Nordische Mythologie
Nordische Mythologie
Die Nordische Mythologie ist zu unterscheiden von der nordgermanischen Religion und bezeichnet die (schriftlich) überlieferten Mythen des mittelalterlichen Skandinaviens, sowie des antiken Germaniens.
Überlieferung
Die meisten Quellen für die Nordische Mythologie sind erst im 12.-13. Jh. niedergeschrieben worden, also mehrere hundert Jahre nach der Christianisierung Skandinaviens.
Die wichtigsten Quellen für die Mythologie sind die Prosa-Edda von Snorri Sturluson und die anonym überlieferte Lieder-Edda, an denen sich auch dieser Artikel orientiert. Die verschiedenen Mythen werden in diesen Werken relativ einheitlich zusammengefasst, was natürlich gegenüber der wenig geregelten Glaubenswelt der vorchristlichen Völker Europas eine starke Vereinfachung ist.
Struktur des Weltenbaums Yggdrasil
Der Kosmos der Nordischen Mythologie ist die Weltenesche Yggdrasil, ein riesiger Baum, an dessen Wurzeln, Stamm, Ästen und Krone sich die neun Weltreiche anordnen:
Name | Ort | Bewohner |
---|---|---|
Asgard mit Walhall | oberste Krone | Asen |
Lichtelfenheim | tiefer in der Krone | Lichtelfen |
Midgard | auf dem Boden in der Mitte | Menschen |
Niflheim | auf dem Boden im Norden | Hrimthursen (Reif-Riesen) |
Muspellsheim | auf dem Boden im Süden | Feuerriesen |
Jötunheim | östlich von Midgard | Riesen |
Wanaheim | westlich von Midgard | Vanen |
Schwarzalbenheim | unter der Erde | Zwergenreich |
Helheim | noch tiefer unter der Erde | Totenwelt |
Die Welten stellen Gegensätzlichkeiten dar, wobei „Himmel“ und „Hölle“ nicht im christlichen Sinne zu sehen sind, d.h. ein Krieger kommt nach Walhall, dagegen ein Bauer „nur“ nach Hel, was aber nicht als Bestrafung anzusehen ist.
Pol | Gegenpol | Gegensatz |
---|---|---|
Muspelheim | Niflheim | Feuer - Eis |
Asgard | Helheim | Himmel - Hölle |
Wanaheim | Jötunheim | Entstehen - Zerstörung |
Lichtelfenheim | Schwarzalbenheim | Licht - Dunkelheit |
Gegenüber all diesen Polaritäten steht Midgard, die Menschenwelt allein im Zentrum. Hier ist jeder Zustand möglich und erst durch das Zusammenwirken der Welten entsteht etwas.
Zudem können die neun Welten auch als die damals bekannten "Lebensbereiche" (im Sinne ihrer Erscheinungsform) angesehen werden.
Name | "Landschaftsformationen" | spirituelle Verbindung |
---|---|---|
Asgard mit Walhall | Das All (alles was über das Irdische hinausgeht) | Der Göttliche Wohnsitz, steht für die geistige Kraft |
Lichtelfenheim auch Ljossalfheim | Wolken | Steht für die Schönheit, das Denken, die Logik und das rationale Gedächtnis |
Midgard | Gemäßigten Zonen Mittel- und Nordeuropas | Stellt materielle Mannigfestigkeit der Erde dar |
Niflheim | Polarregionen mit dem Ewigen Eis (Riesen entsprächen z.B. Eisbergen) | Stellt den Ort der Täuschung, der verdrängten und abgespaltenen Anteile des Unterbewusstseins dar, steht zudem für den immerwährenden Zweifel, ungreifbare Ängste und alles einfrierende Energien |
Muspellsheim | Vulkanismus z.B. auf Island | Steht für die Begierden und Bedürfnisse, Dinge zu verwirklichen |
Jötunheim | Felsengebirge (Riesen entsprächen den Felsblöcken) | Stehen für die rohen und zerstörerischen Kräfte der Natur, die der Evolution entgegenstehen, für die Weiterentwicklung jedoch unabdingbar sind |
Wanaheim | "Tropische" Wälder wie es sie z.B. in Irland gibt | Stellt den Ort der Gefühle und Natürlichen Intuition dar, steht zudem für die Welt des Organischen, der wachsenden, gedeihenden, fließenden und verschmelzenden Naturkräfte und Elementarwesen |
Schwarzalbenheim auch Svartalfheim | Höhlen und Bergbau | Stellt die Welt der Unterirdischen und Zwerge dar, steht zudem für Empfindungen wie Geiz, Neid, Lüge und Habgier |
Helheim | Erdinnere | Stellt den Ort der ewigen Ruhe und Trägheit dar, steht zudem für destruktive, morbide, verschlingende und zersetzende Vorgänge der Natur |
Das Meer stellte die Verbindung zwischen den Welten dar. Eine Sandwelt war den Nordischen Völkern Europas nicht bekannt, daher tauchen diese auch nicht in ihren Mythologien auf.
Götter
Die Götter der Germanen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen:
- Asen (althochdeutsch ans: zwar 'Balken', erinnert aber an „anst“ ,Wohlwollen, Gunst')
- Wanen (nord. Vanir: „die Glänzenden“)
Die Aufgaben der Asen beziehen sich meist auf den Menschen und ihre geistige Entwicklung. Ihnen werden Bereiche wie Schläue, Redegewandtheit, Krieg, Mut, Gerechtigkeit und Gesang zugesprochen, während der Aufgabenbereich der Vanen sich hauptsächlich auf die ruhenden Prozesse (Fruchtbarkeit, Wachstum, Wissen, Reichtum, Dichtkunst usw.) konzentriert.
Die Wanen sind nach dem Glauben der Germanen älter und auch weiser - dies zeigt sich daran, dass sie den „besten der Asen“ für „nur“ so klug wie einen Wanen hielten. In der Mythologie lieferten sich diese beiden Göttergeschlechter einst einen blutigen Kampf. Der erste Krieg begann, als die Asen die Hüterin der Schätze, die goldreiche Vanin Gullweig besuchten. Sie sahen das viele Gold und unterlagen der Gier. Dann fragten sie Gullweig nach der Quelle ihres Reichtumes. Gullweig gab den Asen keine Antwort, weswegen sie dreimal versuchten, Gullveig zu foltern und zu verbrennen (Edda, Völuspa).
Diesem Frevel folgte der erste Krieg zwischen den Asen und Vanen, den Odin durch Wurf seines Gers eröffnete (Edda, Völuspa, 28). So brachten die Asen den Krieg in die Welt. Als die Vanen des Kampfes müde geworden waren, wollten sie mit den Asen Frieden schließen. Als Garant des Friedensvertrages tauschte man Geiseln aus. Die Vanen sandten die Kinder des Meeresgottes Njörðr, die Zwillinge Freya und Frey nach Asgard. Von dort kamen der langbeinige Bruder Odins, Hönir und der weise Riese Mimir (Orakelgottheit) nach Wanaheim. Bei der Versöhnung wurde der Zwerg Kvasir gezeugt.
Nach einiger Zeit ärgerten sich die Wanen über Hönir, der immer nur das wiederholte was Mimir sagte. Als sie die Nase voll hatten, köpften sie schließlich Mimir und sandten ihn zu Odin. Doch ganz tot war Mimirs Kopf nicht und in Ragnarök hat sich Odin als Diplomat betätigt und sich mit den körperlosen Kopf des Mimir beraten. Der Krieg blieb aus und die Asen hatten gewonnen. Seither leben sie in einem durch Verträge und Geiseln gesicherten Frieden. Historisch handelt es sich vermutlich um den mystifizierten Kampf zweier Völker.
Liste der Götter
- Odin
- Thor
- Tyr
- Balder
- Loki
- Njörðr
- Heimdall
- Frey
- Hödr
- Hermodr
- Bragi
- Uller
- Forseti
- Magni und Modi
- Widar
- Hönir
- Lodur
- Wali
- Requalivahanus
- Mani
Liste der Göttinnen
- Hel
- Sif
- Freya
- Nerthus (auch „Jörd“, „Hertha“, „Fjörgyn“, „Gerdr“, „Thrudr“, „Holda“, die Erdgöttin)
- Nanna
- Skadi
- Ostara
- Sunna
- Eir
Riesen (Jötunn)
Die Riesen sind brutale Gestalten, die die entlegensten Enden der Erde bewohnen (im eisigen Norden, im heißen Süden, in unzugänglichen Bergen...) Sie sind oft mit den Göttern verfeindet, vor allem die Reifriesen, auch Hrimthursen genannt. Vom Gott Thor sind zahlreiche Mythen bekannt, in denen er gegen Riesen kämpft.
Riesen sind zum Beispiel Thrudgelmir und Gilling, aber auch freundlichere wie Ägir und Mimir
Zwerge,Elfen (Alben)
Die Alben sind mit der Erde zusammen entstanden und leben in den Reichen Lichtelfenheim und Schwarzalbenheim. Letzteren gehören die Zwerge an, die eng mit der Erde verbunden sind und mächtige Gegenstände schmieden können.
Walküren
Walküren werden meist als Kriegerinnen dargestellt. Sie sind weibliche Geistwesen, die die in der Schlacht gefallenen Krieger nach Walhall bringen. Sie gehören zusammen mit den Nornen zu den Disen, sind also höhere Schicksalswesen. Die Vorstellungen sind zum Teil nicht klar zu differenzieren und gehen ineinander über.
Nornen
Die Nornen sind übernatürliche Frauengestalten, die über das Schicksal der Menschen bestimmen. Sie werden auch als drei Spinnerinnen der menschlichen Lebensfäden dargestellt:
- Urd als Verkörperung für die Vergangenheit. Sie spinnt den Faden.
- Verdandi für die Gegenwart. Sie misst den Faden ab.
- Skuld für die Zukunft. Sie schneidet den Faden.
Eine interessante mögliche Verbindung besteht hier zur antiken griechischen Mythologie mit den drei Schicksalgöttinnen, den Moiren. Offenbar liegt hier eine hohe Überschneidung auch im Bereich der Spinnaufgabe vor. Innerhalb der antiken griechischen Vorstellung hat Klotho den Lebensfaden gesponnen, Lachesis dessen Länge bemessen und Atropos denselben abgeschnitten.
Dunkle Kreaturen
Loki zeugte mit der Riesin Angrboda drei Geschöpfe:
- Fenris: Ein riesiger Wolf
- Miðgarðsormr / Jörmungandr: Eine die Welt (Midgard) umfassende Schlange
- Hel: Die Herrin des Totenreichs
Fenris zeugte die Wölfe Hati (Hass) und Skalli (Schatten), die den Mond und die Sonne verfolgen. Der Mondhund Managarm wird zu Ragnarök den Mond verschlingen.
Garm, der Hund der Hel, bewacht die Unterwelt.
Begleiter der Götter
Wotan (Odin, Wodan, Wuotan) reitet den achtbeinigen, grauen Hengst Sleipnir und wird von zwei Raben Hugin und Munin (Gedanke und Erinnerung) begleitet. Freyr reitet auf einem goldenen Eber Gullinborstel (Goldborste). Thor fährt in einem Wagen, der von zwei Ziegenböcken („Zähneknirscher“ und „Zähneknisterer“) gezogen wird. Sunnas (Sols) Wagen wird von den Pferden Alsvidr und Arwakr („Allgeschwind“ und „Frühwach“) über den Himmel gezogen.
Menschen
Das erste Menschenpaar wurde von Odin, Hönir und Lodur aus zwei Bäumen erschaffen. Ask, der Mann, aus einer Esche und Embla, die Frau, aus einer Ulme. Ein weiteres Menschengeschlecht lebt noch verborgen Tief im Stamm der Weltesche Yggdrasil. Erst nach Ragnarök, wenn Yggdrasil zerbricht, werden Lif und Liftrasi die Ahnen einer neuen Menschheit werden. Es zeigt sich hier besonders deutlich der Einfluss des Christentums auf die Nordische Mythologie zur Zeit ihrer Niederschrift.
Gegenstände
- Odins Ring: Draupnir, sein Speer heißt: Gungnir.
- Thors Hammer: Mjölnir,sowie seine Eisernen Handschuhe und sein Kraftgürtel: Megingiard.
- Friggs Falkenkleid und ihre Spindel.
- Freyjas Wagen mit Katzengespann.
- Heimdalls Signalhorn: Gjallarhorn und sein Schwert: Höfud.
- Ullrs Eibenbogen.
- Die magische Fessel (Kette): Gleipnir.
- Der Schild Swalin schützt den Sonnenwagen vor der Gluthitze der Sonne.
Orte
- Ydalir, Ullers Palast
- Alsheim, Freyrs Palast
- Walaskialf, Walis Palast mit Odins Thron Hlidskialf
- Sökkwabeck, Sagas Palast
- Gladsheim, Odins Palast mit dem Saal Walhalla
- Thrymheim, Skadis Palast
- Breidablick, Baldrs Palast
- Himinbiörg, Heimdalls Palast
- Folkwang, Freyjas Palast mit dem Saal Sessrumnir
- Glitnir, Forsetis Palast
- Noatun, Njörðrs Palast
- Widi, Vidars Palast
Weitere wichtige Orte
- Trudheim, Thors Wohnstätte mit dem Palast Bilskirnir
- Fensal, Friggs Palast
- Wingolf, die Versammlungshalle der Asengöttinnen
- Idafeld, eine Schmiedewerkstatt
- Bifröst, der Regenbogen, die Brücke, die Asgard mit der Menschenwelt Midgard verbindet
Literatur
- Wolfgang Golther Handbuch der Germanischen Mythologie. Marix Verlag GmbH, Wiesbaden 2004 ISBN 3-937715-38-X
- Hanspeter Hasenfratz: Die religiöse Welt der Germanen, Freiburg 1999, ISBN 3-451-04145-6
- Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie, Stuttgart 1995, ISBN 3-520-36802-1
Siehe auch
- Germanische Schöpfungsgeschichte
- Liste von Göttinnen
- Buri
- Portal:Mythologie
- Geirröd
- nordgermanische Religion.
- Germanische Mythologie
Weblinks
Stichwortliste
Angrboda, Ase, Asgard (Mythologie), Ask, Austri, Balder, Bestla, Bifröst, Bragi, Brisingamen, Dise, Donar, Edda, Elben, Embla, Fafnir, Fenriswolf, Feuerriese, Fimbultyr, Forseti, Freya, Freyr, Frigg, Garm, Germanische Schöpfungsgeschichte, Ginnungagap, Gleipnir, Heimdall, Hel, Hoenir, Hrimthurse, Hugin und Munin, Hvergelmir, Hymir, Hödur, Idun, Jötunheim, Loki, Midgard, Midgardschlange, Mimir, Mjölnir, Moiren, Muspelheim, Muspell, Nidhöggr, Niflheim, Njörðr, Norne, Norrøna, Odin, Quelle Mimirs, Quelle der Urd, Ragnarök, Ran, Reginn, Rigsthula, Sif, Skadi, Skuld, Sleipnir, Surt, Thor, Troll (Mythologie), Tyr, Uller, Urd, Utgard, Verdandi, Walhall, Walküre, Wane, Ydalir, Yggdrasil, Ymir, Zwerg (Mythologie), Ägir