Theodor Thorer




Theodor Thorer (* 1828; † 1894), Kürschner aus Görlitz, gründete die bedeutende Rauchwarengroßhandlung Theodor Thorer in Leipzig. Der Leipziger Brühl war über Jahrzehnte ein Zentrum der europäischen Pelzindustrie. Das Unternehmen gehörte zu den führenden Unternehmen der europäischen Pelzbranche.[1]
Werdegang und Unternehmen
Die Kürschnertradition der Familie Thorer reicht weit in die Vergangenheit zurück. Im Kirchenbuch der Stadt Gera befindet sich bereits eine Eintragung vom 10. August 1618, dass der Kürschnermeister Hans Georg Thorer (auch Tohrer geschrieben) sich mit Katharina Puschel vermählt hat.
Theodor Thorer war Sohn des Ernst Friedrich Thorer (*20. März 1799) und der Florentine Gottliebe Franke (*7. Februar 1799), die am 17. Mai 1824 in Görlitz getraut wurden. Theodor Thorer selbst heiratete am 6. Juni 1854 in Gera Ernestine Emma Hofmann (*5. Juni 1834).[2]
Gründerzeit
Als ältester Sohn übernahm Theodor Thorer im Jahr 1853 das väterliche Kürschnergeschäft in Gera. Es war das bedeutendste Geschäft am Platz, es betrieb nicht nur die Kürschnerei, sondern versorgte auch die Kürschner der Umgegend mit Rauchwaren. Thorers Ausbildung fand nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, vor in allem England und Frankreich, statt.
1862 gründete Theodor Thorer ein Unternehmen für Rauchwaren in Leipzig, das er unter der Firma Theodor Thorer führte. Der Schwerpunkt des Geschäfts lag zunächst beim Handel mit kanadischen Pelzen, seit den 1880er Jahren kamen zunehmend russische und asiatische Felle dazu. Zur gleichen Zeit (1883) richtete Thorer Werkstätten für die Zurichtung (Gerben) und das Färben von Karakulfellen (Persianer) ein.[3]
Internationale Expansion bis zum Zweiten Weltkrieg
Die Ausbildung der Söhne Theodor Thorers, die das Unternehmen übernehmen sollten, richtete sich nach dem ihnen zugedachten Teil des Unternehmens. Die ältesten zwei Söhne wurden nach England und Kanada geschickt, um die nordamerikanschen Interessen des Unternehmens zu vertreten. Paul Thorer (dritter Sohn) wurde auf die Übernahme des Russlandgeschäfts vorbereitet.[1] Theodor Alexander Thorer (vierter Sohn) gründete 1884 in St. Paul (Minnesota, USA) eine Theodor Thorer-Filiale. 1890 folgte mit Carl Praetorius die Gründung einer „Transatlantic Fur Company Limited“ in New York. Beide Niederlassungen handelten vor allem mit Persianerfellen.[3]
Theodor Thorer setzte sich 1892 zur Ruhe. Seine drei ältesten Söhne führten das Unternehmen als Teilhaber gemeinsam weiter, bis Ernst Alfred und Theodor Curt ausschieden. Paul Thorer nahm Carl Praetorius als neuen Teilhaber in das Unternehmen auf. 1907 kam mit Paul Hollender ein weiteres - angeheiratetes - Familienmitglied als Teilhaber hinzu. Als Folge des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden Revolution in Russland gingen die Quellen für Felle von dort erst einmal verloren. In den USA musste 1917 die Theodor Thorer Inc. mit Verlust verkauft werden.[3]
Nach Ende des Krieges wurde unter der Firmenbezeichnung Thorer & Hollender Inc. eine Filiale in New York neu gegründet.[3] 1920 wurde das selbständige Unternehmen Thorer & Co. gegründet, in das die Pelzzurichterei und -färberei überführt wurden. Unter „Theodor Thorer“ verblieben die Handelsaktivitäten.[4] 1920 schlossen Paul Thorer, Paul Hollender und Arndt Thorer einen Gesellschaftsvertrag, der die Erbfolge regelte.[1] Über Paul Hollender, der sowohl Mitinhaber von Theodor Thorer wie Thorer & Co. war, waren die Thorer'schen Unternehmen in der örtlichen Handelskammer und im Vorstand der Gesellschaft der Freunde der Handelshochschule Leipzig (HHL) vertreten. Hollender war Ehrendoktor und Ehrensenator der HHL.[5] Es wurde eine „Theodor-Thorer-Stiftung“ zu Gunsten von Studierenden der HHL eingerichtet.
Eine Verkaufsvertretung kam 1923 in London hinzu (Raw Furs Ltd.). 1925 trat Rudolf F. W. Sack als eingeheiratetes Familienmitglied bei Thorer & Co. ein.[1] Am 5. März 1928 besuchte Amanullah Khan, der König von Afghanistan das Unternehmen Theodor Thorer.[6] 1929 veröffentlichte Paul Thorer ein Buch unter dem Titel Die Wahrheit über die Gewinnung von Persianer und Breitschwanz zu den Kontroversen um Persianerpelze. Eine weitere Gründung erfolgte 1931 in Paris (S.A. de Pelleteries Productions Theodor Thorer).
Die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre machte der südafrikanischen Vertretung wegen der Devisenbeschränkungen zu schaffen. Konnte Thorer zuvor nahezu monopolartig alle namibischen Felle nach Leipzig leiten, übernahmen nun London und New York bedeutende Teile des Handels mit Karakulfellen.[7]
Die Firma Theodor Thorer gehörte während der Zeit des Nationalsozialismus zum Südwestafrika-Auschuß der „Gruppe deutscher Kolonialwirtschaftlicher Unternehmungen“ der Reichswirtschaftskammer.[8] Noch 1939/40 wurden mit Staatsunternehmen der UdSSR (Sojuzpushnina) Vereinbarungen über den Fellexport getroffen.[9] Während des Zweiten Weltkriegs wurden hauptsächlich Rüstungsaufträge bearbeitet. Im Juni 1941 wurde das Unternehmen als Rüstungsbetrieb anerkannt.[3] Thorer & Co. beschäftigten Arbeitskräfte des Ostarbeiterlagers „Riga“ und des Lagers Engel.[10]
Enteignung, Neuanfang und Ende in Westdeutschland


Anfang Juni 1945 wurde in Hamburg das neue Unternehmen „Thorer & Hollender KG“ gegründet, um sich auf eine Enteignung vorzubereiten. Tatsächlich wurde der Leipziger Betrieb 1946 enteignet.[3] In Leipzig entstand 1946 der VEB Edelpelz Leipzig als Rauchwarenzurichterei und Färberei. Der VEB hatte insgesant vier Werke; Werk I war in den Räumen von Thorer & Co. und - der Thorer gehörenden - Tierhaarverwertung Rödiger & Quarch untergebracht. Das in Leipzig verbleibende Eigentum des Handelshauses Theodor Thorer wurde in den VEB Stadtpelz überführt.[11]
Geschäftsführender Gesellschafter des in Westdeutschland neu gegründeten Unternehmens wurde Paul Hollender. Die Thorer-Erben waren noch unmündig und nur indirekt als Kommanditisten vertreten. Noch im Jahr der Enteignung wurde in Offenbach wieder eine Zurichterei betrieben. 1950 starb Paul Hollender; ab 1951 wurde das Unternehmen als Offene Handelsgesellschaft (OHG) geführt. In die OHG traten Oskar Volkmann, Mann der Witwe Walter Hollenders, und Jürgen Thorer als persönlich haftende Gesellschafter ein. Ebenfalls 1951 wurde in Südafrika die Thorer Fur Processing Company of South Africa Ltd. gegründet.[3]
In den Jahren nach 1960 eröffnete Thorer mehrere Betriebe zur Pelzreinigung („Thorer Finish“, West-Berlin, Hamburg, Velbert, Oberpframmern). Das Unternehmen expandierte 1967 nach Sulzbach, 1978 wurde ein Werk in Mühlheim (Lederindustrie Dietesheim[12]) übernommen. 1980 meldete die Thorer & Co. GmbH & Co. eine Wort-Bildmarke für den „Thorerprozess“ an.[13]
In den 1980er Jahren setzte eine Krise in der deutschen Pelzindustrie ein. 1994 erklärte das nun als Thorer & Co. GmbH geführte Unternehmen seinen Konkurs. 150 Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsplätze.[3][14] Das vier Hektar große Thorer-Gelände an der Mühlheimer Straße in Offenbach war anschließend mehrere Jahre ungenutzt.[15]
Vermischtes
Unter der Überschrift „Fürstliche Geschenke in der Pelzindustrie...“ veröffentlichte ein Fachblatt im Jahr 2004 folgenden Hinweis eines Branchenmitglieds: Bei einer Antiquitätenversteigerung des Auktionshauses Arnold wurde am 20. November ein Jubiläumsgeschenk der russischen Auktionsgesellschaft, später als Sojuzpushnina bekannt, versteigert. Das Geschenk geschah anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums des alten Handelshauses Theodor Thorer, Leipzig, im Jahre 1912. Es handelte sich um ein versilbertes Schiffsmodell mit einer Rettungsdarstellung, gearbeitet vom Hoflieferanten des Zaren, Ivan Petrovitsch Chlebnikov, der zu seiner Zeit angesehener als Fabergé war. Ein russischer Telefonbieter erwarb das Teil zu dem „sensationellen Preis“ von 20.000 €.[16]
Quellen und Literatur
- Hessisches Wirtschaftsarchiv, Abt. 121: Thorer & Co. GmbH & Co. Übersicht online verfügbar; abgerufen am 13. April 2013
- Otto Nauen (neuer Teil): 250 Jahre Handwerk, 100 Jahre Handel, 80 Jahre Veredlung. Selbstverlag Thorer, Frühjahr 1962
- Paul Albert Thorer: 300 Jahre Familie Thorer, 50 Jahre Theodor Thorer. Selbstverlag Thorer, 1912
- A. T.: 325 Jahre Familie Thorer; 75 Jahre Theodor Thorer. Selbstverlag Thorer, Frühjahr 1937. Oscar Brandstetter: Leipzig 1937.
- Ohne Autorenangabe: 1883–1958, 75 Jahre Thorerfarbe. Selbstverlag Thorer, Offenbach Januar 1985
Weblinks
- leipzig-lexikon.de (abgerufen am 13. April 2013)
Einzelnachweise
<references>
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Personendaten | |
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NAME | Thorer, Theodor |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kürschner und Rauchwarengroßhändler |
GEBURTSDATUM | 1828 |
STERBEDATUM | 1894 |
- ↑ a b c d e Michael Schäfer: Familienunternehmen und Unternehmerfamilien: zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der sächsischen Unternehmer, 1850–1940. C.H. Beck; 2007, S. 88, S. 119
- ↑ Stammbaum bearbeitet von Albert Spitzner-Jahn, abgerufen am 14. April 2013
- ↑ a b c d e f g h i Hessisches Wirtschaftsarchiv
- ↑ Stadt Leipzig, Stadtarchiv, Bestandsübersicht, 2. Februar 1942 Fa. Thorer & Co.; online verfügbar; abgerufen am 15. April 2013)
- ↑ http://www.hhl.de/fileadmin/texte/abt-GdF/pdf6_Geschichte.pdf; abgerufen am 14. April 2013
- ↑ Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Fotothek F/2011/85; abgerufen am 14. April 2013
- ↑ Martin Eberhardt (2007) Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid: Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915−1965. LIT Verlag Münster; S. 204
- ↑ Stefanie van de Kerkhof, Dieter Ziegler: Unternehmenskrisen und ihre Bewältigung im 20. Jahrhundert. Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Akademie Verlag, Februar 2006, S. 156
- ↑ Edward E Ericson: Feeding the German eagle: Soviet economic aid to Nazi Germany, 1933-1941. Greenwood Publishing Group, 1999, S. 215
- ↑ Thomas Fickenwirth, Birgit Horn, Christian Kurzweg: Fremd- und Zwangsarbeit im Raum Leipzig 1939-1945: archivalisches Spezialinventar. Leipziger Universitätsverlag, 2004, S. 233, S. 266
- ↑ Stadt Leipzig, Stadtarchiv, Bestandsübersicht, 2. Februar 1942 Fa. Thorer & Co. (online verfügbar; abgerufen am 15. April 2013)
- ↑ Route der Industriekultur Rhein-Main, Hessischer Oberer Main, online verfügbar, abgerufen am 15. April 2013
- ↑ online, abgerufen am 15. April 2013
- ↑ 1883–1958 – 75 Jahre Thorerfarbe. Thorer & Co, Offenbach am Main, 1958
- ↑ FAZ vom 27.11.2003, angerufen am 15. April 2013
- ↑ Michael Gentsch: Fürstliche Geschenke in der Pelzindustrie... In: Winckelmann Pelz & Markt Nr. 1725, Winckelmann Verlag, Frankfurt am Main 17. Dezember 2004, S. 2