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Kieler Matrosenaufstand

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Datei:Matrosenaufstand.gif
Postkarte mit Matrosen zur Zeit des Aufstandes

Der Kieler Matrosenaufstand vom November 1918 entwickelte sich aus einer Meuterei auf einzelnen Schiffen der vor Wilhelmshaven ankernden Kaiserlichen Kriegsmarine. Er weitete sich schließlich zur Novemberrevolution aus und führte zum Sturz der Monarchie in Deutschland.

Die Meuterei der Hochsaaaeeflotte

Auslöser des Aufstands war der Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918 des Admirals Scheer. Er sah eine „letzte Entscheidungsschlacht“ der deutschen Hochseeflotte gegen die britische Royal Navy am Ende des Ersten Weltkriegs vor, obwohl die neu gebildete Reichsregierung unter Prinz Max von Baden bereits seit Anfang des Monats Friedensfühler zu den gegnerischen Mächten der Entente ausstreckte.


Vor der geplanten Seeschlacht ging die deutsche Hochseeflotte auf Schillig-Reede vor Wilhelmshaven vor Anker. Dort kam es am am 29. Oktober 1918 zur Befehlsverweigerung einiger Schiffsbesatzungen. Die Matrosen der Schiffe „Thüringen“ und „Helgoland“ weigerten sich, dem Befehl zum Auslaufen folge zu leisten, da sie befürchteten, in einer sinnlosen Schlacht geopfert zu werden. Da die übrigen Schiffsbesatzungen sich dieser Meuterei nicht anschlossen, konnte sie noch einmal unterdrückt werden. Etwa 1.000 Matrosen der betroffenen Schiffe wurden verhaftet.

Dennoch ließ die Marineleitung ihren ursprünglichen Plan fallen, da sie sich des Gehorsams der Mannschaften nicht mehr sicher sein konnte. Das 3. Geschwader, das sich an der Meuterei nicht beteiligt hatte, wurde mit den verhafteten Meuterern an Bord in seinen Heimathafen Kiel zurück beordert. Den Meuterern drohte dort ein Kriegsgerichtsverfahren und ihren Anführeren die Todesstrafe.

Der Aufstand in Kiel

In Kiel setzten sich die bisher an der Meuterei nicht beteiligten Matrosen für die Freilassung ihrer Kameraden ein. Sie taten dies zum einen in dem Bewusstsein, dass deren Befehlsverweigerung auch ihr eigenes Leben gerettet hatte, zum anderen in der Überzeugung, die Politik der neuen, friedenswilligen Reichsregierung zu unterstützen. Da die Marineleitung die Bitten um Freilasung der Meuterer zurückwies, traten die Matrosen in Kontakt mit den Gewerkschaften, der USPD und der SPD. Angeführt von den Matrosen Karl Artelt und Lothar Popp riefen sie für den 3. November in Kiel zu einer Großdemonstration auf.

An dieser Demonstration beteiligten sich neben den Matrosen auch Frauen und Männer der Kieler Arbeiterschaft. Sie verlangten über die Freilassung der Meuterer hinaus auch die Beendigung des Weltkrieges sowie die Verbesserung der Versorgungslage mit Lebensmitteln (Frieden und Brot). Als eine Militärpatrouille unter dem Befehl des Leutnants Steinhäuser in die Menge schoss, wurden acht Personen getötet und 28 schwer verletzt. Daraufhin erwiderten die Bewaffneten unter den Demonstranten das Feuer. Steinhäuser wurde durch Kolbenhiebe und Schüsse tödlich verletzt. Anschließend flüchteten sowohl die Demonstranten als auch die Patrouille.

Am Morgen des 4. Novembers mussten alle in Kiel stationierten Matrosen und Soldaten zum Appell antreten. Während die Offiziere noch versuchten, die Mannschaften zu beschwichtigen, rief Karl Artelt zur Wahl von Soldatenräten auf. Als Offiziere ihn angreifen wollten, wurden diese entwaffnet, die Waffenkammern geplündert und in allen Kompanien Soldatenräte gewählt.

Am Abend des 4. November war Kiel fest in der Hand der Aufständischen. Die Garnison leistete keinen Widerstand mehr und es kam überall zu Verbrüderungen. Fast alle Schiffe hissten als Zeichen der Revolution die rote Flagge. Gleichzeitig wurde der erste Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, als sich der Rat der Matrosen unter dem Vorsitz von Karl Artelt, der 20.000 seiner Kameraden in Kiel vertrat, mit dem kurze Zeit später gegründeten Rat der Kieler Arbeiter zusammenschloss. Die auf den Schiffen der Hochseeflotte und in Kasernen gewählten Matrosen- und Soldatenräte stellten u. a. folgende Forderungen auf:

Am 5. November verabschiedete der Arbeiter- und Soldatenrat die 14 Kieler Punkte, die vor allem Verbesserungen des Soldatenalltags vorsahen. Auf politische Forderungen wurde vorerst verzichtet. Um diesen 14 Forderungen an den Stadtgouverneur Admiral Souchon Nachdruck zu verleihen, drohten die Matrosen, mit den in ihrer Hand befindlichen Kriegsschiffen, das ufernahe Offiziersvillenviertel Düsternbrook zu beschießen.

Als der Stadtgouverneur - gegen seine Absprache mit Artelt - aus Altona Truppen zur Niederschlagung der Bewegung anforderte, wurden diese von den Matrosen abgefangen und vor die Alternative gestellt, sich entwaffnen zu lassen oder mit den Aufstandischen gemeinsame Sache zu machen. Daraufhin schlossen sich die Infanteristen den Revolutionären an.

Der Regierungsbeauftragte, Reichstagsabgeordneter Gustav Noske (SPD), der eigens aus Berlin nach Kiel eilte und von den Arbeitern und Soldaten begeistert für einen der ihren gehalten wurde, ließ sich am selben Tag zum Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates, und damit zum Stadtgouverneur wählen. Er erreichte eine gewisse Eindämmung der Aufstände durch Amnestieversprechen. In gleicher Weise agierte der ebenfalls am 4. November zusammen mit Noske von der Regierung nach Kiel gesandte Staatssekretär C. Haußmann von der Fortschrittlichen Volkspartei.

Die Novemberrevolution

Die Beendigung der Aufstandsbewegung in Kiel gelang nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Matrosen ohnehin die Stadt verließen. Sie marschierten - da die Bahnlinie defekt war - nach Neumünster und schwärmten von dort in alle größeren Städte des Deutschen Reichs aus, um auch dort Arbeiter- und Soldatenräte nach Kieler Vorbild zu gründen. Damit erfasste die Novemberrevolution ganz Deutschland.

Bereits am 6. November war Nordwestdeutschland unter Kontrolle der Räte. Am 7. November wurde von Kurt Eisner in Bayern die Republik proklamiert. Am 8. November erreichte die Revolution Sachsen, Hessen, Franken und Württemberg. Die dortigen Fürsten dankten ab. Am 9. November gab Reichkanzler Max von Baden unter dem Druck der Ereignisse die Abdankung Kaiser Wilhelms II. bekannt, dessen Thronverzicht die SPD-Führung gefordert hatte.

Anschließend übergab er die Regierungsgeschäfte an den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert. Philipp Scheidemann rief daraufhin vom Balkon des Reichstags die erste Deutsche Republik aus, während Karl Liebknecht am Stadtschlosses die „Freie Sozialistische Republik“ proklamierte.

Heutige Spuren in Kiel

Datei:Denkmal matrosenaufstand.JPG.JPG
Hans-Jürgen Breustes Plastik "Wik" erinnert seit 1982 an den Kieler Matrosenaufstand

Heute erinnert in Kiel ein 1982 errichtetes Denkmal im Ratsdienergarten an den Matrosenaufstand. An der DGB-Zentrale in der Legienstraße weist eine Tafel auf den Arbeiter- und Soldatenrat hin, der in jenem Gebäude seinen Sitz hatte. In der Feldstraße markiert eine Gedenktafel den Ort, an dem die ersten Toten zu beklagen waren. Die Gefallenen des Matrosenaufstands sind auf dem Eichhoffriedhof beigesetzt. Dokumentiert sind die Ereignisse auch im Kieler Schiffahrtsmuseum.

Literatur