Welthandelsorganisation
Die Welthandelsorganisation (WTO) (für englisch: World Trade Organization), ist eine internationale Organisation mit Sitz in Genf, die sich mit der Regelung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen beschäftigt.

Gründung und Ziele
Gegründet wurde die WTO am 16. April 1994 in Marrakesch, Marokko (in Kraft getreten am 1. Januar 1995); sie ist die Dachorganisation der Verträge GATT, GATS und TRIPS. Ziel der WTO ist der Abbau von Handelshemmnissen. Ein deklariertes Ziel der WTO ist die Liberalisierung des internationalen Handels. Den Kern dieser Anstrengungen bilden die WTO-Verträge, die durch die wichtigsten Handelsnationen ausgearbeitet und unterzeichnet wurden. Die gegenwärtigen Verträge sind das Resultat der so genannten Uruguay-Runde, in der der GATT-Vertrag überarbeitet wurde. Wirtschaftspolitisch geht eine liberale Außenhandelspolitik bei den WTO-Mitgliedsländern zumeist einher mit einer Politik der Deregulierung und Privatisierung.
Mitglieder
Die WTO hat 149 Mitglieder, unter anderem Deutschland, die Europäischen Gemeinschaften, Österreich und die Schweiz (Stand: 11. Dezember 2005).
Europäische Union / Europäische Gemeinschaften
Auch die EU ist Mitglied der WTO. Im offiziellen und juristisch korrekten Sprachgebrauch wird nicht von der EU gesprochen, sondern die Bezeichnung Europäische Gemeinschaften (European Communities, EC) verwendet. Sie vertritt die abgestimmten Interessen aller 25 Mitgliedstaaten. Verhandlungsführer ist der Kommissar für den Außenhandel. Allerdings lassen es sich die Länder nicht nehmen, jeweils eigene Diplomaten zu Verhandlungen zu entsenden. Beschlüsse werden bei der WTO üblicherweise im Konsens gefasst. Bei einer Mehrheitsentscheidung übt die EU das Stimmrecht für alle ihre Mitglieder aus, die auch Mitglied der WTO sind. Da dies für alle EU-Mitglieder gilt hat die EU, bzw. haben die Europäischen Gemeinschaften, 25 Stimmen. Die Stimme der Europäischen Gemeinschaften, als selbständiges WTO-Mitglied, entfällt in diesem Fall.
Entwicklungsländer
Etwa zwei Drittel der WTO-Mitglieder sind Entwicklungsländer. Für sie gelten teilweise gesonderte Vorschriften (z.B. GATT Teil IV zu Handel und Entwicklung) und sie erhalten bei manchen Fragen die Unterstützung des WTO-Sektretariats. Es gibt keine Definition für den Status als Entwicklungsland im WTO-Recht. Die Kategorisierung beruht daher auf einer Erklärung des Staates, die aber von anderen Staaten angezweifelt werden kann. Bei neuen Mitgliedern wird der zukünftige Status während der Beitrittsverhandlungen geklärt. 32 Mitglieder der WTO gelten nach Definition der UNO als Least Developed Countries (am wenigsten entwickelte Länder), deren Status nicht aberkannt werden kann.
Die verschiedenen Entwicklungsländer haben häufig sehr unterschiedliche Probleme oder Interessen. Es existieren mittlerweile jedoch verschiedene informelle, sich zum Teil überschneidende Zusammenschlüsse von Entwicklungsländern in der WTO. So zum Beispiel die G90, eine Koalition der Afrikanischen Union (AU), der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) und der LDC. Die in letzter Zeit wohl bedeutendste Allianz ist die vor der WTO-Ministerkonferenz in Cancún/Mexiko (September 2003) aus der Taufe gehobene G20, unter der Führung der wirtschaftlich stärksten Entwicklungsländer China, Indien, Brasilien und Südafrika.
Viele Kritiker der WTO bezweifeln, dass die eingeräumten Sonderrechte ausreichend sind um Nachteile der Entwicklungsländer gegenüber den Industrieländern auszugleichen. Beispielsweise bietet die WTO zwar Fortbildungsprogramme für die Mitarbeiter von Entwicklungsländern an, aber manche Länder sind nicht einmal in der Lage, genügend Delegierte zu bezahlen, um an allen Verhandlungen teilzunehmen.
Bündnisse
Es gibt verschiedene politische oder (regionale) wirtschaftliche Bündnisse zwischen den WTO-Mitgliedern, die zum Teil langanhaltend, zum Teil auch kurzfristig oder mit wechselnden Mitgliedern sind. Innerhalb eines Wirtschaftsraumes wie der EU, NAFTA, ASEAN oder Mercosur gelten Sonderregeln für das Meistbegünstigungsprinzip.
Die sogenannte Cairns Group ist ein politisches Bündnis und tritt für Liberalisierungen im Agrarsektor ein. Hierzu zählen 17 Länder aus vier Kontinenten, die unterschiedlich weit entwickelt sind.
Die vier großen Wirtschaftsmächte (EU, Japan, Kanada, USA) werden als "The Quad" oder "Quadrilaterals" bezeichnet.
Nahezu universelle Organisation
Die WTO-Mitglieder erwirtschaften mehr als 90% des Welthandelsvolumens. Wesentliche Nicht-Mitglieder sind Russland und andere ehemalige Staaten der Sowjetunion und mehrere Staaten des Nahen Ostens. Zur Zeit gibt es 33 Regierungen mit Beobachterstatus, die (mit Ausnahme des Vatikan) innerhalb von fünf Jahren Beitrittsverhandlungen beginnen müssen. Der Beitritt ist in Art. XII des WTO-Übereinkommens geregelt. Beim Beitritt oder nach bestimmten Übergangsfristen müssen die Bedingungen der einzelnen WTO-Abkommen erfüllt sein. Die Beitrittsbeschlüsse werden von der Ministerkonferenz mit Zweidrittelmehrheit gefasst.
Struktur der WTO
Es gibt drei Hauptorgane der WTO:
- die Ministerkonferenz als höchstes Organ, die mindestens alle zwei Jahre zusammentritt (Art. IV:1 WTO-Übk),
- der Allgemeine Rat als ständiges Gremium aller Mitglieder (Art. IV:2 WTO-Übk),
- das Sekretariat der WTO unter der Leitung eines Generaldirektors (Art. VI WTO-Übk).
Ministerkonferenzen
Das höchste Organ der WTO ist die Ministerkonferenz der Wirtschafts- und Handelsminister, die mindestens alle zwei Jahre tagt. Jedes Mitgliedsland hält eine Stimme. Obwohl mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, wird grundsätzlich per Konsens entschieden. Abgestimmt wird jedoch etwa über Auslegungen oder Abänderungen von Übereinkommen oder Befreiungen einzelner Mitglieder von Verpflichtungen (Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit der Mitglieder, je nach Gegenstand).
Bei der dritten Ministerkonferenz in Seattle 1999 scheiterten die Verhandlungen, auch kam es zu massiven Protesten und Demonstrationen von Globalisierungskritikern. Seit der Ministerkonferenz der WTO in Doha/Katar (2001) läuft derzeit eine neue Welthandelsrunde (die so genannte „Doha Development Agenda“), die bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossen werden sollte. Zuletzt scheiterte im September 2003 in Cancún/Mexiko die 5. WTO-Ministerkonferenz am Widerstand zahlreicher Entwicklungsländer (G21) gegen die Agenda des 'Nordens' (der EU und der USA). Vor Ort stark vertreten waren auch globalisierungskritische Gruppen und nichtstaatliche Organisationen (NGO). Im Februar 2004 wurden die Verhandlungen auf Beamtenebene wieder aufgenommen und führten zu einer ersten Einigung am 31. Juli 2004, ein Agrar-Rahmenabkommen wurde geschlossen, das jedoch noch zu spezifizieren ist, weshalb bisher nicht klar ist, ob es als Erfolg für Entwicklungsländer, Industrieländer oder die WTO angesehen werden kann. Die nächste Ministerkonferenz findet vom 13. bis 18. Dezember 2005 in Hongkong/China statt.
Allgemeiner Rat
Der Allgemeine Rat (General Council) der WTO setzt sich aus Vertretern aller Mitglieder zusammen. Er tritt zusammen, wann immer dies zweckdienlich ist. Zwischen den Tagungen der Ministerkonferenz nimmt der Allgemeine Rat deren Aufgaben wahr und zusätzlich eigene, ihm selbst übertragene Zuständigkeiten. Der Unterschied zu der Ministerkonferenz ist demnach nicht die Zusammensetzung, sondern der Rang der Delegierten.
Von besonderer Bedeutung sind zwei Aufgaben: der Allgemeine Rat übt die Aufgabe des Streitbeilegungsgremiums aus (Dispute Settlement Body, Art. IV:3 WTO-Übk) und er überprüft die Handelspolitiken der Mitglieder nach einem festgelegten Verfahren (Trade Policy Review Mechanism, Art. IV:4 WTO-Übk). Zu diesen Zwecken kann jeweils ein anderer Vorsitzender benannt und andere Verfahrensregeln festgelegt werden.
Unter Leitung des Allgemeinen Rates sind weitere Räte tätig (Art. IV:5 WTO-Übk). Insbesondere sind dies:
- Rat für den Handel mit Waren (GATT-Rat)
- Rat für Handel mit Dienstleistungen (GATS-Rat)
- Rat für handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Rat für TRIPS)
Sekretariat und Generaldirektoren
Das Sekretariat der WTO mit seinem ständigen Sitz in Genf hat derzeit 630 reguläre Mitarbeiter. Der Vorsitzende des Sekretariats ist der Generaldirektor. Das Sekretariat hat keine Entscheidungsbefugnis, dies ist den Mitgliedern der WTO vorbehalten. Die Hauptaufgaben des Sekretariats sind:
- Die technische und professionelle Unterstützung von Komitees und Räten
- Die technische Unterstützung der Entwicklungsländer
- Die Beobachtung und Analyse der Entwicklungen des Welthandels
- Die Bereitstellung von Informationen für Medien und Öffentlichkeit
- Die rechtliche Unterstützung bei Streitschlichtungsprozessen
- Die Beratung von Regierungen, die WTO Mitglieder werden wollen
Die Generaldirektoren (1995-2005):
- Peter Sutherland (bis 31. April 1995)
- Renato Ruggiero (1995-1999)
- Mike Moore (1999-2002)
- Supachai Panitchpakdi (2002-2005)
- Pascal Lamy (seit September 2005)
Prinzipien
Alle WTO-Mitglieder haben sich zur Einhaltung einiger Grundregeln bei der Ausgestaltung ihrer Außenhandelsbeziehungen verpflichtet:
- Meistbegünstigung: Handelsvorteile, die ein WTO-Mitgliedsland einem anderen Land gewährt, muss es allen anderen WTO-Mitgliedsländern auch gewähren (Artikel 1 GATT).
- Inländerbehandlung (Nichtdiskriminierung): Ausländische Waren sowie deren Anbieter dürfen nicht schlechter behandelt werden als inländische; für Dienstleistungen gilt dies nur, sofern die Staaten den Markt für einen Dienstleistungssektor geöffnet haben (Artikel 3 GATT).
- Transparenz: Regelungen und Beschränkungen des Außenhandels müssen veröffentlicht werden (Artikel 10 GATT).
- Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen. Heimische Produzenten dürfen durch Zölle geschützt werden, aber nicht durch Importquoten oder völligen Ausschluss von Importen (Artikel 11 GATT).
Mit Gründung der WTO und ihrer Vorgängerorganisation geriet das Prinzip der Reziprozität immer mehr in den Hintergrund, nach dem Vorteile auf Gegenseitigkeit gewährt werden.
Rechtliche Aspekte
Die WTO ist ein Instrument, um den weltweiten Handel mit Waren und Dienstleistungen auch in bisher geschützten Bereichen voranzutreiben. Bei Handelsstreitigkeiten kann ein Streitbeilegungsverfahren im Rahmen des Streitbeilegungsgremiums (Dispute Settlement Body, DSB) innerhalb der WTO angestrengt werden. Mit dem Streitbeilegungsverfahren verfügt die WTO als einzige weltweite internationale Organisation über einen effizienten, internen Durchsetzungsmechanismus. Jährlich werden zwischen 20 und 40 Fällen vor den DSB gebracht; von 1995 – 2004 insgesamt 305 Fälle. Prominentester Fall war bislang der Stahlstreit zwischen den USA und der EG.
Die WTO-Prinzipien könnten durch GATS auch auf die hoheitliche Verwaltung eines Staates Einfluss nehmen: Staatliche Maßnahmen der Daseinsvorsorge können nun nicht mehr nur als reine Verwaltungsangelegenheit betrachtet werden, sondern Regulation in diesem Bereich können den Dienstleistungskonzernen als mögliches Handelshemmnis erscheinen und somit sind nationale Gesetze vor dem WTO-Schiedsgericht klagbar.
Die WTO-Abkommen berühren nationales und europäisches Recht. Zwar ist das Welthandelsrecht der WTO nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in der EG grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar, dennoch hat sich die Europäische Union durch den Beitritt zur WTO verpflichtet, die "Abkommen und die dazugehörigen Rechtsinstrumente (Streitbeilegungsverfahren) anzuerkennen". (Quelle: [1] Kapitel Exkurs: EU-Gesetzgebung und Rechtswirkung (Gemeinschaftsrecht) )
Kritik
Es wird kritisiert, dass die WTO nur ihre eigenen Regeln kenne und Menschenrechte, Arbeitsnormen, Sozialstandards usw. unbeachtet blieben. Weiter wird bemängelt, dass eine Regulierung von einmal liberalisierten Bereichen nicht vorgesehen ist, und dass die WTO trotz ihrer Bedeutung weder von einem Parlament kontrolliert wird, noch einer UNO-Organisation unterstellt ist und somit keine demokratische Legitimation besitze. Dem ist entgegen zu halten, dass zur WTO, soweit es sich um demokratische Staaten handelt, durchaus demokratisch legitimierte Minister entsandt werden. Die UNO besitzt soweit nicht mehr demokratische Legitimation.
Kritisch betrachtet werden muss ebenfalls das Prinzip, im Falle von Dumping Strafzölle zu erheben, da dies dem eigentlichen Ziel der Handelsliberalisierung entgegen wirkt.
WTO als Welthandelsdiktatur (Ein Bericht aus dem Schwarzbuch Markenfirmen)
Herkunft: laut Autor: "Ein Bericht aus dem Schwarzbuch Markenfirmen" (ISBN: 3216307158) --Revvar 16:08, 11. Dez 2005 (CET)
Literatur
- Meinhard Hilf, Stefan Oeter (Hrsg.): WTO-Recht - Rechtsordnung des Welthandels, Nomos: Baden-Baden, 2005, ISBN 3-8329-1085-9
- Timm Ebner: Streitbeilegung im Welthandelsrecht - Maßnahmen zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten, Mohr Siebeck: Tübingen, 2005, ISBN 3-16-148731-1
Siehe auch
- Weltwirtschaftsforum
- Globalisierung
- Außenhandel
- Internationaler Währungsfonds (IWF)
- Neoliberalismus
- Economic Partnership Agreement
- Portal: Wirtschaft