Fachwerkhaus
Fachwerk ist im Gebäudebau eine gewicht– und materialsparende Stabkonstruktion.
Das Fachwerkhaus (Schweizerisch: Riegelhaus) hat ein tragendes Gerüst aus Holz (Ständerbauweise), die Zwischenräume sind meist mit einem Holz-Lehm-Verbund oder Ziegelwerk gefüllt. Fachwerkbauweise war vom Hochmittelalter bis in das 19. Jahrhundert eine der vorherschenden Bauweisen und in Mitteleuropa nördlich der Alpen bis nach England verbreitet.

Konstruktion
Bauteile

Man unterscheidet dabei zwischen dem mittel- und oberdeutschen Firstsäulenbau sowie dem niederdeutschen Zweiständerbau bzw. dem Vierständerhaus. Der Fachwerkbau ist ein Skelettbau.
Die vertikalen Hölzer werden als Pfosten, Stiel, Stütze, Stab oder Ständer, die leicht schräg stehenden als Strebe,oder Schwertung bezeichnet, die horizontalen als Schwelle, Rähm, Riegel oder Pfette. Im Winkel von meist 45° verlaufende Hölzer zur Querstabilisierung nennt man Bänder oder Bug, sie verbinden die senkrecht aufeinander stehenden Teile. Streben sind oft symmetrisch angeordnet und zeigen dann oft nach oben und außen.
Die Hölzer haben einen Querschnitt von 10 x 10 bis 18 x 18 cm. Aufeinander treffende Teile werden meist verzapft und mit Holznägeln gesichert. Dabei werden die Löcher leicht versetzt gebohrt, damit die Zapfen ins Zapfenloch gezogen werden. Die verwendeten Holznägel haben einen Druchmesser von etwa 2 cm und sind mindestens 2 cm länger als die Stärke des Balkens beträgt, sie stehen über.
siehe auch:
- Diese Darstellung gibt einen Überblick über die Elemente einer Fachwerkwand.
- Die Mechanischen Grundlagen eines Fachwerks behandelt der Artikel Fachwerk (Mechanik).
Material
Als Holzart wird zumeist Stieleiche oder Traubeneiche, in nadelholzreichen Gebieten Tanne verwendet, da sie witterungsbeständig sind und Fäulnis widerstehen. Welches hohe Alter solche Hölzer erreichen können, darauf wird im Kapitel Geschichte eingegangen.
Die Zwischenräume (das Gefach) werden entweder mit einem Holzgeflecht mit Lehmbewurf ausfüllt, mit sichtigen Backsteinen ausgemauert, oder mit Lehmbausteinen verbaut und verputzt.
Die erstgennannte Technik leitet sich von der Flechtwerkwand ab, die als eine der ältesten Baukonstruktionen gelten kann.
Das Holzgeflecht ist entweder aus festen Hölzern von rundem oder rechteckigem Querschnitt, den Staken oder Staketen, oder aus biegsamen Ruten aus einem Holz wie Weide. Der technische Vorteil des Lehm-Holz-Verbundes – und in geringerem Maße auch der (ungebrannten) Lehmziegel – ist, dass sie sich den Verformungen der Holzkonstruktion, dem Arbeiten, viel besser anpassen. Aus diesem Grund ist die Methode – obwohl Lehm schon im Mittelalter den Ruf eines ärmlichen Baumaterials hatte – bis in das letzte Jahrhundert üblich gewesen, und wird auch bei modernen Renovierungen wieder angewandt, wobei hochwertige Thermolehme zum Einsatz kommen.
Schmuckformen im Fachwerk
Beim Fachwerkbau gibt es unter anderem folgende Schmuckformen:
- Andreaskreuz
- Mann, eine Form des Strebenkreuzes in diversen Varianten
- Stil mit Fußbändern
- Kreuzfries
- Schrägkreuzfries
- Sonnenscheiben
- Treppenfries (ca. 1470-1520)
- Bügel- oder Trapezfries (ca. 1500-1540)
- Laubstab (ca. 1520-1550)
- Fächerfries (ca. 1535-1560)
- Kettenfries (ca. 1550-1670)
- Diamantband (als Steigerung des Kettenfrieses)
- Inschriften (z.B. Nisi Dominus Frustra; Psalm 127)
- Knaggen (die Konsolen) verziert mit Heiligenfiguren, Roll- und Volutenformen oder Kerben
Geschichte

Seit dem hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war der Fachwerkbau die am weitesten verbreitete Bauweise für Hochbauten nördlich der Alpen. Fachwerkbauten sind jedoch auch aus den holzreichen Gegenden des ehemaligen osmanischen Reiches von Bulgarien bis Syrien bekannt. Der Lehm als Ausfachungsmaterial ließ sich einfach und kostengünstig vor Ort ausgraben (oft aus der Baugrube). Auch Holz war meist eher verfügbar als geeignete Steine und ließ sich vor allem leichter transportieren (auf dem Wasserwege geflößt).
Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Verzimmerung unterscheiden: der ältere mittelaterliche Ständerbau (auch Geschossbau oder Säulenbau genannt), bei dem die Wandständer von der Schwelle bis zum Traufrähm durchgehen und der jüngere ab etwa 1600 gebräuchliche Rähmbau (auch Stockwerksbau genannt), bei dem jedes Stockwerk als in sich geschlossene "Kiste" hergestellt und diese „Kisten“ übereinander gestapelt werden. Hier kommt es oft vor, dass das obere Stockwerk etwas über dem unteren Stockwerk hervorragt. Neben senkrechten und waagerechten Hölzern sind auch schräg verlaufende Hölzer notwendig, um das Gefüge zu stabilisieren.
Konstruktivisch änderte sich der Rähmbau nicht mehr, lediglich die Schmuckformen änderten sich über die Jahrhunderte. Besonders in der Anordnung der schrägen Hölzer kam es in jüngerer Zeit (seit dem 15. Jahrhundert) zu schmuckartigen Gestaltungen. Gestaltungsmöglichkeiten boten darüber hinaus geschnitzte Reliefs, Muster oder Inschriften. Hier werden in Deutschland drei Stilgruppen unterschieden. Es ist Alemannische Fachwerk, das vor allem im süddeutschen Raum zu finden ist. Eine weitere Stilgruppe ist das Fränkische Fachwerk, das vor allem in Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu finden ist. Und schließlich das Niedersächsische Fachwerk, das vor allem im norddeutschen Raum vorkommt. Die Grenzen waren aber nicht statisch, so findet sich etwa in Paulinzella (Ortsteil von Rottenbach (Thüringen)) der Zinzboden des ehemaligen Klosters. Er wurde im 15. Jahrhundert mit alemannische Fachwerk errichtet.
Bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Alter der Fachwerkbauten anhand der konstruktiven und der stilistischen Merkmale bestimmt. Mithilfe der Dendrochronologie (naturwissenschaftliche Methode der Holzaltersbestimmung) konnte in den letzten Jahrzehnten das Alter zahlreicher Fachwerkbauten exakter bestimmt werden, wobei die ältesten erhaltenen Bauten in Süddeutschland aus dem 13. Jahrhundert und in Norddeutschland aus dem 15. Jahrhundert stammen.
Verbreitung
Deutschland

Trotz der verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit haben sich in Deutschland noch über eine Million Fachwerkbauten erhalten. Der Fachwerkbau bestimmt noch heute das Bild ganzer Altstädte und Dorfkerne. In der Gegenwart sind eigentlich nur die südlichen Teile Bayerns weitgehend fachwerkfrei. Allerdings finden sich hier verwandte Konstruktionsarten, etwa das Bundwerk.
Der deutsche Fachwerkbau überrascht durch die Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionsdetails und Schmuckelemente. Die regionalen Unterschiede sind sehr groß, einige Grundmuster haben sich jedoch über weite Teile, meist stammverwandter Gebiete ausgebreitet. So finden sich etwa typische Vertreter des „fränkischen“ Fachwerkbaues bis hinein ins Elsaß, das „alemannische“ Fachwerk findet sich in ähnlicher Form in Südwestdeutschland, der Schweiz und Vorarlberg. Der niedersächsische Fachwerkbau fällt besonders durch seine reichen, geschnitzten Schmuckformen auf, die in Mittel- und Süddeutschland wesentlich seltener auftreten. Hier fallen dafür die phantasievollen Fachwerkfigurationen ins Auge (geschweifte Andreaskreuze unter anderem), besonders im fränkischen Fachwerkgebiet.
Eine interessante Sonderform sind die lausitzer Umgebindehäuser, in denen sich der slawische Blockbau und der deutsche Fachwerkbau verbinden.
Schweiz

Frankreich

Während das Elsass wegen seiner Geschichte und Kultur überwiegend dem fränkischen und alemannischen, also deutschen Fachwerkgebiet zuzurechnen ist, weisen besonders die Normandie und die Champagne noch eine Vielzahl an typisch französischen Fachwerken auf. Hier haben allerdings die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts große Verluste mit sich gebracht. Geschlossene Stadtbilder finden sich noch im Rouen und Troyes, sowie einigen kleineren Orten.
Die Normandie besitzt zahlreiche kleinere Herrenhäuser aus Fachwerk, auch die übrige ländliche Architektur ist stark fachwerkgeprägt. Die Streben französischer Fachwerke sind oft sehr dünn und stehen senkrecht dicht nebeneinander, die Balken und Füllhölzer sind wesentlich unregelmäßiger als etwa bei deutschen Bauten. Dies ist aber offensichtlich nicht auf handwerkliches Unvermögen zurückzuführen, der unregelmäßige Wuchs des Bauholzes war offenbar meist ein bewusst intergriertes Gestaltungsmittel. Die reichen Schnitzereien mancher, besonders normannischer Fachwerke dokumentieren die hochstehende Handwerkskunst der französischen Zimmerleute eindrucksvoll.
Nachmittelalterlichen Bauten weisen oft einfache Andreaskreuze oder rautenförmige Figurationen auf. Ein besonderes Kennzeichen sind die geschwungenen Giebelblenden, die im 19. Jahrhundert auch in Deutschland gerne nachgeahmt wurden.
England

Auch die mittelalterliche Wohnarchitektur Englands war stark vom Fachwerkbau geprägt, der oft starke Ähnlichkeiten mit dem französischen aufweist. Manche Zierformen erinnern hingegen mehr an deutsche Beispiele, gelegentlich werden diese im Reichtum der Figuration sogar übertroffen.
Zahlreiche englische Städte weisen noch schöne Beispiele auf, ein guterhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen Stadt ist das nordenglische York.
Gegenwart
Die Fachwerkbauweise wird heute wieder bei Fertighäusern benutzt, allerdings werden die Gefache heute meist mit Ziegeln oder so genannten Sandwich-Konstruktionen ausgefüllt. Eine Weiterentwicklung ist die Holztafelbauweise oder System-Holzbau / Ingenieur-Holzbau.
Fachwerkhäuser sind sehr zeitbeständig, vor allem wenn der so genannte „Konstruktive Holzschutz“ zur Anwendung kommt, das heißt dass verschiedene Hölzer entsprechend ihrer Eigenschaften eingesetzt werden, oder ein Holzschutz durch bauliche Maßnahmen erreicht wird. Beispiel: Für Außenverkleidungen aus Holz werden gerne sehr harz- oder paraffinhaltige Hölzer verwendet und Fassadenschutz kann baulich durch große Dachvorsprünge verbessert werden. Auch können sie abgebaut und wieder aufgebaut werden.
In den letzten Jahrzehnten wurden viele Fachwerkhäuser restauriert und verputzte Fachwerke oft wieder freigelegt. Allerdings wurden viele dieser freigelegten Bauten ursprünglich nicht als Sichtfachwerke geplant, das Fachwerk ist hier rein konstruktiv. Oft sollte ein repräsentativer Steinbau vorgetäuscht werden, durch das Abschlagen des Putzes wird der ursprüngliche Charakter des Hauses stark verfälscht. Auch spätere Fenstereinbrüche und sonstige Veränderungen sprechen manchmal gegen eine Freilegung. In einigen alten Städten und Dörfern verbirgt sich noch so manches schöne Fachwerk hinter dicken Putzschichten, das verputzte Ortsbild ist aber seinerseits - als historisch gewachsenes Denkmal - erhaltenswert (Dinkelsbühl).
Neben der Restaurierung und Freilegung historischer Fachwerkbauten ist seit etwa 20 Jahren auch die vollständige oder teilweise Rekonstruktion kriegszerstörter Einzeldenkmäler oder Fachwerkensembles zu beobachten, die in der Fachwelt jedoch nicht unumstritten ist. Auf dem Frankfurter Römer wurde eine Platzseite nachgebaut, in Hildesheim gar der gesamte Marktplatz rekonstruiert. Im Zuge dieses Wiederaufbaues ist auch das angeblich „schönste Fachwerkhaus der Welt“, das Knochenhaueramtshaus wiedererstanden.
Siehe auch
Literatur
Überblickswerke
- G. Ulrich Großmann: Der Fachwerkbau in Deutschland. Das historische Fachwerkhaus, seine Entstehung, Farbgebung, Nutzung und Restaurierung. 2. Auflage, Köln 1998
- Wolfgang Lenze: Fachwerkhäuser, restaurieren – sanieren - modernisieren. 3. überarbeitete Aufl. 2004, ISBN 3-8167-6431-2
Einzelne Regionen
- Wilhelm Hansen und Herbert Kreft: Fachwerk im Weserraum. Hameln 1980
- Herbert Nicke: Bergisches Fachwerk. Ein Streifzug durch Architektur und Geschichte des rechtsrheinischen Fachwerkbaus, Martina Galunder-Verlag: Wiehl 1996, ISBN 3-931251-10-1
- Ursula Pfistermeister: Fachwerk in Franken. Nürnberg 1993
- Hermann Dieter Oemler: Fachwerk in Wernigerode, Oemler-Verlag: Wernigerode 1999, ISBN 3-9805751-1-X
- Robert Slawski: Braunschweiger Fachwerk, Braunschweig 1988
- Buchreihe: Das Bürgerhaus... z.B. in Braunschweig, Verlag Ernst Wasmuth Tübingen