Oghusen
Die Oghusen (Eigenbezeichnung: Oğuzlar) waren ein Stammesbund und zählten zu den älteren der Turkvölker. Andere Namensvarianten sind: Guzz und Usen. Seinen Namen bekam dieser Stammesbund vom legendären Heerführer Oghus Khan, einem Feldherrn der hunnischen Turkuten, der 201 v. Chr. das alte Kirgisenreich unterworfen haben soll und nach Auffassung der modernen türkischen Geschichtsforschung mit Mete Khan (also mit Mao Tun) identisch ist.
Die Oghusen und ihre Untergruppen
Nach dem Ende des Hunnenreiches gehörten die Oghus-Stämme zum Reich der Rouran und begründeten schließlich 552 mit Bumin Khagan und dessen "Osttürken" das erste Göktürken-Reich. Sie begannen mit der Aufteilung beziehungsweise der Organisation dieses Reiches ein eigenständiges Herrschaftsgebiet aufzubauen. Ihr Siedlungsgebiet befand sich im Bereich des Flusses Selenge, ihr Fürst beanspruchte bald den eigenständigen Titel Oghus-yabgu. Mit der Teilung des Göktürken-Reiches beherrschten vor allem die Oghusen den Westen des einstigen Reiches: Dadurch wurden sie zu den ersten Völkern, die die Geschichte nur als "Westtürken" kannte.
Die oghusischen Stämme führten sich auf die Söhne Oghus Khans zurück: Damit kam es zur Bildung zweier Stämme mit insgesamt 24 Klans. Auf die Söhne Oghus Khans, Gün Khan , Ay Khan und Yildiz Khan, führte sich der Stamm der Bozoklar zurück. Die Bozoklar zerfielen in 12 Klans: Kayilar, Bayitlar, Alkaevliler, Karaevliler, Yazirlar, Dodurgalar, Dögerler, Yaparlilar, Avsarlar, Begdililer, Kiziklar und Karkinlar. Der weitaus bedeutendere Stamm war jedoch der der Ücoklar, der sich auf die Söhne Gök Khan, Dag Khan und Deniz Khan zurückführte und von dessen 12 Klans einige zu großer Bedeutung aufstiegen: Bayindirlar, Pecenekler, Cavuldurlar, Cepniler, Salgurlar, Eymürler, Alayuntlular, Yüregirler, Igdirler, Bügdüzler, Yivalar und Kiniklar. Die "Pecenekler" sind die für Osteuropa so bedeutenden Petschenegen. Die für die weitere Geschichte so bedeutenden Seldschuken und Osmanen führten sich a.) auf die Kinik (oder auch: Kynyk) und b.) auf die Kayi zurück.
Flucht und Landnahme am Aralsee
Zur Zeit des zweiten Kök-Türkenreiches mußten u.a. 716-18 von dem Schad Kül-Tegin (einem Sohn des Reichsgründers Ilteris) Aufstände der Oghusen in der heutigen Mongolei niedergeschlagen werden. 744/45 wurde das zweite Kök-Türken-Reich (681-745) von einer Allianz der Uyghuren und Karluken beseitigt, die danach aber nur kurz zusammenarbeitete. Es kam binnen zwei Jahren zu Konflikten, bei denen die Karluken den kürzeren zogen und fortan als Vasallen der Uiguren betrachtet wurden. In drei Aufständen 747-750, 752-753, 757-759 erhoben sich auch die Oghusen in der Mongolei und am Altai erfolglos gegen die Vorherrschaft der Uiguren.
Während die Karluken nun ihre Herrschaft am Altai und am Talas/Tschu begründeten, mußten die schwächern Oghusen (vor ihnen und den Uiguren) noch weiter nach Westen ausweichen und sich gegen 775 am Aralsee und dem untere Syr-darja niederlassen. Dort gerieten sie um 889/93 mit dem Samaniden-Emir Ismael († 907) in Konflikt, der sowohl Oghusen als auch Karluken schlug. Die Oghusen verdrängten daraufhin 889 die Petschenegen am Ural-Fluß, während die Karluken nach ihrer Niederlage am Talas 893 ihren Druck auf das Samanidenreich schon bald wieder erhöhten.
Oghusen & Seldschuken
Das Oghusenreich etablierte sich seit dem 8. Jahrhundert im Ustplateau. Das ist die Region zwischen Aralsee und Kaspischen Meer. Reichshauptstadt war Yengi-Kent. Einige Oghusen lebten auch östlich des Aral und nördlich vom Jaxartes (Syrdarja). Die Oghusen führten überwiegend ein unstetes Nomadenleben und ihre Behausung war die Yurt - die Jurte. Doch sie hatten auch die Oberherrschaft über mehrere Städte: Yengi-Kent, Cend, Sabran, Atlih, Salic, Ordu und Balac waren die bedeutendsten von ihnen. Mit der Zeit wurde ein Teil der Oghusen seßhaft und zu Händlern.
Im 11. Jahrhundert nomadisierten lose organisierte Oghusen-Banden über ein großes Gebiet, nicht ohne Konflikte mit ihren Nachbarn:
a) Ein Teil zog schließlich nach Süden und ließen sich im einstigen samanidischen Gebiet nieder. Das geschah zur Zeit der Seldschuken im 11. Jahrhundert und betraf die Gebiete Maveraünnehir, Chorassan, Nord- und Mitteliran. Dukak Khan (der Vater Seldschuks) bekam von den Chasaren den Titel Temür-yalig (der Eisenere Bogen) verliehen, da er als Söldner in deren Diensten stand. Um 903 starb Dukak und dessen Sohn Seldschuk trat die Nachfolge an; aber in Gegensatz zu seinem Vater trat er in die Söldnerdienste des Oghus-yabgu und dieser nahm ihn als Ziehsohn auf. Um 1000 flüchtete Seldschuk nach Cend und begründete von dort aus seine eigene Dynastie - die späteren "Seldschuken" klinkten sich nun aus der gemeinsamen Oghus-Geschichte aus.
b) Um 1054 zog eine andere Gruppe der Oghusen (von den Byzantinern "Uzoi" d.h. Uzen genannt) quasi als Vorhut der Kyptschaken auf den Balkan, wo sie 1065 vernichtet wurde.
Sprachliche Assimilierung
Bis zur Islamisierung der Oghusen war das vereinende Element die Sprache, obschon die Nomaden ein reines und die Stadtbewohner ein eher verderbtes Türkisch sprachen: Mit der Übernahme des Islam und der arabischen Schrift wurde die Sprache mit arabischen und persischen Lehnwörtern geradezu überflutet und es kam nun zu einer Art "Dreiteilung" im Stammesgebiet der Oghusen: Die Nomaden sprachen weiterhin reines Türkisch und wurden von den Stadtbewohnern als Türkmen (= Turkmenen) und die Halbseßhaften als Türk (= Türken) bezeichnet. Die Stadtbevölkerung nannte sich weiterhin Oghusen.
Mit der (fortschreitenden?) Islamisierung wurde "Türkmen" (Turkmenen) als Bezeichnung für die muslimischen Oghusen übernommen, während sich die Stadtbevölkerung nun selbst als "Türk" bezeichneten - nun waren die Nomaden und Halbseßhaften die Oghusen.
Die modernen Nachfolger
Die Stämme der alten Oghusen sind die unmittelbaren Vorfahren der heutigen Gagausen, Turkmenen, Türken und Aserbaidschaner.