Tocharer
Die Tocharer (Eigenbezeichnung Arshoi) waren das ursprünglich am östlichsten beheimatete Volk der Indogermanen. Die Tocharer siedelten im Altertum in den Oasen-Becken des Altai, einer Region die heute als Turkestan bezeichnet wird. Einzelne Geschichtsschreiber rechneten sie wegen ihrer geografischen Lage zu den Turkvölkern. Intensive Nachforschungen lassen sie jedoch, insbesondere in neuerer Zeit, als eingenständige Ethnie und Kultur erscheinen die noch am ehesten mit dem iranischen Kulturkreis verwandt sein könnte. Mongolische Ursprünge können ebenfalls weitgehend ausgeschlossen werden.
Sprache
Die tocharische Sprache gehört zum angeblich westlichen Kentum-Zweig der indogermanischen Sprachen, im Gegensatz zu den benachbarten iranischen und indischen Sprachen, die zum "östlichen" Satem-Zweig gehörten.
Man unterscheidet aufgrund alter Übersetzungsprobleme heute in "echte" Tocharer (Yüe-tschi oder tocharische Kuschanen) und in "falsche" Tocharer (Arshoi, Arschi). Eine These beschäftigt sich damit, ob die Wu-sun und die Arschi aus Karachar/Tarimbecken identisch sind (Arschi bzw. Orsun => Wusun?). Die Alanen könnten wiederum Nachfahren der Wu-sun sein (U-sun = U-lun, da s und l in dieser Sprache wechselten?).
Der Heidelberger Sibirienforscher Karl Jettmar stellt folgende These auf: Das Indoeuropäische Idiom, das die Tocharer benutzten, enthielt Anklänge aus dem Keltischen, dem Germanischen und dem Italienischen.
Dem Wiener Sprachforscher und Journalisten Adolf Josef Storfer ist die Zurückführung des Namens Asien auf die Gruppe der Asioi (Arshi) zuzuschreiben.
Kultur
Den Tocharern soll die Webkunst in einer fortgeschrittenen Stufe, nach den aufgefundenen Zubehörtilen, bekannt gewesen sein. Als Grundmaterialen dienten Schaf oder Ziegenhaare, Rosshaar, Filz und Leder. Vergleichbare Funde gab es im weit entfernten Mitteleuropa.
Die Reiterei war ihnen geläufig, wenn sie nicht gar selbst ein Reitervolk waren. Auch das Rad war ihnen nicht unbekannt, wobei es sich bei den Fundstücken um eine Konstruktion aus drei verdübelten Planken handelte. Man kann die Tocharer also als eines der Streitwagenvölker, die ab ca. 1500 v.Chr. nahezu Zeitgleich im nahen und fernen Osten auftauchten einordnen.
Die aufgefundenen Mumien waren erstaunlich gross, hellhäutig und mit kaukasischen Gesichtszügen und werden dadurch sehr sicher den Indoeuropern zugeordnet. Die Bestattung erfolgte in Grabkammern.
Die Funde lassen auf einen regen Austausch mit den Bewohnern benachbarter Regionen schliessen. Technologien, die ein Volk hatte, wurden schnell weiter gereicht und kamen somit allen Völkern dieses ostasiatischen Kreises zu Gute.
Geschichte
Der Einfall der Hunnen verdrängte z.B. Yüe-tschi aus Ost-Turkestan. Mit ihren Verbündeten (Saken, Parther) besiegten sie in der Folge die Baktrer und eroberten dadurch Baktrien. Von dort aus errichteten sie in der Folgezeit das Reich der Kuschan. Die Tadschiken sollen Nachfahren dieser Gruppen sein. In wie weit der Volksmane mit den chinesischen Bezeichnungen Ta-Yüe-tschi (tocharische Kuschanen), Dayuan (Ferghana) und Ta-Hia (Baktrien) zusammenhängt, ist nicht ganz geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass die Bezeichnung in der Zeit der Unterwerfung der Tadschiken durch Turkvölker geformt oder gefestigt wurde.
Wissenschaftliche Analysen lassen vermuten dass die folgenden Gruppen zu den Tocharern zu rechnen sein könnten, oder zumindetst eng mit ihnen verwandt sind:
- Hephthaliten (Weiße Hunnen)
- Sogdier (Kang-kü)
Eine später eher ionische Prägung wird der Gruppe der Dayuan (Ta-Yüan, Da-Iona) zugeschrieben. Diese dürfte aber erst im Verlauf der Eroberungszüge von Alexander dem Großen eingetreten sein. Die Spuren der tatsächlichen Ursprünge haben sich dadurch leider stark verwischt. Ihr Reich wurde später erst durch den Einfall der Yüe-tschi und endgültig durch die Wu-sun vernichtet. Auch ihnen wird eine Verwandschaft zu den heutigen Tadschiken nachgesagt.
Siehe auch: Turaner, Chorasan, Tanguten, Kimek, Turkut, Kuchis, Gutäer
Literatur
- Meinecke, Erich: Das blonde Volk der Taklamakan. Mensch und Maß, Folge 16, 23. 8. 2001, 41. Jahr, Verlag Hohe Warte GmbH.
- Kappeler, Suzanne: Fabelwesen der Wüste. Antike Textilien aus Zentralasien in der Abegg-Stiftung. In: Neue Zürcher Zeitung. 17.7.2001, Nr. 163, S. 53. Auch auf: http://archiv.nzz.ch/books/nzzmonat/0/$7IE25$T.html
- Fabulous Creatures from the Desert Sands. Katalog zur Ausstellung in Riggisberg (Schweiz) (50Fr., im Buchhandel 85Fr.)
- Brennecke, Detlef: Sven Hedin mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohl Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1986
- Staniland, Kay: Rezension von: Elizabeth Wayland Barber: The Mummies of Urumchi. (Macmillan) In: New Scientist, 15.5.1999, S. 46
- Frühe Europäer in Fernost. In der chinesischen Provinz Xingjiang wurden jahrtausendealte Mumien mit westlichem Aussehen entdeckt. In: Geo(-Magazin), Nr. 7 (Juli) 1994, S. 162-165
- Jettmar, Karl: Die Tocharer, ein Problem der ethnischen Anthropologie? In: Homo, Vol . 47/1-3, 1996, S. 34-42
- Kobbe, Bruni: Diese Superfrauen, die aus dem Osten kamen. Suche nach den legendären Amazonen – Mumien in China (...) legen eine heiße Spur. In: Weltwoche, Nr. 35, 27.8.1998. Auch auf: www.weltwoche.ch/3598/35.98.amazonen.html
- Jettmar, Karl: Trockenmumien in Sinkiang und die Geschichte der Tocharer. Verlag von Zabern, Mainz 1998 (142 S.)
- Der Westen hatte doch Einfluß auf China. Bild der Wissenschaft-Online, Newsticker 23.2.1999
- Zink, Michael: Der Mumien-Beweis. Europäer herrschten im alten China. In: Bild der Wissenschaft, 9/1999, S. 40-44
- Schmoeckel, Reinhard: Die Indoeuropäer. Aufbruch aus der Vorgeschichte. Bastei-Lübbe-Verlag, Bergisch Gladbach 1999
Weblinks
- Tocharische Mumien im Museum von Urumqi, dokumentiert bei discovery.de
- Eurasien auf globaldefence.net