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Kampf um Merkendorf

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Kampf um Merkendorf
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Datum 18. April bis 20. April 1945
Ort Merkendorf (Mittelfranken)
Ausgang Kapitulation der Waffen-SS
Folgen Besetzung von Merkendorf durch die US Air Force
Konfliktparteien
Befehlshaber

W. Baumgärtel

Verluste

14 tote Soldaten der Waffen-SS

70 tote US-Soldaten

Als Kampf um Merkendorf werden die Kampfhandlungen am Ausgang des Zweiten Weltkrieges in der Stadt Merkendorf (Mittelfranken) bezeichnet. Bei den dreitägigen Kämpfen vom 18. bis 20. April 1945 zwischen der United States Air Force und der Waffen-SS starben 96 Menschen, davon 12 Zivilisten, 70 US-Soldaten und 14 Männer der Waffen-SS.[1] Zudem wurden viele Gebäude, darunter mehrere historische Bauwerke, durch amerikanischen Panzerbeschuss zerstört.[2]

Vorgeschichte

Als die zerschlagene deutsche Wehrmacht vor den heranrückenden US-amerikanischen Panzerverbänden immer weiter nach Süden zurückwich, entschied die Heeresgruppe B, Merkendorf gegen diese zu verteidigen. Merkendorf lag an der Reichsstraße 13, auf der sich immer mehr deutsche Soldaten zurückzogen. Die der Heeresgruppe B unterstellte SS-Kampfgruppe „Bataillon Deggingen“ übernahm diese Verteidigung. Merkendorf wurde zur Festung erklärt. Die Kleinstadt war die einzige Gemeinde im weiterem Umkreis, die gegen die heranrückende Front bis zum letzten Mann verteidigt werden sollte. Die Kampfgruppe wurde unter dem Befehl von Kommandeur W. Baumgärtel vom württembergischen Deggingen aus über Heidenheim an der Brenz und Nördlingen in den Raum Gunzenhausen beordert.

Dem Bataillon „Deggingen“ gehörten neben Kommandeur Baumgärtel der Hauptsturmführer Willy Sommer und die Obersturmführer Schulz und Kai an.

Am 14. April protestierten einige Merkendorfer Frauen gegen die Verteidigung der Stadt. Sie wurden durch Fluglärm und dem Abfeuern von Bordkanonen, die eine Scheune im nahen Willendorf in Brand setzten, auseinandergetrieben.

Als am 16. April die nahe Kreisstadt Gunzenhausen von alliierten Flugzeugen bombardiert wurde, wurden in Merkendorf Verteidigungsanlagen errichtet, darunter eine Panzersperre am Anwesen des Bürgermeisters Georg Zippel. Am Nachmittag des 17. April besichtigte Kreisleiter Gerstner die Verteidigungsanlagen. 150 Frauen und Kinder protestierten erneut gegen die geplante Verteidigung, jedoch wieder ohne Erfolg. Als amerikanische Truppenverbände die Reichsstraße 14 bei Ansbach überschritten, hielten im Rathaus hochrangige Offiziere eine Lagebesprechung ab.

Zerschlagene Heeresteile der 2. Gebirgs-Division zogen sich sowohl auf der Reichsstraße 13 von Ansbach kommend, als auch auf der Staatsstraße Wolframs-EschenbachWindsbach zurück. Sprengkommandos zerstörten auf ihrem Rückzug in Richtung Gunzenhausen alle größeren Brücken, wie die in Ornbau.[3]

Verlauf

Mittwoch, 18. April 1945

Am Mittag des 18. April 1945, erschienen Beobachtungsflugzeuge über Merkendorf. Den Kampfkommandanten erreichte über Fernsprecher zudem die Nachricht, dass amerikanische Truppen in Richtung Wolframs-Eschenbach–Merkendorf vorgedrungen seien. Der Volkssturm, der weitere Verteidigungsanlagen um die Stadt errichten sollte, wurde aus dem nahen Mönchswald zurückbeordert. Die SS wurde in Alarmbereitschaft versetzt, die Panzersperre auf der Reichsstraße 13 beim Anwesen Georg Zippel verschlossen sowie das Obere Tor mit einer Dreschmaschine verbarrikadiert. In den nächsten Stunden suchte die Stadtbevölkerung Schutz in Kellern und behelfsmäßig errichteten Unterständen in den Gärten.

Die deutschen Truppen begaben sich auf ihre Positionen in und um Merkendorf. Als auf der Anhöhe bei Gerbersdorf amerikanische Panzer zu sehen waren, schoss die Waffen-SS mit Maschinengewehren auf die heranrückenden Panzer. Diese erwiderten das Feuer. In kurzer Zeit standen die Stadtkirche und mehrere weitere Gebäude, darunter ein Stadtmauerturm im Nordosten der Ringmauer, das Fachwerkgasthaus „Zur Krone“ und viele Anwesen sowohl in der Altstadt als auch in der Vorstadt in Flammen. Zwei Störche, die auf dem Gasthaus „Zur Krone“ ihr Nest hatten, verbrannten in den Flammen.

Die Kampffront verlief im Nordosten zur Altstadt. Die US-Panzer standen auf den Äckern in der heutigen Flur Weidach und beschossen die Stadt.

Um den weiteren Beschuss der Stadt zu verhindern, sprang der Schuster Friedrich Weiß mit einem weißen Tuch in der Hand aus einem Loch in der nordöstlichen Stadtmauer und erreichte, dank eines Dolmetschers, die Einstellung des Beschusses.

Mit 40 bis 50 Panzern und Panzerspähwagen besetzten die Amerikaner nun Merkendorf. Es brannte an 28 Stellen in der Stadt. Nur zögerlich kamen die Bewohner aus ihren Kellern und Unterständen hervor. Vieh lief verstört in den Straßen umher und elektrische Leitungen hingen herunter. Schnell versuchte die Stadtbevölkerung die Feuer zu löschen. Selbst die amerikanischen Soldaten halfen bei den Löscharbeiten.

Das Kampfbataillon „Deggingen“ zog sich etwa 2,5 Kilometer von Merkendorf entfernt in die Wälder zurück. Kommandant W. Baumgärtel befand sich mit SS-Truppen nördlich von Haundorf und verfügte, dass zwei Kampftruppen mit Panzervernichtungstrupps in der Nacht vom 18. auf den 19. April morgens um 3 Uhr in Merkendorf einzudringen hatten, um die Panzer der Amerikaner zu vernichten.[4]

Donnerstag, 19. April 1945

Gegen 3 Uhr am 19. April arbeitete sich die Kampfgruppe der 3. Kompanie der Waffen-SS an das Untere Tor und das Taschentor heran, überfiel die sich in Sicherheit fühlenden Amerikaner und vernichtete in einem heftigen Straßenkampf sechs Panzer und einen Panzerspähwagen. Gegen 4:30 Uhr zog sich die Kampfgruppe nach Biederbach zurück.

Die 1. Kompanie unter Hauptmann Sommer rückte zur gleichen Zeit wie die 3. Kompanie von Süden und Südosten in die Vorstadt ein. Auf dem Sportplatz kam es zu einem heftigen Kampf zwischen SS und US-Army, bei dem mehrere Panzer zerstört wurden. Ebenfalls zerstört wurde der sichernde Panzer an der Panzersperre beim Anwesen von Bürgermeister Zippel. Nach dessen Vernichtung stürmten die deutschen Soldaten das Anwesen von Zippel, wo sie die amerikanische Besatzung des Panzers vermuteten. In Panik floh Familie Zippel, die sich im Haus befand, in die nahen Wiesen. Dort wurde auf sie geschossen. Ob Amerikaner oder Deutsche schossen ist nicht bekannt. Dabei wurde Bürgermeister Zippel schwer, seine Frau und Tochter leichter verletzt. Zippel erlag wenig später seinen Verletzungen. Hauptmann Willy Sommer, der die 1. Kompanie befehligte, fiel bei diesen Gefechten ebenfalls.

Am Ortsausgang nach Hirschlach wurde Elsbeth Kaumeier aus Nürnberg, die von dort nach Merkendorf evakuiert worden war, beim Versuch aus der Stadt zu fliehen, von Granatsplittern tödlich getroffen. Babette Eischer, die mit ihrem Kind in einem Unterstand Schutz gesucht hatte, wurde von amerikanischen Gewehrkugeln so schwer getroffen, dass sie am selben Tag verstarb.

Unterdessen drang die 1. Kompanie bis zum Marktplatz vor. Beim Unteren Tor kam es erneut zu schweren Gefechten mit den Amerikanern. In der Stadtmitte wurde der Totengräber Michael Müller, der in sein Anwesen wollte, von einer Maschinengewehrkugel getötet.

Bald machte sich die militärische Überlegenheit der Amerikaner bemerkbar. Daher zogen sich die verbliebenen Reste der SS in den Mönchswald zurück. Der amerikanische Besatzungskommandant erließ für die Stadtbevölkerung eine absolute Ausgangssperre ab 18 Uhr. Gegen 19 Uhr zogen sich die amerikanischen Verbände aus der Stadt zurück. Die Nacht vom 19. auf den 20. April blieb ruhig.[5]

Freitag, 20. April 1945

Am Morgen des 20. April kamen die deutschen Soldaten erneut in die Stadt zurück und befahlen das Obere Tor zu verbarrikadieren. Mit einer Dampfmaschine, einer Strohpresse und einer Dreschmaschine wollte die SS die Amerikaner aufhalten. Der Gedanke, dass die Stadt erneut verteidigt werden sollte, trieb viele Bewohner der Stadt in Panik zur Flucht in die umliegenden Dörfer.

Ein verwundeter deutscher Soldat der Waffen-SS wurde unter der Friedenseiche auf dem Sportplatz von Amerikanern mit dem Gewehrkolben erschlagen.[6]

Folgen

Als die Amerikaner am Morgen des 21. April anrückten, war kein deutscher Soldat mehr in der Stadt zu sehen. Sie ließen die Barrikade im Oberen Tor wegräumen und besetzten Merkendorf endgültig.

Nach dem Zusammenbruch der Front bei Merkendorf wurde die Kampfgruppe „Deggingen“ an die Bahnlinie Gunzenhausen–CronheimWassertrüdingen beordert, um dort in Stellung zu gehen.

Am 27. April spielten Kinder mit herumliegenden, scharfen Granaten. Als eine dieser Granaten explodierte, wurden die evakuierten Kinder aus dem Saarland Hermann Kampeis (5 ¾ Jahre), seine Schwester Christel (8 Jahre) und Christel Röder (8 Jahre) so schwer verletzt, dass sie ihren Verwundungen erlagen.

Sowohl die getöteten Zivilisten, als auch die gefallenen Soldaten wurden auf dem Merkendorfer Friedhof beigesetzt. Eine geplante Umbettung der Soldaten auf den Soldatenfriedhof Nagelberg bei Treuchtlingen unterblieb auf Wunsch der Stadt Merkendorf.[7]

Bilanz

Opfer

Name Lebensdaten[1] Alter Anmerkungen
(Johann) Michael Müller * 11. Januar 1879 in Merkendorf; † 19. April 1945 in Merkendorf morgens um 5 Uhr 66 Jahre, 3 Monate, 8 Tage Tagelöhner und derzeitiger Totengräber. Er wurde erschossen.
Drei unbekannte Soldaten der Waffen-SS † in der Nacht vom 18. auf den 19. April 1945 Sie wurden erschossen.
Elf unbekannte Soldaten der Waffen-SS † in der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945 Unter ihnen Hauptmann der SS Willy Sommer aus dem Elsass und mindestens vier Unteroffiziere. Sie wurden erschossen.
Elsbeth Kaumeier * 9. Oktober 1922 in Nürnberg; † 19. April 1945 in Merkendorf vormittags um 11 Uhr 22 Jahre, 6 Monate, 10 Tage Kontoristin, Evakuierte. Sie starb nach Verwundung durch eine Granate, als sie auf der Flucht nach Neuses war.
Babette Eischer (geb. Schmidtkunz) * 30. Januar 1924 in Sauernheim; † 18. April 1945 in Merkendorf abends 7 Uhr 21 Jahre, 2 Monate, 20 Tage Bauersfrau wohnhaft in Merkendorf. Sie wurde durch amerikanische Soldaten erschossen, als sie in einem Erdbunker Schutz suchte. Sie war sofort tot, ihr Kind, das sie im Arm hatte, überlebte.
(Johann) Georg Zippel * 7. Januar 1882 in Kleinbreitenbronn; † 19. April 1945 in Merkendorf vormittags 10 Uhr 63 Jahre, 3 Monate, 12 Tage Damaliger Bürgermeister. Erschossen auf der Flucht samt Frau und Tochter durch die SS.
Christel Kampeis * 22. Februar 1937 in Neunkirchen (Saar); † 27. April 1945 in Merkendorf nachmittags 3 ½ Uhr 8 Jahre, 2 Monate, 5 Tage Flüchtling. Sie starb, als sie mit zwei anderen Kindern mit einer gefundenen Granate spielte, die explodierte.
Hermann Kampeis * 25. August 1939 in Neuenkirchen (Saar); 27. April 1945 in Merkendorf nachmittags 3 ½ Uhr 5 Jahre, 8 Monate, 2 Tage Flüchtling. Er starb, als er mit zwei anderen Kindern mit einer gefundenen Granate spielte, die explodierte.
Christel Rödel * 26. Januar 1937 in Neuenkirchen (Saar); 27. April 1945 in Merkendorf abends 10 Uhr 8 Jahre, 3 Monate, 1 Tag Flüchtling. Sie starb, als sie mit zwei anderen Kindern mit einer gefundenen Granate spielte, die explodierte.

Insgesamt wurden 96 Menschen getötet, davon waren 12 Zivilisten, 70 amerikanische Soldaten und 14 Soldaten der Waffen-SS. Der größte Teil der Gefallenen der Waffen-SS waren Angehörige des Bataillons „Deggingen“ und dem Kommando des Hauptsturmführers Willy Sommer unterstellt, der selbst in Merkendorf ums Leben kam.[8]

Schäden

Sowohl in der Altstadt als auch in der Vorstadt wurden zahlreiche Gebäude während der Kampfhandlungen komplett zerstört oder schwer beschädigt. Insgesamt brannten 39 Gebäude ab, vier wurden schwer und 23 leicht beschädigt.[9]

Literatur

  • August Schuler: Krieg in der Heimat: Kampf um Merkendorf/Mfr. Zerstörung und Wiederaufbau. Erlebnisse u. Erinnerungen e. Beteiligten. Riedel Verlag, Merkendorf 1952.
  • Wilhelm Koch und Heinrich Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. Herausgeber Stadt Merkendorf 1988, S. 73–82.
  • Wilhelm Koch: Krieg und Frieden – Merkendorf 1944–1949. Herausgeber Stadt Merkendorf 2006.

Einzelnachweise

Anmerkung: Einzelnachweise am Ende eines Kapitels belegen das gesamte Kapitel.

  1. a b Koch: Krieg und Frieden – Merkendorf 1944–1949. S. 65f.
  2. Koch, Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. S. 80.
  3. Koch, Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. S. 74f.
  4. Koch, Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. S. 76f.
  5. Koch, Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. S. 78f.
  6. Koch, Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. S. 78.
  7. Koch, Helmreich: Merkendorf – Historische Kleinstadt im Fränkischen Seenland. S. 79f.
  8. Willy Sommer auf weltkriegsopfer.de
  9. August Schuler: Krieg in der Heimat: Kampf um Merkendorf/Mfr. Zerstörung und Wiederaufbau. Erlebnisse u. Erinnerungen e. Beteiligten. Riedel Verlag, Merkendorf 1952.