Anarchosyndikalismus
Der Begriff Anarchosyndikalismus bezeichnet die gewerkschaftliche Organisierung basierend auf den anarchistischen Prinzipien von Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Solidarität. Ideengeschichtlich stellt der Anarchosyndikalismus somit eine Verbindung von Anarchismus und revolutionärem Syndikalismus dar.
Sein Hauptziel ist die revolutionäre Überwindung des Staates und der kapitalistischen Gesellschaft durch die sofortige und stufenlose Übernahme der Produktionsmittel durch die Gewerkschaften. Durch diesen Akt soll die klassen- und staatenlose Kollektivordnung entstehen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, ist der Anarchosyndikalismus bestrebt die Arbeiterklasse in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen zu organisieren und so eine wirksame Gegenmacht zu Staat und Kapital zu bilden. Der Begriff Arbeiterklasse umfasst dabei nicht nur lohnabhängig Beschäftigte (Arbeiter und Angestellte), sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen wie z.B. Arbeitslose, Hausfrauen oder Schüler, also Gruppen die direkt oder indirekt am gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozess beteiligt sind.
Hauptaktionsfelder des Anarchosyndikalismus sind der Klassenkampf im Betrieb mit den Mitteln der direkten Aktion (Streiks, Boykotts, Besetzungen, Sabotage), die Agitation auf der Straße und die revolutionäre Kulturarbeit, z.B. über Volksbildungskampagnen oder Jugendarbeit. Der Anarchosyndikalismus ist dabei stets bemüht die Lebensbedingungen der Menschen konkret zu verbessern: Er fordert zwar mehr Lohn, kürzere Arbeitszeit, Gleichberechtigung und ein würdevolles Leben für alle Menschen, aber sein endgültiges Ziel bleibt die soziale Revolution.
Soziale Revolution
Im Prozess der sozialen Revolution soll das kapitalistische System überwunden und der freiheitliche Sozialismus aufgebaut werden. Hierzu sollen die Produktionsmittel von den Produzenten kollektiviert und die Güterproduktion nach dem gesellschaftlichen Bedarf selbstorganisiert werden; dies kann z.B. über den Weg einer vorstandslosen Genossenschaft angegangen werden, analog den in Argentinien anläßlich der 2001 eskalierten Wirtschaftskrise erfolgreich etablierten Ansätzen. Ziel ist letztlich eine freiheitliche Gesellschaft, in der die materiellen Bedürfnisse eines Jeden gedeckt werden können. Erfolgreich angewandt werden konnte dieses Konzept in Katalonien während des Spanischen Bürgerkrieges. In der kurzen Zeitspanne von 1936-37 wurde fast die gesamte katalanische Agrarproduktion, die Schwerindustrie, das öffentliche Verkehrssystem und weite Teile des Dienstleistungssektors von den Arbeitenden selbstverwaltet. In einigen Wirtschaftszweigen wie der Schwerindustrie oder der Agrarproduktion konnten dabei zum Teil starke Produktionssteigerungen erzielt werden, was unter anderem zur Folge hatte, dass erstmals in der Geschichte Kataloniens die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln sichergestellt werden konnte. Diese selbstverwaltete Wirtschaft wurde allerdings nach kurzer Zeit zunächst von den stalintreuen Anhängern der PCE und später unter der Regierung Franco restlos zerschlagen.
Geschichte des Anarchosyndikalismus
Der Anarchosyndikalismus war beginnend mit den 80er-Jahren des 19. Jahrhundert bis zum Ende der 1930er Jahre eine äußerst einflussreiche und mitgliederstarke Bewegung. So vereinte die Anfang der 1920er Jahre gegründete anarchosyndikalistische Gewerkschaftsinternationale IAA auf Anhieb ca. 14 Mio. Menschen. Die stärkste anarchosyndikalistische Organisation jener Tage war die spanische CNT, die Ende der 30er-Jahre etwa 2 Mio. Mitglieder unter sich vereinte, bevor es dem spanischen Faschismus gelang sie zu zerschlagen und in den Untergrund zu zwingen.
Auch in Deutschland spielte der Anarchosyndikalismus während der heftigen Streiks und Kämpfe in den Nachwirrungen der Novemberrevolution für kurze Zeit vor allem im Ruhrgebiet eine wichtige Rolle. Die anarchosyndikalistische FAUD vereinte in den Jahren 1920 bis 1923 etwa 150.000 bis 200.000 Menschen in ihren Reihen, verlor danach allerdings rapide an Mitgliedern und wurde während des Dritten Reichs fast vollständig zerschlagen.
Ein ähnliches Schicksal blühte nach dem Zweiten Weltkrieg fast allen anarchosyndikalistischen Organisationen, viele wurden zerschlagen und fast alle verloren ihre Massenbasis. Einzig die schwedische SAC konnte ihre intakte Organisationsstruktur bewahren, musste dafür allerdings viele ihrer Prinzipien aufgeben.
Trotz seines Niedergangs gab es nach dem 2. Weltkrieg einige Versuche den Anarchosyndikalismus wiederzubeleben. So konnte die spanische CNT nach dem Ende der Regierung Francos den Untergrund verlassen und sich formell neugründen. In Frankreich gründete sich die CNT-F, die seit dem Generalstreik Mitte der 90er massiven Zulauf an Mitgliedern verzeichnen kann. In Deutschland gründete sich Mitte der 70er die FAU eine anarchosyndikalistische Gewerkschaftsinitiative, die an die Tradition der FAUD anschließen will. Auch sie wächst nach eigenen Angaben seit Mitte der 90er kontinuierlich.
Dem Anarchosyndikalismus nahe stehen die IWW und die internationale Strömung des Rätekommunismus. Oftmals arbeiten Vertreter dieser Strömungen auch in den selben Organisationen zusammen.
Weblinks
- http://anarchosyndikalismus.org Infos zum Thema Anarchosyndikalismus.
- http://www.fau.org Anarchosyndikalistische Gewerkschaftsinitiative in Deutschland.
- [1] Textarchiv zum Anarchosyndikalismus - historische und aktuelle Texte.
- http://www.anarchosyndicalism.org Umfangreiches englischsprachiges Text- und Bilderarchiv.
- http://www.anarchismus.at/ Kommentierte Bildersammlung zur sozialen Revolution in Spanien während des Bürgerkrieges.