Vihuela
Vihuela | |
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engl.: Vihuela, ital.: Vihuela | |
Vihuela aus dem 16. Jahrhundert | |
Klassifikation | Chordophon Zupfinstrument |
Verwandte Instrumente | Gitarre, Mandoline, Laute
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Die Vihuela ist ein spanisches Zupfinstrument, das im 16. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte. Sie gehört zur Gruppe der Kastenhalslauten und kann, wie die europäische Laute, als ein Vorgänger der modernen Gitarre angesehen werden.
Konstruktion
Der eher ovale Korpus der Vihuela war an beiden Seiten leicht eingeflankt und verfügte über einen flachen Boden, der mit der Decke durch Zargen verbunden war. Die Decke war mit einem oder mehreren Schalllöchern und meist kunstvoll geschnitzten Rosetten versehen. Auf der Decke war weiters ein Querriegel (Steg) zur Befestigung der Darmsaiten angebracht; oft mit Ornamenten geschmückt. Als Holz für Boden und Zargen diente wohl Ahorn; für die Decke eher Fichte.
Das Griffbrett war noch nicht aufgesetzt, sondern eben aus dem Deckenholz gearbeitet und besaß meist 10 bis 12 Darmbünde. Die Besaitung war streng chörig und beschränkte sich meist auf 6 Darmsaitenpaare. Die Kopfplatte war flach und hatte im Gegensatz zur Laute hinterständige Wirbel aus Holz.
Wie aus ikonografischen Darstellungen und Abbildungen ersichtlich, waren viele Instrumente fein und aufwendig mit Einlegearbeiten und Intarsien verziert. Als Materialien dienten hierfür wohl Elfenbein, Schildpatt, Perlmutt, Ebenholz und in kostbaren Fällen sogar Gold.
Stimmungen
Die allgemeine und wohl am weitesten verbreitete Stimmung der Vihuela entsprach prinzipiell der der Renaissance-Laute. Unterschiede bestanden jedoch darin, dass alle Chöre der Vihuela unisono, bei der Laute jedoch ab dem 4. Chor in Oktaven gestimmt wurden. Außerdem verfügte die Vihuela meist über keine Chanterelle, also eine höchste Melodiesaite, sondern war chörig bespannt.
Die Stimmung lautete für sechschörige Vihuela: Quart - Quart - große Terz - Quart - Quart. Die Stimmung begann meist vom G oder A aus oder orientierte sich an der Zerreißgrenze des höchsten Saitenpaares.
Von dieser Stimmung gab es regionale Abweichungen und Modifikationen. Juan Bermudo, ein spanischer Theoretiker, berichtet auch über Instrumente mit sieben Chören, diese dürften aber nicht von großer Bedeutung gewesen sein.
Frühe Quellen und Belege
Erste Abbildungen der Vihuela sind in den Cantigas de Santa Maria aus dem 13. Jahrhundert von Alfons X. zu finden. Auch die ersten schriftlichen Erwähnungen, meist in Romanen, stammen aus dieser Zeit. Hier sind folgende Quellen zu nennen:
- Libro de Apolonio (um 1250)
- Milagros de Nuestra Señora und Libro de Alixandre von Gonzalo de Berceo (13. Jh.)
- El Libro de Buen Amor (1330) von Juan Ruiz
Im Jahr 1484 erscheint in Neapel Johannes Tinctoris' Traktat De inventione et usu musicae, in dem er die Vihuela als eine Erfindung der Spanier beschrieb und sie baulich klar von der Laute abgrenzte. Außerdem wurde sie in Italien Viola da mano genannt und wurde laut Tinctoris auch dort gerne gespielt.
Noten- und Lehrwerke
In der Zeit zwischen 1530 und 1580, dem siglo de oro der Vihuela, wurden zahlreiche Notenausgaben und Lehrwerke speziell für dieses Instrument geschrieben. Annala und Mätlik[1] nennen für den Zeitraum von 42 Jahren (1536-1578) elf Titel, darunter Werke von Luis de Milan, Luys de Narváez, Alonso de Mudarra, Enríquez de Valderrábano, Diego Pisador oder Miguel de Fuenllana. Sieben der wichtigsten Bücher liegen in einer modernen Edition auf CD-ROM vor[2].
Varianten
- Vihuela de Mano: Sie wurde mit den Fingern gezupft.
- Vihuela de Pendola: Sie wurde mit einem Plektrum (Vogelfederkiel) gespielt.
- Vihuela de Arco: Sie wurde mit dem Bogen gestrichen und kann somit zur Familie der Streichinstrumente gezählt werden.
Erhaltene historische Vihuelas
Nach heutiger Kenntnis sind lediglich drei historische Vihuelas erhalten[3].
- Vihuela Guadelupe (Musée Jacquemart-André, Paris)
- Vihuela Chambure (Cité de la musique, Paris)
- Quito-Vihuela (Iglesia de la Compañía de Jesús, Quito)
Bei der Vihuela Guadelupe dürfte es sich aufgrund der sehr langen Mensur (rund 800 mm) um eine Bass-Vihuela handeln. Dies erscheint glaubwürdig, da gerade in der Renaissance viele Instrumente in sogenannten Familien, also in verschiedenen Stimmlagen gebaut wurden. Außerdem kann es sich bei dem Instrument um keine normale „Standardgröße“ handeln, da praktische Versuche, damalige Literatur aus den Vihuela-Büchern zu spielen, misslangen. Diese Vihuela ist oben abgebildet.
Das in Quito gefundene Exemplar stammt ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert. Mit den spanischen Entdeckern gelangte auch Kultur und Musik und somit die Tradition der Vihuela nach Südamerika.
Siehe auch
- Luis de Milán (um 1500–1561), spanischer Vihuelist
- Enríquez de Valderrábano (um 1500–1577), spanischer Komponist für die Vihuela
- Miguel de Fuenllana (um 1500–1579), spanischer Komponist für die Vihuela
- Christof Stählin (* 1942), Kabarettist, der seine poetischen Lieder auf der Vihuela begleitet
Literatur
- Victor Anand Coelho (Hrsg.): Performance on Lute, Guitar, and Vihuela: Historical Practice and Modern Interpretation 1998, Cambridge Univ. Pr. ISBN 0-521-45528-6
- Carlos González, Gerardo Arriaga, Javier Somoza: Libros de Música para Vihuela 1536-1576. CD-ROM, Ópera Tres y Música Prima, 2003 ISBN 978-84-95609-41-0
- Frank Koonce: The Renaissance Vihuela & Guitar in Sixteenth-Century Spain. Mel Bay, Pacific 2008 ISBN 978-0-78667-822-8
- Oliver Schöner: Die Vihuela de mano im Spanien des 16. Jahrhunderts. (Europäische Hochschulschriften, Reihe 36, Bd. 198) Frankfurt/Main u.a. 1999 ISBN 3-631-35117-8