Benutzer:Haobe/Spielwiese
Evangelisches Pfarrerblatt[1]
Evangelisches Pfarrerblatt
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Beschreibung | "Positions- und Diskussionsfeld für das Agieren von Kirchen und Christen in der sozialistischen Gesellschaft der DDR" |
Fachgebiet | Theologie, Kirche, Gesellschaft |
Sprache | Deutsch |
Verlag | Union Verlag (VOB) Dresden |
Erstausgabe | 1959 |
Einstellung | 1972 |
Erscheinungsweise | monatlich |
Verkaufte Auflage | 2000 Exemplare |
Chefredakteur | Karl Kleinschmidt, gefolgt von Herbert Reinelt und Günter Wirth (1970-1972) |
Herausgeber | Bund Evangelischer Pfarrer in der DDR (e. V.) |
Das Evangelische Pfarrerblatt (EvPf) war eine von 1959 bis1972 erschienene Monatszeitschrift der DDR, die sich mit Christen und Kirche in der DDR auseinandersetzte. Insgesamt erschienen vierzehn Jahrgänge. Die Auflage lag um 2000 Exemplare. Die Zeitschrift wurde vom Bund Evangelischer Pfarrer in der DDR (e. V.) herausgegeben und als deren Organ betrachtet. Die Zeitschrift wandte sich aber nicht nur an Mitglieder des Bundes, sondern an alle evangelische Amtsträger der DDR. Das fand auch darin Ausdruck darin, dass sich der Mitarbeiterkreis nicht auf die Mitglieder des Pfarrerbundes beschränkte.
Vorgeschichte
In der DDR waren in den 1950er Jahren zwei evangelische (Monats-)Zeitschriften begründet worden, die außerhalb der kirchlichen Publizistik erschienen und als „staatsnah“ angesehen wurden: 1955 (im VEB Verlag Max Niemeyer Halle, in dem in früheren Zeiten auch theologische Schriften herausgegeben worden waren) „Glaube und Gewissen“, vier Jahre später das EvPf (im Eigenverlag) als Organ des Bundes Evangelischer Pfarrer in der DDR.
Während sich die erstgenannte Zeitschrift mehr an Gemeindeglieder richtete und daher eine mehr oder weniger gelungene Melange eher erbaulicher Betrachtungen sowie Erzählungen und auf aktuelle politische und kirchenpolitische Fragen bezogener Aufsätze bot, setzte das EvPf auf theologische Debatten und geistig-politische Auseinandersetzungen, in mancher Hinsicht (übrigens auch im Umfeld der Literaturkritik) auf hohem Niveau. Das EvPf fand daher – ganz im Gegensatz zu „Glaube und Gewissen“ – in allerdings quantitativ begrenztem Rahmen durchaus Resonanz in Theologie und Kirche.
Da sich beide Zeitschriften, unabhängig von der charakterisierten Differenzierung, zielführend dafür eingesetzt hatten, dass die evangelischen Kirchen in der DDR ihren Platz in der realen sozialistischen Gesellschaft finden und einnehmen sollten, war nach Bildung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (1969) und nach der offiziellen Akzeptanz des Bundes (1971) beiden Zeitschriften letztlich der Boden entzogen. Nachfolgezeitschrift war ab 1973 der Standpunkt.
Orientierung auf eine christliche Existenz in der sozialistischen Gesellschaft
Das EvPf war eine Fachzeitschrift für Pfarrer und legte sich nicht auf eine bestimmte theologische Interpretation fest. Geistig und gesellschaftliche Voraussetzung für das EvPf war die Neuorientierung in Abgrenzung der Verbindung der christlichen Botschaft von der konservativ-nationalistischen und antikommunistischen Ideologie. Das bedeutete als gesellschaftliche Neuorientierung: Abwendung vom System Thron und Altar und Normalisierung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der DDR. Dies als Grundlage, wurden im EvPf Themen präferiert, die sich auf diese Neuorientierung bezogen. Im Zuge der der gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Veränderungen wandelte sich auch das Erscheinungsbild des EvPf. Das EvPf orientierte auf eine bewußte christliche Existenz in der realen sozialistischen Gesellschaft. In der Trennung von Staat und Kirche in der DDR sah das EvPf die Chance zur Neugestaltung der Kirche. Die Orientierung auf die Erfüllung des Friedensgebotes sah das EvPf als Beweis wirklicher christlicher Existenz. Immer bemühte es sich zu zeigen, daß Christen und Nichtchristen aus gemeinsamer Verantwortung, wenn auch aus verschiedenen Motiven, für die Erhaltung des Friedens einzutreten haben. Zudem orientierte das EvPf auf die Impulse aus der Ökumene, besonders die Wertung des Dienstes für die Welt und die Analyse der gesellschaftlichen Veränderungen seit der 3. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1961 in Neu Delhi. Die Kirche in der DDR sah sich, nicht anders als die Kirche in anderen Industrieländern, einem zunehmenden Säkularisierungsprozess ausgesetzt. Das EvPf wies darauf hin, dass die christliche Verkündigung in ihrer traditionellen Form den modernen Menschen nicht mehr erreichen kann. Es machte deutlich, dass nicht die atheistische Umwelt für den Zerfall der Volkskirche verantwortlich ist, sondern innerkirchliche Prozesse und Entwicklungen dazu beigetragen haben. Vor allem war es dem EvPf wichtig darauf hinzuweisen, dass mit dem Ende der Volkskirche eine neue „Freiwilligenkirche“ entsteht, in der Christen aufgerufen sind, sich am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft zu beteiligen. Das EvPf wußte sich seit seiner Gründung dem Erbe Paul Tillichs, Dietrich Bonhoeffers und Emil Fuchs verpflichtet. Es war für das EvPf existentiell , dass es die Situation der Christen in der DDR erkannte, die nicht nur von dem veränderten religiösem Bewusstsein, sondern vor allem durch die alle gesellschaftlichen Schichten durchdringende marxistisch-leninistische Weltanschauung geprägt war. Eines der Hauptanliegen des EvPf war es zu zeigen, dass eine Mitarbeit am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft aus bewusstem christlichen Glauben erfolgen kann. Mehrfach beschäftigte sich das EvPf mit der Situation des Pfarrers in der DDR, vor allem in Hinblick auf den „Brief an einen Pfarrer in der Deutschen Demokratischen Republik“ von Karl Barth 1958, wobei betont wurde, dass mit der Situation in der DDR aufgrund der vom Evangelium Jesu Christi her gebotenen Weise fertig zu werden ist, da Vorurteile die Botschaft von Jesus Christus hinter Mauern gefangen hält. Grundanliegen des EvPf war es zu zeigen, dass der Pfarrer in der DDR neben geistlicher Verantwortung und Verantwortung für die äußere Gestalt der Kirche auch politische Verantwortung besitzt, da der Christ unmittelbar Anteil an der Diakonie Jesu besitzt und der Dienst am Nächsten im Auftrag Gottes erfolgt. Daraus resultiert das Engagement für eine bessere Welt, aus tiefem Glauben und dem Bekenntnis zum Evangelium. Das Verhalten des EvPf zur Auseinandersetzung zwischen Konfirmation und Jugendweihe war ambivalent. Zum einen wollte das EvPf das Selbstverständnis der Jugendweihe freilegen, um eine Reduzierung der Auseinandersetzung auf eine bloße Kontroverse zwischen christlichem Glauben und Atheismus zu vermeiden. Zum anderen wollte das EvPf aber zeigen, dass die Jugendweihe nicht die Hauptursache für die Krise der Konfirmation war, es sollte über die Notwendigkeit des theologischen Nachdenkens über die Konfirmation und deren Handhabung hingewiesen werden.
Theologische Neuansätze
Mit der Beendigung des II. Weltkrieges und der Zerschlagung des Faschismus herrschte eine geistige Aufbruchstimmung, die gesamteuropäisch wirkte. Diese Stimmung aufnehmend, thematisiert das EvPf die Aufarbeitung der Vergangenheit in Bezug auf Gegenwart und Zukunft unter sozialistischen Verhältnissen und das Vertrauen der Kirche für ihre Existenz in der DDR. Traditionen der Theologie- und Kirchengeschichte wurden an Einzelpersönlichkeiten wie August Hermann Franke oder Albert Schweitzer gewürdigt. Zugleich wurden Traditionslinien aus den reformatorischen Entwicklungen, den Christlichen Sozialreformern oder dem Kirchenkampf gezogen. Hierbei waren die Studien Walter Bredendieks von immenser Bedeutung. Die Vorbereitung der evangelischen Kirche auf eine Existenz in der sozialistischen DDR war ein Grundanliegen des EvPf. Diese Zielstellung führte dazu, Kontakte mit den evangelischen Kirchen in anderen sozialistisch orientierten Staaten aufzunehmen. Besonders intensiv waren die Kontakte zu den tschechoslowakischen und ungarischen Kirchen, die innerhalb der sozialistischen Staaten eine Sonderstellung einnahmen. Dabei wirkte sich positiv die Entwicklung der Christliche Friedenskonferenz aus, deren Entstehung historisch eng mit dem böhmischen Raum verbunden ist.
Einfluss des dialektischen und historischen Materialismus
Die Erforschung gesellschaftlicher Gesetzmäßigkeiten seitens des Marxismus haben Zusammenhänge aufgedeckt, die die Theologie in ihrem Verhältnis zur Arbeiterbewegung ds 19. Jahrhunderts nicht ignorieren konnte. Emil Fuchs erkannte dies früh und ihm fühlte sich das EvPf solange es erschien eng verbunden. Seine politische Haltung und Erfahrung aufgrund der Bibel war Vorbild für die Mitarbeiter des EvPf und wurde ein wichtiger Beitrag für das gesellschaftliche Umdenken der evangelischen Kirchen in der DDR. Die theologische Konzeption von Emil Fuchs barg aber die Gefahr, die Zusammenarbeit zwischen Christen und Marxisten theologisch zu begründen. Dies führte auch zu Auseinandersetzungen innerhalb des EvPf . Das EvPf stellte sich Diskussionsorgan für Theologen zur Verfügung, die die Möglichkeit einer DDR-spezifischen Theologie diskutierten. Dies führte im EvPf zu Auseinandersetzungen zwischen „atheistischen“, „nichttheistischen“ und religiös-sozialistischen Theologien.
Dialog zwischen Christen und Marxisten
Bereits im Widerstand gegen den Faschismus kam es zu Kooperationen zwischen Christen und Marxisten. Innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR war die Kirche unmittelbar mit dem Marxismus konfrontiert. Christen, die die Erkenntnisse des Marxismus für richtig hielten, waren in der Minderzahl. Ihnen gab das EvPf eine Stimme. Das EvPf versuchte vermittelnd zwischen Christen und Marxisten zu wirken, wobei ihm dies, durch eine häufig undifferenzierten atheistischen Propaganda des Staates, erschwert wurde. Positiv reflektiert wurde die Gespräche zwischen Walter Ulbricht und Emil Fuchs vom 9. Februar 1961 sowie mit Bischof Moritz Mitzenheim vom 18. August 1964 Diese Gespräche waren nach Auffassung des EvPf eine Aufforderung an Christen und Nichtchristen ihr Zusammenwirken zu vertiefen. Die theoretische Begründung für die Zusammenarbeit zwischen Christen und Marxisten fand sich in der gemeinsamen humanistischen Grundhaltung. Aufgrund diese Begründung kam es zu Auseinandersetzungen mit Hanfried Müller der sich theologisch gegen Emil Fuchs wandte. Die Bedenken Müllers wurden innerhalb des EvPf nicht geteilt. Für Fuchs selber löste sich die christliche Botschaft nicht im christlichen Humanismus auf, sondern im Streben nach der Nachfolge Jesus Christus.
Christliche Existenz in zwei deutschen Staaten
In der Trennung zwischen Kirche und Staat sah das EvPf eine wichtige Voraussetzung für die Neuorientierung der evangelischen Kirche, sowohl in politischer als auch in theologischer Hinsicht. Problematisch für die Kirche in der DDR erwies sich das Selbstverständnis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sich als gesamtdeutsch und neutral zu deklarieren und den Anspruch zu erheben Vertretungsbefugnis für die Kirchen in der DDR zu haben. Besonders zeigte sich die Diskrepanz zwischen Kirche in der DDR und BRD an der Wiederbewaffnungspolitik Konrad Adenauers und seiner Integration der BRD in die NATO. Trotz warnender Stimmen aus den Reihen der evangelischen Kirche in der BRD, sprach sich die EKD schon 1950 unter Führung von Otto Dibelius für eine Wiederaufrüstung der BRD aus. 1957 wurde der Militärseelsorgevertrag abgeschlossen, der von Bundeskanzler Adenauer und dem damalige EKD-Ratsvorsitzenden Otto Dibelius unterzeichnet wurde. Gegen diese Verquickung zwischen Staat und Kirche wandte sich das EvPf. Erst mit der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR 1969 gelang eine gewisse Emanzipation der evangelischen Kirche in der DDR von der EKD.
Friedensgebot als Beweis christlicher Existenz
Eines der Grundanliegen des EvPf war es, Christen in der DDR nicht nur zur Akzeptanz der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu gewinnen, sonder diese auch konkret zum Engagement in der [|Friedensbewegung] zu gewinnen. Dabei wußte sich das EvPf vor allem dem Engagement der Christlichen Friedenskonferenz verpflichtet. Innerhalb des Weltfriedensrates waren seit der Gründung 1949 auch immer Mitarbeiter des EvPf engagiert, so Emil Fuchs, Karl Kleinschmidt, Johannes Herz und als Sekretär des Christlichen Arbeitskreises im Friedensrat der DDR Walter Bredendiek.
Ökumene
Die ökumenische Bewegung seit 1948 erkannte, im Gegensatz zu den evangelischen Kirchen im deutschsprachigen Raum, das Entstehen einer Situation, die das traditionelle Christentum nicht mehr privilegierte. Diese Impulse griff das EvPf auf. Innerhalb des EvPf spielte die 3. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1961 in Neu-Delhi eine herausragende Rolle. Die Vollversammlung hatte für die kommenden Jahre eine große Bedeutung, da sie die Befreiungsbewegung der Kolonialstaaten in Afrika und Asien aufgriff und das Entstehen autonomer Kirchen in diesen Staaten analysierte. Erkenntnisse aus dieser Vollversammlung sollten auch für die Christen in der DDR fruchtbar gemacht werden. Verhalten und in relativ kleinem Umfang äußerte sich das EvPf über das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). Das EvPf bewertete die Rolle von Papst Johannes XXIII. teilweise positiv, warnte aber zugleich vor zu großen Erwartungen hinsichtlich der politischen Haltung der katholischen Kirche zu den anderen Kirchen in der Welt.
Kulturelles Erbe
Anliegen des EvPf war es, das Erbe der Vergangenheit nicht als Besitz, sondern als Gegenwartsverpflichtung zu erkennen. Dabei sollten die humanistischen Elemente herausgearbeitet werden. Dies zeigte das EvPf u.a. an den Werken Schillers, Goethes, Herders und Shakespeares. Einen breiten Raum nahm auch die Gegenwartsliteratur im EvPf ein. Vor allem wurden die Werke die sich mit der Zeit des II. Weltkrieges und der Zeit des Faschismus auseinandersetzten vorgestellt und rezensiert (Apitz, Seghers, Simonow, Noll). Dazu kamen Werke, die sich mit dem gesellschaftlichen Neuaufbau in der DDR beschäftigten (Bredel, Neutsch, Kant). Intensiv beschäftigte sich das EvPf mit dem Werk von Heinrich Böll, seinem christlichen Menschenbild und dessen Kritik an der westdeutschen Gesellschaft. Eine große Bedeutung hatte das Werk, des, sich immer zum Christentum bekennenden, Johannes Bobrowski. Wichtig für das EvPf waren die zentralen Anliegen in Bobrowskis Werk: Benennung der Schuld der Deutschen gegenüber ihren östlichen Nachbarn, Hoffnung auf Humanisierung und dies aus christlicher Überzeugung.
Mitarbeiter
u.a. Walter Bredendiek, Erich Evers, Hans Giesecke, Hans-Hinrich Jenssen, Günther Kehnscherper, Karl Kleinschmidt, Carl Ordnung, Herbert Trebs, Gert Wendleborn, Günter Wirth
Literatur
- Jens Bulisch: Evangelische Presse in der DDR. »Die Zeichen der Zeit« (1947–1990). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006 (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Reihe B: Darstellungen, Band 43) ISBN 978-3-525-55744-0 (S. 316 ff zur Geschichte und zum Profil des Standpunkt)
- Günter Wirth: Nur im „gesellschaftlichen Auftrag?“ Zur Rolle der „progressiven“ christlichen Zeitschriften, in: Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hg.): Zwischen „Mosaik“ und „Einheit“. Zeitschriften in der DDR, Berlin 1999
Einzelnachweise
- ↑ Caroline Bockmeyer: Das Evangelische Pfarrerblatt. Eine Zeitschrift im Dienst der Neuorientierung. Inaugural-Dissertation, Rostock 1988.
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