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Otto Schily

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Otto Schily

Otto Georg Schily (* 20. Juli 1932 in Bochum) ist ein deutscher Politiker (SPD).

Von 1998 bis 2005 war er Bundesminister des Innern.

Leben

Ausbildung und Tätigkeit als Rechtsanwalt

Schily ist der Sohn einer Anthroposophen-Familie. Sein Vater Franz war promovierter Hüttendirektor. Schily wuchs in Bochum und ab Kriegsende in Garmisch-Partenkirchen im Ortsteil Partenkirchen auf. Nach dem Abitur am Werdenfels-Gymnasium studierte Schily Rechts- und Politikwissenschaften in München, Hamburg und Berlin bis zum Zweiten juristischen Staatsexamen 1962. Seit 1963 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.

Während des Studiums engagierte Schily sich politisch und stand dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) nahe. Er freundete sich mit Rudi Dutschke und Horst Mahler an, war Vertreter der Nebenklage im Benno Ohnesorg-Prozess.

1971 verteidigte er den damals der RAF nahe stehenden Horst Mahler. 1975 bis 77 war er Strafverteidiger der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin. Schily war dabei einer der größten Zweifler am kollektiven Suizid der Terroristen. Er machte den Staat für die Tat verantwortlich. In der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 1977 war er bei der Obduktion von Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Ensslin anwesend.

Mitbegründer der Grünen

Otto Schily bei einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Münchner Marienplatz am 10.9.2005

1980 wurde er Mitbegründer der Partei Die Grünen, für die er 1981 bei der vorgezogenen Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin auch kandidierte. 1983 wurde er in den Deutschen Bundestag gewählt und war Mitglied der ersten Grünen-Bundestagsfraktion. Gemeinsam mit Marieluise Beck-Oberdorf und Petra Kelly übte er bis 1984 im Sprecherrat die Funktion des Fraktionsvorsitzenden aus. Innerhalb der Grünen galt Schily zu dieser Zeit als Realo, trat für eine mögliche Koalition mit der SPD ein.

Wegen des damals bei den Grünen noch herrschenden Rotationsprinzips schied er im März 1986 aus dem Bundestag aus. 1987 wurde er erneut in den Bundestag gewählt. Nachdem er 1989 mit seiner Kandidatur für den Fraktionsvorstand der Grünen scheiterte, trat er am 2. November 1989 bei den Grünen aus, legte sein Bundestagsmandat nieder und wurde Mitglied der SPD.

SPD-Politiker

Seit 1989 ist er für die SPD Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1993 bis 1994 übernahm er den Vorsitz des Treuhand-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 1998 war er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

Schily leitete als Alterspräsident die konstituierenden Sitzungen des Deutschen Bundestages in den Jahren 2002 und 2005.

In der 14. Wahlperiode war er Mitglied der Richterwahlkommison, des Vermittlungsausschusses sowie stellv. Mitglied des Innen- und Rechtsausschusses und des gemeinsamen Ausschusses nach Artikel a53 GG. Am 9. November 1994 wurde er zum stellv. SPD-Fraktionsvorsitzenden gewählt.

In der 16. Wahlperiode wurde Otto Schily zum ordentlichen Mitglied im Auswärtigen Ausschuss gewählt.

Bundesinnenminister

Datei:Innenminister G8.jpg
Otto Schily (oben links) beim Treffen der G8-Minister für Inneres und Justiz, Foto: U.S. Department of Justice

Nach dem Sieg von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 wurde Schily am 27. Oktober 1998 zum Bundesminister des Innern ernannt.

Schily war vor allem für die Verschärfung von Gesetzen und Verordnungen nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA verantwortlich. Seine zwei Sicherheitspakete wurden in der Presse in Anspielung auf den Verkaufskatalog des gleichnamigen Versandhauses als Otto-Kataloge bezeichnet.

Ebenfalls 2001 scheiterte er vor dem Bundesverfassungsgericht mit einem Verbotsantrag gegen die rechtsextremistische NPD aus formalen Gründen.

Schily gilt allgemein als ein Verfechter von Law and Order. Als Innenminister setzte er sich für die Einführung von Reisepässen mit biometrischen Merkmalen ein, welche seit Oktober 2005 ausgestellt werden. Seine Vorschläge stießen in der Koalition häufig auf Skepsis. Relativ nahe stand er mit seinen Vorschlägen dafür häufiger den Unionsparteien.

Am 10. Mai 2005 kündigte er einen Nationalen Plan zum Schutz der Informationsinfrastrukturen in Deutschland an. Dieser soll gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erarbeitet werden. Dabei sollen neue Strategien zur Bekämpfung von Angriffen von Hackern und Viren entwickelt werden.

Am 15. Juli 2005 sagte Schily als Zeuge vor dem Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestages aus. Es ging um die Vergabe von Touristenvisa für Deutschland an der deutschen Botschaft in Kiew im Zusammenhang mit dem so genannten Volmer-Erlass.

Im September 2005 ist Schily für den BKA-Einsatz in den Redaktionräumen des Magazins Cicero verantwortlich, welcher zu einer heftigen Diskussion über Pressefreiheit führte.

Am 18. Oktober 2005, dem Tag der Konstituierung des 16. Deutschen Bundestages, wurde er gemeinsam mit den übrigen Bundesministern aus dem Amt entlassen und gleichzeitig von Bundespräsident Horst Köhler mit der Wahrnehmung der Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung beauftragt. Nach der Wahl von Angela Merkel zu Bundeskanzlerin schied er am 22. November 2005 endgültig aus dem Amt.

Es werden Vorwürfe gegen Schily erhoben, weil er als Bundesinnenminister am 31. Mai 2004 durch den US-amerikanischen Botschafter Dan Coats über den Fall des deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri informiert wurde und anschließend bis Herbst 2005 der Bitte des Botschafters nachkam, diesbezüglich Stillschweigen zu bewahren. Khaled el-Masri war nach derzeitigem Sachstand im Jahre 2003 durch die CIA nach Afghanistan entführt, gefoltert und schließlich im Mai 2004 heimlich zurückgeflogen und in einem Wald in Albanien ohne Erklärungen ausgesetzt worden. Die Oppositionsfraktionen im Bundestag haben eine Aktuelle Stunde über die Vorgänge beantragt. Schily äußerte, er habe zu einem Zeitpunkt, wo er hätte eingreifen können, keine Informationen bekommen, die ihn in die Lage versetzt hätten, dafür zu sorgen, dass einem deutschen Staatsbürger kein Leid geschähe.

Privates

Schily ist in zweiter Ehe mit Linda Tatjana verheiratet und hat zwei Kinder aus erster Ehe: Jenny (* 1967) und Anna (* 1981). Sein Bruder Dr. Konrad Schily ist Arzt und wurde bei der Bundestagswahl 2005 für die FDP in den Deutschen Bundestag gewählt.

Ehrungen

Schily wurde am 20. Juni 2001 mit dem Bayerischen Verdienstorden und am 29. Juni 2004 mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Am 28. Oktober 2005 wurde Schily mit dem Negativpreis Big Brother Lifetime Award 2005 ausgezeichnet. Gewürdigt wurde er „für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte und für seine hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung“. Schily hatte den Preis bereits 2001 für den ersten „Otto-Katalog“ erhalten.

Politische Positionen

Schily wird heute oftmals als Vertreter des "Law & Order" bezeichnet, vor allem bedingt durch seine konsequenten Vorschläge auf dem Gebiet der inneren Sicherheit. Kritiker meinen, Schily stehe aufgrund seiner Vorstellungen zur Terrorismusbekämpfung, Zuwanderungspolitik und Einschränkung des Datenschutzes der Union (insbesondere der CSU) näher als der SPD. Dieses zeige sich auch dadurch, dass er nicht lediglich auf innenpolitische Großereignisse reagiere, sonderen bereits über eine größere Anzahl fertig ausgearbeiteter Vorschläge für Gesetzesverschärfungen verfüge, die passend zu den jeweiligen Ereignissen als Vorschlag präsentiert und dann sofort umgesetzt werden könnten.

Siehe auch

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