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Ernst Haeckel

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Ernst Haeckel

Ernst Heinrich Philipp August Haeckel (* 1834 Potsdam; † 1919 Jena) war ein deutscher Biologe und Philosoph, der die Arbeiten von Charles Darwin in Deutschland bekannt gemacht und hinsichtlich einer Abstammungslehre des Menschen ausgebaut hat. Haeckel war Arzt und später Professor für vergleichende Anatomie. Er war auch einer der ersten, die Psychologie als Zweig der Physiologie sahen. Er prägte einige heute geläufige Begriffe der Biologie wie Stamm oder Ökologie und bezeichnete die Politik als angewandte Biologie. Diese und andere Aussagen wurden später durch die Nazi-Ideologie vereinnahmt und als Begründung für Rassismus und "Sozial-Darwinismus" missbraucht. Ein ebensolcher Missbrauch seiner Schriften findet sich bei einer Reihe anthroposophischer Autoren.

Obwohl heute eher populärwissenschaftliche bzw. polemische Schriften oder Reiseberichte aus seinen Gemeinverständlichen Werken (eine nach seinem Tod erschienene Sammlung der populären Schriften) die auch die Welträhtsel oder die Briefe aus Insulinde beinhaltet, gelesen werden bieten auch wissenschaftliche Werke heute durchaus Inspiration. Hervorzuheben sind hier die Generelle Morphologie von 1866, das weltweit erste Lehrbuch der Biologie auf Grundlage der Evolutionstheorie Darwins ist sowie die Anthropogenie von 1874 in der Haeckel mit Methoden der vergleichenden Anatomie den Ursprung des Menschen im Tierreich untersucht und seine Stammesgeschichte rekonstruiert.

Haeckel sah die Biologie in vielem mit der Kunst verwandt. Seine künstlerische Begabung wurde durch Symmetrien in der Natur stark angesprochen, unter anderem an Einzellern wie Radiolarien. Besondere Berühmtheit erlangten seine Abbildungen von Planktonorganismen, die die mikroskopische Welt in eindrucksvoller Schönheit darstellten. Seine "Kunstformen der Natur", die er 1899-1904 in mehreren Heften veröffentlichte, gehörten - wie Brehms Tierleben - in den Haushalt eines jeden Bildungsbürgers. Seine Darstellungen beeinflussten die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts. So beruhen die Glaslüster im Ozeanischen Museum Monaco von Constant Roux ebenso auf Vorlagen Haeckels wie das monumentale Tor des französischen Architekten René Binet auf der Pariser Weltausstellung 1900. Binets von Haeckel inspirierte Tafelwerk "Esquisses décoratives" wurde zu einer Grundlage der Art nouveau.

Haeckel war unglaublich arbeitsam. So beschrieb er allein von einer Challenger-Expedition über 3.000 Arten. Insbesondere nach dem Tod seiner Frau arbeitete er vielfach mehr als 18 Stunden am Tag. Haeckels Beobachtungen der Parallelen zwischen Ontogenese und Phylogenese wurden "Rekapitulationsgesetze" genannt; seine Theorien lassen sich im Satz "Ontogenese rekapituliert Phylogenese" zusammenfassen. Da Haeckels Versuche, diese Theorie zu beweisen, ungenau waren, und Haeckel selbst die naturwissenschaftliche Erkenntnis in Gegensatz zur Religion stellte, wurden sie unter anderem zu einem Angriffspunkt der Kreationisten, um die Evolutionstheorie zu widerlegen, er wurde aber auch von dem Biologen Stephen Jay Gould kritisiert. Philosophisch verfocht er einen Monismus, unter dem er eine Einheit von Gott und Welt verstand. So schrieb er in "Die Welträthsel":

Die Verschmelzung der anscheinenden Gegensätze, und damit der Fortschritt zur Lösung des fundamentalen Welträthsels, wird uns aber durch das stetig zunehmende Wachsthum der Natur-Erkenntniß mit jedem Jahre näher gelegt.

So dürfen wir uns denn der frohen Hoffnung hingeben, daß das anbrechende zwanzigste Jahrhundert immer mehr jene Gegensätze ausgleichen und durch Ausbildung des reinen Monismus die ersehnte Einheit der Weltanschauung in weiten Kreisen verbreiten wird.

Dabei war Haeckel kein strenger Atheist. Zwar lehnte er jeden Schöpfungsakt strikt ab (daher die Schärfe seiner Auseinandersetzung mit den Kreationisten), er kam jedoch aus einem christlichen Elternhaus und sah die Natur - bis hin zu anorganischen Kristallen - als beseelt an. Sein Materialismus war der einer durchgeistigten Materie, er sah Gott als identisch mit dem allgemeinen Naturgesetz. In diesem Zusammenhang sprach er u.a. von "Zellgedächtnis" (Mneme) und "Kristallseelen".

Haeckel war eine auffallende Persönlichkeit, und seine Popularität in der Öffentlichkeit war größer als in wissenschaftlichen Kreisen. Obwohl Haeckels Ideen für die Geschichte der Evolutionstheorie wichtig waren, und er ein kompetenter Anatom war, haben sich viele seiner theoretischen Überlegungen als unpräzise, teilweise auch falsch herausgestellt. Er postulierte, benannte und beschrieb ursprüngliche Mikroorganismen, die aller Wahrscheinlichkeit nach nie existiert haben.

Sein Biogenetisches Grundgesetz von 1866 wird heute als veraltet angesehen. Seine Neigung zur philosophischen Bewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass seine Abbildungen biologischer Objekte teilweise mehr und anderes zeigten, als tatsächlich bei kritischer Betrachtung vorhanden ist. Obwohl er die induktive Methode Darwins lobend herausstellte, war er doch mehr von der deduktiven Gedankenkonstruktion Lamarcks fasziniert. So nimmt es nicht Wunder, dass er naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus vielen Bereichen sehr gezielt als Beleg seines Monismus darstellte und eine kritische, nach allen Seiten orientierte Betrachtung unterließ.

Schriften von und über Ernst Haeckel im Internet: