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Geschichte Mannheims

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Ehemals Residenzstadt der historischen Kurpfalz bildet Mannheim bis heute das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region. An seine kulturelle Blütezeit im 18. Jahrhundert konnte es freilich nicht wieder anknüpfen, hat sich aber in seiner wechselvollen Geschichte immerhin um die Erfindung des Fahrrads, Automobils und der Landmaschinen verdient gemacht.

Die Anfänge

Das Dorf Mannenheim (Heim des Manno) wird im Jahre 766 erstmals im Kloster Lorsch urkundlich erwähnt. Lange Jahre war es ein kleines unbedeutendes Fischerdorf. 1284 fiel Mannheim an den Pfalzgrafen bei Rhein aus dem Hause Wittelsbach. Lokale Bedeutung erlangte die 1349 auf dem heutigen Lindenhof errichtete Zollburg Eichelsheim, die den Rheinschiffern einen Obolus abverlangte. 1415 wird in ihr der abgesetzte Papst Johannes XXIII. im Auftrag des Kaisers Sigismund gefangen gehalten. Durch den Sieg in der Schlacht bei Seckenheim 1462 über das Heer seiner verbündeten Gegner, des Grafen von Württemberg, des Markgrafen von Baden und des Bischofs von Metz, begründet Kurfürst Friedrich von der Pfalz "der Siegreiche" die pfälzische Vormachtstellung am mittleren Oberrhein. 1566 zählt Mannheim mit 130 steuerzahlenden Haushaltsvorständen (etwa 700 Einwohner) zu den größten Dörfern des Oberamts Heidelberg.

Entstehung einer Stadt

Rheinschanze und Zitadelle Mannheim im Jahr 1620

1606 legt Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz den Grundstein zum Bau der Festung Friedrichsburg. Die damalige Planung eines gitterförmigen Straßennetzes für die mit der Festung verbundene Bürgerstadt Mannheim ist bis heute erhalten geblieben. Auf diese in etwa gleich großen Baublöcke ist die Bezeichnung Quadratestadt zurückzuführen. 1607 erhält Mannheim von Kurfürst Friedrich IV. die Stadtprivilegien. 1622 während des Dreißigjährigen Krieges zerstört Tilly, Heerführer der katholischen Liga, Stadt und Festung. Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) wird Mannheim noch mehrfach besetzt und verwüstet. 1652 verleiht Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz erweiterte Stadtprivilegien, um den Wiederaufbau zu begünstigen. Doch bereits 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstören französische Truppen Mannheim. 1692 errichten auf dem rechten Neckarufer zurückgekehrte Bürger die Siedlung Neu-Mannheim, die 1697 durch einen Brand größtenteils vernichtet wird. Kurfürst Johann Wilhelm fordert zum Wiederaufbau der Stadt auf. Um die geflohenen Bürger zur Rückkehr zu bewegen und neue Zuwanderer anzuziehen, erlässt der Kurfürst 1698 nochmals erweiterte Privilegien. 1709 wird die Festung Friedrichsburg mit der Stadt Mannheim vereinigt.

Kultureller und politischer Aufstieg der Stadt

1720 verlegt Kurfürst Karl Philipp die Hofhaltung und die Staatsverwaltung von Heidelberg nach Mannheim und beginnt den Schlossbau (abgeschlossen 1760). Mannheim wird Residenzstadt der Kurpfalz. Es beginnt eine kurze, aber glanzvolle Prachtzeit der jungen Stadt. Der kurpfälzische Hof fördert Kunst und Musik, Wissenschaft und Handel. Aus ganz Europa strömen die Talente nach Mannheim, um am Hof des Kurfürsten zu weilen.

Besondere Wirksamkeit entfaltet die Mannheimer Schule der frühen Klassik, die Hofkapellmeister Johann Stamitz (* 1717 in Deutschbrod/Böhmen) um 1750 gründet. Die ursprüngliche Orchesterschule wird neben jener in Wien und den Bachsöhnen einer der wichtigsten "Trendsetter" im Übergang von der Musik des Spätbarock zur Wiener Klassik.

Wegen ihr kommt der junge Mozart 1777 für 1 Jahr nach Mannheim (wo er sich erstmals ernsthaft verliebt - in Aloysia Weber, die Schwester seiner späteren Frau). Johann Christian Cannabich, der Leiter des inzwischen berühmten Mannheimer Orchesters, nimmt Mozart freundschaftlich auf. Die Mannheimer Bemühungen zur Schaffung einer deutschen Oper erweisen sich für Mozart als sehr fruchtbar.

In dieser Zeit entstehen bekannte Bauwerke wie das Kaufhaus in N1 am Paradeplatz, mit dessen Bau nach Plänen von Alessandro Galli da Bibiena begonnen wird (vollendet 1747). Der Grundstein zur 1760 vollendeten Jesuitenkirche, der größten Barockkirche am Oberrhein, wird gelegt. 1763 stiftet Kurfürst Karl Theodor die kurpfälzische Akademie der Wissenschaften und 1775 die Deutsche Gesellschaft. Christian Mayer bezieht 1774 die neuerbaute Mannheimer Sternwarte. Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Friedrich Gottlieb Klopstock, Wolfgang Amadeus Mozart, Gotthold Ephraim Lessing und Christoph Martin Wieland weilen in Mannheim. Die Stadt zählt in der Jahrhundertmitte über 25.000 Einwohner.

Verlust der politischen Stellung

Belagerung Mannheims 1794/95

Um seine bayerische Erbschaft antreten zu können, muss Karl Theodor 1778 die Residenz nach München verlegen. Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg wird mit der Leitung des Nationaltheaters betraut, das der Kurfürst als Ausgleich für den Wegzug des Hofes in Mannheim bestehen lässt. Trotzdem beginnt ein wirtschaftlicher und kultureller Aderlass. Zwischen 1790 und 1794 wird der Neckar reguliert und begradigt. 1795 wird Mannheim in den Koalitionskriegen von den Franzosen besetzt; bei der Rückeroberung durch österreichische Truppen erleidet die Stadt durch Artilleriebeschuss schwere Zerstörungen. Ab 1799 werden die Festungsanlagen geschleift (bis 1821).

Die Kurpfalz wird 1803 im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses als eigenständiges Territorium aufgelöst und Mannheim fällt in der Folge an Baden. Die Stadt bildet ein eigenes Stadtamt innerhalb des Landes Baden. 1817 wird in Mannheim mit der Draisine das erste Zweirad getestet, auf der Strecke zwischen den heutigen Stadtteilen Seckenheim nach Rheinau. 1819 ermordet der demokratische Burschenschafter Karl Ludwig Sand aus politischen Gründen den reaktionären Schriftsteller und russischen Staatsrat August von Kotzebue. Die Tat löst in den Staaten des Deutschen Bundes Unterdrückungsmaßnahmen gegen nationale und liberale Bestrebungen aus (Karlsbader Beschlüsse).

Der erneute wirtschaftliche Aufschwung

Karl Mathy spricht vom Balkon des Mannheimer Rathauses, von der Mannheimer Bürgerwehr vor protestierenden Anhängern Heckers geschützt.

1828 wird am Rhein ein Freihafen eröffnet. 1831 wird durch den Abschluss der ersten Rheinschifffahrtskonvention (Mainzer Akte) Mannheim Endpunkt der Großschifffahrt auf dem Rhein. Es beginnt eine weitere Blütezeit Mannheims, die vom wirtschaftlichen Aufstieg des Bürgertums geprägt ist. 1840 wird der Rheinhafen, sowie die erste badische Eisenbahnlinie von Mannheim nach Heidelberg eröffnet. Die Badische Hauptbahn ist in einer Spurweite von 1600 mm gebaut, weswegen später ein Umbau auf Normalspur nötig wird. 1848 ist Mannheim ein Mittelpunkt der politischen und revolutionären Bewegung (siehe auch Märzrevolution). Am 27. Februar findet hier die erste Volksversammlung in Baden statt. Aus der Quadratestadt kommen prominente gemäßigte Liberale wie Friedrich Daniel Bassermann, Karl Mathy und Alexander von Soiron, Männer der Mitte wie Lorenz Brentano, aber auch radikale Demokraten wie Karl Blind, Friedrich Hecker oder Gustav von Struve. Nach Niederschlagung des badischen Volksaufstands 1849 werden zahlreiche Revolutionäre standrechtlich erschossen, so in Mannheim Karl Höfer, Valentin Streuber und Adolf von Trützschler. 1863 wird das Stadtamt Mannheim mit Gemeinden des aufgehobenen Amtes Ladenburg zum "Bezirksamt Mannheim" vereinigt.

Historische Karte von Mannheim (1888)

1865 gründete Friedrich Engelhorn die Badische Anilin- und Soda-Fabrik (BASF), aus der Farbenfabrik wird bis heute das größte Chemieunternehmen der Welt. 1868 wird die revidierte Rheinschifffahrtsakte in Mannheim unterzeichnet. Die Mannheimer Akte bildet bis heute die Rechtsgrundlage der freien Rheinschifffahrt. Der Vorläufer der Straßenbahn, die Pferdeeisenbahn wird 1878 eröffnet. 1886 lässt Carl Benz sein "Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb" patentieren und macht am 3. Juli seine erste Probefahrt: die Geburtsstunde des Automobils. Am 5. August 1888 absolviert seine Frau Bertha Benz die erste Überlandfahrt eines Autos nach Pforzheim. 1895 erwirbt die Stadt von Sandhofen die Friesenheimer Insel und beginnt mit dem Bau des Industriehafens. Die Eingemeindung Käfertals bringt das Industriegebiet Waldhof zu Mannheim. Die Stadt zählt nun über 100.000 Einwohner. Bis 1913 folgen die Eingemeindungen Neckaraus (1899), Feudenheims (1910) sowie Sandhofens und des Rheinau-Gebiets (1913). Die Gemarkungsfläche der Stadt vergrößert sich um fast 350 Prozent. Man spricht in dieser Zeit vom amerikanischem Wachstum. Zwischen 1867 und 1930 fand eine Verneunfachung der Einwohner von Mannheim und Ludwigshafen, das sich aus der alten Mannheimer Rheinschanze entwickelte, von 42.000 auf 385.000 statt. Der erste Abschnitt der elektrischen Straßenbahn geht 1900 in Betrieb.

1907 feiert Mannheim sein 300-jähriges Stadtjubiläum. Die Kunsthalle wird eröffnet. Großherzog Friedrich I. von Baden weiht den Industriehafen ein. Dort siedeln sich eine Reihe wichtiger Unternehmen an und Mannheim wird zur wichtigsten Industrie- und Handelsstadt des Südwestens.

Nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg wird Mannheim infolge der französischen Besetzung des linksrheinischen Gebiets zur Grenzstadt. 1921 stellt die Heinrich Lanz AG den ersten selbstfahrenden Rohölschlepper (Bulldog) für den landwirtschaftlichen Gebrauch vor und löste damit eine Revolution in der maschinengestützten Landwirtschaft aus. In Mannheim hat somit neben dem Fahrrad und dem Auto auch die motorisierte Landwirtschaft ihren Ursprung. 1924 wird das Bezirksamt Mannheim um die Gemeinden des aufgelösten Bezirksamts Schwetzingen erweitert. 1925 zeigt die von Gustav Hartlaub geleitete Kunsthalle die Ausstellung Neue Sachlichkeit, die einer bedeutenden Kunstrichtung der zwanziger Jahre den Namen gibt. 1928 wird mit Hermann Heimerich erstmals ein Sozialdemokrat zum Oberbürgermeister gewählt. Mit Friedrichsfeld und Seckenheim ist 1930 der Prozess der Eingemeindungen abgeschlossen.

Mannheim im Dritten Reich

1933 wird Mannheim, wo die Nationalsozialisten selbst bei der bereits durch Terror geprägten Reichstagswahl vom 5. März mit 35,5 Prozent deutlich in der Minderheit bleiben, dennoch "gleichgeschaltet". Aus dem beiden Bezirksämtern Mannheim und Weinheim entsteht 1936 der Landkreis Mannheim. 1939 scheidet die Stadt aus dem Landkreis Mannheim aus und wird eine kreisfreie Stadt, bleibt aber Sitz des Landkreises Mannheim. 1940 werden fast 2.000 Mannheimer Juden in das Internierungslager Gurs (Frankreich) deportiert. Viele werden von dort in die Vernichtungslager des Ostens verschleppt und ermordet. Während des Zweiten Weltkriegs wird Mannheim aufgrund der pausenlosen Luftangriffe fast völlig zerstört. Am Mittwoch dem 28. März 1945 findet die erste telefonische Kapitulation in der Geschichte statt. Eine Telefonistin des Wasserwerks Käfertal vermittelt die dort in den Wald vorgerückten Amerikaner in die Innenstadt. Am Donnerstag dem 29. März besetzen US-Truppen die Innenstadt. Am darauffolgenden Karfreitag ist ganz Mannheim besetzt. Die amerikanische Militärregierung setzt Josef Braun als Oberbürgermeister ein.

Wiederaufbau bis heute

Zweitstimmenergebnisse bei Bundestagswahlen bezogen auf das Stadtgebiet (die Wahlkreiseinteilung war teilweise nicht damit identisch)

Nur mühsam setzt der Wiederaufbau der Stadt ein. Schloss und Wasserturm werden wiederaufgebaut, das Nationaltheater an neuer Stelle errichtet. Immer noch herrscht Wohnungsnot. Daher werden in rascher Abfolge neue Wohngebiete (Waldhof-Ost, Vogelstang, Herzogenried, Neckaruferbebauung) erschlossen. 1967 wird Mannheim Universitätsstadt und beherbergt heute eine Reihe weiterer Hochschulen, darunter eine Berufsakademie und eine Fachhochschule.

Bei der Kreisreform zum 1. Januar 1973 wird der Landkreis Mannheim mit dem Landkreis Heidelberg und Teilen des Landkreises Sinsheim zum Rhein-Neckar-Kreis vereinigt. Mannheim verliert nach über 170 Jahren den Sitz eines Amtes beziehungsweise Landkreises, da Heidelberg Sitz des neuen Landkreises wird. Die Stadt selbst bleibt aber kreisfrei. Als "Entschädigung" hierfür wird Mannheim Sitz der neu gebildeten Region Unterer Neckar (heute Region Rhein-Neckar-Odenwald).

1975 bildet die Bundesgartenschau mit einem sommerlangen Fest einen Glanzpunkt in Luisen- und Herzogenriedpark. In jenen Jahren werden eine Reihe baulicher Maßnahmen umgesetzt: der Fernmeldeturm wird errichtet, eine zweite Rheinbrücke (Kurt-Schumacher-Brücke) wird gebaut, die "Planken" werden zur Fußgängerzone, der neue Rosengarten wird eingeweiht, der Aerobus schwebt durch Mannheim. Auch in den 80er und 90er Jahren werden eine Reihe von Großprojekten verwirklicht: Planetarium, Kunsthallenerweiterung, neues Reiß-Museum, Stadthaus, neues Maimarktgelände, Synagoge, Moschee, Landesmuseum für Technik und Arbeit, Carl-Benz-Stadion, Fahrlachtunnel.

Wirtschaftlich prägten in der jüngeren Vergangenheit die Abnahme der industriellen Arbeitsplätze Mannheim. Die Stadt versucht mit der Ausweisung von Gewerbegebieten und der Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen entgegenzuwirken. Paradebeispiel ist der Bau des Victoria-Hochhaus 2001, eines der höchsten Gebäude der Stadt.

Literatur

  • Friedrich Walter: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart; 2 Bände. Mannheim 1907
  • Friedrich Walter: Schicksal einer deutschen Stadt; 2 Bände. Frankfurt 1949-50
  • Friedrich Walter: Aufgabe und Vermächtnis einer deutschen Stadt. Frankfurt 1952
  • Hansjörg Probst: Kleine Mannheimer Stadtgeschichte. Regensburg 2005, ISBN 3-7917-1972-6