Viren
Siehe auch Computervirus und Radio Virus.
Als Virus (Plural: Viren; von lat. virus, für "Schleim, Saft, Gift") bezeichnet man in der Biologie einen Partikel aus einem Strang Erbmaterial DNA (Desoxyribonukleinsäure) oder RNA (Ribonukleinsäure) in einer Proteinkapsel, die ihrerseits wiederum von einer Lipidhülle umgeben sein kann.
Viren sind Parasiten: sie infizieren einen Wirtsorganismus, dessen Stoffwechsel sie für ihre eigene Vermehrung gebrauchen. Viren im engeren Sinne befallen Zellen von Eukaryonten, im Unterschied zu Phagen, die Bakterien als Wirte nutzen.
Die Lipidhülle stammt von der Wirtszelle und dient zur Tarnung vor dem Immunsystem, ist aber anfällig für Umwelteinflüsse. Behüllte Viren können durch Seifen leicht inaktiviert werden. Unbehüllte Viren sind viel stabiler, das Händewaschen dient hier eher dem Wegspülen möglichst vieler Viruspartikel.
Die Größe der Viren liegt zwischen 10 und 1000 Nanometern. Am größten sind die Pockenviren, die man sogar unter dem Lichtmikroskop als kleine Partikel sehen kann. Sonst ist die Form von Viren nur mit dem Elektronenmikroskop sichtbar. Die Struktur der Proteinhülle, und damit die Virusart, kann u.a. durch Kristallisation und Röntgenbeugung entschlüsselt werden.
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Entwicklung
Viren sind vermutlich später als andere Lebewesen entstanden, da sie auf letztere angewiesen sind. Entstehungsmechanismen lassen sich im Zusammenhang mit Plasmiden oder Transposonen verstehen. Für eine späte Entstehung spricht auch, dass Viren, die Eukaryonten befallen, das alternative Splicing der Eiweißsynthese nutzen. Dementsprechend besitzt ihr Erbgut variante Introns und Exons.
Abwandlungen von Viren sind Viroide und Virusoide.
Vermehrung
Im Virus selbst finden keine Stoffwechselvorgänge statt, daher braucht es Wirtszellen zur Fortpflanzung. Der Replikationszyklus eines Virus beginnt im Allgemeinen, wenn es sich an eine Wirtszelle anheftet und sein Erbmaterial ins Zellinnere bringt. Das Erbmaterial des Virus wird anschließend im Wirtsstoffwechsel mitverarbeitet, wobei sein Nukleinsäurebestandteil vervielfältigt wird und seine Proteinbestandteile anhand der Gene im Virusgenom synthetisiert werden. Die so neu gebildeten Viren werden freigesetzt, indem entweder die Zellmembran aufgelöst wird (Zell-Lyse, lytische Virusvermehrung), oder indem sie sezerniert werden, wobei Anteile der Zellmembran als Bestandteil der Virushülle mitgenommen werden.
Verschiedene Virentypen
Man unterteilt Viren grob in:
In Viren (Klassifikation) findet sich eine genauere Unterteilung.
Viren und Viruskrankheiten (Auswahl)
Bei Menschen können eine Vielzahl von viral bedingten Krankheiten durch Viren veursacht werden, u. A. durch:
- Coronaviren - Magen-Darm-Entzündungen, SARS
- Herpesviren - u. A. Herpes labialis, Herpes genitalis, Windpocken, Gürtelrose,
- Orthomyxoviren - z.B. Influenzaviren: Grippe
- Papoaviren - Warzen
- Paramyxoviren mit den beiden Unterfamilien Paramyxoviridae (Gattungen: Masernvirus, Respirovirus, Rubellavirus) und Pneumoviridae (Gattungen: Pneumovirus, Metapneumovirus) - Krupp - Masern - Mumps
- Picornaviren - Polio (Kinderlähmung)
- Retroviren - AIDS, Leukämie
- Rhinoviren, Adenoviren - Schnupfen, Erkältungen
Bei Tieren siehe unter Maul- und Klauenseuche, Rinder-, Schweine-, Hühnerpest und Tollwut
Bei Pflanzen siehe unter Blattrollkrankheit
Kontroversen
Seit einigen Jahren zieht der umstrittene Virologe Stefan Lanka die Pathogenität von Viren und teilweise auch deren Existenz in Zweifel. In der Tat stammen viele Beweisführungen für die virale Pathogenität aus einer Zeit, in der keine wissenschaftlichen Publikationsmethoden und Peer Review-Mechanismen vorhanden waren. Jedoch liegen bisher keine publizierten Nachweise vor, die seine Auffassungen stützen.
Umstritten ist ein möglicher evolutionsgeschichtlicher Einfluss von Viren auf komplexe Organismen. Dieser ist in der Mikrobiologie unumstritten. Mechanistisch würde dadurch eine sprunghafte Evolution (so genannter Punktualismus), ein Gegenkonzept zum Neodarwinismus (vertreten durch Richard Dawkins), logisch erscheinen. Eine empirische Beweisführung dürfte sich allerdings schwierig gestalten. Die Diskussion wird in der wissenschaftlichen Gemeinschaft mit niedriger Intensität geführt.
Umstritten ist auch, ob Viren Lebewesen seien oder nicht. Einerseits fehlen ihnen einige Merkmale von Lebewesen, wie eigenständige Vermehrung (sie brauchen Wirtszellen) und eigener Stoffwechsel, andererseits zeigen sie Eigenschaften des Lebens, wie Vermehrung, Vererbung und Mutation.
Virologie
Die Virologie (von lateinisch virus: Gift und griechisch logos: Lehre) beschäftigt sich mit Viren, deren Eigenschaften und Vermehrung, sowie der Prävention und Behandlung von Viruserkrankungen.
Die erste bekannte Anwendung des Wissens über Viren findet sich bereits 1000 Jahre v. Chr. in China. Dort wurde der Schorf der Wunden von Pockenkranken, welche die Krankheit überlebt hatten, zu Staub gemahlen und inhaliert, um vor Pocken zu schützen (impfen). Im Jahre 1796 benutzte Edward Jenner ein ähnliches Verfahren, um den 8jährigen James Phipps gegen Pocken zu impfen.
Die moderne Virologie nutzt vor allem molekularbiologische und molekulargenetische Untersuchungsverfahren und beschäftigt sich mit der Gestalt und Größe, dem Aufbau, der chemischen Zusammensetzung und dem Nachweis von Viren, des weiteren mit ihrer Vermehrung, ihrer Übertragung und ihren krankheitsauslösenden Eigenschaften. Erforscht werden auch die Wechselwirkungen der Viren mit ihren Wirtszellen. Die Virologie versucht ferner, die Vielzahl der existierenden Viren zu klassifizieren.
Siehe auch: Virusinfektion - Virostatikum - Computervirus - Prion
Literatur
- Stephen S. Morse, The Evolutionary Biology of Viruses (1994) ISBN 0781701198
Weblinks
- Viren
- Genetik von Bakterien und Viren: Bau und Vermehrung von Viren, Transduktion
- Virengenetik
- All the Virology on the WWW (Ein umfangreicher Site, mit vielen Verweisen)
- The Universal Virus Database (Daten zu allen bekannten Viren)
- Allgemeine Virologie
- Gesellschaft für Virologie