Stalking
Mögliche Stalking-Handlungen
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Körperliches Attackieren oder die Ausübung von körperlicher Gewalt, kommt nicht häufig vor und wird strafrechtlich durch andere Gesetze erfasst. Häufig sind es eher die eher "leichten" Stalking-Handlungen, wie etwa das Telefonieren oder das Aufhalten in der Nähe des Opfers, die den überwiegenden Anteil der Gesamtheit aller Handlungen ausmachen. Aber bereits diese leichten Formen rufen beim Opfer psychische und physische Reaktionen hervor, die sich im Verlauf des Stalking entsprechend steigern und individuell zu ernsthaften Erkrankungen führen können.
Opfer und Täter
Auch wenn jeder Mensch Opfer von Stalking werden kann und sich Opfer und Täter nicht notwendigerweise kennen müssen, sind nach bisherigen Erkenntnissen am häufigsten Personen betroffen, die eine Beziehung oder Ehe beendet, oder einen Beziehungswunsch zurückgewiesen haben. Aber auch Berufsgruppen mit Kundenverkehr, Patienten oder Klienten, können Opfer eines Stalkers werden, wenn dieser sich selbst als Opfer einer Beratung, einer Behandlung oder eines Rechtsstreites - oder ähnlichem - sieht. Und auch wenn das Phänomen des Stalking bei Prominenten zuerst aufgefallen ist, scheinen diese nicht die Mehrheit der Opfer auszumachen.
Täter scheinen meist ehemalige Beziehungspartner oder abgewiesene Verehrer zu sein, aber auch Arbeitskollegen und Nachbarn befinden sich häufig darunter. In einigen Fällen ist dem Opfer der Täter aber überhaupt nicht bekannt und gehört auch nicht zum näheren persönlichen, beruflichen oder wohnlichen Umfeld. In manchen Fällen scheint das Phänomen der Übertragung ursächlich zu sein, wenn ein Täter für empfundene seelische oder körperliche Verletzungen (o.ä.) das Opfer verantwortlich macht, weil dieses Merkmale oder Ähnlichkeiten mit dem eigentlichen Veursacher aufweist, und somit für die erlittene Kränkung (o.ä.) "büßen" soll. Ein Teil der Täter weisen erhebliche psychische Erkrankungen auf.
Zu Geschlecht und Sozialer Herkunft typischer Stalking-Täter und Opfer gibt es bislang nur erste nich repräsentative Studien. Danach wird davon Ausgegangen, dass bei schweren Stalkinghandlungen, die mit physischer Gewalt verbunden sind, zu über 80% Frauen die Opfer sind. Bei leichten Stalkingfällen, die ca. 97% der registrierten Tätlichkeiten ausmachen, geht man von einem Anteil von ca. 40% männlicher Opfer aus. Zu berücksichtigen ist bei dem Anzeigeverhalten jedoch auch, dass die Erfassung genauer Zahlen dadurch erschwert wird, dass es sich häufig um "emotionale Beziehungstaten" handelt die selten zur Anzeige kommen und, dass sich Männer aufgrund ihrer Geschlechterrolle möglicherweise seltener als Opfer sehen und von daher ihre Stalking-Erfahrungen seltener offenlegen.
Psychologische Einteilung in Gruppen
Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathe und Purcell teilen die Stalker in fünf Gruppen ein, ausgehend von deren Motivation und Beziehungsverhältnis:
X | Gruppe | Motivation | Beziehungsverhältnis |
1 | Zurückgewiesene Stalker | Gefühl der Demütigung, Zurückweisung u.a. | meist Ex-Partner |
2 | Beziehungssuchende Stalker | Fehlwahrnehmungen der Beziehungsbereitschaft des Opfers, häufig Liebeswahn | Persönliches und weiteres Umfeld des Opfers |
3 | Intellektuell retardierte Stalker | Ungenügende Sozialkompetenz, überschreiten Grenzen | Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) |
4 | Rachsüchtige Stalker | sehen sich fälschlicherweise selbst als, oder sind, Opfer der von Ihnen gestalkten Opfer | weiteres, temporäres Umfeld (z.B. Arzt oder Rechtsanwalt als Opfer) |
5 | Erotomane, morbide, krankhafte S. | Kontrolle / Dominanz - meist psychopathische Persönlichkeit | Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) |
Quelle: Mullen, P. E., Pathé, M. & Purcell, "Stalkers and their victims", Cambridge University Press, Cambridge
Gesundheitliche und soziale Folgen
Ein Grossteil der Opfer leidet unter vegetativen Erscheinungen, wie etwa Unruhe (Schreckhaftigkeit), Kopfschmerzen, Angstsymptomen, Schlafstörungen und Magenbeschwerden und der daraus resultierenden geistigen und körperlichen Erschöpfung. Viele sind schnell gereizt und reagieren dann situationsbedingt unbegründet aggressiv. Ein nicht geringer Teil der Opfer leidet unter depressiven Verstimmungen, einige darunter unter Depressionen.
Vor allem bei Opfern, denen aufgelauert wird, oder die körperlich verfolgt werden, zeigen sich rasch tendenziell pathogene Verhaltensmuster, wie etwa Vermeidungsverhalten, Abkapselung (Vereinsamung) oder Kontrollverhalten. So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundenen Situation auch das Opfer auf den Stalker fixiert.
Nach sehr langer und intensiver Verfolgung soll es, in sehr seltenen Extremfällen, zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung kommen, wie sie vergleichsweise bei Soldaten nach unmenschlichen Kriegserlebnissen auftreten können, die diese psychisch nicht verarbeiten konnten.
Fallzahlen
Eine quantitative Erfassung von Stalkingopfern und Tätern gibt es bisher noch nicht nicht, da Stalking im Strafrecht bisher nicht berücksichtigt wurde.
Strafrechtliche Aspekte
Gegenwärtige Gesetzeslage
Ein eigener Straftatbestand zum Schutze gegen Stalking besteht in der Bundesrepublik Deutschland derzeit noch nicht. Zwar erfüllen viele Handlungen von Stalkern bereits heute Straftatbestände (z.B. Hausfriedensbruch, Körperverletzung oder sexuelle Nötigung), ein eigenständiger Tatbestand ist hingegen nicht Gegenstand des deutschen Strafrechts.
Strafrechtliche Praxis
Opfer von Stalking haben allerdings die Möglichkeit, bei Gericht Schutzanordnungen gegen den Stalker zu erwirken, die auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erlassen werden können und z. B. aus der Anordnung bestehen können, sich der Wohnung des Opfers nicht zu nähern.
Soweit auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes eine Unterlassungsverfügung gegen eine Stalkerin/einen Stalker erlassen wird und dieser gegen die in der Verfügung festgelegten Verbote verstößt, stellt dieser Verstoß ein strafbares Verhalten nach Vorlage:Zitat de § Gewaltschutzgesetz dar. Streng genommen handelt es sich dabei dann nicht um die Strafbarkeit von Stalking an sich, sondern vielmehr um die Strafbarkeit wegen Missachtung einer gerichtlichen Anordnung.
Entwicklung
Im August 2005 wurde durch das Bundeskabinett ein Gesetzentwurf verabschiedet, der einen neuen Vorlage:Zitat de § für das Strafgesetzbuch (StGB) vorsieht. Der Absatz 1 des im "Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellung" dargelegten Paragraphen lautet wie folgt:
"Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
1. seine räumliche Nähe aufsucht,
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen, oder
4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahestehenden Person bedroht,
und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend und unzumutbar beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Jedoch wird die Notwendigkeit eines Gesetzes, bzw. dieses Gesetzesentwurfes kontrovers diskutiert, da man der Ansicht ist, die bestehenden Gesetze würden den Betroffenen ausreichende Möglichkeiten zur Strafverfolgung bieten. Vielmehr sollten die bestehenden straf-, zivil- und polizeirechtlichen Möglichkeiten konsequenter angewendet werden. Außerdem wird konkrete Kritik am dargestellten Gesetzentwurf geübt, z. B. hinsichtlich der Verfassungskonformität infolge der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe.
Rechtliche Mittel
Das Problem "Stalking" tritt bei Gerichten, Staatsanwälten und der Polizei erst allmählich ins Bewusstsein. In den USA ist das Phänomen Stalking weitaus bekannter als in Deutschland. Es existieren nur wenige Kliniken, die sich auf die Behandlung von Stalkern spezialisiert haben. Ein durchschnittlicher Stalkingfall dauert ca. ein Jahr. Es sind Fälle bekannt, wo ein Stalker sein Opfer zehn Jahre belästigte. Oft hatten Stalker und Opfer eine mittel- oder langfristige Liebesbeziehung vor Beginn des Stalking.
Literatur
- Sachbuch
- Andrea Weiß, Heidi Winterer, "Stalking und häusliche Gewalt", Lambertus-Verlag, August 2005, ISBN 378411587X
- Sandra Fiebig, "Stalking. Hintergründe und Interventionsmöglichkeiten", August 2005, ISBN 3828888763
- Harald Dreßing, Peter Gass, "Stalking!", Verlag Hans Huber, Juni 2005, ISBN 3456841965
- Julia Bettermann, Moetje Feenders, "Stalking", Verlag für Polizeiwissenschaft, März 2004, ISBN 3935979363
- Susanne Schumacher, "Stalking. Geliebt, verfolgt, gehetzt", Hainholz, 2004, ISBN 3932622898
- Pechstaedt, Volkmar von: "Rechtsschutz gegen Stalking: Rechtliche Grundlagen und Probleme", Fachbuch (Göttingen: Hainholz, 2004, ISBN 3-932622-97-9)
- Jens Hoffmann, Hans-Georg W. Voss, "Psychologie des Stalking (Hrsg.)" Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt a.M., Mai 2005, ISBN 3-935979-54-1
- Roman
- Annemarie Schoenle, Du gehörst mir , Droemer - Knaur, 2004, ISBN 3426196220
- McEwan, Ian: "Liebeswahn", Roman (Zürich: Diogenes, 1998)
Siehe auch:
Weblinks
- Studie des "Weißen Rings" zu Stalking
- Studie zu Stalking in Deutschland
- Website des Frauenmagazins "Mona Lisa" zum Thema "Stalking"
- www.3sat.de 3sat-Bericht zum Thema Stalking
- Ausführliche Betrachtung des Themas (58 Seiten, PDF)
- www.aerztezeitung.de Stalking - Ärztezeitung
- http://www.stalkingforschung.de/ TU Darmstadt - Institut für Psychologie - Arbeitsgruppe "Stalkingforschung"
- http://www.no-stalking.de Stalking - Hilfe für die Opfer
- "Der Troll, der mich liebte". Stalking in den Medien des Internets - eine rechtliche Betrachtung Telepolis 20. August 2004
- http://www.bmj.bund.de/enid/2ae5d108b221cbf2a1bdfdf3d2276229,0/Rat_fuer_Stalking-Opfer/Ma_nahmen_zum_Schutz_von_Stalking-Opfern_sr.html Offizielle Seite des Bundesjustizministeriums über den Gesetzesentwurf zum Tatbestand der Nachstellung
- http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/inneres/polizei/broschueren/stalking-infoblatt-pdf,property=source.pdf Stalking-Informationsblatt der Polizei Hamburg (PDF)