Freie Stadt Danzig
Die Freie Stadt Danzig im 19. Jahrhundert
Geschichte
Nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon I. mußte im Tilsiter Friedensvertrag vom 7. und 9. Juli 1807 das erst mit der zweiten polnischen Teilung erworbene Danziger Territorium Frankreich zur Verfügung gestellt werden. Das geschah nach einer Belagerung der Stadt durch französische Truppen von Mitte März bis zum 27. Mai 1807, dem Tag der Übergabe.
4.000 Zivilisten waren in dieser Zeit durch Entbehrungen ums Leben gekommen.
Am 21. Juli 1807 wurde aus der Stadt Danzig nebst angrenzendem Gebiet an der Weichselmündung die Freie Stadt Danzig ausgerufen. Nach Artikel 19 des Tilsiter Friedensvertrages war Danzig in einem Umkreis von zwei deutschen Meilen von Napoleon I. zur Freien Stadt unter dem Schutz der Könige von Preußen und Sachsen erklärt worden.
Faktisch lag die Macht bei dem französischen Gouverneur Jean Rapp. Die Aufgabe der Stadt bestand jetzt im wesentlichen darin, französische Einquartierungen zu ertragen und unmäßige Kontributionen aufzubringen.
Nach dem Scheitern Napoleons in Russland im Winter 1812 schloss die russische Armee Ende Januar 1813 die Festung Danzig mit etwa 40.000 französischen Soldaten ein. Nach deren Abzug am 2. Januar 1814 wurde nach den Regelungen des Wiener Kongresses die Freie Stadt Danzig noch im selben Jahr mit der neuen preußischen Provinz Westpreußen wieder vereinigt.
Grenzen
Der Gränztractat vom 6. Dezember 1807 umschrieb die Abgrenzung gegenüber Preußen. Danach umschloss das Gebiet der Freien Stadt Danzig etwa das der späteren preußischen Kreise Danziger Höhe und Danziger Niederung. Im Nordosten umfasste es noch den Ort Polsk (= Narmeln) auf der Frischen Nehrung, während im Westen Zoppot preußisch blieb.
Da Danzig gehalten war, auf eigene Kosten einen Leuchtturm an der Spitze der Halbinsel Hela und bei Rukokowa zu unterhalten, gehörte auch der südöstliche Teil dieser Halbinsel zum Gebiet der Freien Stadt Danzig.
Die Freie Stadt Danzig im 20. Jahrhundert
Die Freie Stadt Danzig - die Stadt Danzig und das mit ihr verbundene Gebiet - bestand als teilsouveräner, selbstständiger Freistaat unter dem Schutz des Völkerbundes von 1920 bis 1939.
Geschichte
Der Versailler Vertrag verfügte mit seinem Inkrafttreten am 10. 1. 1920 die Abtretung von Kreisen und Kreisteilen der preußischen Provinz Westpreußen, Regierungsbezirk Danzig, an die Alliierten und Assoziierten Hauptmächte zur Bildung der Freien Stadt Danzig.
Aus ihnen wurden die Stadtkreise Danzig und Zoppot gebildet und die Landkreise Danziger Höhe, Danziger Niederung und Großes Werder.
Zum 15. 11. 1920 konstituierte sich die neue Freie Stadt Danzig.
Seit dem 1. Januar 1922 bildeten die Freie Stadt Danzig und Polen ein einziges Zollgebiet, das der Gesetzgebung und den Tarifen Polens unterlag.
Die Danzig-polnische Wirtschaftsgemeinschaft folgte am 1. April 1922.
Zum 18. Dezember 1923 trat an Stelle der bisherigen deutschen Währung der Danziger Gulden, der an die britische Währung gekoppelt war. 25 Gulden entsprachen 1 britischen Pfund.
Mit der Wahl vom 28. Mai 1933 erlangten die Nationalsozialisten im Volkstage die absolute Mehrheit und bauten diese bis 1939 noch aus.
Mit dem 1. September 1939 trat die Freie Stadt Danzig zum Deutschen Reich und blieb dort – jetzt als ehemalige Freie Stadt Danzig – vorläufig bestehen bis zum 26. Oktober 1939.
An diesem Tage ging sie im neuen Reichsgau Westpreußen, später Danzig-Westpreußen auf.
Verfassung
Die geschichtliche Bezeichnung Hansestadt wurde der Freien Stadt Danzig von den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten verweigert. Im übrigen trat der genehmigte Verfassungsentwurf als Verfassung am 11. August 1920 in Kraft.
Danach fungierte als oberste Regierungsbehörde der Präsident des Senates. Dieser war seinerseits dem Parlament, d. h. dem Volkstag verantwortlich. Ein Staatsoberhaupt war nicht vorgesehen.
Die eigentliche Stadt Danzig verlor ihre kommunale Selbständigkeit. Sie blieb zwar als Stadtgemeinde und Stadtkreis bestehen; ihre gemeindlichen Angelegenheiten galten aber als solche des Staates und wurden von Senat und Volkstag wahrgenommen. Einen Oberbürgermeister der Stadt Danzig gab es damit nicht mehr.
Die übrigen bisherigen Verwaltungsbehörden wurden den Danziger Verhältnissen angepasst und blieben im allgemeinen bestehen.
Die Freie Stadt Danzig stand unter dem Schutz des Völkerbundes, der einen Hochkommissar in Danzig einsetzte. Dieser entschied alle Streitigkeiten zwischen dem Freistaat und Polen als erste, der Völkerbundsrat in Genf als letzte Instanz.
Am 23. August 1939 setzte der Senat den bisherigen Danziger Gauleiter der NSDAP Albert Forster als Staatsoberhaupt ein.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 übernahm Albert Forster als Staatsoberhaupt und Gauleiter unter Aufhebung der Danziger Verfassung die gesamte gesetzgebende und vollziehende Gewalt.
Durch Staatsgrundgesetz vom gleichen Tage erklärte er das Gebiet der Freien Stadt Danzig zum Bestandteil des Deutschen Reiches. Dieser Anschluss wurde durch Reichsgesetz vom gleichen Tage in der Berliner Sitzung des Reichstages auch vollzogen.
Verwaltungsgliederung
Der Versailler Vertrag verfügte mit seinem Inkrafttreten am 10. 1. 1920 die Abtretung der folgenden Kreise der preußischen Provinz Westpreußen, Regierungsbezirk Danzig, an die Alliierten und Assoziierten Hauptmächte zur Bildung der Freien Stadt Danzig:
- Berent (teilweise),
- Danzig-Stadt,
- Danziger Höhe (teilweise),
- Danziger Niederung (teilweise),
- Dirschau (teilweise),
- Elbing (teilweise),
- Karthaus (teilweise),
- Marienburg (Westpr.) (teilweise),
- Neustadt i. Westpr. (nur Stadtgemeinde Zoppot).
Diese Kreise und Kreistrümmer wurden wie folgt zusammengeschlossen:
- Der Stadtkreis Danzig blieb in seiner bisherigen Form bestehen.
- Die Restkreise Berent, Dirschau (westlich der Eisenbahn Dirschau-Hohenstein liegende Ortschaften), Karthaus und Neustadt i. Westpr. traten zum Kreis Danziger Höhe.
- Der Restkreis Dirschau (östlich der Eisenbahn Dirschau-Hohenstein liegende Ortschaften) trat zum Kreis Danziger Niederung.
- Die Restkreise Elbing und Marienburg (Westpr.) bildeten den neuen Kreis Großer Werder, der am 20. Oktober. 1923 in Großes Werder umbenannt wurde. Sein Verwaltungssitz war vorläufig Marienburg (Westpr.), endgültig dann ab April 1920 die Stadtgemeinde Tiegenhof.
- Der Restkreis Neustadt i. Westpr. (nur Stadtgemeinde Zoppot) wurde zum neuen Stadtkreis Zoppot umgebildet.
Zum 24. Dezember 1920 wurde die Nordostgrenze der Freien Stadt Danzig zu Gunsten des Deutschen Reiches dahingehend abgeändert, dass die Landgemeinden Pröbbernau aus dem Landkreis Danziger Höhe und die Landgemeinde Zeyerniederkampen und der Gutsbezirk Nogathaffkampen aus dem Landkreis Großer Werder an den Landkreis Elbing zurückfielen.
Zum 1. Juli 1926 und 15. August 1933 fanden größere Eingemeindungen zugunsten des Stadtkreises Danzig statt.
Entsprechend der Entwicklung im Deutschen Reich wurden 1929 auch im Danziger Gebiet die noch bestehenden Gutsbezirke aufgelöst und mit anderen Landgemeinden vereinigt. Ausgenommen von dieser Regelung wurden lediglich die unbewohnten Forstgutsbezirke, die bestehen blieben.
Im Übrigen veränderten sich die inneren Verwaltungsgrenzen bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges im wesentlichen nicht mehr.
Justiz
Nach Konstituierung der Freien Stadt nahm das neugegründete Danziger Obergericht die bisherigen Aufgaben des Reichsgerichts in Leipzig, des Berliner Kammergerichts und des Danziger Oberlandesgerichts wahr. Im übrigen blieb die bisherige Gliederung in ein Landgericht und vier Amtsgerichte bestehen.
Post
Polen war zugestanden worden, zur Postversorgung im Danziger Hafen einen eigenen Postdienst einzurichten. Das wurde exzessiv dahin ausgelegt, dass am 5. Januar 1925 im gesamten Stadtgebiet zehn polnische Briefkästen aufgehängt wurden und polnische Postbedienstete in Danzig ihre Briefzustellungen vornahmen. Es entspann sich über die Zulässigkeit dieser Maßnahmen ein längerer Streit zwischen den Danziger und polnischen Behörden.
Der daraufhin angerufene Völkerbundsrat traf daraufhin auf das Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 11. Mai 1925 die Entscheidung, dass in einem näher umgrenzten Gebiet, das den Hafen und die gesamte Danziger Innenstadt umfasste, polnische Postkästen aufgehängt bleiben durften.
Das polnische Postgebäude wurde vertragswidrig befestigt und mit polnischem militärischen Schutz versehen.
Am 1. September 1939 eroberten Truppen der Danziger Heimwehr die polnische Post.
Siehe auch: Danziger Postgeschichte
Hafen von Danzig
Die Abtrennung des Danziger Gebietes vom Deutschen Reich hatte ursprünglich als Begründung, dem neuen polnischen Staat einen gesicherten Zugang zum Meer zu verschaffen. Dem diente ein besonderer Hafenausschuss, der die widerstreitenden Interessen Danzigs und Polens ausgleichen sollte.
Gleichwohl schuf Polen in den Folgejahren nach 1920 eine durch Polen allein kontrollierbare sichere Umgehung des Freistaates. Nördlich von Danzig legte Polen den neuen Hafen Gdynia auf dem Gebiet der alten deutschen Landgemeinde Gdingen an und verband ihn über die neue Kohlenmagistrale durch den polnischen Korridor mit dem polnisch gewordenen ostoberschlesischen Industriegebiet.
Bereits im Jahre 1933 übertraf der Güterumschlag über den Hafen von Gdynia den über den Danziger Hafen.
Westerplatte
Als im August 1920 die Rote Armee vor Warschau stand, sollte Polen über Danzig dringend benötigte Munitionslieferungen aus Saloniki erhalten. Deren Ausladung wurde durch einen Streik der Danziger Hafenarbeiter verhindert.
Daraufhin wurde Polen zugestanden, auf der Westerplatte an der Mündung der Alten Weichsel ein Munitionsdepot anzulegen und zu dessen Schutz auch eine militärische Besatzung dort zu stationieren. In der Folgezeit wurde diese Anlage militärisch befestigt. Sie unterstand zwar weiterhin den Danziger Behörden, war also nicht exterritorial, durfte aber nur nach vorheriger Anfrage inspiziert werden.
Mit den Schüssen des deutschen Linienschiffes Schleswig-Holstein auf die Westerplatte begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg.
Personalien
Regierungspräsident
- Lothar Foerster (bis 1920)
Militärgouverneur
- Sir Reginald Tower, Großbritannien (1920)
Präsidenten des Senats
- Dr. h. c. Heinrich Sahm (1920 bis 1931)
- Dr. Ernst Ziehm, DNVP (1931 bis 1933)
- Dr. Hermann Rauschning, NSDAP (1933 bis 1934)
- Arthur Greiser, NSDAP (1934 bis 1939)
Hochkommissare
- Professor Attolico, Italien (1920, stellvertretend)
- Generalleutnant Sir Richard Haking, Großbritannien (1920)
- Mervyn Mc Donnell, Großbritannien (1923)
- von Hamel, Niederlande (1925)
- Conte Manfredo Gravina, Italien (1929)
- Sean Lester, Irland (1933)
- Professor Carl Burckhardt, Schweiz (1937)
Gauleiter der NSDAP
- Hans Albert Hohnfeldt in Danzig (1926)
- Gauleiter der NSDAP Erich Koch in Königsberg i. Pr. (192?: kommissarisch)
- MdR Albert Forster aus Fürth (1930)
Kreise in der Freien Stadt Danzig 1939
Stadtkreise
Landkreise
- Danziger Höhe [Sitz:Danzig]
- Danziger Niederung [Sitz: Danzig]
- Großes Werder [Sitz: Tiegenhof]
Literatur
- Hüttenberger, Peter: Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP. Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt) 1969. (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte).
- Loew, Peter Oliver: Danzig und seine Vergangenheit 1793 – 1997. Die Geschichtskultur einer Stadt zwischen Deutschland und Polen. Osnabrück (fibre Verlag) 2003. (= Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau).
- Ruhnau, Dr. Rüdiger: Die Freie Stadt Danzig 1919 – 1939 Berg am See (Kurt Vowinckel Verlag KG) 1988.
- Schenk, Dieter: Hitlers Mann in Danzig. Gauleiter Forster und die Verbrechen in Danzig-Westpreußen. Bonn (Dietz) 2000.
Weblinks
Landkarten von Preußen
Folgend sind Weblinks mit historischen Landkarten von Preußen einschließlich Westpreußen, Ostpreußen, Ermland, Freie Stadt Danzig seit circa 1500 bis zum 20. Jahrhundert:
- Landkarte von Caspar Henneberg circa 1550 Pomerania, Marca (Brandenburg), Prussia (westlicher Teil mit Danzig)
- historische Landkarte PRVSSIA 1584 Abraham Ortelius
- Blaeu's Landkarte c1660 Prussia (West- u.Ost Preußen einschl. Danzig) nach Caspar Henneberg
- Landkarte aus Altes und Neues Preussen,Christoph Hartknoch (Thorn), Karte in Frauenburg
- Landkarte Preussen nach 1701 nordwestlicher Teil mit Freie Stadt Danzig, Karte in Frauenburg
- Ermland Warmia Landkarte 1755 von Johann Friedrich Endersch, Elbing mit Teilen von Westpreußen und Ostpreußen
- Ostpreussen nach Vertrag von Versailles
- Danzig und anschließender Landkreis Elbing auf einer Karte
- Karte von Westpreussen mit Grenze zu Pommern, einschl.Danzig,Elbing,Frauenburg