erbanlage, Alter, Kräftevorrat, Körpergröße und seelische Verfassung wesentlich beeinflusst. Freude richtet auf, Kummer beugt. Für szenische Darstellungen kann es notwendig sein, die sängerische Haltung an die Rolle anzupassen, doch Grenzen der Regie sind erreicht, wenn exponierte Töne an der Grenze des Tonhöhenumfanges im forte mit tief gebeugter Haltung oder Bauchlage gesungen werden sollen. Wenn eine extreme Haltung über lange Zeit forciert eingenommen wird, besteht auch das Risiko von Stimmschäden.[1]
Atmung


Die Einatmung beim Singen erfolgt meist über den Mund, seltener auch über die Nase. Bei der Einatmung gelangt mit Sauerstoff gefüllte Luft durch die Luftröhre in die Lungenflügel, die sich daraufhin weitet und über das Zwerchfell die Bauchorgane nach unten drückt: Der Bauch wölbt sich nach außen. Der Körper tauscht Sauerstoff in seinen Zellen gegen Kohlendioxid aus. Bei der Ausatmung wird dieses Kohlendioxid wieder an die Lungenbläschen weitergegeben, die die verbrauchte Luft wieder an die Umwelt abgeben: Der Bauch entspannt sich, das Zwerchfell bewegt sich wieder nach oben, die Bauchdecke nach innen (Atmung). Zur Kontrolle der Bauchatmung kann eine Hand auf die Bauchdecke gelegt werden. Die Bauchatmung beruhigt das Nervensystem und hat allgemein entspannende Wirkung. Der Umkehrschluss, dass viel Luft auch automatisch viel Klang erzeugt, ist falsch. Vielmehr wird der richtige Atemdruck in Balance zum richtigen Widerstand der Stimmlippen beim Gesangsunterricht trainiert. Dabei spielt die gerade Bauchmuskulatur unterhalb des Bauchnabels eine wichtige Rolle.
Ist die Bauchatmung etabliert, werden als zusätzliche Bereiche die Zwischenrippenmuskeln für die Brustatmung (Kostalatmung) hinzugezogen. Man spricht auch von der Kosto-abdominalen Atmung oder Tiefatmung. Niemals ist die Atmung mit einem Schieben, Pressen, Drücken oder Stemmen verbunden, die Muskulatur bleibt flexibel und beweglich. Die Zwischenrippenmuskeln halten den Brustkorb so lange es geht in einer weit geöffneten, einatmenden Position. Die Schultern bleiben dabei locker und entspannt, um den Halsbereich zu entlasten.
In einem fortgeschrittenen Stadium werden auch die geraden Rückenmuskeln heran gezogen, um die Atmung zu unterstützen. Ungünstig für das Singen ist die Hochatmung, die Brust- und Schulteratmung kombiniert, da die Halsmuskulatur unnötig angespannt wird und wenig Luft für das Singen bereit gestellt werden kann.
Während der Einatmung findet eine körperlich-mentale Vorbereitung auf den zu singenden Ton oder die Melodie statt. Die Stellung des Kehlkopfes, die Formung der Ansatzräume, Mund- und Lippenöffnung werden ebenso berücksichtigt wie der angestrebte künstlerische Ausdruck.
Phonation

Die Haltung und Atmung dienen nur als Voraussetzung zur Klanggebung, der Phonation. Die entweichende Luft wird von den Stimmlippen aufgehalten, die innerhalb des Kehlkopfes liegen. Bei der Atmung öffnen sie sich, bei der Stimmgebung schließen sie sich und lassen durch den so entstehenden Widerstand einen Ton entstehen. Dieser sog. Primärton wird durch den weichen Gaumen, die Zunge, Zähne und Lippen ebenso wie durch die Nasenhöhle variiert. Biologische Voraussetzungen des Körpers spielen dabei eine entscheidende Rolle für die Art des Klangs (z. B. Frauen-, Männer- Kinderstimme).
Die Stimmlippen schwingen während des Singens mit hoher Geschwindigkeit und berühren sich dabei. So entsteht für das Ohr ein gleichmäßig gesungener Ton.
Stimmeinsatz
Der weiche Stimmeinsatz ohne Glottisschlag gilt als Ideal des klassischen Singens. Er schützt die Stimmbänder vor unnötiger Überlastung.
Registerausgleich
Ein wichtiges Ziel ist die Erweiterung des Stimmumfangs und der Registerausgleich. Der deutlichste Unterschied zwischen einer geschulten und einer ungeschulten Stimme besteht neben dem veränderten Stimmklang im erweiterten Stimmumfang. Ein Umfang von mehr als zwei Oktaven sind für Berufssänger normal. Dabei soll die Stimme möglichst gleichmäßig und unmerklich ohne Brüche von der Tiefe in die Höhe übergehen. Der klassische Gesang sieht hierfür als Ideal das Einregister vor. Dabei wird die Kopfstimme in möglichst alle Bereiche der Stimme hineingemischt. Im Gegensatz dazu steht die Gesangskultur des Belting, die von der Bruststimme ausgeht und einen möglichst großen Bereich der Stimme in dieser Klangfarbe hält.
Resonanzen
Einige Bereiche des menschlichen Knochengerüstes werden durch die beim Singen erzeugten Schwingungen zum resonieren gebracht.
Artikulation
Erforderlich ist eine lockere Hals- und Kiefermuskulatur. Die Hals- Nacken- und Kiefermuskulatur beeinflusst den an Muskelsträngen aufgehängten Kehlkopf direkt. Ohne lockere Halsmuskulatur kommt es leicht zu Heiserkeit. Die Muskeln sollen frei von Spannungen, beweglich und flexibel im Kiefergelenk sein.
Die Textverständlichkeit stellt Sänger immer wieder vor Probleme. Für eine plastische Artikulation werden Übungen zur Beweglichkeit von Kiefer, Zunge und Lippen verwendet. Konsonanten lassen sich auf verschiedene Weise zur Stimmbildung nutzen.
Legato
Unter Legato versteht man die Verbindung von zwei Tönen. Der erste Ton soll nahtlos in den zweiten übergehen. Im späteren Gesangsunterricht ist Arbeit am Legato auch immer Arbeit an der Phrasierung eines Musikstücks.
Beweglichkeit
Leichte, gestützte und flüssige Koloraturen mit klaren Tonfolgen sind ebenso ein Ziel der Gesangsausbildung. Zahlreiche Übungsbände mit untextierten Solfeggien("Kunst der Kehlfertigkeit", Lütgen, oder "Lecons de chant", Concone) sollten die Koloraturfähigkeit der Stimme erweitern. Heute geschieht dies zumeist in der Arbeit an entsprechend ausgewählter Literatur. In sehr schnellen Bewegungen des Kehlkopfes werden auch Triller als selbstverständlicher Teil von Koloraturpartien eingesetzt.
Dynamik
Die Erweiterung des dynamischen Spielraums wird in einem fortgeschrittenen Teil der Ausbildung angestrebt. Ein gestütztes, tragfähiges piano zu erreichen, ist dabei eine Grundvoraussetzung für einen gesunden Klang im forte. Übungen, die crescendo und decrescendo beinhalten oder dieses im messa di voce verbinden, sind als Vorübungen für entsprechende Stellen in der Literatur zu betrachten.
Vokalausgleich
Alle Vokale werden im Singen auf die Produktion eines schönen Klanges optimiert, ohne die Textverständlichkeit aufzugeben. Für einen einheitlichen Stimmklang durch alle Vokale hinweg werden Übungen zum Vokalausgleich angeboten. Bei bestimmten Tonhöhen vor allem der Sopranstimme ist eine größere Öffnung des Kiefer- und Rachenraumes nötig, um den geforderten Ton frei singen zu können. Die Artikulation verlagert sich dabei automatisch in Richtung des a-Lautes, ab dem dreigestrichenen c sind gar keine anderen Vokale mehr artikulierbar.
Stimmsitz
Der richtige Stimmsitz ist wichtig, um Vokale klar und deutlich in den Raum projizieren zu können. Er ist für die Tragfähigkeit der Stimme zuständig.
Relativität der Methoden
Im geschichtlichen Verlauf der Gesangspädagogik sind verschiedenste Methoden zur Gesangsausbildung entstanden. Jede Methode setzt eigene Schwerpunkte und wendet verschiedene Wege an, um die beschriebenen Ziele zu erreichen. Die Anwendbarkeit verschiedener Modelle ist von der individuellen Disposition des Sängers, seinem Leistungsstand, dem Alter, der Einstellung zum Singen und anderen Faktoren abhängig. Eine allgemeingültige Methode zur Erreichung der perfekten Stimme gibt es daher nicht.
Als Funktionale Stimmbildung wird die Richtung der Gesangsbildung von Cornelius L. Reid bezeichnet, die ihre Schüler über die physischen Zusammenhänge der Stimme und des Körpers aufklärt. Die Stimmbildner gehen von den biologischen Gegebenheiten der Stimme aus, um deren Entwicklung zu fördern. Die zwei Hauptrichtungen der funktionalen Stimmbildung sind das Lichtenberger Institut und das Rabine-Institut. Andere Richtungen der Stimmbildung wenden sich gegen diese Methode. Sie plädieren für die Aktivierung von bildlichen Vorstellungen, die Veränderungen bewirken sollen (z.B. Bilder wie „an einer Blume riechen“, „über das Wasser laufen“), ohne den Sänger mit anatomischen Erklärungen zu belasten.
Von Romeo Alavi Kia und Renate Schulze-Schindler wurde die Terlusollogie als Unterrichtsmethode im Gesang mit Unterscheidung und Berücksichtigung verschiedenen Atemtypen entwickelt. Nach dieser Theorie gibt es verschiedene Typen, und zwar Rippen- und Zwerchfell-Flankenatmung-dominiertes Atemverhalten, die nach einer vorher normierten Tabelle nach dem Geburtsdatum als „Ein- und Ausatmer“ bezeichnet werden. Für jeden Typus sind Fragen der präferierten Ein- oder Ausatmung, von Pausen, Körperhaltung u.a. anders zu beantworten. Kritik erfährt die Terlusollogie vor allem von Gesangspädagogen mit physiologisch fundierter Ausrichtung.
Chorische Stimmbildung
Die chorische Stimmbildung ist im Sinne der Stimmbildung ein Sonderfall. Auf der einen Seite sind hier auch idealerweise alle Regeln und Ziele der hier beschriebenen individuellen Stimmbildung zu beachten - auf der anderen Seite steht diesem ein gänzlich anderes Ziel – nämlich die klangliche Einheit eines Chores – gegenüber. Chorische Stimmbildung fließt mit in die Chorarbeit ein (z. B. durch ein regelmäßiges Einsingen vor der Probe von Laienchören), kann aber auch durch Fachkräfte gegeben werden.
Technische Hilfsmittel
Das erste Hilfsmittel in der Gesangsausbildung war vermutlich ein Spiegel, auf dem der Schüler sich selbst und seine Körperbewegungen nachvollziehen und danach korrigieren konnte. Er wird bis heute in der Ausbildung verwendet und bietet vor allem in Fragen der Körperhaltung (Ganzkörperspiegel) und des Ausdrucks Hilfestellungen. Vor Konzerten ist ein Spiegel für Sänger unerlässlich, um einen auch optisch korrekten und ästhetischen Eindruck für die Zuschauer zu hinterlassen. Vor szenischen Aufführungen wird die Maske von einem Maskenbildner oder auch eigenhändig vor einem Spiegel aufgetragen. Sie verstärkt und ergänzt die Wirkung des Kostüms einer Rolle.
Eine ähnliche Wirkung wie Spiegel können teilweise auch Bild- und Tonaufnahmen von einer Aufführung haben. Sie dokumentieren im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten das Bühnengeschehen oder, in kleinerem Format, den momentanen Ausbildungsstand.
In einem neu formulierten Ansatz zur sängerischen Stimmbildung, der im Buch "Singen lernen mit dem Computer" vorgestellten "M.O.V.E.-Technik", stellt der österreichische Musikpädagoge und Physiker Josef Pilaj eine Verbindung zur Alexander-Technik her, wobei durch Computerfeedback die akustische Effizienz der Gesangstechnik objektiviert werden kann.
Weiterhin gibt es vor allem im Musical- und Popbereich, aber auch in der Klassik, CDs mit eingespielter Begleitung zu populären Stücken der Musikliteratur, zu denen der Schüler eigenständig singen kann, ohne auf einen Begleiter angewiesen zu sein. (Siehe: Playback, Karaoke).
Für die Körperschulung werden manchmal auch entsprechende Hilfsmittel wie Isomatte, Theraband, Gymnastikball, Schaumstoffbälle oder ähnliches benutzt.
Stimmfächer
Im klassischen Chorgesang gibt es die Stimmlagen Sopran, Alt, Tenor und Bass. Im klassischen Sologesang wird weiter ausdifferenziert, im Lauf der Jahrhunderte haben sich hier die Stimmlagen Mezzosopran und Bariton herausgebildet. Weitere Unterscheidungen werden über die Stimmqualität getroffen, die beschreibt, ob eine Stimme eher leichten und spielerisch-beweglichen Charakter, eine lyrische Linienführung oder dramatische Durchschlagskraft besitzt. Im deutschen Sprachraum hat sich dabei das System der Stimmfächer herausgebildet, das die bisher genaueste Klassifizierung der Stimme ermöglicht. Sie ist nach den Erfordernissen der Opernbühnen ausgerichtet, die mit einem bestimmten Stimmfach auch eine bestimmte Literatur verbindet.
Die Festlegung, ob eine Stimme Tenor oder Bariton, Sopran oder Mezzosopran ist, wird im Einzelunterricht erst nach mehreren Monaten oder Jahren getroffen und kann sich selbst später noch entscheidend ändern. Entscheidend dabei ist nicht die erreichbare Tonhöhe für eine Stimme, sondern der charakteristische Stimmklang und das Timbre. Aufgrund geänderter biologischer Gegebenheiten kann eine Stimme sich im Lauf der Jahre im Fach verändern. Recht abrupt geschieht dies bei Knabenstimmen, die im Knabenchor im Sopran oder Alt gesungen haben und nach der Mutation zu Tenören, Baritönen oder Bässen werden. In seltenen Fällen bleibt der knabenhafte Klang der Kinderstimme auch im Erwachsenenalter erhalten und prädestiniert den Sänger für Partien, die früher von Kastraten gesungen wurden. Diese Sänger werden als Countertenöre, Altisten oder Sopranisten bezeichnet.
Bei einer Festlegung der Stimmgattung kommt es sowohl bei Laien als auch bei Studenten in ihrer Ausbildung immer wieder zu Fehleinschätzungen. Dauerhaftes Singen in einem ungeeigneten Stimmfach kann ohne Diagnose und entsprechende Behandlung zu Beeinträchtigungen der Stimmqualität bis hin zu irreparablen Stimmschäden führen. Dazu zählen z. B. Versuche, eine tiefe Altstimme als Chor im Sopran singen zu lassen - was zu permanenter Heiserkeit durch Überlastung führen kann - oder auch eine hohe Stimme konsequent bruststimmlastige, tiefe Stücke singen zu lassen, wie sie beispielsweise im Jazz gefordert sind. Eine große, dramatische Sopranstimme Literatur für leichtere Stimmen singen zu lassen, kann über längeren Zeitraum zu einer Verengung und Verkleinerung der Stimme führen. Umgekehrt werden leichtere Stimmen mit einer Heranführung an dramatische Stücke überfordert. Maßgeblich für eine Festlegung der Stimmgattung ist immer das Wohlgefühl der Stimme in Verbindung mit dem diagnostischen Hören des Lehrers. Zusätzlich können auch medizinische Untersuchungen zu Rate gezogen werden.
Künstlerische Ziele
Die Nachschöpfung eines Kunstwerkes steht im Mittelpunkt interpretatorischer Fragen. Klassische Sänger sollen zunächst das präzise wiedergeben, was in den Noten steht. Dazu müssen sie den Notentext lesen, verstehen und ihn sich auch selbst erarbeiten können. Dies erfordert Kenntnisse in der Notenschrift, Gehörbildung, Harmonielehre, einem Nebeninstrument wie Klavier. Auch Kenntnisse in gängigen Fremdsprachen wie deutsch, italienisch, französisch, englisch, in einigen Fällen auch tschechisch, russisch und spanisch sind notwendig. Daneben soll ein Grundwissen über Musikgeschichte für die akkurate Stilistik erarbeitet werden. Sänger sollen den Inhalt ihrer gesungenen Werke verstehen, auch wenn sie fremdsprachig sind, und den enthaltenen Gefühlsausdruck möglichst authentisch nach außen vermitteln, ohne dabei den Stimmklang zu trüben.
Für Opern- und Musicalsänger werden Fragen von Mimik und Gestik vor allem auf der Bühne zentral. Die grundlegenden darstellerischen Fähigkeiten hierzu werden im Schauspielunterricht erworben und in der Verbindung mit Musik weiter geführt bis zu eigenen kleinen Rollen in hochschuleigenen Inszenierungen. Auch eine Form von Körperschulung wie Tanz oder Fechten kann zur Ausbildung dazu gehören. Die genauen Inhalte sind von Hochschule zu Hochschule variabel.
Die Abstimmung zwischen Begleiter und Sänger ist ebenfalls wichtig und eines der Hauptziele im Liedgesang. Viele Sänger, die sich auf dieses Feld spezialisiert haben, haben ihren eigenen Liedbegleiter, mit dem sie zusammen ein festes Liedduo bilden.
Neben den stimmbildnerischen und künstlerischen Zielen soll der singende Mensch auch eine Anzahl von Liedern und Arien kennenlernen, die zum klassischen Kanon gehören und oft gesungen werden. Im Fall von fortgeschrittenen Gesangs- und Musicalstudenten wird schrittweise ein Repertoire aufgebaut, das aus verschiedenen Bühnenrollen ihrer persönlichen Stimmlage entspricht, mit dem sie sich z. B. an Musiktheatern als Opernsänger oder bei Konzertveranstaltern bewerben können.
Für Pop- Rock- und Jazzsänger kommt die Bandpraxis mit den zugehörigen Aufgabenfeldern wie Grundlagen der Mikrofontechnik beim Singen und die Erarbeitung eines aussagekräftigen eigenen Profils, ggf. auch mit eigenen Songs, dazu.
Stimmhygiene
Weil die Atmung für das Singen ein elementarer Bestandteil ist, ist die allgemeine Gesundheit der Atmungsorgane wichtig. Rauchen – auch passives – schadet der Stimme genauso wie zu viel Alkohol. Lautes Reden in überfüllten Räumen beansprucht die Stimme genauso wie Schlafmangel. Allergien auf Pollen und Gräser oder eine kalte und nasse Witterung auszugleichen, nicht zu scharf oder zu heiß zu essen, mehr (Kräuter- oder Früchte-)Tee als Kaffee zu trinken gehört zu den zusätzlichen Aufgaben, die die Lebensführung eines professionellen Sängers verlangt. Einige Medikamente können ebenfalls Nebenwirkungen auf die Stimme haben, ohne dass verschreibende Ärzte und Apotheker von diesen Nebenwirkungen wissen. (So verändert z. B. die Einnahme der Pille bei Frauenstimmen durch hormonelle Präparate die Höhe der Stimme, andere Medikamente beeinflussen die Schleimhäute).
Persönlichkeitsbildung
Eine Gesangsausbildung erfordert vom Schüler Selbstdisziplin wie jeder andere Instrumentalunterricht auch. Um das Gelernte nicht zu vergessen, ist regelmäßige Übung nötig. Sie stärkt das Selbstbewusstsein und den Kontakt zu den eigenen Gefühlen, da die Muskulatur manchmal direkt auf emotional verursachte Körperspannungen stößt, deren Muskeln zum Singen benötigt werden. Der Lehrer muss sich dessen bewusst sein, dass eine Stimme kein vom Menschen und seinen Emotionen unabhängiges technisches Instrument sein kann, sondern auch ein Mittel zum Selbstausdruck des Schülers ist. Dies ist notwendige Voraussetzung, um eine Rolle glaubhaft zu verkörpern oder die Aussage eines Liedes ansprechend zu machen.
Stimme und Psyche sind stark miteinander verbunden. Wenn eine Verbesserung der Stimmung durch Sport, Lachen, Erfolgserlebnisse, Meditation oder eine allgemeine Klärung von persönlichen Problemen in einer Therapie außerhalb des Unterrichts stattfindet, schlägt sich das ebenso im Stimmklang nieder wie Lampenfieber, Traurigkeit oder Ängste. Ein Eingriff in die gesangsmäßigen Gewohnheiten eines Schülers geht deshalb auch immer mit einem psychischen Eingriff einher. Dieser Eingriff soll mit dem Einverständnis des Schülers stattfinden und Rücksicht auf seine sängerische Disposition und seine Entwicklungsmöglichkeiten nehmen, um die geforderten stimmlichen, musikalischen und szenischen Aufgaben der Stunde zu bewältigen.
Studium
Heute bezeichnet der Begriff ein Studium an deutschen Musikhochschulen mit dem Ziel, Studenten und Studentinnen zu Musikschullehrern für meist klassischen Gesang auszubilden. Die Bezeichnungen der einzelnen Musikhochschulen für das Studium sind unterschiedlich und variieren zwischen Musiklehrer (ML), Gesangspädagogik und anderen.
Im Studium enthalten sind eigene Gesangsstunden von einer Lehrkraft der Hochschule, weiterführende Musiktheorie bzw. Tonsatz, Klavierunterricht, Gehörbildung, Pädagogik und Praktika an Musikschulen. Die einzelnen Musikhochschulen besitzen unterschiedliche Studienpläne und -inhalte. Die Studenten treten im Rahmen von hochschuleigenen Konzerten auf und festigen so ihre eigene Bühnenerfahrung. Am Schluss des Studiums steht eine bewertete Lehrprobe, bei der ein vorbereiteter Proband durch eine Gesangsstunde geführt wird.
Der Bund deutscher Gesangspädagogen bietet einen Zusatzkurs zum Gesangspädagogischen Zertifikat an, das Anatomie und Physiologie der Gesangsstimme, Didaktik und Methodik des Gesangsunterrichtes mit klassischem und populären Schwerpunkt für Sänger mit abgeschlossenem Studium, Berufssänger, Chorleiter und interessierte Gesangspädagogen anbietet. Das Zertifikat ersetzt kein Studium der Gesangspädagogik und befähigt deshalb auch nicht zur Übernahme einer Dozentenstelle oder einer Professur an einer Universität.
Die Grundlagen der Gesangspädagogik zu beherrschen ist u.a. auch eine wichtige Voraussetzung zur Chorleitung.
Der Begriff des Gesangspädagogen ist nicht geschützt. Viele Sänger und Sängerinnen geben deshalb auch ohne Studium oder weiterführende Ausbildung auf der Grundlage ihres eigenen Unterrichts und ihrer eigenen Erfahrungen Unterricht und Meisterkurse in klassischem Gesang und im Musical-Bereich. Die Qualität der Ausbildung variiert zudem erheblich an den einzelnen Musikhochschulen. Der Unterricht sollte eine Einführung in die Anatomie und Physiologie der Gesangsstimme geben, Hörbeispiele zur Verdeutlichung bestimmter stimmlicher Phänomene geben, Methodik und Didaktik des Unterrichts besprechen und durch Lehrproben mit Methodikschülern einen praktischen Bezug erhalten.
Ein theoretisches Studium des Singens aus Büchern kann nie den Unterricht mit einem Lehrer ersetzen. Die Nachahmung von Ton- und Videoaufnahmen sind als Inspiration und Vorbild möglich, aber nicht zur ausschließlichen Ausbildung der Gesangsstimme geeignet, da die direkte Nachahmung eines professionellen Berufssängers ohne stimmbildnerische Begleitung den Stimmapparat überfordern kann. Eine zu starke Ausrichtung auf ein großes künstlerisches Vorbild lässt die eigene Individualität der Stimme verblassen.
Siehe auch
Literatur
Anatomie und Physiologie
- Wolfram Seidner: Die Sängerstimme
- Wolfram Seidner: ABC des Singens Henschel, Köthen 2010, ISBN 978-3-89487-541-1.
- Peter-Michael Fischer: Die Stimme des Sängers. Analyse ihrer Funktion und Leistung – Geschichte und Methodik der Stimmbildung. Metzeler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01604-8.
Didaktik und Methodik
- Franz Brandl: Die Kunst der Stimmbildung auf physiologischer Grundlage. Eigenverlag, München 2001, ISBN 3-000-08593-9.
- Gerhard Faulstich: "Singen lehren – Singen lernen". Forum Musikpädagogik Bd. 24, Sechste, korr. Auflage. Wißner Verlag Augsburg 2010
- Uta Feuerstein: Stimmig sein. Junfermann, Paderborn 2001, ISBN 978-3-87387-435-0.
- Ernst Haeflinger: Die Kunst des Gesangs: Geschichte, Technik, Repertoire. 4. Auflage. Schott, Mainz 2000, ISBN 3-7957-8720-3
- Frederick Husler, Yvonne Rodd-Marling: Singen. Die physische Natur des Stimmorgans – Anleitung zum Aufschliessen der Singstimme. 12. Auflage. Schott Verlag, Mainz 2006, ISBN 3-7957-0066-3.
- Anno Lauten: Stimmtraining-live. Haufe, Planegg 2006, ISBN 978-3-448-07279-2.
- Franziska Martienssen: Stimme und Gestaltung: die Grundprobleme des Liedgesanges. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1927. Kahnt, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-920522-08-7
- Franziska Martienssen-Lohmann: Ausbildung der Gesangsstimme. Erdmann, Wiesbaden 1957
- Cornelius L. Reid: Funktionale Stimmentwicklung. 3. Auflage. Schott, Mainz 2005, ISBN 3-7957-8723-8.
- Josef Pilaj: "Singen lernen mit dem Computer: Über Anwendung und Nutzen neuer Feedbackmöglichkeiten in Stimmbildung und Gesang." Forum Musikpädagogik, Band 97 (Hrsg. Kraemer, Rudolf-Dieter), Wißner, Augsburg 2011, ISBN 978-3-89639-779-9.
Chorische Stimmbildung
- Elisabeth Bengtson-Opitz: Anti-Aging für die Stimme – Band 1. Timon Verlag, Hamburg, 2008, ISBN 978-3-938335-20-8.
- Elisabeth Bengtson-Opitz, Sophie Opitz: Anti-Aging für die Stimme – Band 2. Timon Verlag, Hamburg, 2010, ISBN 978-3-938335-21-5.
- Wilhelm Ehmann, Frauke Haasemann: Handbuch der chorischen Stimmbildung. Bärenreiter, Kassel 1984, ISBN 3-7618-0691-4.
- Gerd Guglhör: Stimmbildung im Chor. Systematische Stimmbildung. Helbling, Rum/Innsbruck, Esslingen 2006, ISBN 3-85061-309-7.
Weblinks
- Bundesverband deutscher Gesangspädagogen
- Webpage des Instituts für Stimme und Kommunikation
- Deutsche Übersetzung von Artikeln über Gesangstechnik von David L. Jones
- Webpräsenz mit vielen verschiedenen Informationen zum Thema Gesangspädagogik (Englisch)
Historische Gesangschulen
- Opinioni de' cantori antichi e moderni: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project. Italienische Gesangsschule von Pier Francesco Tosi, übersetzt auf deutsch von Johann Friedrich Agricola (1757)
- Noten und Audiodateien von Gesangspädagogik im International Music Score Library Project von Manuel García Jr. (en)
- Meine Gesangskunst: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project Gesangsschule von Lilli Lehmann