Zum Inhalt springen

Corps Masovia Königsberg zu Potsdam

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. Mai 2013 um 15:37 Uhr durch Mehlauge (Diskussion | Beiträge) (SC zu Königsberg). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Basisdaten
Wappen
Wappen
Wappen
Erstgründung 14. Juni 1830 in Königsberg i. Pr.
Hochschule Universität Potsdam
SC Potsdam
Verband Kösener SC-Verband
Wahlspruch Virtus contemnit mortem!
Band
Zirkel
Anschrift Kurfürstenstraße 17
14467 Potsdam
Webseite http://www.corps-masovia.de/

Das Corps Masovia Königsberg zu Potsdam ist eine Studentenverbindung im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV). Über ein Jahrhundert war sie an der Albertus-Universität Königsberg das Landescorps Masurens, dem sich gut 500 Studenten aus dem Süden Ostpreußens anschlossen. Das Corps und besonders seine vielen Pfarrer trugen wesentlich zur Identitätsbildung der Bevölkerung Masurens bei. Als einziges von neun Königsberger Corps unterhält Masovia heute (wieder) den aktiven Betrieb. An der Universität Potsdam wurde sie als erste farbentragende und pflichtschlagende Studentenverbindung akkreditiert.[1] Seit 2002 ist sie mit den Rechten eines Senioren-Convents ausgestattet.

Geschichte

Louis Sauerhering mit Trikolore (1836)
Königsberger Masuren (1850)
Liederbuch der Albertina (1850)

Masovia entstand aus dem „großen Schisma“ der Allgemeinen Burschenschaft (AB). 1827 hatten die Pappenheimer – die sich selbst als Blüte oder Jeunesse dorée der Albertina sahen – bei der AB gegen zwei Masuren geklagt und commentwidrig (in den Semesterferien) nachgekartet. Dass der Senat dieses „Unrecht von Aristokraten“ billigte, führte zu massiven Protesten und öffentlichem Aufsehen. Friedrich Dewischeit, August Ballnus, Theophil Herbst und Friedrich Julius Richelot traten für den betroffenen Corpsbruder ein.[2] Als die Pappenheimer am 14. Juni 1827 zur alljährlichen Erinnerung an die Schlacht bei Belle-Alliance auf den Galtgarben zogen, feierte „alles was sich Masuren nannte“ aus Protest ein Fest im weit entfernten Bladiau.[3] In Erinnerung daran wurde drei Jahre später das Corps Masovia gestiftet.

Kränzchen und Landsmannschaft

Aus der Zeit von Ostern 1823 bis Herbst 1827 sind in Masovias Mitgliederverzeichnis 24 Studenten aus Masuren, Königsberg und Białystok aufgeführt.[4] Sieben von ihnen gründeten im Juli 1829 ein landsmannschaftliches Kränzchen. Vor Ostern 1830 „tauchte plötzlich das Gerücht auf, es solle gegen alle Landsmannschaften (also auch gegen Masovia) mit der größten Entschiedenheit eine Untersuchung eingeleitet werden.“ Nach Ostern 1830 trugen die Masuren deshalb die unverfänglichen Farben schwarz-rot–weiß der AB. Sieben Mitglieder dieses Bundes und vier andere Studenten der Albertina stifteten am 14. Juni 1830 die heutige Masovia, der 69 Angehörige der „Masovia I“ beitraten.[5] Zu den Stiftern gehören Orlando Gortzitza, Friedrich Wilhelm Kalau von dem Hofe, Ludwig Schadebrodt und Julius Czwalina. Als sie sie am 19. Februar 1831 verließen, nahmen sie die Corpsverfassung mit Probezeit und Mensur an und nannten sich Corpslandsmannschaft.[6] Die Rückdatierung des Stiftungstages auf das Bladiauer „Galtgarbenfest“ im Juni 1827 wurde 1855 und 1870 abgelehnt.[7]

Farben, Zirkel und Wahlspruch

Mit bewusstem Bezug auf die Flagge Frankreichs entschieden sich die Masuren 1829 für das blau-weiß-rote Band. Die Farben stehen für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. In den Blättern der Erinnerung (Schmiedeberg) (1835–1839) tragen die Masuren das tiefe Blau der Trikolore. Im Liederbuch der Albertina, das Ludwig Clericus seinen Corpsbrüdern 1850 widmete, sind alle sechs Strophen der Marseillaise in französischer Sprache wiedergegeben. Friedrich Rübsamen (1808–1883), der Senior von 1829, erklärte 1880 beim 50. Stiftungsfest die Farbenwahl: „Das Blau der Treue der Überzeugung, das Weiß der Reinheit der Ehre und des Charakters, das Rot der Liebe zu Recht und Wahrheit.“ Damit dürfte er den französischen Revolutionsbezug wohlweislich verschleiert haben. Den geistig-politischen Sinn von „blau-weiß-rot“ hat Krzysztof Kieślowski 1993/94 in der Drei-Farben-Trilogie verfilmt.

Mit der Annahme der Corpsverfassung am 19. Februar 1831 wurde die „heilige Trikolore“ wieder eingeführt und der 14. Juni 1830 als Stiftungstag festgesetzt. Mit einem alljährlichen Kommers am 19. Februar gedachte man noch lange jener Constitution.[8] Konrad Kob stand 1881 im Mittelpunkt des 50. Festes.

Der Wahlspruch der Masuren ist Virtus contemnit mortem![9] Die Buchstaben V, C und M bilden den Zirkel und stehen für den Wunsch „Vivat Corona Masoviae“. Dass sie auch als „Vivant Clemens Müller“ gelesen werden können, wurde erst beim 2. Stiftungsfest bemerkt.[2] Clemens und (August) Müller waren die beiden ersten Senioren.[10]

Die hellblaue Mütze wird seit dem Sommersemester 1857 getragen. Bis dahin waren weiße, rote oder blaue Studentenmützen verschiedenen Formats üblich, auch die polnische Konfederatka. Aus ungeklärten Gründen – Abkehr von Frankreich? – wurde das (heraldisch korrekte) Dunkelblau des Bandes im Wintersemester 1881/82 zum berühmten, aber heraldisch inkorrekten „Himmelblau“.[2] Mit der Hilfe von Brillux klärte Helmut Niedorf 1999 den Lab-Farbraum.[11] Er bestätigt den optischen Eindruck eines Türkisschimmers: HKS S 50 N 70 %.[12]

Baltia

Da Nachwuchs ausblieb und ihr das „belebende Element der Fuchswelt“ fehlte, bat die im katholischen Ermland verwurzelte Corpslandsmannschaft Baltia am 23. November 1840 Masovia um die Aufnahme ihrer 48 Mitglieder.[2] Masovia entsprach der Bitte und übernahm die Hansekogge aus Baltias Studentenwappen (vielleicht auch das Hellblau ihrer Farben). Für das Album amicorum zeichnete Wilhelm Schmiedeberg 77 Balten und Masuren; 55 sind erhalten.

Progress

Der Progress setzte Masovia zunächst kaum zu; auf dem Höhepunkt der Deutschen Revolution stand sie aber vor einer Spaltung wie sie Littuania widerfahren war. Louis Schellong wendete das Unheil am 2. Juni 1848 ab. Wenige Tage später wurde das „besonders fröhliche“ 18. Stiftungsfest in Cadinen und – nach vielen Jahren einmal wieder von der ganzen Studentenschaft – das Galtgarbenfest gefeiert. Im Herbst desselben Jahres grassierte in Königsberg die Cholera, der Gustav Schellong, der 20-jährige Bruder von Louis, zum Opfer fiel.[2]

Ehren

Klaus Balduhns Ehrenzirkel

Zwischen 1830 und 1857 erhielten neun Masuren ein Comitat: Fritz Bergenroth, Sigismund Bujack, Gustav Dullo, Ferdinand Gregorovius, Otto Hilbert, Eduard Pilchowski, Oskar Saemann, Wilhelm Schimmelpfennig und Theodor Stern.[2]

Von 1838 bis 1858 hatte Masovia sieben Ehrencorpsburschen, die nicht „Ehrenmitglied“ waren, sondern die (bald auf sechs Semester beschränkten) Rechte eines Corpsburschen hatten.[2] Da „alle Masuren gleich“ sind, hatte das Corps nie das Statut einer Ehrenmitgliedschaft.

Auf Vorschlag von Carl Böttcher wurde im Wintersemester 1888/89 der silberne Ehrenzirkel eingeführt. Ihn erhalten diejenigen Alten Herren, die das 100. Semester im Corps vollendet haben. Der erste ging mit einem Glückwunschschreiben an Ferdinand Gregorovius in München.

SC zu Königsberg

1920

Auszeit

Als 1873 das Corps Normannia Königsberg gestiftet wurde, stellte Masovia fünf und Baltia vier Corpsburschen.

1876 kam es zu einem schweren Zerwürfnis im SC: cand. med. Isaak Latte war im WS 1873/74 Masure geworden. Nachdem er 1874/75 als Einjährig-Freiwilliger gedient hatte, focht er im SS 1876 gegen einen Balten. Nach der von Baltia und Normannia gestellten Mensuranfrage musste der (jüdische) Paukant dimittiert werden, obwohl die Partie dem Mensurconvent der Masuren „durchaus genügt“ hatte. Das wiederholte sich in der ersten und zweiten Reinigungsmensur. Normannia begründete ihr Urteil mit „schlechter Haltung“. Nach dem SC-Comment musste Latte nun perpetuell dimittiert werden. Um den Corpsbruder nicht fallen zu lassen, verließ Masovia am 15. Juli 1876 den SC und damit den KSCV. Nachdem Latte vier Jahre später als Alter Herr freiwillig ausgeschieden war, kehrte Masovia am 18. Juli 1880 „geläutert und gekräftigt“ mit 60 aktiven und inaktiven Corpsbrüdern in den SC zurück.[2]

Schon 1875 von Normannia gedrängt, führte Masovia nach jahrelangen Auseinandersetzungen noch im Sommersemester 1880 ein Fuchsband ein.[2] Bis zur Gründung des Corps Albertina Hamburg (1950) war es das einzige im KSCV mit umgedrehten Corpsburschenfarben. Nachdem das Corps Hansea Königsberg im Dezember 1878 hinzugekommen und Masovia 1880 zurückgekehrt war, dominierte der SC die Königsberger Studentenschaft; zugleich war er der nach Aktiven stärkste im KSCV.[13]

Die 1876 an Baltia gefallenen Ältestenrechte wurden Masovia erst 1885 wieder zuerkannt. Der Erfolg auf dem oKC war der Hilfe von Onoldia und Borussia Halle zu verdanken. Der Ansbacher Wilhelm von Meinel leitete den Congress. Das Telegramm nach Königsberg galt lange als „Paradebeispiel masurischer Prägnanz“:[14]

„Abgeglitten sind die Balten, Altersfrage bleibt beim alten.“

Reinhold Schmidt 4

Niederlage

Immer wieder stellte Normannia Mensuranfragen. Als Masovia, Baltia und Hansea sie mehrfach ablehnten, fühlte Normannia sich majorisiert. Mit Provokationen, SC-Klagen, Säbelforderungen und Verrufen spitzte sich die Lage zu. Normannia fügte sich zwar dem Spruch des Berlin/Breslauer Schiedsgerichts, rief aber 1882 den Kösener Congress an. Masovia, Baltia und Hansea bezogen eine krachende Niederlage; sie mussten aus dem SC ausscheiden und suspendieren. Als Masovia und Hansea bei Normannia renoncierten und am 3. Dezember 1882 wieder in den „SC“ aufgenommen wurden, wandelte sich Normannias feindseliges Verhältnis zu Masovia schlagartig in eine dauerhafte Freundschaft. Nach den Kösener Beschlüssen von 1882 löste Guestphalia Berlin das gerade zwei Jahre alte Freundschaftsverhältnis zu Masovia. Im Februar 1883 begann die unausweichliche PP-Suite in Berlin, mit unrühmlichem Ausgang für Guestphalia. Zur „Rückrunde“ in Königsberg kam es erst im SS 1886 – „mit solchem Erfolg für Masovia, daß Guestphalia suspendieren mußte“.[2]

Landescorps

Datei:Louis Schellong.JPG
Gustav Graef: Louis Schellong

Von den ersten 97 Corpsbrüdern kamen 51 aus Masuren, 31 aus Königsberg, 14 aus dem übrigen Ostpreußen, Neuostpreußen, Westpreußen und Russisch-Polen, einer aus Schlesien. Unter ihnen waren 54 Theologen, 18 Philologen, 12 Richter, 7 Verwaltungsbeamte, 7 Rittergutsbesitzer und ein Arzt. Die in Masuren geborenen Corpsbrüder hießen Steinmasuren und waren der „harte Kern“ des Corps. Das Gymnasium Lyck und die Herzog-Albrechts-Schule (Rastenburg) stellten jeweils 240 Mitglieder des Corps.[4] Das Corps und einige Mitglieder engagierten sich im Verein für Kunde Masurens.[15] Karl Heinrich wies schon 1880 darauf hin, dass Masovia als einzige Verbindung einer Landschaft die Landesfarben gegeben hatte.[16] Hans Lippold schreibt dazu:[6]

„Die Bevölkerung erlebte jahrzehntelang in fast allen masurischen Städten gemeinsame Treffen mit den Königsberger Masuren, seit 1874 auch große Stiftungsfeste. So ergab sich der Brauch, bei diesen Anlässen und später überhaupt bei allen örtlichen Festlichkeiten die besuchten Städte und Dörfer mit den blau-weiß-roten Farben zu schmücken. Eine Gewohnheit, die eben auch angewandt wurde, wenn die Bevölkerung unter sich zu Feiern zusammentrat. Bei der großen Volksabstimmung im Juli 1920 stand ganz Masuren unter diesen Farben.“

Hans Lippold

Erich Bauer relativierte diese Einmaligkeit und verwies auf Guestphalia und die Provinz Westfalen.[6]

In einzigartiger Weise verbanden die Masuren evangelischen Glauben, polnische Sprache und Treue zur Krone Preußen. Von Masovia übernahmen sie nicht nur die Landesfarben, sondern auch die Landeshymne. Bei Andreas Kossert heißt es:[17]

„Das masurische Selbstbewußtsein zeigte sich jedoch nicht nur im polnischen Mehrheitsmilieu, sondern erfaßte auch die lokale Elite, die durch Schule und Studium deutsch geprägt war und auf Deutsch miteinander verkehrte. Sichtbarer Ausdruck ihres Heimatstolzes war die studentische Verbindung Masovia, die in den vierziger [sic!] Jahren an der Albertina entstand. Mit deren Farben blau-weiß-rot erfolgte später die regionale Identifizierung vieler Masuren mit ihrer Heimat. Ein Mitglied der Königsberger Masovia, der Gymnasiallehrer Friedrich August Dewischeit (1805–1884), komponierte 1855 das Masurenlied Wild flutet der See, das zur Landeshymne Masurens wurde. Der Reichssender Königsberg verwendete die Melodie ab 1930 als Pausenzeichen.“

Andreas Kossert

Neuere Forschungen unterstreichen die Bedeutung von Masovias Farben für die Bevölkerung Masurens.[18][19] Den Masuren dienten sie zur Abgrenzung von den (katholischen) Polen. Zugleich zogen sie das Blau-Weiß-Rot nicht nur den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot, sondern auch dem Schwarz-Rot-Gold der Weimarer Republik vor.[11]

Bekannte Masuren

In Ostpreußen trugen viele Pfarrer, Lehrer, Ärzte, Landräte und Bürgermeister das Masurenband. Für das Preußische Abgeordnetenhaus brachte Masovia 16 Mitglieder hervor, drei Konservative und 13 Liberale. Im Preußischen Herrenhaus saßen zwei, im Reichstag (Deutsches Kaiserreich) und im Reichstag (Weimarer Republik) fünf Masuren. Jüdische Mitglieder und katholische Priester zeigen die (ungebrochene) innere Freiheit des Corps. 1859 beteiligten sich 25 Masuren am Stipendium Masovianum für „arme und ausgezeichnete Schüler“ des Kgl. Gymnasiums Lyck.[20] Im Deutschen Krieg kämpften vier Masuren; einer fiel. Am Deutsch-Französischen Krieg nahmen 28 von 42 Corpsburschen und Inaktiven teil; zwei fielen. Im Ersten Weltkrieg fielen 42 Masuren.[21] Das Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern erhielten sechs Masuren: Arthur Behrendt, Max Bombe, Ernst Mann, Ernst Neumann, Günther Schierholt und Erich Skrodzki. Die Suspension wurde nur dadurch verhindert, dass 1917 einige Alte Herren wieder aktiv wurden.[22] Der Verkehrsgast Gustav Gotthilf Winkel Franconiae Würzburg stellte zweimal im Monat eine Kriegszeitung zusammen, die er an alle Masuren versandte. Hundert Nummern wurden es bis zum Kriegsende.[23] Dafür erhielt er schon 1915 die Corpsschleife.

Den deutschen Eisenbahnen stellte Masovia viele hohe Beamte, darunter Richard von Schaewen, Paul Treibe und Alfred Prang.[24] Als Student war Wilhelm von Preußen häufiger Gast des Corps.[25] Nach dem Corps wurden eine Hamburger Schiffahrtsgesellschaft und zwei Schiffe benannt.

Stiftungsfeste

Königsberg und Samland

Ludwig Clericus: 18. Stiftungsfest in Cadinen (1848)

In den ersten Jahren wurden die Stiftungsfeste in Königsbergs Umgebung gefeiert, seit 1838 zumeist in Arnau, das zu Fuß und mit Wagen leicht zu erreichen war. Andere Festorte waren Friedrichstein (1840), Fuchshöfen (1842, 1844), Holstein (1846) und ab 1848 immer wieder Cadinen. 1851 und 1852 zog man auf den Galtgarben, weil die allgemeinen Galtgarbenfeste nicht zustande kamen. 1857 ging es in den Pilzenwald, im Jahr darauf nach Julienhöhe. Die Feste in Rosenthal, Kahlberg, Panklau, Waldkrug, Mehlsack und Walschthal blieben in langer Erinnerung. 1864 trafen sich die Masuren erstmalig an der nördlichen Samlandküste in Rauschen, bald auch in Warnicken und Georgenswalde. 1900 wurde das 70. Stiftungsfest als erstes im eigenen Corpshaus auf der Dominsel gefeiert. Ausflüge nach Neuhäuser, Cranz und Metgethen gehörten zu den meisten Königsberger Festen. Die Ausfahrt mit 200 Pferden nach Juditten beim 50. Stiftungsfest war für die Hartungsche Zeitung die „großartigste, die Königsberg je gesehen hat“.[26] 173 Alte Herren kamen 1919 zum „ersten Friedensstiftungsfest“. 1925 blieb als „2000-Liter-Fest“ in Erinnerung.

Masuren

Unter masurischer Flagge – 99. Stiftungsfest in Angerburg

Schon 1845 wurde erwogen, Stiftungsfeste im heimatlichen Masuren zu feiern; aber erst nach der Eröffnung der Ostpreußischen Südbahn (1874) konnten die Pläne in Lötzen und Angerburg verwirklicht werden. Manche Feste wurden auf Einladung der Städte in Kellermühle, Nikolaiken, Rudczanny und Ortelsburg begangen. Besonderen Nachhall hatten die beiden Stiftungsfeste in Masurens Hauptstadt Lyck (1881, 1896). Noch in der Weimarer Republik wurden drei Stiftungsfeste in Masuren gefeiert: 1924 in Lyck, 1927 in Ortelsburg und 1929 in Angerburg.

100 Jahre

Landesvater beim 100. Stiftungsfest

Masovia blieb dem weltenfernen Masuren eng verbunden. Zum 100. Stiftungsfest erschien eine Zusammenstellung von alten Masurenbildern.[27] Die Königsberger Allgemeine Zeitung schrieb:

„In schier ausgelassener Freude über die anbrechenden Festtage ... sendet die Sonne ihre Strahlen auf unsere gute alte Stadt, die Hunderte mit der Masovia verbundene Damen und Alte Herren von nah und fern in ihren Mauern sieht. Überall am Paradeplatz und in den Straßen flattern blau-weiß-rote Fahnen aus den Fenstern und geben im hellen Glitzern der Junisonne ein verheißungsvoll lustiges Bild der kommenden fröhlichen Tage ... So liegt über Königsberg jener Hauch der Mitfreude aller an dem seltenen Jubiläum einer studentischen Verbindung, die durch die Folge der Zeiten von Generation zu Generation mit uns nicht nur äußerlich auf das engste verknüpft ist. In Hunderten von Häusern weiß man von den Masuren zu erzählen! Heute ... wird die offizielle Festfolge mit einer Gedenkfeier im Dom ihren Anfang nehmen. Es ist der ernste Auftakt, der auch das, was scheinbar nur fröhlichem Burschengeist und kameradschaftlicher Treue dient, in die Reihe des Gesamtgeschehens stellt, von dem es ja erst seinen tieferen Sinn und seine wahre Bedeutung erhält, als ein Stück deutschen Lebens.“

Königsberger Allgemeine Zeitung

Die 30 masurischen Städte schenkten dem Corps einen Büchereischrank mit den Wappen ihrer Städte. Die Alten Herren stifteten 400 Bücher. Zum Kommers im Gebauhr-Saal der Stadthalle (Königsberg) kamen 1000 Gäste, darunter der Oberpräsident Ernst Siehr, der Regierungspräsident Max von Bahrfeldt, der Befehlshaber des Wehrkreises 1 Werner von Blomberg, der Oberbürgermeister Hans Lohmeyer und der Rektor Karl Erich Andrée. Auf dem Hauptgebäude der Universität wehte die Masurenfahne.[28] Reichspräsident v. Hindenburg gratulierte telegrafisch von seinem Gut Neudeck.

Nach dem Fest hieß es in der Hartungschen Zeitung:

„Zumal das jubilierende Corps erwies eine Volkstümlichkeit, die sich nur aus den besonderen Bedingungen erklären läßt, in denen Masovia ihr erstes Säkulum begann und zu Ende ging ... Farben und Lied haben jenem Freundeskreis ... die Volkstümlichkeit gegeben, die nun ... sichtbar zum Ausdrucke kam. Immer wieder begegnet man ... den hellblauweißroten Fahnen, die von Dach und Fenster grüßen und zeigen, daß auch das Fest einer Studentenkorporation mehr sein kann als eine interne Angelegenheit allein dieses studentischen Kreises.“

Königsberger Hartungsche Zeitung, 14. Juni 1930

Kriegszeit

Nach der Suspension und der Vermietung des Corpshauses begingen die Masuren die Stiftungsfeste noch bis 1942 im Corpsheim. 1943 und 1944 trafen sie sich im Hotel Continental. Bis heute war 1945 das einzige Jahr, in dem sie nicht am 14. Juni zusammenkamen.

Kneipen und Corpshäuser

Fleischbänkenstr. 35 (1898–1929)
Weidendamm 22 (1929–1936)
Königstraße 51/52 (1936–1944)

In den ersten Jahren kneipten die Masuren in „schundigen“ Ressourcen. Beliebt waren dagegen Brunner auf dem Hintertragheim, das Rendez-vous (die spätere Woriener Halle), die Schloßberghalle (1857), der Ratskeller (1859), Hirsch (1861) und die Phönixhalle (1862/63). Zum ersten gesonderten Versammlungsort wurde 1862 der Röhlsche Garten in der Münzstraße. Die letzte „offene Kneipe“ feierten die Masuren am 27. April 1860 im kneiphöfischen Remter. 1865 wurde die Stammkneipe zu Blöß in der I. Fließstraße, 1866 zu Nowopolski (später Domscheit) an der Schloßteichbrücke verlegt. Nach einem kurzen Zwischenspiel in Blieskes Restaurant in der Koggenstraße wurden 1877 die oberen Räume des Bellevue am Königsberger Schloßteich angemietet. Die letzte Corpskneipe war ab 1891 bei Domscheit.[2]

1898 kauften die Alten Herren das frühere Stipendienhaus der ostpreußischen Groeben in der Fleischbänkenstraße gegenüber vom kleinen Domplatz. Es war Königsbergs erstes Korporationshaus. Karl Böttcher und Ottomar Cludius besorgten die Finanzierung. Reinhold Unterberger brachte den größten Teil der Mittel auf. Ihm gebührt „unvergänglicher Dank aller Generationen der Masovia“ (Karl Heinrich, 1900).[2] In Einzelheiten beschreibt Richard Jepsen Dethlefsen das Haus in der Festschrift zum 75. Stiftungsfest.

Als am Pregel eine Promenade gebaut und damit der Garten vom Ufer abgetrennt werden sollte, vermittelte Erich Haslinger 1929 ein Tauschgeschäft mit der Stadt Königsberg. Gekauft wurde das Haus neben dem Ruderclub Germania am Weidendamm an einer breiten Stelle des Pregels. Von Friedrich Lahrs entworfen, hatte es dem Kommerzienrat George Marx gehört. Es wurde umgebaut und am 16. Februar 1929 bezogen.[29] Das Altherrenzimmer war eine Stiftung des Regierungsbezirks Gumbinnen unter Otto Rosencrantz. Nach der Suspension wurde das Corpshaus nie verkauft, sondern ab April 1936 an die G.m.b.H. Benzol-Vertrieb Ostpreußen vermietet. Der Mietzins trug das Corpsheim, eine Privatwohnung mit sechs Zimmern im 2. Stock des Hauses Königstraße 51/52, Ecke Roßgärter Markt.[30]

Das erste Corpshaus am Pregel versank in der Nacht vom 26. zum 27. August 1944 mit ganz Kneiphof beim ersten Luftangriff auf Königsberg in Schutt und Asche. Drei Nächte später verbrannte das Corpsheim mit Bibliothek, Bannern und Andenken aus 114 Jahren beim zweiten Bombardement der Royal Air Force. Das Corpsdienerpaar Pohnke konnte sich retten. Das Corpshaus am Weidendamm wurde erst Anfang April 1945 in der Schlacht um Königsberg zerstört.

Masovias Corpshunde waren der Neufundländer „Roland“, der Bernhardiner „Cäsar“ und der Mops „Schnurr“.[31]

Suspension

In der Zeit des Nationalsozialismus hatte Max Blunck als Führer des Corpsstudententums am 5. September 1935 angeordnet, die Arier-Grundsätze der NSDAP „auch in den Altherrenschaften der einzelnen Corps streng und umgehend durchzuführen“. In Erweiterung früherer Bedingungen mussten auch Kriegsteilnehmer ausscheiden, deren Großeltern nicht rein arischer Abstimmung waren. Als Blunck am 10. September zurückgetreten war, bestätigte sein Nachfolger Werner Heringhaus die Anordnung; als äußerste Frist für die Vollzugsmeldung setzte er den 15. Oktober, dann den 1. November 1935.[32] Um das Corps vor der Suspension zu bewahren, legten daraufhin vier Alte Herren das Masurenband nieder.[33] Nachdem Ernst Schlange am 24. Oktober 1935 dekretiert hatte, dass „sämtliche reichsdeutschen Corps suspendiert sind“, suspendierte Masovia am 28. Oktober 1935. Die Befugnisse des Corpsburschen-Convents gingen auf die jahrzehntelang bewährte Vertrauenskommission über.

Kameradschaft Liebenberg

Die Suspension war in der Hoffnung erfolgt, den aktiven Corpsbetrieb in absehbarer Zeit vielleicht doch wieder aufnehmen zu können. Sie erwies sich als trügerisch, trug aber dazu bei, zunächst keinen Anschluss an eine der Kameradschaften zu suchen, die auch in Königsberg nach den Richtlinien des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes ab 1936 allmählich entstanden. Als sich die Lage 1938 zuspitzte, änderte der Altherrenverein seinen Standpunkt im Interesse seines Fortbestandes. Etwa zwei Drittel der Mitglieder traten in den NS-Altherrenbund unter dem Führer Gerhard Loch ein. Sie schufen damit die Voraussetzung, mit dem NSDStB über die Übernahme einer Kameradschaft zu verhandeln. Die Erfüllung weiterer Bedingungen zog sich hin, so dass Masovia erst im Herbst 1938 mit einer Kameradschaft Verbindung aufnahm. Nachdem die Universitätskameradschaften Portschweiten (Hans Alsen), Tannenberg (Karl-Friedrich Balzer), Masuren (Werner Lange), Hermann von Salza (G. Sareyko) und Hermann Balk (Walter Jakob) bereits suspendiert hatten, standen zur Auswahl: Stammhaus Ostpreußen (Hermann Schulze), Yorck (Hans Reinhard), Braunau (Gerd Spangenmacher), Honigfelde (Walter Koschorreck) und Liebenberg (Schwirblat).[34] Wenn man allein und nicht mit anderen Corps oder Korporationen ins Boot steigen wollte, kam nur die Liebenberg für den Anschluss an einen Altherrenverein in Frage. Masovia übernahm sie im Oktober 1938.[35]

Den Namen Liebenberg hatte Feldwebel Jürgen Sielaff angeregt.[36] Er bezog sich auf ein Schatulldorf im masurischen Kirchspiel Friedrichshof, wo die Kameradschaftsgründer ihren Landdienst bei der Hitlerjugend abgeleistet hatten. Die innere Organisation der Kameradschaft entsprach den Vorschriften des NSDStB und nicht denen des CC oder AHV. Eine organisatorische Anpassung von AHV und Kameradschaft durch entsprechende Satzungsänderungen wurde erst im Sommer 1944 vorbereitet; wie die beschlossene Umbenennung in Deutscher Orden wurden sie aber nicht mehr verwirklicht.[35]

Trotz periodischer Begegnungen beider Seiten im Corpsheim am Roßgärter Markt blieben die Beziehungen immer sehr lose; denn bis zum Polenfeldzug blieb kein Jahr und der Krieg änderte das Leben der Kameradschaft tiefgreifend. Eitel-Friedrich Rissmann gab die ersten gemeinsamen Mitteilungen des Vereins Corpshaus Masovia und der Kameradschaft Liebenberg heraus.

In der Nachkriegszeit – besonders nach der (vermeintlichen) Rekonstitution im Januar 1950 – suchten vereinzelte Liebenberger neuerlichen Anschluss an Masovia; die corpsstudentischen Bedingungen mochten sie aber nicht erfüllen.[35]

„Die Liebenberger gaben auch im Kriege Kriegsrundbriefe heraus, an denen sich einzelne Corpsbrüder beteiligten. Sie machten sogar das Masurenlied als „Traditionslied unseres Traditionsverbandes“ allen Empfängern bekannt. Die Kameradschaft war auch im Kriege friedensstark; denn im Gegensatz zum ersten Weltkrieg waren die Hörsäle von Studenten kriegswichtiger Fakultäten überfüllt. Bestimmungsmensuren hat sie nie geschlagen. Ebensowenig sind Masurensöhne bei ihr eingetreten. Die Kameradschaft hat sich formell nie aufgelöst, sie endete zusammen mit Königsberg. Wir haben keinem Liebenberger irgendwelche Corpsabzeichen verliehen und auch nach dem Kriege haben sie an uns kein ernstes corpsstudentisches Interesse genommen. Der Fall Liebenberg blieb eine zeitbedingte Episode.“

Hans Lippold

Nach der alphabetischen Reihenfolge im SC zu Königsberg wäre Masovia 1941 präsidierendes Vorortcorps geworden. – Im Zweiten Weltkrieg kamen 73 Masuren um. Drei erhielten das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.[37]

Archiv

Das „alte, umfangreiche und sehr wertvolle Archiv“ war zuletzt in den Kellerräumen der Staats- und Universitätsbibliothek untergebracht und ging mit ihr unter.[38] Was erhalten oder ersetzt ist, wird seit Jahrzehnten zusammengetragen.[39][40]

Hochburg Berlin

Bürgermeister Kuhrs Erinnerung an Masuren und Masovia in Berlin-Pankow

Getreu der Neujahrsparole von Preußens Armee „Königsberg-Berlin!“ kamen viele Masuren in die Reichshauptstadt, immer etwa 13 % der Altherrenschaft. Seit 1870 trafen sie sich allwöchentlich (erst sonnabends, dann donnerstags) in verschiedenen Lokalitäten. Ab 1886 kamen sie im Bierhaus Siechen in der Behrenstraße zusammen. Die „Siechenabende“ im „Badezimmer“ und dann im größeren „Künstlerzimmer“ waren im ganzen Kösener bekannt und wurden von vielen Gästen anderer Corps besucht. Zu den regelmäßigen Besuchern gehörten Rolf Grabower, Friedrich August Heyer, Erich Hossenfelder, Hans Pfundtner, Alfred Prang, Paul Treibe, Paul Trint, Franz Willuhn und Arthur Zimmermann. 1928 waren nach dem Berliner Adreßbuch alter Kösener Corpsstudenten (dem „Kochbuch“ von John Koch) 52 Masuren in Berlin; nach der Suspension 1935 waren es achtzig. Bei den größeren Veranstaltungen wie dem 40. Stiftungsfest 1926 war der CC natürlich vertreten.

Beim alljährlichen AHSC-Kommers zur Grünen Woche hatte Masovia einen mit blau-weiß-roten Fahnen geschmückten Sondertisch für hundert Personen. Für 1929 sind im Gästebuch 54 Treffen mit 665 Teilnehmern vermerkt. Der regelmäßigste Besucher eines jeden Jahres (u. a. Hossenfelder und Romeyke) erhielt einen gravierten Deckelschoppen, der im Siechen blieb. Weihnachten, Ausflüge und Stiftungsfeste wurden mit den Corpsschwestern begangen. Der Vorsitz lag über Jahrzehnte bei Oscar Nebelsieck (AEG) und Richard von Schaewen. „Ungekrönter König“ der Berliner Masuren war Herbert Neumann.[41]

Im Zweiten Weltkrieg traf man sich nach den Bombenangriffen auf Berlin ab 1940 im Restaurant Fürstenhof in der Knesebeckstraße, mitunter auch im Haus Vaterland.

Siehe auch: Corpsstudenten in Berlin

Kiel

Rekonstitution im Kieler Masurenzimmer (1997)

In der Nachkriegszeit suchte Masovia eine Zukunftsperspektive. Baltia, Hansea, Littuania und – nolens volens – Masovia erwogen die Neugründung eines gemeinsamen Corps mit den Farben blau-weiß-rot-grün in München, Göttingen oder Hamburg.[42] In Hamburg bestanden bereits Thuringia Jena und Suevo-Borussia (und bald auch Franconia Hamburg). In München hatten ostdeutsche Studenten die wassersportliche Vereinigung Hansea-Albertina gegründet. Der durch die US-amerikanische Militärregierung konzessionierte Heimatbund war auch zum Sportfechten zugelassen. Er hatte Interesse am Altherrenstamm einer alten Verbindung, um eine neue corpsähnliche zu schaffen. Im August 1949 ließ Masovia „den Plan als untunlich fallen“.[2]

Mit dem befreundeten, seit dem 10. Dezember 1949 in Kiel rekonstituierten Corps Palaiomarchia Halle gründete sie im Januar 1950 den gemeinsamen Corpsburschen-Convent Palaiomarchia-Masovia.[43] Nicht zu übersehen war, „ob dieses die endgültige Lösung bleibt oder ob jeder Partner nicht eines Tages zu seinem Eigenleben zurückkehrt“.[44] Um den Corpsbrüdern die Anreise zu erleichtern, feierte Masovia ihr 120. Stiftungsfest am 9. und 10. September 1950 im hessischen Treysa. Es kamen 20 Masuren, 16 Corpsschwestern und 2 Altmärker-Masuren. Es ging vor allem um das Fechten und ein Corpsheim. Prang wurde Vorsitzender des Altherrenvereins.

Die Altherrenschaften von Masovia und Palaiomarchia blieben in den folgenden Jahrzehnten unberührt bestehen, nahmen aber altersbedingt ab. 1960 lebten 186 Masuren, 133 Altmärker und 119 Altmärker-Masuren.[45] Bis auf wenige Ausnahmen verliehen sich die Alten Herren von Palaiomarchia und Masovia am 15. Oktober 1960 in Hannover gegenseitig die Bänder.[46]

1980 besorgte Ernst-Werner Weiß die weithin beachtete Ausstellung „150 Jahre Masovia Königsberg“ im Rantzaubau des Kieler Schlosses. Oswald Hauser sprach über Das geistige Preußen.

Als die neuen Länder nach der sog. Wiedervereinigung offen standen, beschloss Palaiomarchia-Masovia im Januar 1991, Palaiomarchia – das eine der beiden Muttercorps – beim Wiederaufbau in Halle (Saale) zu unterstützen; in Kiel sollte aber „alles so bleiben wie es ist“. Der Status von Masovia blieb unklar. Von Rüdiger Döhler eingeladen, sprach Boris Meissner im November 1993 auf einer überfüllten (und totgeschwiegenen) „Königsberg-Kneipe“ über die Perspektiven Ostmitteleuropas nach der Zeitenwende. Seine große Rede war wohl der Anstoß für die Rückbesinnung auf Masovias Erbe und Identität. Als sich nach vielen Sitzungen der Kösener Kommissionen herausstellte, dass es sich im Januar 1950 nicht um eine Rekonstitution gehandelt hatte und die Suspension von 1935 fortbestand, beschlossen die letzten 19 von 1199 Königsberger Masuren einmütig die (neuerliche) Rekonstitution des Corps. Als sie am 167. Stiftungstag, am 14. Juni 1997, vollzogen wurde, erhielten einige Alte Herren der Palaiomarchia-Masovia das Masurenband. Von den 12 alten Masuren äußerte nur Harry Siegmund Vorbehalte gegen die Loslösung vom Kieler Corps. Zum Vorsitzenden des Altherrenvereins gewählt, führte Klaus Balduhn das Corps durch die drei kritischen Übergangsjahre.

Am 8. Februar 2000 nahm der SC zu Kiel Masovia als viertes Corps auf. Damit entging Masovia dem Schicksal der drei anderen Königsberger Corps beim oKC 2001 zu erlöschen. Der Kösener Congress jenes Jahres bestätigte vielmehr den Kieler SC-Beschluss und erklärte Palaiomarchia-Masovia antragsgemäß als eine Neustiftung von 1950, die keinen Anspruch auf Masovias Tradition und Erbe erhebt. Dessen ungeachtet und entgegen allen corpsstudentischen Selbstverständlichkeiten führt das Kieler Corps nach wie vor das Band und den Zirkel Masovias. Deshalb legten sieben Masuren das Kieler Doppelband nieder.

Im Juli 2000 beschloss Masovia in Hannover, Kiel zu verlassen und die Verhältniscorps um Hilfe zu bitten. In Frage kam nur das „preußische“ Potsdam.

Potsdam

Am Böttcherberg 12 (2001–2004)
„K 17“

Nach einem Altmärker erklärten sich im Herbst 2000 drei Berliner Märker und ein Vandale-Teutone bereit, bei einer Verlegung nach Potsdam aktiv zu werden. So beschloss Masovia im Oktober 2000 auf dem Altmärkerhaus in Halle, den Sitz von Kiel nach Potsdam zu verlegen. Nach 66 Jahren Suspension wurde im Cecilienhof der aktive Betrieb am 20. Januar 2001 eröffnet – genau 300 Jahre nach Preußens Erhebung zum Königreich. Beim Antrittsbesuch des Seniors und des Altherrenvorsitzenden im Mai 2001 hieß Wolfgang Loschelder, der Rektor der Universität Potsdam, das Corps „mit Freude und Erleichterung“ willkommen.

2001 mietete Masovia ein kleines Haus in Klein Glienicke. Nach dem WS 2003/04 musste sie den Böttcherberg verlassen, weil der Mietvertrag gekündigt worden war. Das Haus war ohnehin zu klein geworden und bot weder Pauk- noch Wohnmöglichkeiten. Im Holländischen Viertel kaufte der Altherrenverein das dritte (oder vierte) Corpshaus, das die Aktiven im April 2004 bezogen.[47] Es steht unter Denkmalschutz.

Einige Wochen zuvor war Masovias ältestes Kartell mit Marchia Berlin zerbrochen. Für die sechsgliedrige PP-Suite wurden ein Berliner Normanne und ein Silvane aktiv. Die Partien wurden in Berlin und Potsdam, die Contrahage der Sekundanten bei Saxonia Kiel ausgetragen.

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte stellte Masovia 2005/06 mit Lerch, Hivy und Höhne den Vorort des KSCV.[48] Für den KSCV als ersten Korporationsverband initiierte er den Kauf von allen 110 Bänden der Bibliothek Verbrannter Bücher.[49]

Seit 2001 war Masovia fünfmal in Kaliningrad. Zwei Kartellbrüdern wurde das Masurenband im Königsberger Dom verliehen. In der früheren Universitätskirche wurde im März 2009 auch zum ersten Mal ein Masurenfuchs aufgenommen. Vom Dekan der Historischen Fakultät eingeladen, stellte sich das Corps in der Russländischen Immanuel-Kant-Universität Kaliningrad vor.[50] Begleitet wurden die Masuren von zwei Hessen-Nassauern und dem Oldermann der Fraternitas Arctica. Beim 180. Stiftungsfest im Juni 2010 erwiderte Waleri Iwanowitsch Galzow den Besuch. Zum ersten Mal in Deutschland, warb er für eine Vertiefung der Beziehungen. Für die Landsmannschaft Ostpreußen wies Wolfgang Thüne dem Corps eine besondere Verantwortung in der Wahrung seines Erbes zu.

Zum 182. Stiftungsfest widmete der Marburger Teutone Claus Dreessen dem Corps das „Königsberger Potsdam-Lied“. Im März 2013 hat das Corps 73 Mitglieder.

Verhältniscorps

Das zweite Jahr bezieht sich auf den Abschluss des vorangegangenen Freundschafts- oder Vorstellungsverhältnisses

Kartelle
Palatia-Guestphalia (Guestphalia Jena 1921/1898)
Guestfalia Greifswald (1922/1885)
Befreundete
Palaiomarchia (1908/1902)
Austria (1920)
Isaria (1921/1887)
Onoldia (1921/1885)
Teutonia Marburg (1930/1920)
Frühere
Marchia Berlin (1920/1843–2004)
Lusatia Leipzig (1919/1881–2012)
Guestphalia Berlin (1880–1882)
Marcomannia Breslau (1902–1919)
Moenania (1894–1900), Vorstellungsverhältnis
Suevia Prag (1919–1938), Vv.
Rhaetia (1919–2006), Vv.

Aufgrund ihrer Verhältniscorps wird Masovia zum Blauen Kreis im KSCV gezählt.

Selbstverständnis

Stärkstes Corps im KSCV – Masovias Fuchsmajor und Füchse im SS 1926

„Dem Eigendünkel der Unfehlbarkeit haben wir zu keiner Zeit gefröhnt, dem Hochmut und Dummstolz nie gehuldigt ... Mut und Festigkeit, Tatkraft und begeisterter, mächtiger Aufschwung für alles Hohe und Ideale macht den wahren Corpsstudenten aus, der keinen Menschen mehr verachtet als den Kriecher und Streber.“

Karl Heinrich [2]

„Wir haben den alten, schönen Grundsatz, daß der aktive C.C. in allen Dingen oberste Instanz ist und die Alten Herren nur zu raten haben, unverwässert aufrechterhalten und ich bin der Meinung, daß wir an diesem Grundsatz nicht rütteln lassen sollten. Je größer die Verantwortung des aktiven Corpsburschen ist, umso besser für seine Charakterbildung.“

„Der scharfen Mensurkritik [Masovias] fiel eine große Zahl sonst tüchtiger Leute zum Opfer, was sich aber nicht vermeiden läßt, wenn man nicht alsbald an äußerem Ansehen und innerem Wert des Corps Einbuße erleiden will.“

Einzelnachweise

  1. Georg Pliska: Dem Gemeinwesen und Europa verpflichtet – Masovia Königsberg zu Potsdam. Corps – das Magazin (Deutsche Corpszeitung), 111. Jahrgang, Heft 2/2009, S. 22
  2. a b c d e f g h i j k l m n o Corps Masovia (2005)
  3. Hans Lippold: Namen auf vergilbenden Blättern. Ein alter Druck erzählt von Königsberger Studenten vor 150 Jahren. Ostpreußenblatt, 14. November 1970
  4. a b Verzeichnis sämtlicher Mitglieder des Corps Masovia 1823 bis 2005. Potsdam 2006
  5. Kösener Korps-Listen 1910, S. 614 f.
  6. a b c H. Lippold: Die Herkunft von Farben und Namen des Corps Masovia zu Königsberg. Einst und Jetzt, Bd. 6 (1961), S. 123–127. Nachwort E. Bauer S. 127–129
  7. H. Lippold in einem Brief an Ludwig Denecke vom 12. Dezember 1967
  8. Eduard Loch: Zur Hundertjahrfeier der Masovia. Deutsche Corpszeitung, 47. Jg., Nr. 3 (Juni 1930), S. 77–79
  9. „Mannesehre verachtet den Tod!“
  10. August Müller (1807–1872) war später Archidiakon an der St. Marienkirche in Danzig
  11. a b H. R. Niedorf 1999
  12. diffus 8° Geometrie bei Tageslicht / L-Koordinate (Helligkeit): 73,5 / Rot-Grün-Koordinate (a*) -16,2 / Gelb-Blau-Koordinate (b*) -19,35
  13. Festschrift zum 10. Stiftungsfest der Normannia, 1883
  14. H. Lippold: Die Königsberger Corps Scotia (1829-1847), Borussia (1829-1847), Normannia I (1833–1847), Normannia II (1873-1889), Baltia I (1834-1840) und Pappenhemia (1824-1841). Einst und Jetzt, Bd. 13 (1968), S. 87
  15. Verein für Kunde Masurens (Internet Archive)
  16. Carl Heinrich: Das fünfzigjährige Stiftungsfest des Corps Masovia (1880)
  17. A. Kossert: Masuren. Ostpreußens vergessener Süden. Berlin 2001, S. 156
  18. Historische Masurische Vereinigung
  19. Die Masurische Biene (PDF; 56 kB)
  20. Landesbibliothek Stuttgart, abgedruckt in Altpreußische Geschlechterkunde, Heft 1/3, 1979 (H.-W. Weiß, Corpszeitung der Altmärker-Masuren 65, Kiel 1979, S. 1679–1681)
  21. H. Lippold: Fuchsentaufe und Gräberbummel. Zeitung der Altmärker-Masuren 37/38, Kiel 1966, S. 662–664
  22. Fr. Boy, Graw, Horn, H. Kohtz, Telemann und später Perkuhn, Pawelcik, Friedrich und Hugo Dommasch.
  23. Die handschriftliche Kriegszeitung des Corps Masovia 1914-1919 mit 1081 Seiten in zwei Bänden befindet sich im Masurenarchiv und in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB-Nachweis)
  24. H.-H. Müller-Dieckert: Masovia und die Eisenbahn. Corpszeitung der Altmärker-Masuren 56 (1975), S. 1241
  25. nach Hellmut Trute
  26. H. Lippold: „De ollen Studentkes wäre doch de beste“. Über 200 Pferde in einem Festumzug der Masovia. Ostpreußenblatt, 31. Juli 1965
  27. Franz Boy: Studenten in Alt-Königsberg – Zum 100jährigen Stiftungsfeste des Corps Masovia, 14. Juni 1830–1930. Gräfe und Unzer, Königsberg (Pr.) 1930
  28. H. Siegmund: Rückblick – Erinnerungen eines Staatsdieners in bewegter Zeit. Raisdorf 1999, S. 64
  29. Königsberger Allgemeine Zeitung, 18. Februar 1929
  30. Hans Lippold in einem Brief an Otto Fünfstück (29. November 1969)
  31. H. Lippold, Rundbrief der Albertus-Universität 1965
  32. Rundschreiben der Masovia (Boy, Lüttmann) vom 23. September 1935
  33. Rolf Grabower nahm das Band noch 1945 wieder auf, Hans Widera später
  34. Der Student der Ostmark. Kampfblatt der Deutschen Studenten im Osten, 1. Kriegs-Nummer. Königsberg, 15. November 1939
  35. a b c Hermann Stange: Die Geschichte der Kameradschaft des Corps Masovia. Unveröffentlichtes Manuskript vom 24. März 1955 (Archiv Corps Masovia)
  36. Sielaff hatte am 28. September 1939 das philologische Staatsexamen bestanden. Er fiel 1945.
  37. Ritterkreuztäger des Corps Masovia
  38. H.-H. Müller-Dieckert, Zeitung der Altmärker-Masuren 85 (1989), S. 2672
  39. H. Lippold, Zeitung der Altmärker-Masuren 42 (1968), S. 793 f.
  40. Masovias Archiv (corpsarchive.de)
  41. H. Lippold, in: Zeitung der Altmärker-Masuren 45 (1969), S. 910
  42. Siehe Albertina in der Interessengemeinschaft
  43. Zur Vorgeschichte der Gründung: W. Schrader-Rottmers, Zeitung der Altmärker-Masuren 43 (1968), S. 846 f.
  44. H. Stange, Rundbrief 13/50 (2. Oktober 1950)
  45. H. Lippold: Sprechende Zahlen. Zeitung der Altmärker-Masuren 40 (1967), S. 717 f.
  46. H. Löwe, Zeitung der Altmärker-Masuren 28 (1960), S. 327–329
  47. Corpshaus „K 17“
  48. Vorort Potsdam
  49. M.-T. Lerch: Das aktive Corps ist Mittelpunkt! (Corps 1/2006)
  50. Corpsstudenten bauen Brücken am Pregel. Masovia kehrt zu ihren Ursprüngen zurück. Preußische Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 23. Mai 2009, S. 14 f.

Literatur

  • Rüdiger Döhler (Hrsg.): Corps Masovia. Die 175jährige Geschichte von Königsbergs ältester und Potsdams erster Korporation im 21. Jahrhundert. München 2005, ISBN 3-00-016108-2
  • Helmut R. Niedorf: Die Farben der Masuren. Heimatbote 1999 der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, S. 144–151
  • Eduard Loch, Hans Lippold: Geschichte des Corps Masovia 1830–1930, 3 Teile. Königsberg i. Pr. 1930/1933
  • Alfred Prang: Aktivensemester in Königsberg (SS 1908 bis WS 1910/11). Zeitung der Altmärker-Masuren, Kiel. Teil I: 31 (1962), S. 422–428; Teil II: 32 (1963), S. 457–461
  • Siegfried Schindelmeiser: Der Königsberger Senioren-Convent bis zum Jahre 1848. Deutsche Corpszeitung
Festschriften
40. Stiftungsfest, 1870
50. Stiftungsfest, 1880
65. Stiftungsfest, 1895
75. Stiftungsfest, 1905
Commons: Corps Masovia Königsberg zu Potsdam – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien