Massaker von Široki Brijeg

Als Massaker von Široki Brijeg werden die Ereignisse bezeichnet, bei denen 28 kroatische Franziskaner-Mönche des Klosters Široki Brijeg in der Herzegowina zwischen dem 7. und 15. Februar 1945 von kommunistischen Tito-Partisanen getötet wurden.[1]
Die Opfer werden innerhalb und teilweise auch außerhalb der römisch-katholischen Kirche in Bosnien und Herzegowina als Märtyrer verehrt. Bei dieser Verehrung wird auch den anderen 38 Ordensbrüdern der Franziskanerprovinz Herzegowina gedacht, die teils auf dem sogenannten „Kroatischen Kreuzweg“ getötet wurden.
Hintergrund
Die bosnischen Franziskaner spielten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der katholischen Kultur und des kroatischen Selbstbewusstseins innerhalb von Bosnien und der Herzegowina. In den letzten Jahrzehnten der osmanischen sowie zur Zeit der österreich-ungarischen Herrschaft betrieben sie mehrere Grund- sowie Oberschulen und gaben Literatur heraus. Sie förderten in ihren Schulen sowohl den Katholizismus als auch kroatischen Nationalismus. Zu den in dieser Hinsicht bekanntesten Franziskanern gehörten Grgo Martić, Paškal Buconjić und Didak Buntić. Ihr spirituelles Zentrum war Široki Brijeg.[2]
Die jugoslawischen Kommunisten warfen den Franziskanerklöstern vor, als Organisations- und Ausbildungszentren für die Ustascha gedient zu haben. Der Franziskaner Berto Dragičević vom Kloster Široki Brijeg war, unterstützt von den Franziskanern Ante Cvitković und Andrija Jeličić, Kommandeur einer Ustaschaeinheit in dieser Region.[3][4] Tito äußerte einmal, die Franziskanergymnasien in Bosnien-Herzegowina seien „Erziehungsnester des nationalen Hasses“ zwischen Serben, Kroaten und Muslimen gewesen.[5] Seine Unterstellung, dass die von Partisanen ermordeten Mönche von Široki Brijeg persönlich mit der Waffe in der Hand zusammen mit den Deutschen und der Ustascha gegen die Partisanen gekämpft hätten, wurde widerlegt.[6]
Von der Gegenseite wird behauptet, die ermordeten Franziskaner hätten zwar, wie auch der Großteil der kroatischen Bevölkerung, die Gründung eines unabhängigen kroatischen Staates im Jahr 1941 als Befreiung von der serbischen Bevormundung begrüßt, aber Gräueltaten der Ustascha verurteilt und ihre Enttäuschung darüber geäußert.[7] Der Bericht eines Gestapo-Agenten aus dem Jahr 1944 vermeldete, dass sich Franziskanermönche von Široki Brijeg in Predigten gegen das damalige politische System im Unabhängigen Staat Kroatien und gegen das nationalsozialistische Deutschland aussprachen.[8]
Ablauf
Tito-Partisanen der 26. Division des VIII. Korps der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens versuchten ab dem 6. Februar 1945 die Stadt Široki Brijeg zu erobern und lieferten sich heftige Kämpfe mit dem 270. Regiment der 369. Legionärsdivision der Deutschen Wehrmacht sowie kroatischen Streitkräften.
Am 7. Februar 1945 eroberten Partisanen der II. Dalmatinischen Proletarischen Brigade die Stadt und erschossen 12 Ordensbrüder im Kloster Široki Brijeg. Sie warfen die Leichen zunächst in einen Luftschutzbunker im Klostergarten, verbrannten sie anschließend und verscharrten die menschlichen Überreste. Diese wurden 1971 heimlich exhumiert und in der Klosterkirche begraben.
Am 8. Februar 1945 suchten neun Ordensbrüder Zuflucht in der ordenseigenen Wassermühle am örtlichen Fluss Lištica. Sie wurden von Partisanen verhaftet und in Richtung Split abtransportiert. Die Mehrzahl von ihnen wurde höchstwahrscheinlich in Zagvozd getötet. Vereinzelt erfolgten die Tötungen an weiteren Orten bis zum 15. Februar 1945. Die Kommunisten unterstellten den getöteten Franziskanern, aktiv an der Seite der deutschen und kroatischen Soldaten an den Kämpfen um die Stadt beteiligt gewesen zu sein.[9] So berichtete die kommunistische jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug:
„Die Ustascha-Mönche versteckten sich gemeinsam mit dem deutschen Stab in der gut befestigten Elektrozentrale. Von diesem Stützpunkt aus kämpften [sic] die Verbrecher bis zum letzten Atemzug. […] Sechs gefallene [sic] Mönche wurden in ihrer Stellung in den Schützengräben beim Dorf Knežpolje, einige Kilometer von Široki Brijeg entfernt, entdeckt. Einigen Mönchen gelang es, zusammen mit den zersplitterten Resten von deutschen und Ustascha-Truppen zu fliehen.[10]“
Verehrung
Die „Märtyrer von Široki Brijeg“ nahmen eine hervorgehobene Stellung unter den ermordeten kroatischen Priestern, Ordensleuten und Gläubigen ein. 1955 schrieb Dionizije Lasić, Theologie-Professor an der Päpstlichen Hochschule in Rom:
„Unsere [kroatische] Kirche hat sie fast kanonisiert und feierlich unsere Augen und Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Sie erwähnt besonders die 28 Märtyrer von Široki Brijeg: wenn wir aber das lange kroatische Martyrologium ansehen, werden wir noch viele andere rührende Fälle wahren Märtyrertodes finden: mit frommen Liedern im Mund und der stillen Übergabe in Gottes heiligen Willen. […] Der Triumph dieser heiligen Opfer wird vor der Kirche sicherlich einmal erfolgen.[11]“
Der Gedenktag in der Liturgie der katholischen Kirche ist der 7. Februar eines Jahres. 1991 wurden dem Vatikan Dokumente zur Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens übergeben.[12]
Im Jahr 2012 erklärte der Gemeinderat von Siroki Brijeg den 7. Februar zum örtlichen Gedenktag, an dem aller örtlichen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht wird und zu welchem alljährlich Veranstaltungen stattfinden.[13]
Opfer
7. Februar 1945
Kloster Široki Brijeg
- Marko Barbarić (* 19. Februar 1865), Ordenspriester, im Ruhestand
- Viktor Kosir (* 12. Oktober 1924 in Uzarići), Ordenstheologe
- Tadija Kožul (* 20. Juli 1909 in Turčinovići), Ordenspriester, Professor des örtlichen Gymnasiums
- Krsto Kraljević (* 21. März 1895 in Grljevići), Ordenspriester, im Ruhestand
- Stanko Kraljević (* 12. August 1871 in Mokro), Ordenspriester, im Ruhestand
- Žarko Leventić (* 27. August 1919 in Drinovci), Ordenspriester, Gemeindevikar
- Stjepan Majić (* 26. Mai 1925 in Vitina bei Ljubuški), Ordenspriester
- Arhanđeo Nuić (* 21. Februar 1896 in Drinovci), Ordenspriester, Professor des örtlichen Gymnasiums und Publizist
- Borislav Pandžić (* 7. Januar 1910 in Drinovci), Ordenspriester, Professor des örtlichen Gymnasiums
- Ludovik Radoš (* 14. November 1925 in Blažuj bei Tomislavgrad), Ordenstheologe
- Ivo Slišković (* 25. April 1877 in Mokro), Ordenspriester, im Ruhestand
- Dobroslav Šimović (* 19. Dezember 1907 in Hamzići zu Čitluk), Ordenspriester, Professor des örtlichen Gymnasiums
8. bis 15. Februar 1945
Wassermühle an der Lištica (Široki Brijeg)
- Miljenko Ivanković (* 2. Dezember 1924 in Tubolja bei Tomislavgrad), Ordenstheologe
- Andrija Jelčić (* 8. Mai 1904 in Stubica, zu Sudenci bei Čapljina), Guardian und Oberpfarrer von Široki Brijeg
- Fabijan Kordić (* 6. März 1890 in Grljevići), Laienbruder
- Bonifacije Majić (* 6. Mai 1883 in Vitina bei Ljubuški), Professor, im Ruhestand
- Dr. Fabijan Paponja (* 26. November 1897 in Lipno, zu Grljevići bei Ljubuški), Professor und Leiter des örtlichen Konvikts
- Melhior Prlić (* 27. Juli 1912 in Sovići, zu Gorica), Laienbruder
- Leonardo Rupčić (* 29. September 1907 in Hardomilje, zu Humac), Professor des örtlichen Gymnasiums
- Mariofil Sivrić (* 10. Februar 1913 in Međugorje), Klostervikar von Široki Brijeg
- Dr. Radoslav (Rade) Vukšić (* 5. Dezember 1894 in Studenci), Professor und Direktor des örtlichen Gymnasiums
- Jozo Bencun (* 26. September 1869 in Međugorje)
- Kažimir Bebek (* 1. Oktober 1901 in Vitina )
- Nenad Pehar (* 7. Mai 1910)
- Leo Petrović (* 28. Februar 1883 in Klobuk bei Ljubuški)
- Rafo Prusina (* 21. Januar 1884 in Hamzići zu Čitluk)
- Bernardin Smoljan (* 3. Oktober 1884 in Rodoč zu Mostar)
- Grgo Vasilj (* 13. März 1886 in Međugorje)
Siehe auch
Literatur
- Ivo Omrčanin: Kroatische Priester ermordet von Tschetniken und Kommunisten. München 1959, S. 28 f., 39 f. u. 41.
- Jozo Tomaševic-Koška: Istina o ubijenoj gimnaziji [Die Wahrheit über das ermordete Gymnasium]. Vlastita naklada, Zagreb 1997, ISBN 978-953-6853-47-2.
Weblinks
- TV-Kurzdokumentation in der täglichen Geschichtsserie TV kalendar des kroatischen Fernsehens HRT (6. Februar 2010) auf YouTube
- Daten und Bilder der getöteten Franziskaner der Ordensprovinz Herzegowina
Einzelnachweise
- ↑ Martyrium Croatiae. Staderini, Rom 1946, S. 14.
- ↑ Mitja Velikonja: Religious Separation and Political Intolerance in Bosnia-Herzegovina. 1. Auflage. Texas A&M University Press, 2003.[1] ,S. 140
- ↑ Edmond Paris: Genocide in satellite Croatia, 1941-1945:a record of racial and religious persecutions and massacres. American Institute for Balkan Affairs, 1961. ,S.113
- ↑ Vjekoslav Vrančić: Postrojenje i Brojčano Stanje Hrvatskih Oružanih Snaga u Godinama 1941-1945, in: Godišnjak hrvatsko domobrana 1953, Buenos Aires 1953, Vojnoistorijski institute: Zbornik dokumenata i podataka o narodnooslobodilačkom ratu jugoslovenskih naroda, Tom IV/9, p.223; IV/31, p.16.
- ↑ Tito: Sabrana djela (Gesammelte Werke). Bd. 29. Belgrad 1989, S. 127.
- ↑ Srećko M. Džaja: Die politische Realität des Jugoslawismus (1918-1991): mit besonderer Berücksichtigung Bosnien-Herzegowinas. R. Oldenbourg Verlag, München 2002, ISBN 3-486-56659-8 S. 98f bei books.google
- ↑ Enver Redžic: Bosna i Hercegovina u drugom svjetskom ratu (Bosnien-Herzegowina im Zweiten Weltkrieg). ANUBiH u. Grafičko-izdavačka kuća OKO, Sarajevo 1998, S. 182–183.
- ↑ Bericht des Gestapoagenten Pö (Pseud.) vom 21. August 1944. Hrvatski državni arhiv, Zagreb (HDA) [Kroatisches Staatsarchiv], Ministarstvo unutarnjih poslova Republike Hrvatske [Innenministerium der Republik Kroatien], Helm [Archiv des Polizeiattaché Hans Helm; für operative Zwecke der Staatssicherheit Jugoslawiens ins Serbische übersetzt], XIII, S. 66, Schachtel 122. In: Frano Glavina: Nadbiskup Stepinac i nacionalsocijalizam u svjetlu izvješića Gestapoa [Erzbischof Stepinac und der Nationalsozialismus im Lichte der Ermittlungen der Gestapo]. In: CROATICA CHRISTIANA PERIODICA (CCP), časopis Instituta za crkvenu povijest Katoličkog bogoslovnog fakulteta Sveučilišta u Zagrebu. Band 21, Nr. 40, S. 94 (Online [abgerufen am 18. März 2013]).
- ↑ Jozo Tomaševic-Koška: Istina o ubijenoj gimnaziji (Die Wahrheit über das ermordete Gymnasium). Vlastita naklada, Zagreb 1997, S. 177–194.
- ↑ Bericht, gesendet und veröffentlicht nach den Kämpfen um die Stadt. In: Vladimir Dedijer: Jasenovac : das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan. 6. Aufl. Ahriman-Verlag, Freiburg 2011, S. 314–316.
- ↑ Prof. Dr. Dionizije Lasić: Komunističke žrtve kršćanski mučenici (Kommunistische Opfer der christlichen Märtyrer). In: Hrvatski kalendar. Chicago 1955.
- ↑ Märtyrer von Široki Brijeg - Ökumenisches Heiligenlexikon
- ↑ Artikel von Radio Vatikan vom 27. Februar 2012: Općinsko vijeće Široki Brijeg 7. veljače proglasilo 'Danom sjećanja na pobijene franjevce i puk'. Abgerufen am 9. April 2013 (kroatisch).