Benutzer:Stefan Eichardt/Spielwiese
Das Dehnungs-h ist ein Dehnungszeichen der deutschen Rechtschreibung. Es stellt eine Kennzeichnung der Vokallänge dar. Die Vokallänge als solche wird durch das Dehnungs-h jedoch nicht erzeugt, sondern lediglich hervorgehoben. Es zeigt dem Leser zusätzlich zur bestehenden Vokallänge an, dass ein Vokal lang zu lesen ist (vgl. <Na-men - Rah-men>). Im geschriebenen Wort steht es unmittelbar nach dem Vokal der ersten Silbe und direkt vor einem der vier stimmhaften Konsonanten <l, m, n, r> am Anfang der zweiten Silbe (vgl. Müh-le, zäh-men, deh-nen, Oh-ren>). Es steht aber nur in ca.zwei Drittel der Fälle, in denen es auf den ersten Blick stehen könnte.
Allgemein
Das Dehnungs-h (auch: Stummes-h, Silbenfinales-h, Silbenschließendes-h, Postvokalisches-h) ist ein orthographischer Typus innerhalb der Klasse deutscher Kernwörter. Das deutsche (auch: native) Kernwort (Erbwörter plus strukturgleiche, assimilierte Lehnwörter) hat einen trochäischen (zweisilbig, erste Silbe betont, zweite Silbe unbetont) Versfuß bestehend aus der betonten Hauptsilbe (erste Silbe) mit einem Vollvokal im Silbenkern (auch: Nukleus, Silbengipfel) und aus der unbetonten Reduktionssilbe (zweite Silbe) mit dem Schwa als Silbenkern. Der Schwa-Laut (reduzierter Vokal) wird im Deutschen mit dem Buchstaben <e> verschriftet. Das heißt, dass in einem verschrifteten deutschen Kernwort immer der Buchstabe <e> im Silbenkern der zweiten Schriftsilbe steht. Einsilbige deutsche Wörter nehmen grundsätzlich diese Struktur an, wenn sie durch Flexion in die zweisilbige Form gebracht werden: <Hund/Hun-de, Wort/Wör-ter, blau/blau-es, schwer/schwer-er>.
Das Dehnungs-h steht am Ende der Hauptsilbe. Ihm folgt am Beginn der Reduktionssilbe immer einer der vier stimmhaften Konsonanten <l,m,n,r>: <feh-len> <lah-men> <leh-nen> <boh-ren>. Erste Silbe plus Anfangsrand der Reduktionssilbe bilden den Wortstamm: <fehl-> <lahm-> <lehn- <bohr->
Das Dehnungs-h ist ein Element der Dehnungsgraphie der Orthographie deutscher Kernwörter; es kommt im Fremdwortbereich nicht vor.[1] Dehnung wird in diesem Zusammenhang synonym zu "langer Vokal" gebraucht. Die Länge oder Kürze eines Vokals, die Vokalquantität, wird im Deutschen regelhaft durch den Endrand (auch: Koda/Coda, Silbenende, Silbenauslaut, Silbenschwanz) der Hauptsilbe bestimmt. Ist der Endrand der Silbe unbesetzt wie in <Na-se>, wird der Vokal lang gelesen, ist er konsonantisch besetzt wie in <Fal-te>, wird er kurz gelesen. Die Länge und Kürze eines Vokals der Hauptsilbe wird also allein durch seine Umgebung bestimmt. Die Sprachwissenschaft spricht hier von Markierung: Der Endrand der Hauptsilbe markiert die Vokalquantität.
Das Dehnungs-h bildet die einzige Ausnahme von dieser Regularität: Obwohl es in der Schreibsilbe den Endrand der Hauptsilbe besetzt, wird der Vokal lang gelesen. Es wird in der gesprochenen Sprache nicht verlautet, daher auch die Bezeichnung "stummes <h>". Es ist somit ausschließlich ein Element der Schreib- und nicht der Sprechsilbe (Dementsprechend wird es auch nicht in der Lautschrift notiert). Das Dehnungs-h muss unterschieden werden vom Silbeninitialen <h> (auch: Silbenfugen-h, Silbengrenzen-h, Verbindungs-h, Hiattilger, Hiattrenner, Hiat-Vermeider, silbenöffnendes oder silbentrennendes <h>). Das Silbeninitiale <h> steht am Anfangsrand (auch: Onset, Silbenansatz, Silbenanfang, Silbenanlaut, Silbenkopf) der Reduktionssilbe und nimmt somit keinen Einfluss auf die Vokalquantität (Gleichwohl sind die Vokale der Hauptsilbe der Wörter mit Silbeninitialen <h> immer lang zu lesen, da der Endrand der Hauptsilbe dieser Wörter grundsätzlich unbesetzt ist.). Es wird in der Standardaussprache ebenfalls nicht verlautet. In der Schriftbild orientierten Explizitlautung (auch: Überlautung, Schreibleselautung) sowie in der Bühnensprache des 19./20. Jh. und in einigen Gesangsformen wird es gezielt verlautet. Zum Vergleich: <leh-nen> und <ge-hen>. Dehnungs-h und silbeninitiales <h> kommen nie zugleich in einem Wort vor - *<-hh->.
Die Bezeichnung Dehnungs-h ist insofern irreführend, da es für die Markierung der Länge eines Vokals redundant ist. Das Dehnungs-h ist eine orthographische Übermarkierung der Vokallänge: Würde man statt <Foh-len> *<Fo-len> oder statt <loh-nen> *<lo-nen> schreiben, wäre der Vokal aufgrund der Silbenregularitäten (hier der unbesetzte Endrand) auch ohne das Dehnungs-h lang zu lesen.[2]
Regularitäten
Die Orthographie des Deutschen ist hochgradig regelhaft. Das Dehnungs-h stellt innerhalb dieser die größte Irregularität dar. Es verhält sich auf zwei Ebenen irregulär: Einmal besetzt es den Endrand der ersten Silbe und dennoch wird der Vokal der Hauptsilbe lang ausgesprochen. Zweitens ist sein Auftreten in den Wörtern, in denen es stehen könnte, unregelmäßig. Es sind keine verlässlichen Kriterien bekannt, wann ein Dehnungs-h geschrieben werden muss. Innerhalb der Bedingungen, in denen ein Dehnungs-h möglich ist, wird es nur in zwei Drittel der möglichen Fälle realisiert. Es gibt aber Regularitäten, die anzeigen, wann es nicht oder kaum gesetzt wird und Tendenzen, die signalisieren, wann es gesetzt wird.
Kein Dehnungs-h
Das Dehnungs-h steht nicht:
- Bei mehr als einem Konsonanten (auch: Konsonantenhäufung, komplexer Anfangsrand) im Anfangsrand der Schreibsilbe bis auf folgende 17 Ausnahmen (plus ihren Ableitungen): <Drohne, dröhnen, Krähl, Pfahl, Pfuhl, Pfühl, prahlen, Prahm, Stahl, stehlen,, stöhnen, Strähl, Strahl, Strähne, Strehler, Stuhl, Zwehle>
- Bei nur einem Konsonanten im Anfangsrand nach <"p-"> und <t->
- Nach Diphthongen.
- Nach <-ie->. Es sei denn, das <h> ist morphologisch determiniert: <stehlen/stiehlt>
- Nach <"-i-"> - außer in folgenden Formen der 3. Person des Personalpronomens: <ihm, ihr, ihn, ihnen, ihres, ihrer>[3] Einzige Ausnahme hierzu bildet des ungebräuchliche Fachwort <Ihle> (Hering, der bereits gelaicht hat.).
Dehnungs-h möglich
Das Dehnungs-h steht:
- Nur vor den Sonorantenbuchstaben <-l-> <-m-> <-n-> <-r->.
- Nur in flektierbaren Wörtern (Ausnahmen siehe Punkt 5)
- Nur in Wörtern mit einfachen Anfangsrändern (ein oder kein Konsonant im Anfangsrand der Schreibsilbe - bis auf die 17 genannten Ausnahmen).
- Bei den nicht flektierbaren Wörtern: <ohne>, <mehr> (mehren/mehrere) und <sehr> (sehren/versehren).
Das Dehnungs-h steht also nur vor Sonoranten und in flektierbaren Wörtern. Hier wiederum steht es nur in ca. zwei Drittel der Wörter, in denen es stehen könnte.
Besonderheiten
Folgende Wörter werden - laut Peter Eisenberg unzutreffender Weise - immer wieder als Ausnahme zur <lmnr>-Regel genannt: <Naht, Draht und Fehde>. In einigen Publikationen werden auch die ungebräuchlichen Wörter: <drahten, Mahden, Mähder, Ihle [4], Föhrde (Fjord/Förde) und Lehde> angeführt. Eisenberg verortet folgende Wörter etymologisch und morphologisch beim Silbeninitialen <h> [5]:
Fehde stammt vom mittelhochdeutschen Wort <vehede> ab - (althochdeutsch <fehida> = Feindschaft, Streit). Das Wort wurde im 19. Jh. künstlich wiederbelebt.[6]
Augenscheinlich irregulär verhalten sich die beiden Verben <ahn-den> und <fahn-den>. Ohne das <-h-> müsste der Vokal entsprechend der Silbenregularitäten kurz ausgesprochen werden. (In ihrer Irregularität korrespondieren sie mit <Mon-de>, wo der Vokal kurz ausgesprochen werden müsste.) Bei diesen beiden Verben übernimmt das <h> tatsächlich eine Dehnungsfunktion. Laut Eisenberg stammt <ahnden> von althochdeutschen Wort <anado> mit langem <a> ab, die Vokallänge wurde tradiert. <Fahnden> bezeichnet Eisenberg als eine Intensivform zu <finden/fand>.[7]
Unterscheidungsschreibung: Das Dehnungs-h kann in der Schriftsprache die Funktion ausüben, gleichlautende Worte (Homophone) visuell unterscheidbar zu machen und somit den Leseprozess stützen: <Wahl - Wal>.
Sprachwissenschaftliche Erklärungen
Eine Regel, die angibt, wann das Dehnungs-h definitiv zu stehen hat und wann nicht, ist trotz zahlreicher Forschungsbemühungen bisher nicht gefunden worden und scheint nicht zu existieren. Statistische Auswertungen belegen aber, in welchen Konstellationen das Dehnungs-h mit welcher Häufigkeit auftritt oder überhaupt nicht gesetzt wird. Daher gibt es Aussagen dazu, wann es nicht auftritt und man kann Tendenzen angeben, in welchen Konstellationen es mit welcher Wahrscheinlichkeit auftritt.
Die Vokallänge wird im Deutschen systematisch durch die Silbenstruktur geregelt: offene Silbe = langer Vokal, geschlossene Silbe = kurzer Vokal. Im Rahmen dieser Systematik ist das Dehnungs-h redundant, stellt eine Übermarkierung, eine zusätzliche Markierung der Vokallänge dar. Da es bei der Silbentrennung am Ende der ersten Schreibsilbe steht, findet Eisenberg es schlüssiger, es silbenschließendes <h> zu nennen.[8] (Das Wort Dehnungs-h bietet den charmanten Aspekt, dass <deh-nen> selbst ein Dehnungs-h enthält.)
In welchen Konstellationen das Dehnungs-H auftreten kann, ist im vorherigen Kapitel dargestellt worden. Antworten auf die Frage, warum das Dehnungs-h in einem Wort auftritt oder nicht auftritt, sind entweder im Forschungsfeld der Etymologie oder in Eingriffen von außen in Form von Rechtschreibreformen oder in einer etwaig stützenden Funktion für den Leseprozess zu suchen.
Hier wurden von der Sprachwissenschaft bisher folgende Antworten entwickelt:
Die sprachwissenschaftlich populärste Erklärungsvariante versteht das Dehnungs-h als ‚Lesehilfezeichen’, das zusätzlich die Länge des voranstehenden Vokals hervorhebt. Diese Annahme beruht auf folgender Leseerfahrung: Ein Sonorant (<l,m,n,r>) erzeugt im Einsilber nach dem Vokal oft komplexe Endränder (mehr als ein Konsonant), die Vokale sind dementsprechend kurz zu lesen, vgl. <Markt, Sand, ernst, stumpf>. Die Funktion des <h> bestünde demzufolge in dem Hinweis, das der vorausgehende Vokal trotz eines Sonoranten lang zu lesen ist. Es würde somit der raschen Informationsentnahme beim Lesen dienen.[9]
Diese These korrespondiert mit folgender grundlegender Leseerfahrung: Deutsche Kernwörter mit kurzem Vokal folgen einem typischen, bevorzugten Aufbau gemäß dem Silbenkontaktgesetz. Diese sprachübergreifende Gesetzmäßigkeit des Aufbaus von Wörtern besagt, dass die Silbengrenze zwischen zwei Silben bevorzugt zwischen dem größten Sonoritätsabstand (Schallfülle/Stimmhaftigkeit) erfolgt. Daher steht im Endrand der ersten Silbe bevorzugt ein Sonorant (<l,m,n,r>) und im Anfangsrand der zweiten Silbe ein Obstruent. Das Wort <albern> [al.bɐn] ist hierfür ein Paradebeispiel, weil der Sonoritätsabstand zwischen dem stimmhaften Sonoranten [l] und dem stimmlosen Obstruenten [b] maximal groß ist.[10] Innerhalb dieser grundlegenden Struktur signalisieren die Sonorantenbuchstaben <l,m,n,r> nach Vokal dem Leser, dass der vorausgehende Vokal kurz zu lesen ist. Das Dehnungs-h unterbindet an dieser Stelle etwaige Interpretationen im Leseprozess und stellt klar, dass der Vokal lang zu lesen ist.
Verteilung nach Wortarten: Bei Verben erfüllt das Dehnungs-h eine zusätzliche Funktion, wenn das Verb flektiert ist. Die Schreibweisen <fehlte, lahmte, gähnte, bohrte> sind konjugierte Formen der Verben <fehlen, lahmen, gähnen, bohren>. Schriebe man diese nun ohne Dehnungs-h, sähen diese Worte wie folgt aus: *<felte, lamte, gänte, borte>. Der Leser würde im Leseprozess den Sonoranten auf den ersten Blick mit dem Endrand der ersten Silbe verrechnen und die Vokale demnach fälschlich als kurze Vokale interpretieren. Das Dehnungs-h schützt in diesen Schreibungen vor solchen Fehlinterpretationen oder langwierigen (langwierig im Rahmen eines zügigen Leseprozesses) Wortanalysen (notwendige Rückführung auf die Stammform) und unterstützt so nachhaltig einen zügigen Leseprozess. Es gibt nur sieben Verben [11] im Deutschen mit einfachem Anfangsrand (also mit nur einem Konsonanten vor dem Vokal) und Sonorant im Anfangsrand der zweiten Silbe, die kein Dehnungs-h aufweisen. Die konjugierten Formen von <holen und hören> - <holte, hörte> - weisen daher eine Störanfälligkeit im Leseprozess auf und sind prinzipiell schlechter lesbar als ein theoretisches *<hohlte, höhrte>.
Die Bedeutung des Anfangsrandes: Das Dehnungs-h steht nicht (bis auf die 17 genannten Ausnahmen) in Wörtern mit komplexem Anfangsrand (2-4 Buchstaben).
Wörter wie beispielsweise <Schere, schmale> werden als orthographisch schwer empfunden; man spricht vom Silbengewicht. Die Einheit, in der die Schwere einer Silbe gemessen wird, heißt Mora. Aus ästhetischen Gründen, die vor allem Ende des 18 Jh. geltend gemacht wurden, wird davon abgesehen, die orthographische Komplexität eines Wortes durch das Dehnungs-h (*<Schehre, schmahle>) zu erhöhen. Dies hat dazu geführt, dass Wörtern das Dehnungs-h wieder genommen worden ist.
Diese ästhetischen Kriterien der Wortoptik, die ein wohlgeformtes Wort präferieren, wurden auch auf orthographisch leichte Wörter angewendet: Ein Wort wie beispielsweise <Ehre> im Vergleich zu *<Ere> wird durch das Dehnungs-h gleichsam optisch angehoben. Adelung (1782) spricht hier von einer harmonischen "Schwererelation" bzw. der "Würde" der Wörter "fürs Auge".[12]
T-Regularität besagt, dass das Dehnungs-h nicht steht, wenn ein Wort mit <t> beginnt.
Bis 1901 galt in Deutschland die th-Schreibung. Es wurde damals <Thore> statt heute <Tore> geschrieben. Eine Schreibweise wie *<Thohre> statt <Thore> hätte gegen ästhetische Gesichtspunkte verstoßen. Die Orthographische Konferenz von 1901 schaffte die th-Schreibung im Bereich der deutschen Kernwörter kategorisch ab (überlebt hat es nur in <Thron/thronen>). Die th-Schreibung in Fremdwörtern wie <Theater> wurde beibehalten, daher ist "th" seitdem eine eindeutige Fremdwortmarkierung. 1901 wurde aber lediglich das <h> nach dem <t> getilgt, es wurde in dem Zuge nicht das dann gut mögliche Dehnungs-h zwischen Vokal und Sonorant eingefügt. Daher wird heute <Tore> und nicht *<Tohre> geschrieben. Dass heutzutage nach <t> bei den Wörtern <Tal, Taler, Tor, Tür und Ton(-erde)> ein mögliches "Dehnungs-h nicht steht, ist insofern Folge einer politischen Entscheidung.
Didaktik
Erfolgreiche didaktische Entscheidungen erfolgen auf Grundlage sprachwissenschaftlicher Kenntnisse. Die konkreten didaktischen Modellierungen müssen aber kein genaues Abbild sprachwissenschaftlicher Modelle sein.
Unabhängig davon, welche didaktische Entscheidung getroffen wird, lässt es sich nicht vermeiden, dass der Lernende letztlich Schreibweisen von Wörtern auswendig lernen muss. Die Didaktiken unterscheiden sich vor allem darin, auf welcher Wissensbasis auswendig gelernt wird und wie groß das Volumen der Lernwörter ist.
Das Auswendiglernen der Wörter mit Dehnungs-h unterscheidet sich im Erwerbskontext. In jedem Erwerbskontext ist vorher geklärt, dass der Vokal der Hauptsilbe der betreffenden Wörter auch ohne das Dehnungs-h lang gelesen wird. Die <lmnr>-Regularität ist dabei Bestandteil jeder Didaktik.
Verschiedene Erwerbskontexte für das Auswendiglernen der Wörter:
- Es erfolgt relativ unabhängig von anderen orthographischen Themen.
- Es erfolgt im Kontext des Themas Dehnungsgraphie (Doppelvokalbuchstaben, <-ie->).
- Es erfolgt in der Abfolge der fünf orthographischen Typen (1. offene Silbe, 2. geschlossene Silbe, 3. Silbengelenkschreibung, 4. silbeninitiales <h> 5. Dehnungs-h und Doppelvokalbuchstaben) der Rechtschreibung deutscher Kernwörter.
Wenn die didaktische Entscheidung lautet, ausschließlich auf Basis verlässlicher Regeln (Regeln, die ohne Ausnahmen gelten) zu arbeiten, dann ist das Dehnungs-h von Anfang an ein Fall für die Lernkartei. Alle Wörter mit Dehnungs-h werden auswendig gelernt, die Regularitäten der Nichtschreibung des Dehnungs-h werden nicht behandelt.
Wenn das Strukturwissen vermittelt werden soll, in welchen Konstellationen kein Dehnungs-h steht und in welchen es mit hoher Wahrscheinlichkeit stehen könnte, dann werden die Regularitäten bekannt gemacht und angemessen begründet. Im letzten Schritt werden die reinen Lernwörter auswendig gelernt.
Das geringste Lernvolumen (35 Lernwörter) ergibt sich aus folgender didaktischer Konzeption:
- Vermittlung der orthographischen Typen 1 bis 3 (offene/geschlossene Silbe und Silbengelenkschreibung).
- Vermittlung der Stammwortschreibung des Deutschen.
- Vermittlung der i-Schreibung (in dieser wird u.a. die i-Schreibung der Personalpronomen geklärt, also auch die von: <ihn, ihm, ihr, ihnen, ihrer> ).
- Didaktische Reduktion des Wortmaterials auf die für den Schulunterricht relevanten Wörter (33 der 126 Dehnungswörter sind nicht unterrichtsrelevant).
- Dehnungs-h nur vor <l,m,n,r>.
- Wörter, die mit <T> beginnen, werden ohne Dehnungs-h geschrieben (T-Regularität).
- Unterscheidungsschreibung: Mahl/Mal, Wahl/Wal, Sohle/Sole, Uhr/Ur, hohl/hol, Ware/Wahre.
- Wörter, die nicht flektiert werden können, werden ohne Dehnungs-h geschrieben. Ausnahmen die drei Lernwörter <ohne, sehr, mehr>.
- Wörter mit komplexen Anfangsrand werden ohne Dehnungs-h geschrieben. Ausnahmen die zehn unterrichtsrelevanten Lernwörter <Drohne, dröhnen, Pfahl, prahlen, Stahl, stehlen, stöhnen, Strahl, Strähne, Stuhl>.
- Auswendiglernen der 22 Wörter (Kern- und Fremdwörter) der Lernkartei: <bar, Bär, Dame, Dom, Düne, gar, gären, Häme, holen, hören, Hüne, Kur, küren, Name, Öl, Pol, Pore, pulen, pur, rar, Samen, Zone.
Liste der Wörter mit Dehnungs-h
Im Deutschen gibt es im Bereich der Kernwortschreibung 126 [13] Wortstämme, die ein Dehnungs-h aufweisen. Somit tragen 3,78% aller Kernwörter ein Dehnungs-h. 80 (63%) der Dehnungs-h-Wörter sind Substantive, 29 (23%) Verben, 12 (10%) Adjektive, die restlichen 5 (4%) verteilen sich auf andere Wortarten.
Unter den 50 Wörtern mit der höchsten Frequenz in deutschsprachigen Texten haben folgende drei ein Dehnungs-h: <Jahr, Uhr, nehmen>. [14]
Unterscheidungsschreibung: Bei <Wal/Wahl>, <malen/mahlen>, <Sohle/Sole> <Uhr/Ur>, <hohl/hol>, <Ware/Wahre> und <Dole/Dohle> übernimmt das Dehnungs-h die Funktion der Unterscheidungsschreibung.
alle Wortstämme mit Dehnungs-h
43 Wörter (34%) vor <l> : <Ahle, ähneln, Bohle, Bühl, Buhle, Dohle, fahl, fehlen, Fohlen, fühlen, gehl, hehlen, hohl, Ihle, johlen, kahl, Kehle, Kohl, Kohle, Krähl, kühl, Kuhle, Mahl, mahlen, Mehl, Mühle, Pfahl, Pfuhl, Pfühl, prahlen, Sohle, Stahl, stehlen, Strahl, Strähl, Strehler, Stuhl, Suhle, Wahl, wohl, wühlen, Zahl, Zwehle>
10 Wörter (8%) vor <m> : <Kahm, Lehm, Muhme, Prahm, Rahm, Rahmen, Ruhm, lahm, nehmen, zahm>
39 Wörter (31%) vor <n> : <Ahn, ahnen, Bahn, Bohne, bohnern, Buhne, Bühne, dehnen, Dohne, Drohne, dröhnen, Fahne, Fehn, Föhn, gähnen, Hahn, Hohn, Huhn, Kahn, kühn, Lahne, Lehne, Lohn, Mähne, mahnen, Mohn, ohne, rahn, Sahne, Sehne, Sohn, stöhnen, Strähne, Sühne, Wahn, wohnen, Wuhne, Zahn, zehn>
34 Wörter (27%) vor <r> : <Ähre, Bahre, bohren, Ehre, fahren, Föhre, führen, Gehre, hehr, Jahr, kehren, Lehre, lehren, Mahr, Mähre, mehr, Mohr, Möhre, nähren, Ohr, Öhr, Rohr, Ruhr, rühren, sehr, sohr, Uhr, wahren, währen, wehren, Wuhr, Zähre, zehren, wahr>
Dreisilber, die sich nicht auf einen Zweisilber zurückführen lassen, da das zweite Morphem (Wortbaustein) ein unikales Morphem ist:[15] <nachahmen, entbehren, begehren, empfehlen, gebühren, verfehmen>
Wörter, bei denen ein Dehnungs-h vor <l,m,n,r> stehen könnte, aber nicht steht:
21 Erbwörter mit einfachem Anfangsrand[16] <Bär, Dole, Feme, Hure, Hüne, Kar, Mal, Name, None, Same, Sole, Wal, Ware, bar, gar, gären, holen, hören, küren, malen, Öl.
Literatur
- Bredel, Ursula/Reißig, Tilo (Hrsg.): Weiterführender Orthographieerwerb (Deutschunterricht in Theorie und Praxis 5), 2011. Baltmannsweiler.
- Duden (2009): Die Grammatik. 8., völlig neu erarb. und erw. Auflage. Mannheim.
- Duden (2009): Die deutsche Rechtschreibung. 25., völlig neu berarb. und erw. Auflage. Mannheim.
- Eisenberg, Peter (2005): Der Buchstabe und die Schriftstruktur des Wortes. In: DUDEN. Die Grammatik. 7. Aufl. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim, 61-94.
- Eisenberg, Peter (2006): Grundriss der deutschen Grammatik: Das Wort. 3. Aufl. Stuttgart.
- Eisenberg, Peter/Günther, Hartmut (Hrsg.): Schriftsystem und Orthographie. (Reihe Germanistische Linguistik 97), 1989. Tübingen.
- Fuhrhop, Nanna / Buchmann, Franziska (2009): Die Längenhierarchie: Zum Bau der graphematischen Silbe. In: Linguistische Berichte 218. 127-155.
- Gallmann, Peter (1985): Graphische Elemente der geschriebenen Sprache. Grundlagen für eine Reform der Orthographie. Tübingen.
- Günther, Hartmut (1988): Schriftliche Sprache. Stukturen geschriebener Wörter und ihre Verarbeitung beim Lesen. Tübingen.
- Hinney, Gabriele (2004): Das Konzept der Schreibsilbe und seine didaktische Modellierung. In: Bredel, Ursula/Siebert-Ott, Gesa/Thielen, Tobias (Hrsg.): Schriftspracherwerb und Orthographie (Diskussionsforum Deutsch 16). Baltmannsweiler. 72-91.
- Maas, Utz (1992): Grundzüge der deutschen Orthographie. Tübingen.
- Neef, Martin (2000): Die Distribution des [h] im Deutschen: Schriftaussprache und Phonologie. Convivium 2000: 271-286.
- Noack, Christina (2006): Die Silbe als Zugriffsinhalt beim Leseprozess. In: Bredel, Ursula / Günther, Hartmut (Hrsg.): Orthographietheorie und Rechtschreibunterrricht. Tübingen. 181-196.
- Noack, Christina (2010): Orthographie als Leseinstruktion. Die Leistungen schriftsprachlicher Strukturen für den Dekodierprozess. In: Bredel, Ursula/Müller, Astrid/Hinney, Gabriele (Hrsg.): Schriftsystem und Schrifterwerb: linguistisch-didaktisch-empirisch. Berlin, 151-170.
- Ossner, Jakob (2001): Das <h>-Graphem im Deutschen. In: Linguistische Berichte 187, 325-351.
- Primus, Beatrice (2000): Suprasegmentale Graphematik und Phonologie: Die Dehnungszeichen im Deutschen. In: Linguistische Berichte 181. 5-34.
- Primus, Beatrice/Neef, Martin (2001): Stumme Zeugen der Autonomie - Eine Replik auf Ossner. Linguistische Berichte, 187. 353-378.
- Röber, Christa (2009): Die Leistungen der Kind er beim Lesen- und Schreibenlernen. Grundlagen der Silbenanalytischen Methode. Baltmannsweiler.
- Weingarten, Rüdiger (2004): Die Silbe im Schreibprozess und im Schriftspracherwerb. In: Bredel, Ursula/Siebert-Ott, Gesa/Thelen, Tobias (Hrsg.): Schriftspracherwerb und Orthographie. Baltmannsweiler, 6–21.
Weblinks
- Wiktionary: Deutsche Wörter mit Dehnungs-h
- Prof. Dr. Guido Nottbusch: Orthographie: Dehnung
- Prof. Dr. Wolfgang Menzel: Kreativität in einem kompetenzorientierten Unterricht
- Prof. Dr. Beatrice Primus: Suprasegmentale Graphematik und Phonologie: Die Dehnungszeichen im Deutschen
- Prof. Dr. Beatrice Primus / Prof. Dr. Martin Neef (2001): Stumme Zeugen der Autonomie - Eine Replik auf Ossner
Einzelnachweise
- ↑ Prof. Dr. Nanna Fuhrhop (2011): Fremdwortschreibung. In: Bredel, Ursula/Reißig, Tilo (Hrsg.): Weiterführender Orthographieerwerb (Deutschunterricht in Theorie und Praxis 5), 2011. Baltmannsweiler. S. 154.
- ↑ Prof. Dr. Peter Eisenberg (2011): Grundlagen der deutschen Wortschreibung. In: Bredel, Ursula/Reißig, Tilo (Hrsg.): Weiterführender Orthographieerwerb (Deutschunterricht in Theorie und Praxis 5), 2011. Baltmannsweiler. S. 89.
- ↑ Prof. Dr. Utz Maas (1992): Grundzüge der deutschen Orthographie. Tübingen. S. 318.
- ↑ Prof. Dr. Utz Maas (1992): Grundzüge der deutschen Orthographie. Tübingen. S. 318.
- ↑ Prof. Dr. Peter Eisenberg (2006): Grundriss der deutschen Grammatik: Das Wort. 3. Aufl. Stuttgart. S. 322 und S. 427.
- ↑ Prof. Dr. Peter Eisenberg (2006): Grundriss der deutschen Grammatik: Das Wort. 3. Aufl. Stuttgart. S. 322 und S. 427.
- ↑ Prof. Dr. Peter Eisenberg (2006): Grundriss der deutschen Grammatik: Das Wort. 3. Aufl. Stuttgart. S. 427.
- ↑ Prof. Dr. Peter Eisenberg (2011): Grundlagen der deutschen Wortschreibung. In: Bredel, Ursula/Reißig, Tilo (Hrsg.): Weiterführender Orthographieerwerb (Deutschunterricht in Theorie und Praxis 5), 2011. Baltmannsweiler. S. 89.
- ↑ Prof. Dr. Peter Eisenberg (2011): Grundlagen der deutschen Wortschreibung. In: Bredel, Ursula/Reißig, Tilo (Hrsg.): Weiterführender Orthographieerwerb (Deutschunterricht in Theorie und Praxis 5), 2011. Baltmannsweiler. S. 90.
- ↑ TU Berlin, Institut für Sprache und Kommunikation: Silbenphonologie.. Abgerufen am 6. Dezember 2012.
- ↑ 7 dieser Verben weisen kein Dehnungs-h auf (gären, holen, hören, küren, malen, mären, pulen) im Gegensatz zu diesen weisen 23 ein Dehnungs-h auf (bohnern, bohren, dehnen, fahren, fehlen, fühlen, führen, gähnen, hehlen, johlen, kehren, lehren, mahlen, mahnen, nehmen, nähren, rühren, wahren, wehren. wohnen, währen, wühlen, zehren)
- ↑ Prof. Dr. Guido Nottbusch: Orthographie. Dehnung. Webseite von Guido Nottbusch. Abgerufen am 30. November 2012.
- ↑ Alle 127 Wörter sind Bestandteil des Korpus der 25. Auflage des Duden (2009): Die deutsche Rechtschreibung. Wörter wie <Uhle, Hahl, dahlen oder Quehle>, die nicht Bestandteil des Dudenkorpus sind, werden hier nicht mitgezählt.
- ↑ Duden (2009): Die deutsche Rechtschreibung. 25., völlig neu berarb. und erw. Auflage. Mannheim. S. 158-159.
- ↑ Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
- ↑ Die Liste scheint in Bezug auf die Erbwörter vollständig zu sein, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.