Kanoniker
Über Kanoniker in der Musik siehe Kanoniker (Musik).
Kanoniker (lat. Clerici canonici, weibliche Form: Kanonissen) kann man weitestgehend beschreiben als Kleriker aller Weihestufen, die an Kathedralen, Stadt- und Landbasiliken oder Grosspfarreien unter der Leitung eines Bischofs oder Archipresbyters an der gemeinsamen Liturgie (feierlicher Gottesdienst, Stundengebete) mitwirken. Dafür werden sie mehr oder weniger vollständig aus den Kirchengütern unterhalten. Sie leben in Gemeinschaft unter der Leitung des Bischofs, Abtes oder Archipresbyters. Die nach dem Vorbild des Augustinus als Abgrenzung zum (benediktinischen) Mönchtum entwickelte Kanonikerregel (regula canonicorum) wurde 755 durch Bischof Chrodegang von Metz für sein Bistum entwickelt, und weiter entwickelt durch die Reichssynode von Aachen im Jahre 816 für das gesamte Karolingerreich verbindlich festgelegt.
Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts beobachtet man eine Reform bei den Kanonikern, die zu regulierten Chorherrenstiften führt. Unter Verzicht auf Eigentum im Zeichen der vita apostolica kam es zum Bruch mit der Institutio Aquisgraenensis von 816 und zur Ausbildung des regulierten Kanonikertums. Regularkanoniker legten ein Gelübde auf ihr Domstift (Hochstift) oder Kollegiatstift (Niederstift) ab, und wählten aus unter den beiden überlieferten Augustinusregeln, entweder die massvollere Version Praeceptum/ordo antiquus oder der strengeren Observanz folgend die Version Ordo monasterii/ordo novus. Der von Norbert von Xanten initiierte Prämonstratenserorden (Entstehung ab 1220 in Prémontré/Nordfrankreich) entschied sich für den ordo novus. Säkularkanoniker legten kein Gelübde ab (auch kein Armutsgelübde) und konnten die reichhaltigen Chorherrenpfründe ab dem 11./12 Jahrhundert teilweise als Privatbesitz erwerben. Die seelsorgerischen Aufgaben gerieten dabei häufig in den Hintergrund und wurden durch Vikare erledigt. Besonders der Adel benutzte häufig Säkularkanonikerpositionen an Stiften zur Versorgung nachgeborener Söhne, und als Karrieresprungbrett. Positiver war der Aspekt, dass Säkularkanoniker im Spätmittelalter eine bedeutende Rolle bei der Gründung der Landesuniversitäten in Deutschland spielten. Die ersten Professoren waren vorwiegend Kanoniker.
Die Frauengemeinschaften der Kanonissen (der Begriff taucht erst im 11. Jahrhundert auf) sind definiert als Frauen, die in einer Kommunität ein religiöses Leben unter einer Äbtissin führen, ohne an eine monastische Gemeinschaft gebunden zu sein (Aachener Constitutio von 816). Privatbesitz war erlaubt, das Erbrecht war uneingeschränkt, und die Stiftsdamen/Kanonissen durften abgetrennte Wohnungen mit einer Dienerin bewohnen, d.h. es handelte sich in der Regel um Adelige. Die anfangs noch recht häufigen Doppelstifte von Chorherren und Chordamen wurden im Laufe des Hochmittelalters mehr und mehr aufgelöst, wobei meist die Stiftsdamen (Kanonissen) weichen mussten, und die selbstwählbare Äbtissin durch einen vom Bischof oder Abt ernannten Prior oder Propst als Vorsteher ersetzt wurde. Gehörten die Damen eines Stifts allerdings vorwiegend dem Hochadel an, so blieb es meist bei der Leitung durch eine Äbtissin aus diesen Kreisen.
Die Kleidung der Kanoniker war im 12. Jahrhundert ein langer Leibrock, darüber das leinene Chorhemd (Albe); dann das Almutium, eine Mütze von Schaffell, welche Kopf, Hals und Schultern bedeckte; dazu ein schwarzer Mantel ohne Kragen und die Kalotte (Käppchen). Die späteren prachtliebenden Chorherren gaben dieser Tracht ein gefälligeres Aussehen und vertauschten namentlich das Käppchen mit dem viereckigen Barett (Kirche), woran man jetzt die Chorherren zu erkennen pflegt.
Heute nennt man Kanoniker (Kanonikus, Chorherr, Domherr, Domkapitular, Stiftherr) das Mitglied eines Kapitels.
Bekannte Kanoniker/Kanonikus
- Norbert von Xanten (Kanonikus 1080-1134)
- Innozenz IV. (Papst) (Kanoniker -1254)
- Guillaume de Machaut (Kanonikus 1337-1377)
- Jakob Fugger (Kanonikus vor 1478-1525)
- Nikolaus Kopernikus (Kanoniker 1495-1543)
- Martin Schrettinger (Kanonikus 1839-1851)