Abwicklung (Finanzmanagement)
Als Backoffice oder Abwicklung bezeichnet man die Abteilungen des Finanzmanagements in Finanzinstitute und Unternehmen, die mit der Bestätigung und der Zahlungsdurchführung der durch das Frontoffice abgeschlossenen finanziellen Transaktionen beschäftigt sind.
Entwicklung
Bei Finanzinstitute ist die Trennung der Geschäftsprozesse beim Handel mit Finanzinstrumenten auf die unterschiedlichen Bereiche Frontoffice, Backoffice und Middle Office seit langem gewährleistet. Meistens gibt es diese Abteilungen sogar mehrfach, da der Handel mit Aktien, [[Derivat (Wirtschaft)|derivaten Finanzprodukten] oder Geldmarktinstrumenten jeweils eigene Prozesse erforderlich macht.
Bei Unternehmen hat sich diese ablauforganisatorische Unterteilung erst seit den 1980er Jahren etabliert. Diese Entwicklung hat zwei Ursachen. Zum einen haben Unternehmen seit den 1980er Jahren in zunehmenden Maße begonnen, komplexe Finanzinstrumente wie beispielsweise Zinsswaps oder Währungsoptionen im Rahmen ihres Risikomanagements einzusetzen. Die gestiegene Anzahl abgeschlossener Transaktionen machte die Schaffung entsprechender organisatorischer Einheiten notwendig.
Hintergrund dieser Entwicklung sind das zunehmende Volumen von verschiedene Betrugs- und Amtsmissbrauchsaffären. Erster Anlass war ein Betrugsfall bei der Volkswagen AG im Jahr 1986, als für das Unternehmen tätige Wertpapierhändler ihren Arbeitgeber betrogen und dieser Betrug durch eine nicht trennscharfe Aufgabenteilung im Finanzmanagement erleichtert wurde. Auch die ausführliche Analyse des Kollaps der Barings Bank zeigten, dass dafür unter anderem die mangelhafte Trennung insbesondere zwischen den beiden Bereichen Backoffice und Frontoffice die Aktivitäten von Nick Leeson ermöglichten, die letztlich den Ruin der Bank zur Folge hatten. Organisatorisch ist heute zusätzlich noch ein Finanzrisikocontrolling oder Middle Office etabliert, das unabhängig vom Backoffice die Aktivitäten des Frontoffice überwacht.
Die Aufgaben
Kernaufgabe des Backoffice ist es, die telefonisch oder über Handelsplattformen durch das Frontoffice mit demGeschäftskontrahenten eingegangen Transaktionen entweder zu bestätigen oder eingegangene Bestätigungen mit den in der Regel im Treasury-System erfassten Kontrakten abzugleichen. Stellt das Backoffice eine Abweichung fest, muss es darauf sofort reagieren. Dies kann eine Kontaktaufnahme mit dem Händler umfassen - also demjenigen, der im Frontoffice das Geschäft telefonisch abgeschlossen haben - oder je nach Umfang der Abweichung eine Eskalation bis zum Finanzvorstand oder für das Finanzmanagement zuständigen Geschäftsführer eines Unternehmens umfassen.
Gleichfalls zur Kernkompetenz eines Backoffices gehört es, den mit den abgeschlossenen Finanztransaktionen eingegangenen Zahlungsverpflichtungen Genüge zu tun. Dazu zählen beispielsweise die Zahlung von Prämien aus dem Abschluss von Optionen, der Anstoß der Zahlungen im Rahmen von Geldhandelsgeschäften, die Leistung der Zinszahlungen bei Zinsgeschäften. Die Durchführung dieses Zahlungsverkehrs ist einer der Hauptgründe, warum insbesondere Wirtschaftsprüfer und die Innenrevision auf eine strikte personelle Trennung von Frontoffice und Backoffice achten. Die Durchführung des Massenzahlungsverkehr zur Begleichung der Verpflichtungen der Kreditorenbuchhaltung gehört nicht zu den klassischen Kernkompetenzen des Backoffice. In vielen Unternehmen ist jedoch das Backoffice auch für die Weiterleitung der in der Buchhaltung aufbereiteten Zahlungsverkehrsdateien an Banken zuständig, handelt die Konditionen des Zahlungsverkehrs aus und überprüft ihre Einhaltung. Diese Aufgaben sind jedoch genauso häufig auch im Cashmanagement eines Unternehmens angesiedelt und werden hier daher nicht näher beschrieben.
Zu dem erweiterten Aufgabenbereich eines Backoffice gehört es auch, Daten aus diesen Finanztransaktionen für die Buchhaltung und den Bilanzbereich eines Unternehmens aufzubereiten.
Die Prozesse
Ein gut funktionierendes Backoffice arbeitet auf Basis etablierter und sorgfältig durchorganisierter Prozesse. Dies ist notwendig, weil den Mitarbeitern mitunter nur sehr kurze Zeitfenster zur Verfügung stehen, um bestimmte Aufgaben durchzuführen. Hat das Frontoffice beispielsweise ein USD-Overnight abgeschlossen, mit dem es verfügbare Liquidität in USD auf dem Geldmarkt anlegt, hat das Backoffice nur bis 14 Uhr Zeit, den zu diesem Geschäft gehörenden Zahlungsverkehr abzuwickeln. Der Prozess muss sicherstellen, dass dieses Geschäft sofort im Backoffice bemerkt wird und die Ausführung - in diesem Fall der Transfer des Geldbetrages auf die Bankkonten des Kontraktpartners, in aller Regel eine große Geschäftsbank - zeitgerecht und unter Beachtung von Sicherheitsvorkehrungen wie eine Vier-Augen-Kontrolle durchgeführt wird. Wird eine solche Zahlung nicht termingerecht durchgeführt, kann bereits eine eintägige Verzögerung bei den für Großunternehmen und Banken üblichen Transaktionsgrößen Strafzinsen zur Folge haben, die den Gegenwert eines Kleinwagens deutlich übersteigen.
Bevor das Frontoffice neuartige Finanzinstrumente abschliesst, ist es daher notwendig zu überprüfen, ob das Backoffice in der Lage ist, dieses Instrument auch abzuwickeln.
In großen Unternehmen wie beispielsweise den im DAX notierten Konzernen sind die Prozesse zwischen Frontoffice und Backoffice weitgehend automatisiert und von einem sogenannten Treasury-System unterstützt. Die Eingabe einer Finanztransaktion führt dann beispielsweise systemseitig zu einer automatischen Benachrichtigung des Backoffices, das ein weiteres Geschäft getätigt wurde. Auch die Arbeitsschritte, die bei einer Geschäftsbestätigung notwendig sind, werden weitgehend automatisch unterstützt, indem Internettplattformen eingesetzt werden. Standardgeschäfte wie beispielsweise Tages- und Termingeldgeschäfte werden von beiden Kontrahenten eines solchen Geschäfts eingestellt und dort automatisch abgeglichen. Für weniger standardisierte Geschäfte oder solche mit geringem Umsatzvolumen wie beispielsweise exotische Optionskonstruktionen, Abschlüsse auf Rohwaren oder neuartigen Produkten wie Wetterderivaten ist eine Bestätigung in Papierform im Jahre 2005 die noch übliche Bestätigungsform gewesen. Das gilt auch, wenn die beiden Kontrahenten nicht der selben Bestätigungsplattform angeschlossen sind. Die Anzahl der in automatisierten Prozessen abgeglichen Transaktionen wird jedoch in den nächsten Jahren deutlich zunehmen.
Die personelle Ausstattung
Personelle Mindestausstattung
Eine Vielzahl von Prozessen des Backoffices setzt eine Vier-Augen-Kontrolle voraus. So werden beispielsweise Zahlungsverkehrsdaten von einer Person eingegeben beziehungsweise bei einem weitgehend automatisierten Prozess erstmals autorisiert und von einer zweiten Person freigegeben. Sechs-Augen-Prozesse sind die Ausnahme.
Als Mindestgröße für die personelle Ausstattung eines Backoffices gilt daher eine Mitarbeiterzahl von vier Personen, wenn die Sicherheitsvorkehren für alle Prozesse maximal eine Vier-Augen-Kontrolle vorsieht. Bei dieser Besetzungsgröße kann jeweils ein Mitarbeiter in Urlaub gehen. Fällt eine weitere Person krankheitsbedingt aus, können die Prozesse weiterhin ordnungsgemäß durchgeführt werden. Um eine reibungslose Ablauf auch bei einem weiteren Krankheitsfall zu gewährleisten, sind für den Notfall für einen weiteren Personenkreis entsprechende Passwörter und gegebenenfalls Arbeitsanweisungen hinterlegt, die in versiegelten Umschlägen in einem Tresor oder an einer sonstigen, weitgehend gesicherten Stelle aufbewahrt werden.
Diese Anforderungen an die personelle Ausstattung machen klar, warum es insbesonderenmittelständischen Unternehmen so schwer fällt, die für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Finanzmanagements notwendige Trennung zwischen Front- und Backoffice umzusetzen. Mittelständische Unternehmen behelfen sich in der Regel, in dem sie die Aufgaben in Abteilungen ansiedeln, deren Kernaufgaben in einem anderen Bereich liegen. So könnte beispielsweise der Tages- und Termingeldhandel durch Mitarbeiter des Controllings als Nebenaufgabe wahrgenommen werden, während die Aufgaben des Backoffice der Debitorenbuchhaltung zugeordnet sind.
IT-Fachleute
Da viele Prozesse EDV-unterstützt unterlaufen sind und es sich dabei regelmäßig um vom üblichen Software-Standard eines Unternehmens abweichende Systeme handelt, zählen in einigen Unternehmen zum Backoffice gelegentlich noch IT-Fachleute. Ihre Aufgabe ist die Sicherstellung der Betriebsfähigkeit der im Finanzmanagement eingesetzten Systeme sowie der Betreuung der EDV-Schnittstellen. Aus Sicht des Backoffices sind dabei ausgehend vom Treasury-System als Kernanwendung mindestens drei Schnittstellen durch IT-Fachleute zu betreuen:
- die Schnittstelle zum Buchhaltungssystem
- die Schnittstelle zum Bestätigungssystem
- die Schnittstelle in die Zahlungsverkehrssysteme
Häufig hat das Backoffice auch mindestens einen Zugang zu Marktdatensystemen wie beispielsweise Reuters oder Bloombergs, um prüfen zu können, ob Geschäfte marktkonform abgeschlossen wurden oder bei variabel verzinsten Finanzinstrumenten den Zinssatz feststellen zu können.
Zu den unternehmensinternen Kunden der IT-Fachleute gehört zumindest in Unternehmen auch das Frontoffice, die zwar gleichfalls das Treasury-System als Kernsystem haben, aber neben dem Marktdatensystem in der Regel mindestens eine Handelsplattform nutzen und dann entsprechend gleichfalls Schnittstellen haben. Viele Unternehmen bevorzugen es deshalb, die dem Finanzmanagement zugeordneten IT-Fachleute ablauforganisatorisch neutraler in einer eigenen Abteilung oder Team aufzustellen. Bei Finanzinstituten ist dies der Standard.
Die Probleme
Zwischen den Mitarbeitern eines Backoffices und denen eines Frontoffices besteht bei den meisten Unternehmen und Banken ein deutliches Ausbildungsgefälle. Mitarbeiter des Frontoffices weisen in der Regel ein Studium auf, Mitarbeiter des Backoffices haben im Normalfall einen Realschulabschluss und absolvieren im Anschluss daran eine kaufmännische Ausbildung, die im besten Fall eine Banklehre ist. Zumindest bei einzelnen Banken wird dieses Ausbildungsgefälle zunehmend auch als ein potentielles Risiko eingeordnet. Trotz der personellen Trennung zwischen Frontoffice und Backoffice ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Abteilungen notwendig, d.h. die Mitarbeiter eines Backoffice und Frontoffice stehen arbeitstäglich miteinander im engen Austausch. Ein Mitarbeiter des Backoffice muss jedoch bei einer Abweichung zwischen der Geschäftsbestätigung eines Kontrahenten und der vom Frontoffice im Treasury-System reagieren und gegebenenfalls Eskalationsmaßnahmen einleiten. Die erste Maßnahme ist in der Regel ein Check des Backoffice-Mitarbeiters mit dem Frontoffice-Mitarbeiter, weil solche Abweichungen in Normalfall auf Fehleingaben und damit schlichte Arbeitsfehler beruhen. Handelt es sich jedoch nicht um schlichte Eingabefehler, besteht die Gefahr, dass die besser ausgebildeten Kollegen des Frontoffices ihren Kollegen solche Abweichungen klein reden oder sie davon überzeugen, sie als geschäftstypisch zu ignorieren. Dieses Risiko steigt, je mehr ein Unternehmen an komplexen Instrumenten wie Rohwarenderivate oder andere Instrumente wie beispielsweise Wetterderivate abschließen. Als Gegenmaßnahme investieren vor allem Banken in die größerem Maße in die Weiterbildung der Mitarbeiter des Backoffices.