Norbert Elias
Norbert Elias (* 22. Juni 1897 in Breslau, † 1. August 1990 in Amsterdam) war Soziologe, Philosoph und Dichter deutsch-jüdischer Abstammung.
Norbert Elias ist heute durch sein Werk einer der einflussreichsten Soziologen aus Deutschland. Obwohl er lange nicht beachtet wurde und erst sehr spät (1962-1964) eine Professur in Akkra, Ghana bekam, wurde sein Werk während der siebziger Jahre zuerst in den Niederlanden, später aber auch in Deutschland und in anderen Ländern wiederendeckt. Seine wohl einflussreichste Schrift ist mit "Über den Prozeß der Zivilisation" betitelt. Dieses Werk, das Elias nach seiner Flucht aus Deutschland 1933 in England verfasste, wohin er emigrierte und wo er bis Anfang der 60er Jahre lebte, wurde 1939 veröffentlicht. Sein Gesamtwerk wird inzwischen weltweit von Soziologen wie von Historikern gleichermaßen rezipiert; seine konsequente Art, ein neues soziologisches Menschenbild zu entwickeln, hat dazu geführt, dass Norbert Elias von einem Außenseiter zu einer Mittelpunktsfigur der Sozialwissenschaften geworden ist.
Seine Prozess- und Figurationssoziologie verfolgt in allen seinen Werken einen zentralen Ansatz: Um soziale Prozesse in wirklichkeitskongruenten Theorien abbilden zu können, müssen im Mittelpunkt jeder soziologischen Forschung die Menschen und die gesellschaftlichen Verflechtungen, die sie miteinander bilden, stehen:
- „Die »Umstände«, die sich ändern, sind nichts, was gleichsam von »außen« an den Menschen herankommt; die »Umstände«, die sich ändern, sind die Beziehungen zwischen den Menschen selbst.“ (Elias in: Über den Prozeß der Zivilisation, 2. Bd.).
Norbert Elias bricht so mit der langen Denktradition, in der »die Gesellschaft« dem »als selbständig gedachten Individuum« gegenübergestellt wurde. Elias' Gedanken über das Verhältnis von »Gesellschaft« und »Individuum«, die sich in allen seinen Werken finden, führen in letzter Konsequenz zu einer Neudefinition von Begriffen wie »Identität« und »Selbstwert«, und zu einer in der Geschichte der Soziologie relativ neuartigen Sichtweise auf die Menschen und die Figurationen, die sie in sozialen Prozessen miteinander bilden. Zudem überwindet Elias damit auch die traditionelle wissenschaftliche Trennung zwischen Psychologie, Soziologie und Geschichtswissenschaft. Sein interdisziplinärer Wissenschaftsansatz der »Menschenwissenschaften« ist heute aktueller denn je.
Ausgewählte Schriften
- Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bd. (1939)
- Die Höfische Gesellschaft (1969)
- Was ist Soziologie? (1970)
- Über die Einsamkeit der Sterbenden (1982)
- Engagement und Distanzierung (1983)
- Über die Zeit (1984)
- Die Gesellschaft der Individuen (1987)
- Studien über die Deutschen (1989)
- Etablierte und Aussenseiter (1990)
- Symboltheorie (2001)