Hermetik
Hermetik bezeichnet die spätantike religiöse Offenbarungs- und Geheimlehre des Hermes Trismegistos, des dreimal größten Hermes – so nannten die Griechen den ägyptischen Gott Thot und meinten damit synkretistisch aufwertend Hermes, den Götterboten und Gott der Weisheit. Die Hermetik beschreibt sich hauptsächlich im Corpus Hermeticum (nach dem ersten Teil der 17 auch als >>Poimandres<< bezeichnet), aber genauso dem Kybalion, der Tabula Smaragdina und der Picatrix.
Quellenlage, Datierung
Isaac Casaubon, der berühmte Humanist der Renaissance, bewies in De rebus sacris ecclesiasticis exercitationes XVI (1614, London) durch philologische Argumente, das Corpus Hermeticum kann nicht vor dem 1. vorchristlichen Jahrhundert entstanden sein. Es sei stark von griechischem astrologischen und neuplatonischen Gedankengut geprägt. Dieser Ansicht schloss sich die Mehrzahl der Forscher an. Vom Alten Ägypten gelangte das Corpus Hermeticum in den arabischen Raum und wurde u.a. über Córdoba und Harran in das Europa des Hohen Mittelalters gebracht. Die Tabula Smaragdina wurde zu einer Art „Glaubensbekenntnis“ der Alchemisten und beschreibt in typisch symbolischer Sprache alle vier Phasen des großen Werks der Alchemie. Nach Mircea Eliade in Geschichte der religiösen Ideen sei dieser Text in Spanien um 1150 aus dem Arabischen durch Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt worden (Bd. 3/1, S. 149).
Hermetische Quellen
Die wichtigsten Werke der Hermetik sind
- das Corpus Hermeticum,
- das Kybalion
- die Tabula Smaragdina,
- die Picatrix (im 12. Jh. auf Arabisch verfasst).
Viele andere Magiebücher beziehen sich direkt oder indirekt auf diese Werke. Inwieweit spezifische neuere Bücher mit der ursprünglichen Lehre übereinstimmen, ist umstritten.
Siebzehn Bücher des Hermes Trismegistos (Corpus Hermeticum)
Das Corpus Hermeticum enthält Traktate in Brief-, Dialog- und Predigtform. Sie beinhalten Einflüsse der ägyptischen und orphischen Mysterien, neuplatonische Gedanken von Wiedergeburt, Ekstase, Reinigung, Opfer und mystische Vereinigung mit Gott. Direkte Einflüsse des Corpus Hermeticum auf die christliche Gnosis des 3. und 4. Jahrhunderts sind nachweisbar.
- Das erste Buch - Poimandres
- Das andere Buch Hermetis - Das Gemüt an Hermes
- Das dritte Buch - Die Sermon oder Rede
- Das vierte Buch - Die geheiligte Rede Hermetis Trismegisti
- Das fünfte Buch - Von der Gottseligkeit und der Liebe zur Wahrheit
- Das sechste Buch - Eine allgemeine Rede Hermetis Trismegisti an Asclepium
- Das siebente Buch - Der Becher oder Einheit an Tatium
- Das achte Buch - Dass der unoffenbarte Gott am alleroffenbarlichsten sei
- Das neunte Buch - Dass von den wesentlichen Dingen nichts untergeht
- Das zehnte Buch - Dass das Gute alleine Gott ist
- Das elfte Buch - Von der Besinnung und dem Verstand
- Das zwölfte Buch - Schlüssel an Tatium
- Das dreizehnte Buch - Von dem gemeinen Gemüt
- Das vierzehnte Buch - Die verborgene Rede auf dem Berge
- Das fünfzehnte Buch - Recht weise zu sein
- Das sechzehnte Buch - Von den Seelen
- Das siebzehnte Buch - Von der Wahrheit
Kompletter Text unter Weblinks.
Sieben hermetische Lehren (Kybalion)
Die Hermetik ist eine alte Weise, den Kosmos zu beschreiben, die im sogenannten Kybalion niedergelegt wurde. Die hermetische Lehre kennt sieben Prinzipien, die im Universum zusammenwirkten und interagierten:
- Das Prinzip der Geistigkeit: „Das All ist Geist; das Universum ist geistig“
- Das Prinzip der Entsprechung: „Wie oben, so unten; wie unten, so oben“
- Das Prinzip der Schwingung: „Nichts ruht; alles bewegt sich; alles schwingt“
- Das Prinzip der Polarität: „Alles ist zweifach, alles ist Pole; alles hat seine zwei Gegensätze; Gleich und Ungleich ist dasselbe. Gegensätze sind ihrer Natur nach identisch, nur im Grad verschieden; Extreme begegnen einander; alle Wahrheiten sind nur Halb-Wahrheiten; alle Paradoxa können in Übereinstimmung gebracht werden.“
- Das Prinzip des Rhythmus: „Alles fließt; aus und ein; alles hat seine Gezeiten; alles hebt sich und fällt, der Schwung des Pendels äußert sich in allem; der Ausschlag des Pendels nach rechts ist das Maß für den Ausschlag nach links; Rhythmus gleicht aus“
- Das Prinzip von Ursache und Wirkung: „Jede Ursache hat ihre Wirkung; jede Wirkung hat ihre Ursache; alles geschieht gesetzmäßig; Zufall ist nur ein Name für ein unerkanntes Gesetz, es gibt viele Pläne von Ursachen, aber nichts entgeht dem Gesetz“
- Das Prinzip des Geschlechts: „Geschlecht ist in allem; alles hat sein männliches und sein weibliches Prinzip in sich; Geschlecht offenbart sich auf allen Plänen.“
Ihre Funktion in der Moderne
Die hermetische Lehre versteht sich als eine Lehre der übergeordneten Naturgesetze. In ihr sind sowohl die Gesetze der Kausalität als besonders der Analogie zu finden. Die Hermetik steht damit außerhalb der Naturwissenschaft, die Analogien nicht in dieser Allgemeinheit, sondern nur nach Prüfung im Einzelfall zulässt.
Die hermetische Lehre bietet ein Erklärungsmodell für die Beziehungen der verschiedenen Dinge zueinander. Sie ist nach Meinung ihrer Anhänger nicht nur in der Lage, Voraussagen zu liefern, sondern man soll, sobald man diese Gesetzmäßigkeiten begriffen hat, diese auch benutzen, um die Realität den eigenen Wünschen anzugleichen – ein Vorgang, der Manipulation der Wirklichkeit oder einfacher ausgedrückt Magie genannt wird.
Manche gegenwärtigen Hermetiker glauben dank Rezeption der Quantenphysik, die Gesetze der Kausalität umfassen nicht die gesamte Realität und die Naturwissenschaft komme zunehmend wieder zu den alten hermetischen Gesetzen zurück. Diese These wird von Physikern vehement abgelehnt.
Traditionelle Hermetiker
Die Lehre der Hermetik ist heutzutage wichtiger Bestandteil der Esoterik.
Auch Homöopathie wird teilweise als hermetisch bezeichnet. Daneben ist aber für die Medizin auch originär hermetisches Wissen relevant: In der Naturheilkunde spielen hermetische Vorstellungen etwa in der Spagyrik oder auch der Kräutermedizin eine Rolle.
Manche Hermetiker zählen den Dominikaner Albertus Magnus zu den ihren. Er unterteilte die Magie in „schwarz“ und „weiß“. Andere seien ihm gefolgt:
- Roger Bacon, der die Kristallkugelmagie entwickelte,
- Nicholas Flamel, dem Alchemisten, dem man nachsagt, er habe den Stein der Weisen tatsächlich gefunden,
- Giovanni Pico della Mirandola, der die Lehre der Hermetik mit der Kabbala verband,
- Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim: De Occulta Philosophia,
- Paracelsus, dem Begründer der alternativen Naturheilkunde
- John Dee, Angeologe, der die Kryptografie revolutionierte
- Giordano Bruno, entwickelte das Gedächtnistraining bis hin zu modernen Magieren wie
- Aleister Crowley, dem Entwickler des Crowley-Tarot-Karten-Systems, und
- Franz Bardon: Der Weg zum wahren Adepten
Eine umfassende Alchemistenliste findet sich in Alchemie.