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Öffentlichkeitsgrundsatz

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Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren ist eine Prozessmaxime, die mit dem Unmittelbarkeitsprinzip und dem Mündlichkeitsgrundsatz zusammenhängt.

In schriftlichen Verfahren ist die Öffentlichkeit regelmäßig aus praktischen Gründen ausgeschlossen, da keine öffentliche Akteneinsicht vorgenommen wird. So darf etwa in zivilrechtlichen Verfahren gemäß § 299 ZPO Dritten nur dann ohne Einwilligung der Parteien Einsicht in die Akten gestattet werden, wenn diese ein rechtliches Interesse glaubhaft machen. Eine explizite rechtliche Regelung des Öffentlichkeitsgrundsatzes findet sich allerdings nicht. Die mündlichen Verhandlungen des Gerichts sind jedoch in der Regel öffentlich. Fernseh-, Rundfunk-, Filmaufnahmen sind nicht gestattet (§ 169 S. 2 GVG). Im Zivilprozess kaum von Bedeutung, kommt dem Öffentlichkeitsprinzip im Strafverfahren große Bedeutung bei. Es wird teilweise aus Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (faires Verfahren) hergeleitet.[1] Unter besonderen Umständen ist die Öffentlichkeit bei Verfahren ausgeschlossen. Bei Jugendstrafverfahren (§ 48 JGG), Familien- und Unterbringungssachen sowie bei Sachen, die die öffentliche Ordnung (Staatsschutzsachen), die Sittlichkeit oder den Geheimnisschutz gefährden könnten, muss bzw. kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Wird die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen, so ist dies ein absoluter Revisionsgrund im Strafverfahren gem. § 338 Nr. 6 StPO, im Zivilverfahren gem. § 547 Nr.5 ZPO und im Verwaltungsprozess gem. § 138 Nr. 5 VwGO.

Entstehungshintergrund

Nachdem Strafverfahren schon im römischen Reich zunächst öffentlich auf den Forum oder dem Marktplatz abgehalten und auch schon bei den Indogermanen durch die sog. Thingmänner, also alle freien Männer des Stammes, abgeurteilt wurden, ging man später dazu über, Zeugenaussagen und Vernehmungen des Angeklagten hinter verschlossenen Türen und in Amtsstuben abzuhalten. Zur Zeit der französischen Revolution wurden jedoch wieder Rufe nach der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung laut. In Europa waren Cesare Beccaria und Anselm von Feuerbach die bekanntesten Verfechter des Öffentlichkeitsgrundsatzes.

Einzelnachweise

  1. Tubis, Robert: Die Öffentlichkeit des Verfahrens nach Art. 6 I EMRK; NJW 2010, 415.

Literatur

  • Holger Jäckel: Das Beweisrecht der ZPO. Ein Praxishandbuch für Richter und Rechtsanwälte. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-020793-6, S. 62ff.
  • Edgar J. Wettstein: Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess (= Zürcher Beiträge zur Rechtswissenschaft. NF 269, ZDB-ID 503851-0). Schulthess, Zürich 1966 (Diss., Zürich).