Heliopolis (Stadtteil)
Der Kairoer Stadtteil Heliopolis (Miṣr al-dschadīda / مصر الجديدة / ‚Neues Ägypten“ bzw. „Neu-Kairo‘, ägyptisch-arabisch Maṣr el-gedīda., (Neues Kairo/Neues Ägypten)) ist ein gehobener Ortsteil von Kairo, der Hauptstadt von Ägypten. Der Name bezieht sich auf die nahe gelegene altägyptische Stadt Heliopolis.
Geschichte



Baron Empaing, ein prominenter belgischer Unternehmer und anerkannter Amateur-Ägyptologe, kam im Januar 1904 nach Ägypten in der Absicht, ein Entwicklungsprojekt seiner Frau zu retten, den Bau einer Eisenbahnstrecke zwischen Al-Matariyyah und Port Said. Obwohl er den Vertrag an eine britische Firma verlor, blieb Empain in Ägypten.

Im Jahr darauf gründete Empain die Cairo Electric Railways and Heliopolis Oases Company, die für eine relativ niedrige Summe – ein Piaster pro Quadratmeter – ein Gelände von 24 Quadratkilometern in der Wüste nordöstlich von Kairo von der Kolonial-Regierung kaufte. Dort ließ er eine exklusive Gartenstadt errichten, die etwa zehn Kilometer von Kairos Zentrum entfernt war. Die neue Stadt verkörperte den ersten großen Versuch, einen eigenen architektonischen Stil zu entwickeln, der heute als Heliopolis-Stil bekannt ist. Sie war gedacht als eine „Stadt des Luxus und der Freizeit“, mit breiten Prachtstraßen und mit allen notwendigen Einrichtungen sowie Infrastruktur ausgestattet: fließendes Wasser, Entwässerung, Elektrizität, Hotels sowie Golfkurs, Pferderennbahn und Parks. Es gab eine große Auswahl von verschiedenen Wohngebäuden für verschiedene soziale Klassen, freistehende Villen mit Terrassen, Appartmenthäuser und Arbeiterwohnungen. 1910 wurde eine Straßenbahnlinie gebaut, die die Trabantenstadt mit der City verband.
Ebenfalls 1910 fand in Heliopolis eine internationale Flugschau statt, um wohlhabendes Publikum aus der ganzen Welt in die neue Stadt zu locken. Eine der Aufgaben für die prominente Piloten, darunter der Deutsche Hans Grade, war, von Heliopolis im Nordosten der Stadt zu den Pyramiden von Gizeh zu fliegen, diese zu umrunden und zurückzufliegen. Damals war die Wüste um Kairo noch so unbebaut und die Luft so klar, dass man die Flugzeuge mit den Augen verfolgen konnte. Allerdings mussten wegen eines Sandsturms viele Flüge ausfallen.[1]
Empain selbst ließ sich zwischen 1907 und 1910 einen Palast bauen, bekannt als Baron Empain Palace, Palais Hindou oder Qasr al Baron. Der französische Architekt wurde von ihm beauftragt, sich am Baustil der Hindu zu orientieren. Vorbilder waren Angkor Wat in Kambodscha und die Hindutempel in Odisha. Es entstand ein schönes Beispiel für die frühe kreative Verwendung von Beton, aus dem der Palast zur Gänze besteht. Die Erben von Baron Empain verkauften das Gebäude 1957, das anschließend viele Jahre leer stand. 2012 wurde bekannt, dass der Palast in Zusammenarbeit mit der belgischen Regierung restauriert und als internationales Kulturzentrum dienen soll.[2] Neben dem Palast steht sich heute das bekannte Hotel El Baron.
In der Nachbarschaft befanden sich Residenzen von einigen der wohlhabendsten Ägypter, darunter der Palast von Boghos und Nubar Pascha, der heute als Sitz einer Militärverwaltung dient. Gegenüber befindet sich die frühere Residenz von Sultan Hussein Kamel, der Ägypten zwischen 1914 und 1917 regierte, die heute als Gästehaus des Präsidenten dient.
Auf dem Soldatenfriedhof von Heliopolis steht das Port Taufiq Memorial, ein Denkmal für die rund 4000 Soldaten der British Indian Army, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Das Denkmal stand ursprünglich in Port Taufiq, wurde aber nach seiner Zerstörung im Jahre 1967 in Heliopolis wieder aufgestellt. Baron Empain persönlich legte 1910 den Grundstein für die katholische Basilika Notre-Dame d’Héliopolis, die der Hagia Sophia in Istanbul nachempfunden ist. In ihr liegt Empain, der in Belgien starb und dessen Leichnam dann nach Ägypten gebracht wurde, auch begraben.
Anfangs diente das moderne Heliopolis vorrangig aristokratischen Ägyptern wie auch wohlhabenden Ausländern als Wohnort. Um 1928 wohnten dort 25.000 Menschen, davon waren knapp die Hälfte Ausländer. Nach der Revolution 1952 zogen immer mehr Menschen aus der wohlhabenden Mittelschicht nach Heliopolis. Heute leben in Heliopolis rund 300.000 Menschen. Inzwischen hat sich Kairo derart vergrößert, dass Heliopolis ein Teil der Stadt geworden ist. Viele der früheren Parks sind verschwunden und überbaut worden. In einem neu errichteten kleinen Park erinnert ein originaler Obelisk an das altägyptische Heliopolis.[3].
Heliopolis besitzt mehrere Freizeitanlagen. Der Heliopolis Sporting Club wurde 1905 gleichzeitig mit dem Bau des Stadtteils angelegt. Von 1911 bis 1914 gab es den Luna Park, den ersten Freizeitpark in Afrika; auf dem Grundstück entstand bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs entstand dort ein australisches Lazarett.
Wichtige Einrichtungen
Der Stadtteil ist Sitz der Ain Shams University. Die Kommandanturen des ägyptischen Militärs sowie der Luftkräfte befinden sich in Heliopolis. In Heliopolis befinden sich auch die Sitze mehrerer internationaler Organisationen wie auch die ehemalige Residenz von Husni Mubarak. Am nordöstlichen Rand von Heliopolis ist der internationale Flughafen Kairo.
Ebenfalls in Heliopolis zu sehen ist das 6th of October Panorama, ein Museum, in dem auf propagandistische Art der Jom-Kippur-Krieg von 1973 dargestellt wird.[4]
Siehe auch
Literatur
- Andrew Beattie: Cairo: A Cultural History, Oxford University Press 2005. S. 182−187
- Agnieska Dobrowolska: Heliopolis − Rebirth of the City of the Sun. American University in Cairo Press 2006. ISBN 977-416-008-8
- Yasser Elsheshtawy: Planning Middle Eastern Cities: An Urban Kaleidoscope in a Globalizing World. Routledge 2004. S. 144–151. ISBN 0-415-30400-8
- Anne Van Loo/Marie-Cécile Bruwier (Hrg.), Héliopolis, Brussels: Fonds Mercator 2010. ISBN 978-90-6153-930-8
Weblinks
- Nevine El-Aref: „Cultural enterprise puts a stop to batty tales“. In: Al-Ahram Weekly. 17-23 Mai 2012. Ausgabe Nr. 1098
- Nadine El Sayed: „Walking through historical Heliopolis“. In: Egypt Today
- Historische Fotos von Heliopolis
Einzelnachweise
- ↑ Renate Franz: Fredy Budzinski − Radsport-Journalist, Sammler, Chronist. Köln 2007, S. 25
- ↑ Heliopolis' Baron Palace to be put back on Egypt's tourism map auf ahram.org.eg v. 29. April 2012 (englisch)
- ↑ Heliopolis Obelisk auf highskyblue.web.fc2.com
- ↑ Egypt's Museums II: The October War Panorama v. 6. Oktober 2010
Koordinaten: 30° 6′ N, 31° 21′ O