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Lateinische Grammatik

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Die lateinische Sprache lässt sich dem italischen Zweig des Indogermanischen zuordnen und ihre Grammatik zeigt viele Ähnlichkeiten mit modernen und historischen Sprachen dieser Familie. Sie ist darüber hinaus die Grundlage der romanischen Sprachen, die sich aus ihr entwickelten. Verglichen mit der rekonstruierten Grammatik des Urindogermanischen lassen sich Prozesse erkennen, die meist als Vereinfachungen angesehen werden. Dies schlägt sich etwa in den einheitlichen Suffixen zur Bildung von Tempora und Kasus (Synkretismus) nieder, der Verringerung auf fünf Verb- und sechs Substantivklassen oder der Reduktion von acht bis neun Kasus der Ursprache auf fünf im Lateinischen (Kategorienabbau). Die Begriffe, die sich zur zur Beschreibung und Diskussion der klassischen Sprachen einschließlich des Lateinischen historisch entwickelt haben, werden heute sowohl in der Linguistik als auch im allgemeinen Sprachgebrauch selbst für nicht-indogermanische Sprachen häufig verwendet.

Das hier vorgestellte System bezieht sich auf das „klassische“ Latein, eine normierte literarische Kunstsprache, die so im Wesentlichen nur im ersten Jahrhundert vor Christus von den zeitgenössischen römischen Autoren gebraucht wurde und heute im Lateinunterricht an den Schulen gelehrt wird. Siehe hierzu auch den Artikel Altlatein.

Phonologie

→ Hauptartikel: Lateinische Aussprache

Substantive

Genau wie im Deutschen werden die lateinischen Substantive nach Kasus (Fall), Numerus (Anzahl) und Genus (Geschlecht) unterschieden. Adjektive sind mit dem zugehörigen Substantiv in allen diesen Punkten übereinstimmend (KNG-Kongruenz).

Kasus (Fälle)

Das Lateinische kennt fünf ausgeprägte Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und Ablativ. Hinzu kommt der Vokativ, der jedoch nur bei einer einzigen Substantivklasse im Singular Maskulinum eine eigene Form hat, sonst ist er stets gleich dem jeweiligen Nominativ. Bei Städtenamen der a/o-Klasse erscheinen überdies Reste des Lokativs.

Nominativ

Im Nominativ ist das Subjekt eines Satzes anzugeben. Meist hat dieser im Singular die Endung -s (z. B.: dominus „Herr“, res „Sache“, portus „Hafen“, turris „Turm“, plebs „einfaches Volk“ (Plebejer) für Neutra und a-Stämme ist er endungslos (bspw.: domina „Herrin“, mare „Meer“, caput „Kopf“). Nur die Neutra der o-Deklination haben die Endung -um (z. B.: donum „Geschenk“).

Im Nominativ Plural hat das Lateinische die indogermanischen Nominativendungen „-s“ bzw. „-es“ bewahrt. Nur bei a/o/e-Stämmen wurden die Formen des Pronomens übernommen (bspw.: illi „jene, Nom. Pl. Mask.“ – domini „Herren“, Nom. Pl. Mask.; illae „jene“, Nom. Pl. Fem. – dominae „Herrinnen“, Nom. Pl. Fem.).

Ansonsten steht im Plural meist die Endung -es, die mit vorausgehendem Vokal verschmilzt (bspw.: portus, turres, plebes); Neutra haben immer die Endung -a (z. B.: maria, capita).

Genitiv

Der Genitiv gibt den Besitz oder die Beziehung zu einem anderen Wort an. Er kann im Lateinischen sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden.

Der Genitiv hat die Endungen -i (verschmilzt mit a und o zu ae bzw. oe) bzw. -is im Singular, -rum bzw. -um im Plural (z. B.: dominae – dominarum, domini – dominorum, rei – rerum, portus – portuum, turris – turri-um, plebis – plebium, capitis – capitum).

Die ursprüngliche indogermanische Genitiv-Singular-Endung war „-os“, das Lateinische hat dagegen die ablautige Form „-es > -is“; auch bei den a-Stämmen stand ursprünglich „-as“ – diese Endung ist jedoch nur bei Wendungen wie pater familias erhalten geblieben; heute sind sie durch die Endungen des Dativ Singular ersetzt worden. Im Plural hat das Lateinische die Endung „-um < -om“. Die a/o/e-Stämme haben im Plural die Endungen der Pronomen übernommen (bspw.: illorum „von jenen, Gen. Pl. Mask.“ – dominorum „der Herren“, Gen. Pl. Mask.).

Der Genitiv kann in folgenden Kasus-Funktionen auftreten:

Konstruktion Lateinisches Beispiel Übersetzung
Genitivus subiectivus amor patris die Liebe des Vaters
Genitivus obiectivus amor patris die Liebe zum Vater
Genitivus possessivus
(Genitiv des Besitzes)
domus patris das Haus des Vaters
Domus patris est. Das Haus gehört dem Vater. (prädikative Verwendung)
Genitivus qualitatis
(Genitiv der Eigenschaft, der Beschaffenheit)
puer novem annorum ein neunjähriger Junge
Amicus erat corporis parvi. Der Freund war von kleinem Körperbau. (prädikative Verwendung)
Genitivus pretii
(Genitiv der Wert- oder Preisangabe)
aestimare parvi für wenig wertvoll halten
Genitivus partitivus (totius)
(Genitiv des Teils bzw. des geteilten Ganzen)
multum laboris viel Mühe
Genitivus explicativus
(Genitiv zur näheren Bestimmung eines allgemeinen Begriffs)
verbum libertatis das Wort „Freiheit“
Genitivobjekt
(bei Verben des Gedenkens und Vergessens, der gerichtlichen Handlung und bei unpersönlichen Verben der Gefühlsäußerung)
noli oblivisci mei Vergiss mich nicht!
aliquem stultitiae arguere jemanden der Dummheit beschuldigen
me taedet istius sermonis mich ekelt dieses Geschwätz an
Genitiv in Abhängigkeit von einigen Adjektiven
(begierig, kundig, eingedenk, teilhaftig, mächtig, voll und bei deren Gegenteilen)
cupidus contionis streitsüchtig
ignarus linguae Latinae ohne Lateinkenntnisse
expers rationis ohne Vernunft

Dativ

Der Dativ kommt als Richtung oder Empfänger im Dativobjekt (indirektes Objekt) vor. Er ist im Singular meist durch die Endung -i (z. B. rei, portui, turri, plebi, capiti), bei den a/o-Stämmen durch -ae (z. B. dominae) bzw. -o (z. B.domino) gekennzeichnet.

Im Plural steht bei den a/o-Stämmen -is, sonst -(i)bus (z. B. dominis, rebus, portibus, turribus, plebibus, capitibus). Da jedoch beispielsweise dominis sowohl der Dativ von dominus als auch der von domina sein kann, findet sich in diesen und ähnlichen Fällen gelegentlich die Endung -abus für die a-Stämme (bspw.: deis deabusque „den Göttern und Göttinnen“). → u-Stämme hatten ursprünglich die Endung -ubus, die jedoch nur bei arcubus, tribubus (und eventuellen Archaismen) erhalten ist.

Im Dativ Singular steht lateinisch „-i < -*ei“; bei den o-Stämmen wurde altlateinisch „-oi“ zu „-o“. Im Plural steht lateinisch „-bus < -*bhjos“.

Akkusativ

Der Akkusativ kommt als Tatleidender im Akkusativobjekt (direktem Objekt) oder mit Akkusativ verlangender Präposition vor. Er steht als Kasus der Richtung nach den Präpositionen ad, super, sub, in „zu, auf, unter, in/an“.

Der Akkusativ hat meist die Endung -m (bspw.: dominam, dominum, rem, portum, turrim, plebem); im Plural hat er die Endung -s mit Längung (z. B. dominas, dominos, res, portus, turris, plebes). i-Stämme haben in späterer Zeit auch den Akkusativ Plural -es. Bei allen Neutra ist er in Singular und Plural stets gleich dem jeweiligen Nominativ.

Das Lateinische hat die indogermanischen Akkusativendungen „-m“ und „-s“ unverändert bewahrt.

Ablativ

Der Ablativ kommt als adverbiale Bestimmung alleine oder mit einer den Ablativ verlangenden Präposition vor. Er hat die drei Grundfunktionen Tatmittel, Begleitung und Trennung. Bei Verben des geschäftlichen Verkehrs steht der Ablativus pretii: denario „um einen Denar“.

Im Singular endet er auf den gelängten Stammvokal, die konsonantischen Stämme haben -e (z. B.: domina, domino, re, portu, turri, plebe, cápite). Im Plural sind seine Formen immer gleichlautend mit den Formen des jeweiligen Dativs.

Im Ablativ des klassischen Lateins sind die Funktionen und Endungen des indogermanischen Ablativs, Lokativs und Instrumentals vermischt worden (um Verwechslungen zu vermeiden, werden mehr Präpositionen verwendet, vor allem zum Ausdruck des Lokativs). Im Altlateinischen war die gemeinsame Singularendung -d, zum Beispiel med „von mir“, lupod „vom Wolf“ usf.; die Endung -e im Singular der konsonantischen Deklination ist jedoch ursprünglich die alte Lokativendung gewesen.

Vokativ

Unter dem Vokativ versteht man eine direkte Anrede an eine Person. Er ist nicht vom Prädikat abhängig und daher kein notwendiges Satzglied. Im Deutschen existiert dieser Kasus nicht.

Bildung: Der Vokativ ist in allen Deklinationen formgleich mit dem Nominativ, ausgenommen ist der Vokativ Singular von Substantiven und Adjektiven mit der Endung -us der o-Deklination, welche im Vokativ zu -e wird. Endet ein Wort auf -ius, so lautet der Vokativ auf -i. Ferner wird meus (mein) im Vokativ zu mi.

Beispiele: Quid fecit, senatores? - Was tat er, Senatoren?

Quo vadis, Marce? - Wohin gehst du, Marcus?

Quid facis, mi fili? - Was machst du, mein Sohn?

Ausnahmen: Der Vokativ von deus (Gott) wird klassisch ersetzt durch dive (Vokativ von divus "göttlich"). Weil so römische - heidnische - Götter bezeichnet wurden, lautet der Vokativ von Deus (Gott im jüdisch-christlichen Sinn) nicht so, sondern meistens wie der Nominativ. Den auf -i endenden Vokativ der Wörter auf -ius findet man auch bei -eius, -aius und -aeus: Pompei, Gai, Gnaei.

Die nach der a-Deklination gebeugten griechischen und hebräischen Namen auf -as, -es, -am und -an wie Aeneas, Anchises, Ionas, Adam bilden den Vokativ auf -a: Aenea, Anchisa, Iona, Ada; Hercules wird angerufen Hercle, Jesus Iesu.

Lokativ

Der Lokativ gibt den Ort eines Geschehens an. Außer bei einigen Ortsnamen und wenigen anderen Wendungen der a- und o-Deklination (bei denen er stets gleich dem jeweiligen Genitiv ist, z. B. Romae "Roms/in Rom", Deli „von Delos/auf Delos“) wird er durch den Ablativ des Ortes ersetzt (z. B. Carthagine „in Karthago“).

Der altlateinische Lokativ lautete „Romai“ und „Deloi“. Er existierte auch in anderen Stammklassen; heute übernimmt der Ablativ die Funktion des Lokativs, meist mit einer Präposition.

Reste des alten Lokativs sind darüber hinaus in zu Adverbien erstarrten Wörtern wie domi (zu Hause) oder humi (auf dem Boden) erhalten.

Deklinationen (Klassen/Stämme)

Die Substantiva werden nach den fünf verschiedenen hauptsächlichen Mustern ihrer Beugung (Deklination) in fünf sogenannte Deklinationen eingeteilt. Diese werden traditionell entweder durchnummeriert (1., 2. 3. Deklination usw.) oder auch nach dem (ursprünglichen) Stammauslaut benannt, der jedoch im klassischen Latein mit der früheren Endung verschmolzen ist. Man bezeichnet daher zum Beispiel die erste Deklination auch als a-Deklination oder spricht von den „a-Stämmen“.

In mehr als einer Hinsicht eine Ausnahme bildet die 3. Deklinationsklasse, in der frühere konsonantische Stämme und i-Stämme zusammengefallen sind, wobei sich generell feststellen lässt, dass im Laufe der Zeit bei den Substantiven die Konsonantstämme immer häufiger werden.

Überblick

Deklination 1. Deklination 2. Deklination 3. Deklination 4. Deklination 5. Deklination
Stamm a-Deklination o-Deklination Konsonantische
Deklination
Mischdeklination i-Deklination u-Deklination e-Deklination
Beispiel domina, ae f.
die Herrin
dominus, i m.
der Herr
corpus, oris n.
der Körper
navis, is f.
das Schiff
turris, is f.
der Turm
portus, us m.
der Hafen
res, rei f.
die Sache
Singular
Nominativ domina dominus corpus navis turris portus res
Genitiv dominae domini corporis navis turris portus rei
Dativ dominae domino corpori navi turri portui rei
Akkusativ dominam dominum corpus navem turrim portum rem
Vokativ domina domine corpus navis turris portus res
Ablativ domina domino corpore nave turri portu re
Plural
Nominativ dominae domini corpora naves turres portus res
Genitiv dominarum dominorum corporum navium turrium portuum rerum
Dativ dominis dominis corporibus navibus turribus portibus rebus
Akkusativ dominas dominos corpora naves turris portus res
Vokativ dominae domini corpora naves turres portus res
Ablativ dominis dominis corporibus navibus turribus portibus rebus

Für regelmäßige Neutra gelten folgende Abweichungen:

Deklination o-Deklination u-Deklination i-Deklination konsonantisch
Singular
Nominativ
Akkusativ
donum cornu mare vas
Plural
Nominativ
Akkusativ
dona cornua maria vasa

Substantive der sogenannten Mischdeklination haben die gleichen Formen wie die der i-Deklination, im Akkusativ und Ablativ jedoch haben sie die gleichen Endungen wie die mit konsonantischem Deklination. Die weitaus meisten Substantive mit der Nominativ-Singular-Endung -is gehören der gemischten Deklination an.

Die obenstehenden Deklinationsmuster gelten zwar für die überwiegende Mehrzahl der lateinischen Substantive, dennoch gibt es zahlreiche Sonderfälle und Ausnahmen. Die häufigsten Unregelmäßigkeiten entstehen durch folgende Phänomene:

  • besondere Schreibweise (bspw.: rex „König“ statt *regs, lux „Licht“ statt *luks)
  • Ablaut (z. B.: homo - hominis „Mensch“, caput - capitis „Kopf“)
  • Ausfall d und t vor „s“ oder nach Konsonant am Wortende, wie zum Beispiel bei laus – laudis „Lob“, sors – sortis „Schicksal“, cor – cordis „Herz“, lac – lactis „Milch“)
  • Ausfall von n im Nominativ bei Maskulina und Femina (bspw.: sanguis – sanguinis „Blut“, ordo – ordinis „Ordnung“)
  • Rhotazismus (Umwandlung von „s“ in „r“, z. B.: corpus – corporis „Körper“, honos - honoris „Ehre“, ius - iuris „Recht“)
  • Umwandlung von „e/o“ und „i/u“ (bspw.: miles – militis „Soldat“, cinis – cineris „Asche“, mare – maris „Meer“, robur – roboris „Kraft“)
  • kein „s“ im Nominativ Singular nach l und r (z. B. sol – solis „Sonne“, carcer – carceris „Kerker“).

1. Deklination (a-Deklination)

Die 1. Deklination umfasst Feminana, die im Nominativ Singular auf -a enden, beispielsweise domina „Herrin“.

domina, ae f. „die Herrin“
Numerus Singular Plural
Nominativ domina dominae
Genitiv dominae dominarum
Dativ dominae dominis
Akkusativ dominam dominas
Ablativ domina dominis
Vokativ domina dominae
  • Der Vokativ stimmt mit dem Nominativ überein.
  • Bei einer scheinbaren Ausnahme wie dem Maskulinum nauta „Seemann“ handelt es sich um ein griechisches Lehnwort.
  • Andere griechische Lehnworte haben die Nominativendung -as, zum Beispiel Aeneas (Vokativ ist hier Aenea).
  • In einigen Worten haben sich archaische Endungen erhalten, so -as im Genetiv Singular bei pater familiae „Familienvater“ und -abus im Dativ und Ablativ Plural deabus „den Göttinen“.

2. Deklination (o-Deklination)

Die 2. Deklination umfasst maskuline und neutrale sowie einige feminine Substantive, z. B.: dominus „Herr“ rsp. forum „Marktplatz“, „Forum“.

dominus, i m. „der Herr“
Numerus Singular Plural
Nominativ dominus domini
Genitiv domini dominorum
Dativ domino dominis
Akkusativ dominum dominos
Ablativ domino dominis
Vokativ domine domini
 
templum, i n. „der Tempel“
Numerus Singular Plural
Nominativ templum templa
Genitiv templi templorum
Dativ templo templis
Akkusativ templum templa
Ablativ templo templis
Vokativ templum templa

Zur 2. Deklination gehören auch Substantive mit dem Nominativ Singular auf -(e)r, wie bspw.: puer „Junge“ oder ager „Land“, „Acker“. Sie weichen nur im Nominativ und Vokativ Singular vom Normalschema ab. Einige dieser Substantive können bei der Deklination das -e- verlieren (es ist in diesem Fall ein Hilfsvokal), so z. B.: ager, welches im Akk. Sg. nur noch agr-um heißt.

Im klassischen Latein ist vom „o“ der o-Deklination nicht allzu viel erhalten geblieben: erstens wurden „-os“ und „-om“ zu -us und -um, zweitens wurde der altlateinische Diphthong „-oi“ zu -i gewandelt. Die o-Deklination ist die einzige Stammklasse mit besonderem Vokativ. Die Endung -e ist der indogermanische Ablaut zum Stammvokal „o“.

3. Deklination (konsonantische, i- und gemischte Deklination)

In dieser Klasse werden die konsonantische Deklination, die i-Deklination sowie ein Mischtypus (Mischdeklination bezw. gemischte Deklination) aus beiden zusammengefasst. Die 3. Deklination ist eine sehr umfangreiche Deklination. Sie umfasst Substantive aller Genera. Im Gegensatz zur 1. und 2. Deklination ist es fast nicht möglich, das Genus eines Wortes aus dessen Nominativform abzuleiten, da zu den häufig zu lesenden „Regeln“ die Zahl der Ausnahmen beträchtlich ist.

Eine Besonderheit ist außerdem, dass bei sehr vielen Wörtern die Form des Nominativ Singular anders aussieht als der Stamm der restlichen Kasus. Sehr oft kann man also vom Nominativ Singular her den Stamm der anderen Kasus nicht erschließen (und umgekehrt). Die zahlreichen hierfür als „hilfreich“ angegebenen Regeln gelten jeweils nur für kleine Gruppen von Wörtern.

Kasus Singular Plural
Nominativ mercator mercatores
Genitiv mercatoris mercatorum
Dativ mercatori mercatoribus
Akkusativ mercatorem mercatores
Ablativ mercatore mercatoribus
Kasus Singular Plural
Nominativ merces mercedes
Genitiv mercedis mercedum
Dativ mercedi mercedibus
Akkusativ mercedem mercedes
Ablativ mercede mercedibus

Neutra:

Kasus Singular Plural
Nominativ corpus corpora
Genitiv corporis corporum
Dativ corpori corporibus
Akkusativ corpus corpora
Ablativ corpore corporibus

Wie stets in den indogermanischen Sprachen sind auch hier bei den Neutra Nominativ und Akkusativ identisch.

Zur i-Deklination gehören nur wenige feminine Substantive sowie eine Anzahl Neutra, wie z. B.: mare „Meer“. Kennzeichen all dieser Substantive sind der Genitiv Plural auf -ium, der Ablativ Singular auf -i, der Akkusativ Plural auf -is (neben -es) bzw. bei den Neutra, der Nominativ/Akkusativ Plural auf -ia.

Feminina:

Kasus Singular Plural
Nominativ turris turres oder turris
Genitiv turris turrium
Dativ turri turribus
Akkusativ turrim turres oder turris
Ablativ turri turribus

Merkliste für die Feminina der i-Deklination:

febris, sitis, turris, puppis, vis, securis
vis wird im Singular nur im Nominativ, Akkusativ und Ablativ (vis-vim-vi) verwendet.

Neutra:

Kasus Singular Plural
Nominativ mare maria
Genitiv maris marium
Dativ mari maribus
Akkusativ mare maria
Ablativ mari maribus

Ein Merkwort für die Neutra der i-Deklination:

Areal, d. h.: Substantive, die auf -ar, -e oder -al enden. – Beispiele: exemplar „Beispiel“, mare „Meer“, animal „Lebewesen“.

Die Wörter der Mischklasse – wie bspw.: navis „Schiff“ – haben dieselben Endungen wie die i-Stämme, doch beschränken sich der Ablativ Singular auf -i und der Akkusativ Plural auf -is auf die vorklassische sowie auf die poetische Sprache.

Kasus Singular Plural
Nominativ navis naves
Genitiv navis navium
Dativ navi navibus
Akkusativ navem naves oder navis
Ablativ nave oder navi navibus

4. Deklination (u-Deklination)

Die meisten Substantive der 4. Deklination mit Nominativ Singular -us sind Maskulina, z. B.: casus „Fall“. Ausnahmen sind z. B. die Feminina domus, -us („Haus“) und manus, -us „Hand“.

Kasus Singular Plural
Nominativ casus casus
Genitiv casus casuum
Dativ casui casibus
Akkusativ casum casus
Ablativ casu casibus

Die Neutra der 4. Deklination lauten im Nominativ und Akkusativ Singular auf -u aus, bspw.: genu „Knie“. Sonst unterscheiden sie sich von den Maskulina dadurch, dass der Dativ Singular auf -u endet. Außerdem sind – wie bei den anderen Neutra auch – Nominativ und Akkusativ identisch und Nominativ und Akkusativ Plural enden auf -(u)a.

Kasus Singular Plural
Nominativ genu genua
Genitiv genus genuum
Dativ genu/genui genibus
Akkusativ genu genua
Ablativ genu genibus

Das Substantiv domus „Haus“ hat in einigen Kasus die Formen der o-Deklination übernommen: Genitiv Plural domorum, Ablativ Singular domo, Akkusativ Plural domos. Der Lokativ lautet domi „zu Hause“.

5. Deklination (e-Deklination)

So gut wie alle Substantive der 5. Deklination sind Feminina, z. B.: res „Sache“, „Angelegenheit“, „Ereignis“. Maskuline Ausnahmen sind dies, diei „Tag, Termin“ (auch feminin) und meridies, meridiei „Mittag“. Neutra gibt es keine.

Zur e-Deklination gehören die indogermanischen Substantive auf Diphthong.

Kasus Singular Plural
Nominativ res res
Genitiv rei rerum
Dativ rei rebus
Akkusativ rem res
Ablativ re rebus

Adjektive

Adjektive werden im Lateinischen ebenfalls wie Substantive in Kasus, Numerus und Genus unterschieden. Sie passen sich in allen drei Eigenschaften an das Substantiv an, auf welches sie sich beziehen (KNG-Kongruenz). Sie werden ebenfalls in allen Fällen nach Numerus und Genus dekliniert.

a- und o-Deklination

Die Adjektive auf -us (maskulinum), -a (femininum) und -um (neutrum) entsprechen in ihrer Deklinationsweise jeweils den Substantiven der a- und o-Deklinationen.

Maskulinum Femininum Neutrum Maskulinum Femininum Neutrum
Kasus Singular Singular Singular Plural Plural Plural
Nominativ magnus magna magnum magni magnae magna
Genitiv magni magnae magni magnorum magnarum magnorum
Dativ magno magnae magno magnis magnis magnis
Akkusativ magnum magnam magnum magnos magnas magna
Vokativ magne magna - magni magnae -
Ablativ magno magna magno magnis magnis magnis

Die Adjektive auf -(e)r verhalten sich wie die Substantive auf -(e)r.

Adjektive der konsonantischen, i- und gemischten Deklination (3. Deklination)

Zweiendig

Bei den zweiendigen Adjektiven in der 3. Deklination gibt es nur zwei Formen, da maskuline und feminine Formen identisch sind. Die Endung -is steht für maskulin und feminin, die Endung -e für neutrum

Maskulin Maskulin
u. Feminin Neutrum u. Feminin Neutrum
Kasus Singular Singular Plural Plural
Nominativ hilaris hilare hilares hilaria
Genitiv hilaris hilaris hilarium hilarium
Dativ hilari hilari hilaribus hilaribus
Akkusativ hilarem hilare hilares hilaria
Ablativ hilari hilari hilaribus hilaribus

Dreiendig

Es gibt auch dreiendige Adjektive der 3. Deklination. Sie entsprechen in allen Formen den zweiendigen Adjektiven der 3. Deklination, außer im Nominativ Singular. Hier gibt es für jedes Geschlecht eine eigene Form, wie z. B.: bei acer, acris, acre (scharf). Hierbei hat der Nominativ Singular Maskulinum eine besondere Form.

Einendig

Zudem gibt es auch noch einendige Adjektive der 3. Deklination, diese haben im Nominativ Singular nur eine Form, wie z. B. felix (glücklich). Auch hier entspricht die Deklination der der zweiendigen Adjektive. Bei der neutralen Form im Nominativ und Akkusativ Plural tritt eine Stammveränderung auf, so heißt diese bspw.: felicia.

Steigerung

Neben der Grundstufe der Adjektive (dem Positiv) gibt es im Lateinischen – wie im Deutschen und Englischen:

  • den Komparativ (die Steigungs-/Vergleichsstufe) sowie
  • den Superlativ (die Höchststufe).

Zur Bildung dieser Formen werden an den Wortstamm angefügt:

  • im Komparativ -ior (m./f.), -ius (n.) und
  • im Superlativ issimus, a, um.

Ausnahmen:

  • Bei Adjektiven auf „-er“ wird der Superlativ mit -rimus, a, um gebildet, z. B.: miser, miserrimus.
  • Einige Adjektive auf „-lis“ bilden den Superlativ auf -limus, a, um, bspw.: facilis, facillimus.

Komparativ

Der Komparativ ist die erste Steigerungsform nach der Grundform (genannt: Positiv). Um den Komparativ zu bilden, müssen die Komparativendungen an den Wortstamm des Adjektivs angefügt werden. Für die maskulinen und femininen Formen wird „-ior“ angehängt, für die neutralen Formen „-ius“. Wie z. B. beim Adjektiv durus „hart“. Aus dem Positiv durus, dura, durum folgt der Komparativ durior, durius (härter). Die Komparativformen werden wie die Substantive der 3. Deklination dekliniert.

Kasus Singular Singular Plural Plural
Nominativ durior durius duriores duriora
Genitiv durioris durioris duriorum duriorum
Dativ duriori duriori durioribus durioribus
Akkusativ duriorem durius duriores duriora
Ablativ duriore duriore durioribus durioribus

Superlativ

Der Superlativ ist die höchste Steigerungsform. Mit ihm eng verwandt ist der Elativ, auch absoluter Superlativ genannt. Um den Superlativ zu bilden, müssen die Superlativendungen an den Wortstamm des Adjektivs angefügt werden: -issimus, issima, issimum. Sie entsprechen in ihren Endungen den Adjektiven der a- und o-Deklination und werden auch genauso dekliniert:

Kasus Singular Plural
Nominativ durissimus durissimi
Genitiv durissimi durissimorum
Dativ durissimo durissimis
Akkusativ durissimum durissimos
Ablativ durissimo durissimis

Bei den Adjektiven auf -er muss man beachten, dass sich die Superlativendungen unterscheiden. Hier wird -rimus, -rima, -rimum an den Wortstamm des Adjektivs angefügt. Dementsprechend werden an Adjektive, die auf -lis enden, die Suffixe -limus, -lima, -limum angehängt.

Unregelmäßige Steigerungsformen

Wie das Deutsche kennt auch das Lateinische unregelmäßige Steigerungsformen von Adjektiven. Dazu gehören Formen wie

Positiv Komparativ Superlativ Übersetzung
bonus melior optimus gut, besser, der beste oder auch im Elativ sehr gut
malus peior pessimus schlecht, schlechter, der schlechteste
magnus maior maximus groß, größer, der größte
parvus minor minimus klein, kleiner, der kleinste
multum plus plurimum viel, mehr, das meiste
multi plures plurimi viele, mehrere, die meisten

Adverbien

Ein Adverb kann auf drei verschiedene Arten, abhängig vom Adjektiv, von dem es abgeleitet wird, gebildet werden. Handelt es sich beim Adjektiv um eines der a- und o-Deklination, wie z. B.: durus „hart“, so wird das Adverb auf „-e“ gebildet: dure. Handelt es sich bei dem Adjektiv um eines der 3. Deklination, bspw.: hilaris „fröhlich“, so wird das Adverb auf -iter gebildet: hilariter. Und wenn der Wortstamm des Adjektivs auf „-nt“ lautet, wie z. B.: vehemens „wild“ (Genitiv Singular: vehementis), dann wird „-er“ verwendet: vehementer. Ausnahmen bilden z. B. die Adjektive facilis (Adverb: facile) und difficilis (Adverb: difficulter). Diese sind jedoch in jedem gängigen Wörterbuch vermerkt.

Adverbien können nicht flektiert werden. Sie ändern ihre Form daher nicht.

Steigerung

Komparativ

Der Komparativ der Adverbien wird, wie der Nominativ Singular Neutrum Komparativ von Adjektiven, mit der Endung -ius gebildet, die an den Wortstamm angefügt wird: dure „hart“, durius „härter“ oder hilariter „fröhlich“, hilarius „fröhlicher“.

Superlativ

Der Superlativ der Adverbien wird mit der Endung „-e“ gebildet, welche an den Superlativstamm des Adjektivs angefügt wird: durissimus („am härtesten“, Adjektiv im Nominativ Singular Maskulinum) wird zu durissime („am härtesten“, Adverb). Dies geschieht bei den anderen Adjektivformen genauso.

Unregelmäßige Steigerungsformen

Auch bei den Adverbien gibt es unregelmäßige Steigerungsformen, wie bspw.:

Positiv Komparativ Superlativ Übersetzung
bene melius optime gut, besser, am besten
male peius pessime schlecht, schlechter, am schlechtesten
valde/magnopere magis maxime sehr
multum plus plurimum viel, mehr, am meisten
paulum minus minime wenig, weniger, am wenigsten
saepe saepius saepissime oft

Von saepe existiert kein Adjektiv.

Verben

Bestimmung von Verben (PNMTG)

Lateinische und deutsche Verben kommen in finiten ([hinsichtlich Person-Numerus] bestimmten) und infiniten ([hinsichtlich Person-Numerus] unbestimmten) Formen vor.

Die finiten Verbformen können konjugiert ([hinsichtlich Tempus, Modus, Person etc.] verändert, gebeugt) werden,
bspw.: voc-o, „ich ruf-e“; voca-s, „du ruf-st“; voca-t, „er ruf-t“ &c.

Sie werden als Prädikate verwendet.

Verbmorphologie

Die Verben im Lateinischen verändern sich morphologisch.

Verben werden im Latein nach Person (1., 2., 3. Person), Numerus (Anzahl), Modus (Form), Diathese und Tempus (Zeit) unterschieden.

Wie im Deutschen gibt es drei Personen, zwei Numeri (Singular und Plural), drei Modi (Indikativ, Konjunktiv und Imperativ), sechs Tempora (Präsens, Imperfekt, Futur I, Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II) und zwei Diathesen (Aktiv und Passiv).

Die folgende Tabelle zeigt, wie die Wortbestandteile aneinander gereiht werden. Da der Tempus- und Modusgebrauch vom Deutschen abweicht, hat eine Übersetzung der einzelnen Formen keinen Sinn.

Wort Form Präsens- oder Perfektstamm Tempus- und Moduszeichen Personalendung
audiebamini 2. Person Plural Indikativ Imperfekt Passiv audi- -(e)ba- -mini
servaretur 3. Person Singular Konjunktiv Imperfekt Passiv serva- -re- -tur

Finite Verbformen

Sie sind nach Person, Numerus, Modus, Tempus und Diathese markiert. Wie im Deutschen gibt es drei Personen, zwei Numeri (Singular und Plural), drei Modi (Indikativ, Konjunktiv und Imperativ), sechs Tempora (Präsens, Imperfekt, Futur I, Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II) und zwei Diathesen (Aktiv und Passiv). Tempus- und Modusgebrauch weichen vom Deutschen ab; die unten gegebenen Übersetzungen haben daher nur Beispielscharakter.

Bildungsschemata

Gebildet werden die finiten Verbformen nach drei Schemata:

Finite Präsensstamm-Formen: Präsens, Imperfekt und Futur I

Nach dem Schema: Präsensstamm – Tempus- oder Moduszeichen – Personalendung – Diathesenmarkierung (Aktiv/Passiv), z. B.:

dele-Ø*-t (3. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv von „zerstören“)
dele-ba-t (dasselbe im Indikativ Imperfekt)
dele-ba-tur (dasselbe im Indikativ Imperfekt Passiv)
dele-a-tur (3. Person Singular Konjunktiv Präsens Passiv)
dele-re-t (3. Person Singular Konjunktiv Imperfekt Aktiv)
dele-bi-t (3. Person Singular Indikativ Futur I Aktiv)
dele-bi-tur (3. Person Singular Indikativ Futur I Passiv)

*) Ø = Auslassungszeichen

Beim Imperativ signalisiert die spezielle Personalendung den Modus: Im Singular dele! (zerstöre!) und im Plural dele-te! (zerstört!). Der verneinte Imperativ wird in der Regel umschrieben: entweder mit der Verneinungspartikel ne und dem Konjunktiv Perfekt oder durch noli/nolite („wolle/wollt nicht“) plus Infinitiv.

Futur I ist die einzige Form im lateinischen Präsensstamm, die keinen Konjunktiv besitzt. Dies gleicht man aber durch das Partizip Futur I Aktiv (PFA) zum Teil aus.

Finite aktivische Perfektstamm-Formen: aktive Formen von Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II

Nach dem Schema: Perfektstamm (regelmäßig oder unregelmäßig aus dem Grundstamm hergeleitet) – Tempus-/Moduszeichen – Personalendung, bspw.:

delev-i-t (3. Person Singular Indikativ Perfekt Aktiv)
delev-isse-t (dasselbe im Konjunktiv Plusquamperfekt)
delev-eri-t (dasselbe im Indikativ Futur II)

Finite passivische analytische Formen: Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II Passiv

Nach dem Schema: Partizip Perfekt Passiv (Supinstamm + Genusendung) und Präsens-, Imperfekt- oder Futur-Form von esse „sein“, z. B.:

deletus est (3. Person Singular Indikativ Perfekt Passiv Maskulinum)
deletus erit (dasselbe im Indikativ Futur II)
deletus esset (dasselbe im Konjunktiv Plusquamperfekt)

Futur II ist die einzige Form im lateinischen Perfektstamm, die keinen Konjunktiv besitzt.

Konjugationsklassen

Nach dem Auslaut des Stammes unterscheidet man beim Präsens- oder Grundstamm fünf Konjugationsklassen (a-, e- sowie konsonantische, ĭ- und i-Konjugation).

Schaut man in ein lateinisches Wörterbuch, sieht es in etwa so aus:

a: vocare, voco, vocavi, vocatum; rufen, nennen
e: videre, video, vidi, visum: sehen
i: audire, audio, audivi, auditum; hören
konsonantische: agere, ago, egi, actum; handeln, treiben
kons. mit -i- im Präsensstamm: capere, capio, cepi, captum; fassen, nehmen

Die erste Form gibt den Infinitiv Präsens, die zweite die 1. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv, die dritte die 1. Person Singular Indikativ Perfekt Aktiv, die vierte das PPP, also das Partizip Perfekt Passiv an.

Tempus- und Moduszeichen sowie nach bestimmten Regeln auftretende Gleitvokale sind bei Schema (1) zwischen den Konjugationsklassen verschieden, bspw.:

duc-e-t (3. Person Singular Indikativ Futur I Aktiv von ducere „führen“)
lauda-bi-t (dasselbe von laudare „loben“)

Ferner gibt es einige unregelmäßige Verben, z. B.:

es-t (3. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv von esse „sein“)
s-u-nt (dasselbe im Plural).

Coniugatio periphrastica

In seltenen Kontexten reichen die nach Schema gebildeten Verbformen nicht zur Bedeutungsklärung aus; insbesondere da, wo futurische Konjunktive gebraucht werden müssten, ist eine sekundäre Füllung dieser Funktionsstelle vonnöten; hier treten dann umschreibende Formen (die sogenannte coniugatio periphrastica) ein. In der lateinischen Grammatik werden im weitesten Sinne alle Verbalkomplexe, die esse als finiten und ein Partizip als infiniten Bestandteil haben, als periphrastische/umschreibende Konjugation oder coniugatio periphrastica bezeichnet, im engeren Sinne werden nur die mit den Konjugationsformen des Verbs esse (sum, eras, fuit, erimus, fueritis, fuerant …) verbundenen Futurpartizipien als Formen der coniugatio periphratica angesehen.

Letztere Formen drücken aus:

  • unmittelbar Bevorstehendes: Te visitaturus sum – „Ich bin im Begriff, dich zu besuchen“,
  • eine Intention (Absicht), einen Willen (siehe Optativ und Voluntativ): Te visurus eram – „Ich wollte dich sehen, hatte vor, dich zu sehen, war willens dich zu sehen“ oder auch
  • in der Funktion eines Konditionalis eine Bedingung: Si amici futuri sumus – „Wenn wir Freunde sein wollen“

Infinite Verbformen

Das sind im Lateinischen der Infinitiv, das Partizip, das Gerundium, das Gerundivum und das Supinum.

Der Infinitiv tritt auf als Infinitiv der Gleichzeitigkeit (Infinitiv Präsens), der Vorzeitigkeit (Infinitiv Perfekt) und der Nachzeitigkeit (Infinitiv Futur), im Aktiv und im Passiv, z. B.: delere „zerstören“, deleri „zerstört werden“, delevisse „zerstört haben“, deletum esse „zerstört worden sein“, deleturum esse „künftig zerstören“, deletum iri „künftig zerstört werden“.

Das Partizip (ein Verbaladjektiv) gibt es in den Varianten Gleichzeitigkeit/Aktiv (PPA) (Signal -nt-), Vorzeitigkeit/Passiv (PPP) (Signal meist -t- oder -s-) und Nachzeitigkeit/Aktiv (PFA) (Signal fast ausnahmslos -ur- an den sog. Supinstamm), bspw.: delens (aus *delent-s) „zerstörend“, deletus „zerstört“, deleturus „künftig zerstörend“.

Das Gerundium ist ein Verbalsubstantiv, nämlich ein substantivierter Infinitiv; außer im Nominativ hat es das Signal „-nd-“; z. B.: in delendo „beim Zerstören“, ad delendum/delendi causa „um zu zerstören“.

Das Gerundivum (ebenfalls ein Verbaladjektiv) hat im Deutschen keine genaue Entsprechung; es wird mit der Endung „-ndus“, „-a“, „-um“ gebildet und nach der a/o-Deklination gebeugt. Es drückt, als Prädikatsnomen oder Attribut gebraucht, eine Notwendigkeit, eine Empfehlung oder ein Verbot aus und entspricht dann der deutschen Konstruktion „zu“ + erstes Partizip. Bei prädikativem Gebrauch entspricht es der Bedeutung nach dem Gerundium, bspw.: in delenda Carthagine „bei der Zerstörung Karthagos“.

Das Supinum (ebenfalls ein Verbalsubstantiv) hat keine Entsprechung im Deutschen. Es wird gebildet wie das Partizip Perfekt Passiv – jedoch nach der u-Deklination – und hat die Endung „-um“ (Supinum I) rsp. „-u“ (Supinum II) und stellt erstarrte Fälle mit finalem Sinn dar; z. B.: deletum venio „ich komme, um zu zerstören“, horribile dictu „schrecklich zu sagen“.

Verkürzte Verbformen und Archaismen

Des Öfteren erscheinen folgende Kurzformen oder Archaismen:

  • Im Perfekt entfällt das Infix -ve/vi- vor einer mit „r“ oder „s“ anlautenden Endung, bspw.: lauda(vi)sti „du hast gelobt“, lauda(ve)runt oder lauda(ve)re „sie haben gelobt“, laudasse „gelobt (zu) haben“ usw. usf.,
  • die du-Form im präsentischen Passiv erscheint als -re, z. B.: laudare „du wirst gelobt“ (→ gleichlautend mit dem Infinitiv laudare „loben“) sowie
  • bei den Imperativen Dic!, Duc!, Fac!, Fer(te)! „Sag(e)!“, „Führ(e)!“, „Tu(e)!“, „Trag(t)!“ entfällt stets der Bindevokal.

Übersichtstabelle sämtlicher Verwendungen

In nachfolgender Tabelle sind sämtliche Endungen losgelöst vom Wortstamm, d.h. ohne Beispielverben aufgeführt (Ausnahme: Das Hilfsverb esse - "sein"):

Vorlage:Übersichtstabelle lateinischer Verben

Zahlwörter

Grundzahlen und Ordnungszahlen

→ Hauptartikel: Lateinische Zahlwörter

Die Grundzahlen zwischen „vier“ und „einhundert“ sind unveränderlich. Die Grundzahlen „eins“, „zwei“, „drei“, die mit diesen zusammengesetzten Zehnerzahlen sowie die Hunderterzahlen „zweihundert“ und folgende werden nach Kasus und Genus unterschieden. Beim Zahlwort „zwei“ werden zum Teil ältere, sonst in der Flexion ausgestorbene Dualendungen verwendet. Die Ordnungszahlen werden wie Adjektive auf -us/-a/-um dekliniert.

Grundzahl Ordnungszahl
1 I unus,a,um primus
2 II duo, duae, duo secundus
3 III tres, tria tertius
4 IIII (IV) quattuor quartus
5 V quinque quintus
6 VI sex sextus
7 VII septem séptimus
8 VIII octo octávus
9 VIIII (IX) novem nonus
10 X decem decimus
11 XI undecim undecimus
12 XII duodecim duodecimus
13 XIII tredecim tredecimus
14 XIV quattuordecim quattuordecimus
15 XV quindecim quindecimus
16 XVI sedecim sedecim
17 XVII septendecim septendecim
18 XVIII duodeviginti duodevicesimus
19 XIX undeviginti undevicesimus
20 XX viginti vicesimus
21 XXI viginti unus, unus et viginti vicesimus primus
30 XXX triginta tricesimus
40 XL quadraginta quadragesimus
50 L quinquaginta quinquagesimus
60 LX sexaginta sexagesimus
70 LXX septuaginta septuagesimus
80 LXXX octoginta octogesimus
90 XC nonaginta nonagesimus
100 C centum centesimus
500 D quingenti quingentesimus
1000 M mille millesimus

Deklinationstabellen

duo, duae, duo
„zwei“
Maskulinum Femininum Neutrum
Plural
Nominativ duo duae duo
Akkusativ duos duas duo
Genitiv duorum duarum duorum
Dativ
Ablativ
duobus duabus duobus

ambo „beide“ wird wie duo dekliniert (jedoch mit langem „o“).

tres, tria
„drei“
Maskulinum + Femininum Neutrum
Plural
Nominativ tres tria
Vokativ tres tria
Akkusativ tres, tris tria
Genitiv trium trium
Dativ
Ablativ
tribus tribus

mille „tausend“ ist ein singularisches, undeklinierbares Adjektiv. Es hat je doch die regelmäßige i-stämmige Pluralform milia.

milia, milium
„tausend“
Plural
Nominativ milia
Genitiv milium
Dativ milibus
Akkusativ milia
Ablativ milibus

Pronomen

Die Deklination der vielen lateinischen Pronomen weist einige Unregelmäßigkeiten auf, besonders im Nominativ sowie im Genitiv Singular (der hier immer auf -ius endet) und Dativ Singular (der hier immer auf -i endet).

Demonstrativpronomen

Die lateinischen Demonstrativpronomen sind is, ea, id („dieser“, „diese“, „dieses“), hic, haec, hoc („dieser“, „diese“, „dieses“), ille, illa, illud („jener“, „jene“, „jenes“), iste, ista, istud („dieser da/dort“, „diese da“, „dieses da“), ipse, ipsa, ipsum („selbst“, „persönlich“) und idem, eadem, idem („derselbe“, „dieselbe“, „dasselbe“).

is, ea, id hat die Funktion eines Demonstrativpronomens (übersetzt mit „der/die/das“ bzw. „dieser/diese/dieses“), wenn es vor einem Bezugswort steht, es hat die Funktion eines Personalpronomens, wenn es ohne Bezugswort in einem Satz steht (übersetzt mit „er/sie/es“).

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. is ea id ei (ii) eae ea
Gen. eius eius eius eorum earum eorum
Dat. ei ei ei eis (iis) eis (iis) eis (iis)
Akk. eum eam id eos eas ea
Abl. eo ea eo eis (iis) eis (iis) eis (iis)

hic, haec, hoc hat die Funktion, die zeitliche und räumliche Nähe (in Kommunikationssituationen: zum Sprecher) zu beschreiben.

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. hic haec hoc hi hae haec
Gen. huius huius huius horum harum horum
Dat. huic huic huic his his his
Akk hunc hanc hoc hos has haec
Abl. hoc hac hoc his his his

ille, illa, illud die gegenteilige Funktion, die zeitliche und räumliche Ferne zu beschreiben. Zusätzlich verweist ille auch auf schon gesagtes oder bekanntes (ille Seneca = "der Seneca (nämlich der Philosoph, den alle kennen)".

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. ille illa illud illi illae illa
Gen. illius illius illius illorum illarum illorum
Dat. illi illi illi illis illis illis
Akk. illum illam illud illos illas illa
Abl. illo illa illo illis illis illis

iste, ista, istud bezieht sich in Kommunikationssituationen auf jemanden/etwas in der Nähe des Angesprochenen; bisweilen hat es einen abwertenden Sinn („der da“).

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. iste ista istud isti istae ista
Gen. istius istius istius istorum istarum istorum
Dat. isti isti isti istis istis istis
Akk. istum istam istud istos istas ista
Abl. isto ista isto istis istis istis

ipse, ipsa, ipsum ist auch stärker als is, ea, id. Sie heben eine Person hervor.

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. ipse ipsa ipsum ipsi ipsae ipsa
Gen. ipsius ipsius ipsius ipsorum ipsarum ipsorum
Dat. ipsi ipsi ipsi ipsis ipsis ipsis
Akk. ipsum ipsam ipsum ipsos ipsas ipsa
Abl. ipso ipsa ipso ipsis ipsis ipsis

idem, eadem, idem hat mit der Übersetzung „derselbe“ eine rückwirkende Wirkung auf eine wieder vorkommende Person.

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. idem eadem idem iidem eaedem eadem
Gen. eiusdem eiusdem eiusdem eorundem earundem eorundem
Dat. eidem eidem eidem (e)isdem (e)isdem (e)isdem
Akk. eundem eandem idem eosdem easdem eadem
Abl. eodem eadem eodem (e)isdem (e)isdem (e)isdem

Relativpronomen

Das adjektivische Interrogativpronomen qui/quae/quod dient im Lateinischen ebenfalls als Relativpronomen. Es kann auch am Satzanfang bestehen und bezieht sich dann auf ein Substantiv im vorausgehenden Satz.

Kasus Singular Plural
Mask. Fem. Neut. Mask. Fem. Neut.
Nom. qui quae quod qui quae quae
Gen. cuius cuius cuius quorum quarum quorum
Dat. cui cui cui quibus quibus quibus
Akk. quem quam quod quos quas quae
Abl. quo qua quo quibus quibus quibus

Syntax

Der Satzbau des Lateinischen ist in vieler Hinsicht frei, da man die einzelnen Satzglieder häufig an ihren Endungen eindeutig einordnen kann. Besonders in Dichtung und Literatur werden die wenigen, kaum verbindlichen Regeln eher bedeutungslos. Wie in den meisten romanischen Sprachen kann ein Personalpronomen als Subjekt weggelassen werden (B.: venimus „wir kommen“, nos venimuswir kommen“). Ebenso entfallen häufig „sagte/sprach“ usw. vor der wörtlichen Rede (bspw.: tum ille: „cras veniam“ „dann [sagte] jener: ‚morgen komme ich‘“).

An erster Stelle im Satz stehen gewöhnlich betonte Satzteile (je nachdem Subjekt, Objekt oder Adverb), Fragepronomen (z. B.: quis, quid, quando …), Imperative und die Fragepartikeln num „etwa?“ und nonne „etwa nicht?“. Verben stehen häufig am Satzende (zum Beispiel ego te absolvo „ich spreche dich los“).

Adjektive, Partizipien, Possessivpronomen und Genitivattribute stehen gewöhnlich hinter dem zugehörigen Substantiv (zum Beispiel Carolus Magnus „Karl der Große“, homo sapiens „der weise Mensch“, domus mea „mein Haus“).

Literatur

Wikibooks: Lateinische Grammatik – Lern- und Lehrmaterialien