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Sprachgebrauch in der DDR

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Unter DDR-Sprache wollen wir sprachliche Erscheinungen verstehen, die vor allem in Lexik und Stilistik sowohl im Alltag wie auch in den Medien anzutreffen waren.

1. Neologismen (Neuwörter), die sich vom übrigen deutschen Sprachraum unterschieden, z.T. auch aus dem Russischen stammten

  • Aktendulli - Heftstreifen
  • Bonbon - Parteiabzeichen
  • Bückeware (Bückware) - Tauschware, Schieberware, eigentlich Waren, die nur durch Bücken (unter den Ladentisch) zu erhalten waren
  • Brigade - eine für einen bestimmten Bereich verantwortliche Arbeitsgruppe
  • Broiler, Goldbroiler - Grillhähnchen
  • Datsche (aus dem Russ.) - Ferien- oder Gartenhäuschen im Grünen
  • Dispatcher(englischen Ursprungs aus dem Russ.) - Einsatzleiter, Koordinator
  • Elaste (pl.) - siehe Plaste (pl.)
  • Goldbroiler s. Broiler
  • Jahresendprämie - Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt
  • Kader(-abteilung, -akte, usw.) - Personal(-abteilung, -akte, usw.)
  • Kaffee komplett - Kaffee mit Milch und Zucker
  • Kaufhalle - Supermarkt
  • Kollektiv - Arbeitsgruppe
  • Kombinat - mit einem Konzern vergleichbarer Zusammenschluss von Betrieben
  • Konsum (Betonung auf der ersten Silbe) - kleines (genossenschaftlich geführtes) Lebensmittelgeschäft
  • Kulturschaffende - Schriftsteller, dichtende Arbeiter, Musiker, Maler und wohl auch Kulturfunktionäre(?), wohl um den "bürgerlichen" Begriff Künstler zu vermeiden
  • Pionierlager - Kinderferienlager
  • Plaste (als Einzahl verstanden (s. Duden), falsche Verwendung eines Plural), z.B. "aus Plaste" - Plastik, Kunststoff
  • platziert werden - im Restaurant den Platz zugewiesen bekommen
  • Polylux - Overheadprojektor
  • Schwangerschaftsabbruch, -unterbrechung - Abtreibung
  • Sekundärrohstoffe - (wiederverwertbare) Abfälle
  • Subbotnik (aus dem Russ.) - ursprünglich unbezahlter freiwilliger Arbeitseinsatz am Sonnabend

Siehe:

"Geflügelte Jahresendfigur" für Engel stammt laut obigem Wörterbuch aus dem "Eulenspiegel", war eine satirische Erfindung als Reaktion auf die sonst offizielle Vermeidung von christlichen Begriffen

2. Losungen und stereotype Wendungen

  • antifaschistischer Schutzwall - Mauer
  • Berlin - Hauptstadt der DDR
  • Deutsche Demokratische Republik (vor allem mit Verschlucken von Zwischensilben)
  • Greif zur Feder, Kumpel!
  • Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzender des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
  • Kampf- und Feiertag der Werktätigen - 1. Mai

PS: Offiziell wurden zum 1. Mai in der DDR seitenlange "Losungen" herausgegeben.

3. spaßhafte bzw. ironische Wörter und Wendungen, z.B. für Gebäude in Berlin

Berlin:

  • Palast der Republik
    • Erichs Lampenladen
    • Erichs Datsche am Kanal
    • Ballast der Republik (sächsische Aussprache, auch mit einem Witz verbunden)
  • Fernsehturm: Telespargel
  • Haus des Lehrers: Bauchbinde

Raum Dresden: Tal der Ahnungslosen (weil der Empfang von westlichen Fernsehstationen nicht möglich war), deswegen auch die Deutung der Abkürzung ARD (s.u.)

4. humoristische bzw. sächsische Deutung von Abkürzungen

  • ZDF-ARD - Zentrales Deutsches Fernsehen Außer Raum Dresden
  • EDV - Eggönömisch Dechnisch'r Vordschridd, auch: Ende der Vernunft

5. Projektionsworte, die westlichen Medien als angebliche DDR-Idiomatismen einführten, aber in der DDR nie Sprachgut waren:

  • Apparat und
  • Apparatnik, Apparat(t)schik - ein (SED-)Parteifunktionär, der aus der Sicht des Apparates, der Parteibürokratie, denkt, redet und handelt
  • Sudel-Ede
  • Vopo

Siehe:

BRD-Sprache