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Tauentzienstraße

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Tauentzienstraße
Wappen
Wappen
Straße in Berlin
Tauentzienstraße
Tauentzienstraße
Tauentzienstraße mit Blick auf Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Basisdaten
Ort Berlin
Ortsteil Charlottenburg, Schöneberg
Angelegt 1860er Jahre
Hist. Namen Tauenzienstraße
Anschluss­straßen Kurfürstendamm,
Kleiststraße
Querstraßen Rankestraße,
Marburger Straße,
Nürnberger Straße,
Passauer Straße,
Ansbacher Straße
Plätze Breitscheidplatz, Wittenbergplatz
Nutzung
Nutzergruppen Fußverkehr, Radverkehr, Autoverkehr, ÖPNV
Technische Daten
Straßenlänge ca. 500 Meter

Die Tauentzienstraße (umgangssprachlich: Der Tauentzien) ist eine zentral in der Berliner City West gelegene, rund 500 Meter lange Einkaufsstraße in den Ortsteilen Charlottenburg und Schöneberg.

Konzipiert und benannt wurde sie in den 1860er Jahren und angelegt um 1890, sie gehört zum sogenannten „Generalszug“. Zur Zeit ihrer Anlage war sie noch eine Wohnstraße, mit der Errichtung des KaDeWe im Jahr 1907 begann ihre Entwicklung hin zur Geschäftsstraße.[1] Heute ist sie als Fortsetzung des Kurfürstendamms eine der teuersten und bekanntesten Lagen Deutschlands.

Anlage

Die Tauentzienstraße wurde bereits im ersten Berliner Bebauungsplan, dem Hobrecht-Plan von 1862, der die planerische Grundlage des gesamten „Neuen Westens“ skizziert, als Tauenzinstraße benannt.[2] Sie war als Teil einer um ganz Berlin führenden Gürtelstraße mit 49 Meter Breite ausgewiesen. Als solche bildet sie den Anfang bzw. das Ende des „Generalszugs“, einer Folge breiter Straßen, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Pariser Avenuen („Boulevards“) angelegt wurde und den ganzen Südwesten Berlins durchzieht.[3] In einem königlichen Erlass vom 9. Juli 1864 und einer Kabinettsorder vom 31. Oktober des selben Jahres wurde festgehalten, dass alle Straßen und Plätze der Gürtelstraße zur Erinnerung an Schlachten bzw. Militärführer der Befreiungskriege benannt werden sollten. Die Tauentzienstraße wurde um 1890 angelegt und dem Erlass folgend nach dem preußischen General Friedrich Bogislav von Tauentzien benannt.

Die Tauentzienstraße beginnt am Breitscheidplatz und endet am Wittenbergplatz, dazwischen kreuzen oder münden in sie die Ranke-, Marburger, Nürnberger, Passauer und die Ansbacher Straße.[1] Ehemals verlief auf dem Mittelstreifen die Trasse der Straßenbahn.[3] Die Tunnel der U-Bahnlinien U1, U2 und U3 befinden sich abschnittsweise unter der Tauentzienstraße.

Verwaltungstechnisch gehört sie in ihrem Verlauf zu den Ortsteilen Charlottenburg und Schöneberg im Bezirk Tempelhof-Schöneberg.[1]

Neuer Westen und Goldene Zwanziger

Wahlkampf auf der Tauentzienstraße, 1925

Nach dem Tode ihres Vaters 1909 zog die damals achtjährige Marlene Dietrich mit ihrer Mutter in den zweiten Stock der Tauentzienstraße 13.[4] Bereits seit 1895 und ebenso wie die Dietrichs bis zum Ersten Weltkrieg, lebte im selben Haus und auch im selben Stock der Schriftsteller Hermann Sudermann mit seiner Familie,[5] der Schriftstellerin Clara Lauckner und ihrem Sohn Rolf, ebenfalls später Schriftsteller.[6] Das 1893 errichtete und 1910 für die Münchener Pschorr-Brauerei umgebaute Gebäude war unter dem Namen „Pschorr-Haus“ ein bekanntes Restaurant. Zentrum des Lokals war der hier bis 1923 tagende Schauspieler-Stammtisch.[7] Samuel Beckett war in seiner Berliner Zeit im Winter 1936/1937 ebenfalls ein prominenter Gast des Hauses.[8]

Anfang der 1920er Jahre war die Tauentzienstraße bekannt als Schwarzmarkt der exilrussischen Kolonie in Berlin („Charlottengrad“), die unter anderem rund um den Wittenbergplatz einen Sammelpunkt hatte. Der russische Soziologe Fedor Stepun zeigte sich damals schockiert von der offensichtlichen Gier auf „der ‚russischen‘ Tauentzienstraße“.[9]

Im kriegszerstörten Haus 12a (heute Nr. 9, dort erinnert eine Tafel an ihn) lebte zwischen 1910 und 1923 der Politiker und Friedensnobelpreisträger Gustav Stresemann. Im Haus Nr. 8 lebte bis 1928 der Maler Emil Nolde.[6]

Eine weitere prominente Adresse war das im ersten Stock der Tauentzienstraße 15 gelegene Café Zuntz. Anfang der 1930er Jahre als kleiner Ableger des um die Ecke gelegenen Romanischen Cafés eröffnet, wurde es ab 1934 ein Treffpunkt für antinazistische Intellektuelle.[5]

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Stolperstein Fritz Hahn, Tauentzienstraße 13a
Zerstörte Tauentzienstraße, 1945, Blick auf die Gedächtniskirche

Drei Stolpersteine erinnern an die Mitglieder einer Familie Hahn in der Hausnummer 13a, die als Juden ab 1941 deportiert und ermordet wurden.

Als zentral gelegene Straße erfuhr die Tauentzienstraße im Zweiten Weltkrieg massive Schäden durch Bombardements. Bei Kriegsende war auf der Nordseite die gesamte Bebauung bis auf zwei Häuser vollständig zerstört, auf der Südseite ebenso, hier allerdings waren zwei Gebäude teilweise wieder herstellbar, unter ihnen das KaDeWe, das im Laufe der 1950er Jahre wieder aufgebaut wurde.[10]

Nachkriegszeit

Wirtschaft

Das Kaufhaus des Westens an der Tauentzienstraße, 2005

Die Tauentzienstraße ist die am höchsten frequentierte Shoppingmeile der Stadt, an ihr liegt unter anderem mit dem KaDeWe das größte deutsche Kaufhaus. Vom Breitscheidplatz bis hin zum Wittenbergplatz (KaDeWe) reihen sich fast ausschließlich Filialen bekannter Marken aneinander, der Filialisierungsgrad liegt bei 84,8 % und weist damit nach dem Kurfürstendamm mit 84,9 % den höchsten Filialisierungsgrad aller Berliner Geschäftsstraßen auf. Vor allem konzentrieren sich in der Tauentzienstraße Warenhäuser und Modehäuser, so finden sich Filialen von Bekleidungsgeschäften wie Peek & Cloppenburg, Appelrath & Cüppers, des Schuhhauses Leiser, des Elektronikmarktes Saturn, aber auch Flagship-Stores wie von adidas oder die sogenannte „Nike Town“.[11]

Zu Spitzenzeiten erreicht die Publikumsdichte an Wochenenden bis zu 10.658 Passanten in zwei Stunden. Wegen der starken Publikumsdichte werden hier die höchsten Mieten in der Berliner City West erzielt, 2007 lagen sie hier für Standardobjekte zwischen 180 und 220 Euro/m², auf dem Kurfürstendamm hingegen „nur“ bis zu 170 Euro/m². Trotz ihrer Höhe sind die Mieten in der hoch frequentierten und voll vermieteten Straße aufgrund der hohen Nachfrage der Filialisten stabil.[11]

Sehenswürdigkeiten

Tauentzienstraße in Richtung Wittenbergplatz, 1965

Denkmalgeschützte Gebaude sind das Mitte der 1960er Jahre errichtete Europa-Center der Architekten Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg, das 1955 als Deutsches Familienkaufhaus (DEFAKA) von Paul Schwebes anstelle des kriegszerstörten „Pschorr-Haus“ in der Nummer 13 errichtete Kaufhaus sowie das 1893 bis 1895 von Alfred Messel errichtete Wohnhaus Nr. 14 und die Gebäude der Nr. 16 und Nr. 18, beide 1954 von Ernst Runge.[6]

Auf dem Straßenabschnitt zwischen Marburger und Nürnberger Straße ist seit 1987 die silberfarbene Skulptur Berlin aus Chromnickelstahl auf dem Mittelstreifen von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff aufgestellt. Sie sollte seinerzeit die Teilung der Stadt symbolisieren.[3]

In der Tauentzienstraße 9 befand sich bis 2004 das Kino Royal Palast im Europa-Center mit der bis dahin größten fest installiert gekrümmten Breitleinwand der Welt.

Weiterführende Literatur

Commons: Tauentzienstraße – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachweise

  1. a b c Tauentzienstraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert), Zugriff am 27. März 2013
  2. Übersichtskarte des Bebauungsplanes der Umgebungen Berlins. Der Bebauungsplan in Roth entworfen und vierfach ausgefertigt für das Kgl. Polizei-Präsidium, dem Magistrat von Charlottenburg. Berlin 1862, Online
  3. a b c berlin.de: Tauentzienstraße – Berlin.de, Zugriff am 27. März 2013
  4. Nicole Bröhan: Marlene Dietrich, 2007, ISBN 3897731274, S. 16
  5. a b Fred Oberhauser, Nicole Henneberg: Literarischer Führer Berlin., 1998, ISBN 3-458-33877-2, S. 352-357
  6. a b c luise-berlin.de: Tauentzienstraße – Berlin, Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Zugriff am 28. März 2013
  7. luise-berlin.de: Deutsches Familienkaufhaus – Berlin, Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Zugriff am 28. März 2013
  8. Erika Tophoven: Becketts Berlin, 2005, ISBN 3894791594, S. 20
  9. Christian Hufen: Fedor Stepun, 2001, ISBN 3931836355, S. 101
  10. alt-berlin.info: Gebäudeschäden 1945, Verlag: B. Aust i. A. des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Zugriff am 28. März 2013
  11. a b Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin / Wirtschaftsberatung: Geschäftsstraßenbericht Charlottenburg-Wilmersdorf 2006/2007, PDF, Zugriff am 28. März 2013

Koordinaten: 52° 30′ 8″ N, 13° 20′ 27″ O