Geschichte Chiles
Die Geschichte des südamerikanischen Landes Chile beginnt mit der Besiedlung vor etwa 30.000 Jahren. Im 16. Jahrhundert begannen spanische Conquistadores, die Region zu unterwerfen und zu besiedeln, bis Chile im frühen 19. Jahrhundert die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht erlangte. Die weitere Entwicklung Chiles bis zum Zweiten Weltkrieg war geprägt von der Förderung von Salpeter und später Kupfer. Zwar führte der Rohstoffreichtum zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch zu Abhängigkeit und sogar Kriegen mit den Nachbarstaaten. Nach einem Jahrzehnt unter christdemokratischer Präsidentschaft wurde 1970 der sozialistische Präsident Salvador Allende zum Präsidenten gewählt. Der Putsch des General Augusto Pinochet am 11. September 1973 leitete eine 17jährige Diktatur und radikale marktorientierte Wirtschaftsreformen ein. Seit 1988 befindet sich Chile in der Transition zu einer Demokratie.
Geschichte bis 1520
Etwa um 30.000 v.Chr. kamen die ersten Menschen über die Beringstraße nach Amerika. Von dort zog sich die Besiedlung südwärts, bis 10.000 v.Chr. wurde schließlich Feuerland an der Südspitze Südamerikas erreicht. Die ersten Siedler auf dem Gebiet des heutigen Chile waren wandernde Mapuche-Indianer, die um 13.000 v.Chr. in den fruchtbaren Andentälern und in den Oasen im Hochland der Atacama-Wüste siedelten. Die klimatischen Verhältnisse, besonders die extreme Trockenheit der ausgedehnten Atacama-Wüste verhinderten eine dichtere Besiedlung. Etwa von 8000 bis 2000 v.Chr. existierte im Valle de Arica die Chinchorro-Kultur, die als älteste weltweit ihre Toten mumifizierte. Etwa 2000 v.Chr. kommen im Großen Norden Landwirtschaft und Viehzucht auf. Um 600 nach Chr. werden die Rapa Nui (Osterinseln) von südöstasiatischen Völkern besiedelt, die nach 400 Jahren ihre Blütezeit erleben und die berühmten Moai errichten.
Zahlreiche weitere Ethnien lebten vor der Ankunft der Spanier auf dem heutigen Gebiet von Chile: Changos, Atacameños und Aimaras bevölkerten den Norden Chiles im Gebiet zwischen den Flüssen Lanca und Río Copiapó. Weiter südlich bis zum Fluss Río Aconcagua lebten die Diaguitas. Diese vier Ethnien waren Fischer, Bauern, Jäger und Handwerker, die untereinander Handel trieben. Sie lebten in Stammes- und Familienverbänden. In süd-östlicher Richtung des Reloncaví-Fjords wurde die Kordillere von den Chiquillanes und Poyas bewohnt, welche Jäger und Sammler waren. Im äußersten Süden des Landes bis zur Magellanstraße lebten die Chonos und die Alakaluf, auf Feuerland die Alakaluf, Yámana, Selk'nam und Haush.
Als Túpac Yupanqui 1471 als 10. Inka die Herrschaft übernahm, drangen die Inkas weit in Chile ein. In seiner Regierungszeit bis 1493 eroberten die Inka die Gebiete bis zum Río Maule südlich von Curicó. Hier trafen sie auf massiven Widerstand der Mapuche, sodass ein Vordringen weiter in den Süden unmöglich war. Die nördlichen Ureinwohner wurden fast alle von den Inkas beherrscht, so wurde z.B. der Stamm der Picunche bereits früh von den Inka zu Frondiensten herangezogen. Die Inka bauten in der Nähe von San Pedro de Atacama die Festung Pukará de Quitor, die auf einer früheren Befestigungsanlage der Atacameños aufbaute. Hier kam es 1540 zu Kämpfen mit den eindringenden Spaniern.
Spanische Besiedlung
Conquista

Der erste Europäer, der chilenischen Boden betrat, war Ferdinand Magellan im Jahr 1520 in der Gegend des heutigen Punta Arenas, nach ihm wurde die Magellanstraße benannt. Diese Region hieß bei den Indianern Tchili, eine Bezeichnung für Schnee. Dadurch entstand der Name Chile. Andere führen den Namen auf die Quechua-Bezeichnung chili (wo die Welt zu Ende ist) für die Region des heutigen Chiles zurück.

1533 eroberten spanische Truppen unter Francisco Pizarro im Handstreich das Inka-Reich, kamen jedoch nicht in das durch Atacama-Wüste und Anden isolierte heutige Chile. Die ersten Europäer, die das Nueva Toldedo genannte Gebiet auf dem Landweg erreichten, waren Diego de Almagro und seine Gefolgschaft, die 1535 von Cuzco in Peru kommend nach Gold suchten, ohne jedoch fündig zu werden. Am 4. Juni 1536 erreichte Diego de Almagro das Copiapó-Tal. Er sandte seinen Gefolgsmann Gómez de Alvarado Richtung Süden. Bis zum Río Maule trafen sie kaum auf Widerstand. Am Río Itata wurden sie in schwere Kämpfe mit den Mapuche verwickelt und mußten sich zurückziehen. Zwischen Pizarro und Almagro kommt es zum Streit, der in einen kriegsähnlichen Konflikt eskaliert und 1538 mit der Ermordung Almagros und 1540 der Pizarros seinen Höhepunkt findet.

Erst Jahre später, um 1540, machte sich Pedro de Valdivia, ein Offizier unter Pizarro, auf den Weg von Peru nach Chile, begleitet von etwa hundert Soldaten und Abenteurern. Dort errichtete er trotz Widerstand der Mapuche-Indianer die ersten europäischen Siedlungen. Im Zuge dieser Landnahme wurden Santiago (am 12. Februar 1541 unter dem Namen Santiago de la Nueva Extremadura - Nueva Toledo wurde inzwischen Nueva Extremadura genannt), La Serena und Valparaíso als kleine befestigte Siedlungen gegründet. Die Indianer wehrten sich schnell: Schon im September 1541 griffen sie Santiago an. Den Spaniern standen rund 20.000 Mapuche gegenüber, kurz vor der Niederlage, konnte die Geliebte von Pedro de Valdivia Ines de Suárez mit einem Einfall das Blatt noch wenden. Daraufhin flohen die Indianer in Panik in die Wälder zurück.
Krieg der Mapuche

Die Spanier erweiterten ihr Herrschaftsgebiet nach Süden, gründeten 1550 Concepción und 1552 Valdivia. Die Mapuche unter ihrem Führer Lautaro leisteten heftigen Widerstand. Im Herbst 1553 schlugen sie die spanischen Truppen bei Fort Tucapel und töteten Pedro de Valdivia, angeblich nahmen sie ihn gefangen und zwangen ihn, flüssiges Gold zu trinken. Die Indianer zerstörten die meisten der von Siedlern gegründeten Städte.
Der neue Gouverneur von Chile García Hurtado de Mendoza verfolgte die Mapuche noch gnadenloser. Auf seinen Befehl startete Francisco de Villagra einen Feldzug gegen die Mapuche. Am 26. Februar 1554 scheiterte er kläglich in der Schlacht von Marigueñu. Die Mapuche konnten danach eine reihe spanischer Siedlungen wieder zerstören. Nach dem Fall von Concepción 1555 marschierten sie auf Santiago de Chile zu. Die Mapuche zogen sich allerdings überraschend nach der Zerstörung der Festung Peteroa zurück, da sie einen stärkeren spanischen Angriff erwarteten. Pedro de Villagrán, dem Kommandanten der Festung Imperial, gelang es in einem nächtlichen Überraschungsangriff Lautaro am 1. April 1557 zu töten.
Alonso de Ercilla y Zúñiga ein spanischer Schriftsteller sollte die Feldzüge von seines Vorgesetzten García Hurtado de Mendoza in Chile in den Jahren 1557 - 1559 beschreiben. Sein Roman La Araucana beschrieb allerdings das Gegenteil, was sich der Gouverneur wünschte. Es prangerte die Greueltaten der Konquistadoren und deren Gier nach Gold und Macht an. Es stellt insbesondere der Heldenmut der einheimischen Araukaner heraus. Basis seines Roman war der Mapuche-Kriegshäuptling Caupolicán, der 1558 auf dem Feldzug grausam von den Spaniern umgebracht wurde.
Am 16. Dezember 1575 wurde Valdivia von einem sehr schweren Erdbeben zerstört, dessen Stärke in der Nähe des stärksten bekannten Bebens vom 22. Mai 1960 geschätzt wird. Das Beben führte zu starken Erdrutschen und verschüttete den Abfluss des Riñihue-Sees. Dieser staute sich auf und der gebildete Damm brach 4 Monate später und überflutete die Stadt. Der Verwalter der Stadt und Chronist Chiles Pedro Mariño de Lobera kümmerte sich um den Wiederaufbau und die Hilfe für die Opfer.
1597 wurde Pelantaro zum neuen Kriegshäuptling (Toqui) der Mapuche gewählt. Mit ihm begannen massive Angriffe auf die Städte Valdivia, Osorno, sowie viele andere Städte um und in Araukanien. 1599 fiel Valdivia in die Hände der Mapuche und die Spanier gaben die Stadt für einige Jahrzehnte auf. Gouverneur Alfonso de Ribera mußte die spanischen Truppen hinter den Río Bío Bío zurückziehen. 1641 schlossen die Spanier den Friedensvertrag von Quillín mit den Mapuche, den den Río Bío Bío als Grenze vorsah. Der Friedensvertrag hielt allerdings nur wenige Jahre, danach versuchten die Spanier immer wieder die verlorenen Gebiete zurückzuerobern, allerdings mit wenig Erfolg. 1770 wurde die spanische Armee vernichtend von Pehuenchen und Mapuchegruppen geschlagen. Erst über hundert Jahre später 1883 gelang es chilenischen und argentinischen Truppen, die Mapuche- und Pehuenchengebiete endgültig zurückzugewinnen. Dieser 300 Jahre langer Konflikt wird als Krieg von Arauco bezeichnet. Bis schwelt der Konflikt weiter, so haben im Jahre 2000 die Mapuche aus Protest gegen die Landverteilung in Chile das Büro der Europäischen Union in Santiago de Chile besetzt.
Wirtschaftliche und Gesellschaftliche Entwicklung
Da in Chile die Gold- noch Silbervorkommen sehr früh ausgebeutet waren, blieb das Land weitgehend unbeachtet und entwickelte sich vergleichsweise langsam. Landwirtschaft bildete den wichtigsten Wirtschaftszweig. Die fruchtbaren Täler von Zentral-Chile versorgten die Bevölkerung im nördlichen Peru mit Nahrungsmitteln. Auch hier setzte sich das Hacienda bzw. später Encomienda genannte System durch, bei dem die indígenas durch ein System aus Patronage und Repression de facto als Sklaven gehalten wurden. Immer wieder wurde die Sklavenhaltung offiziell (von europäischen Herrschern) verboten und wieder eingeführt, ohne an der faktischen Unterdrückung etwas zu ändern.
1578 plünderte Francis Drake im Auftrag der englischen Krone den Hafen von Valparaíso und versucht vergeblich, La Serena zu überfallen. In den folgenden Jahrzehnten kommt es immer wieder zu Angriffen englischer Piraten. Neben den indianischen Angriffen behinderten schwere Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche die Entwicklung des Landes. Viele Städte wurden komplett zerstört, wie z.B. Valdivia 1575, Concepción 1570 und 1751. Am 13. Mai 1647 zerstörte ein schweres Erdbeben Santiago de Chile, wobei 12.000 Menschen starben, 1730 und1783 folgen weitere verheerendes Beben. Neben den englischen Freibeutern behindern zwischen 1598 und 1723 auch holländische Händler und Piraten die spanische Kolonialherrschaft.
Der schottische Seefahrer Alexander Selkirk überlebt nach einem Schiffbruch vier Jahre lang alleine auf einer Insel des Juan-Fernández-Archipels. Seine Geschichte gilt als Vorbild für Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe von 1719.
Koloniale Verwaltungsgliederung
Während der spanischen Kolonialzeit war Chile Bestandteil des 1542 gegründeten spanischen Vizekönigreiches Peru. 1609 wurde die Real Audiencia de Chile eingeführt, sie ermöglichte eine weitgehend autonome Rechtsprechung innerhalb des Landes, z.B. wenn es um Wasserrechte ging. 1778 änderten die Spanier den Status der chilenischen Provinzen: Chile wurde zum eigenständigen Generalkapitanat innerhalb des spanischen Königreiches. Bereits ab 1749 begann man eigene Gold- und Silbermünzen zu prägen.
siehe auch : Liste der Gouverneure Chiles
Die Unabhängigkeit

Die Kolonialmacht Spanien unterlag in Europa 1808 dem Ansturm von Napoléon Bonaparte, der seinen Bruder Joseph auf den spanischen Thron hob. Dagegen erhob sich in Chile am 18. September (dem heutigen Nationalfeiertag Chiles) eine königstreue spanische Junta de Gobierno als Widerstandsgruppe, die auch ein eigenes Heer aufstellte. Sofort beginnt ein Bürgerkrieg zwischen königstreuen realistas und liberalen patriotas unter ihrem Führer José Miguel Carrera. 1812 erarbeitete eine Gruppe von Chilenen unter der Führung der diktatorisch herrschenden Brüder Carrera eine Verfassung, die unter der formellen Herrschaft des spanischen Königs die weitgehende Selbstständigkeit Chiles vorsah. 1813 löst Bernardo O'Higgins Carrera als Heerschef der Patrioten ab.
Spanische Truppen unter General Mariano Osorio aus Peru gingen daraufhin bei Valdivia an Land und zogen gegen die patriotas zu Felde. Wie in allen südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfen bekämpften vor allem sich Kreolen untereinander. Die chilenische Befreiungsarmee unter José Miguel Carrera und Bernardo O'Higgins wurde am 1. Oktober 1814 in der Schlacht von Rancagua von den spanischen Truppen aufgerieben, die Heerführer der Chilenen flohen nach Argentinien. Die Zeit zwischen 1814 und 1817 nennt man die Zeit der Reconquista. Mit Unterstützung des Argentiniers José de San Martín stellten sie ein gemeinsames Heer gegen die Spanier auf. Sie überquerten die Anden, besiegten die weit größere spanische Armee am 12. Februar 1817 in der Schlacht von Chacabuco.

Chile proklamierte am 12. Februar 1818 seine Unabhängigkeit, kurz später am 5. April 1818 errangen die Patrioten in der Schlacht von Maipú einen weiteren wichtigen Sieg. 1820 eroberte die chilenische Flotte unter Thomas Cochrane die Stadt Valdivia zurück, aber erst 1826 waren die letzten Spanier, die sich auf die Insel Chiloé zurückgezogen hatten, endgültig besiegt. Als Bürgerkrieg geht der Konflikt ungebrochen weiter: Im Guerra a muerte bekämpfen sich Patrioten und Monarchisten bis zur Präsidentschaft Portales 1833.
O'Higgins wurde zum ersten Präsidenten Chiles, tatsächlich herrscht er als Director Supremo diktatorisch. Er versuchte sich an Sozialreformen, scheiterte aber am Widerstand der Großgrundbesitzer und musste 1823 zurücktreten. Er starb im Exil in Peru. Im folgenden Kampf zwischen Liberalen und Konservativen setzte sich der reformfeindliche Großgrundbesitz durch: 1833 wurde eine autoritär geprägte Präsidialverfassung verabschiedet, die dem Führer der Konservativen, Diego Portales Palazuelos auf den Leib geschneidert war.
Die Autoritäre Republik
Mit der Vizepräsidentschaft Portales beginnt die sogenannte Ära der "Autoritären Republik". Die Verfassung von 1833 blieb bis 1925 bestehen. Portales wird 1837 ermordet. 1851 wird Manuel Montt ins Präsidentenamt gewählt, dass er mit Unterbrechungen bis 1861 inne hält. In diesem Jahr entsteht auch die Partido Radical (Radikale Partei).
Das Schulsystem wurde eingeführt und das Kulturleben erfuhr eine Blüte: 1843 wird die Universidad de Chile gegründet, 1888 die Pontificia Universidad Católica. Der Venezolaner Andrés Bello erarbeitete das Bürgerliche Gesetzbuch Chiles, den Código Civil de Chile. Es trat am 1. Januar 1857 in Kraft. 1853 führte die chilenische Post die ersten Briefmarken ein.
Im Zuge des Aufschwungs der Wirtschaft gewannen die Liberalen wieder stärker an Einfluss. Durch die 1836 erfolgte Vereinigung von Bolivien und Peru sahen sich Chile und Argentinien bedroht, ihr Eingreifen führte zum Peruanisch-Bolivianischen Konföderationskrieg, der bis 1839 andauerte.
1859 kam es in Copiapó und Chañarcillo zur Revolución Constituyente. Der Minenbesitzer Emiterio Goyenechea führte in der Atacama-Region seine eigene Silberwährung ein. Die Regierung von Manuel Montt Torres entsandte daraufhin Truppen um die Revolution niederzuschlagen. Am 29. April 1859 schlug eine Armeeeinheit unter Leutnant Salvador Urrutia die Revolutionäre von General Pedro León Gallo bei La Serena.
1865 und 1866 erfolgte ein letztes Aufbäumen der alten Kolonialmacht Spanien im Spanisch-Südamerikanischen Krieg. Diesmal waren Chile und Peru Verbündete, die die spanischen Angriffe von See letztendlich abwehrten.
Kolonisation
1845 erlaubt das Ley de la Colonización die Einwanderung und Besiedlung nördlich von Copiapó und südlich des Río Bío Bío. Knapp zehn Jahre später begann eine grösse Einwanderung von Deutschen, welche sich insbesondere in den Gebieten um den Llanquihue-See, Osorno und Puerto Montt ansiedelten.
1890 gibt die Regierung die Dawson-Insel zur Besiedlung frei. Zwei Jahrzehnte später sind die dort lebenden Kawéskar und Ona ausgerottet.
1881 wurde im Süden Chiles der letzte große Aufstand der Mapuche niedergeschlagen. Das Indianerland wurde an Siedler vergeben. In der Region südlich von Temuco gründeten Einwanderer - viele von ihnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz - zahlreiche neue Städte auf ehemaligem Indianergebiet.
Der wirtschaftliche Aufschwung im 19. Jahrhundert
In der Folge behielten die konservativen Grundbesitzer ihre dominierende Rolle im Staat. Durch die Stabilität des Landes florierte die Wirtschaft.
Die Landwirtschaft wurde ausgebaut.

1851 wurde die erste Eisenbahn von Caldera nach Copiapó gebaut, und man begann mit der Ausbeutung von Chiles Bodenschätzen. 1852 beginnt in Lota und Coronel der Abbau von Kohle. Schon 1832 wurde in Chañarcillo (50 km südlich von Copiapó) eine große Silberlagerstätte entdeckt, damit wurde Chile zu einem der größten Silberproduzenten der Welt für Jahrzehnte. Doch ein Rohstoff stellte in seiner Bedeutung alle anderen bei weitem in den Schatten: Salpeter. Schon 1820 hatte der Naturforscher Mariano de Rivero im Norden Chiles Salpeterlager (Chilesalpeter, Natriumnitrat) gefunden. 1873 begann der Abbau durch die Salpeter- und Eisenbahngesellschaft von Antofagasta. 1913 machte Nitrat, die zur Produktion von Dünger und Sprengstoff verwendet werden, unglaubliche 71% der chilenischen Exporte aus (Kupfer als zweitwichtigstes Gut nur 7%). Oberschicht und Minenbesitzer erlangten schnell einen unglaublichen Reichtum, während die Lage der Arbeiter erbärmlich war. 1884 erlangt Chile mit Antofagasta und der Provinz Atacama von Bolivien den Besitz weiterer Salpetervorkommen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt der Kupferbergau in großem Maßstab hinzu. Ab 1904 begann in Sewell der Kupferabbau, sowie in Chuquicamata 1914. Neue elektrolytische Verfahren erlaubten Chile im großen Stil Kupfer zu produzieren und zu exportieren. Doch erst während der Weltwirtschaftskrise verdrängt Kupfer Salpeter als wichtigstes Exportgut, was es bis heute geblieben ist.,
siehe auch Wirtschaft Chiles
Der Salpeterkrieg
Hauptartikel: Salpeterkrieg
Der Salpeterkrieg (spanisch: Guerra del Pacifico), den Chile von 1878 bis 1883 gegen Bolivien und Peru führte, war eine Auseinandersetzung um das Gebiet um Antofagasta und die heutige chilenische Provinz Atacama. Grund waren die dort liegenden immensen Nitratvorkommen.
Chilenische Unternehmen begannen das Nitrat abzubauen, was Peru und Bolivien 1873 den Anlass für eine geheime Allianz gab, mit der Zielsetzung die chilenischen Gesellschaften zu übernehmen. Bolivien wurde 1874 die Kontrolle über das Gebiet zugesichert, unter der Bedingung, dass die chilenischen Firmen 25 Jahre lang keine Steuern zahlen müssen.
1878 verlangte der bolivanische Präsident Hilarión Daza dennoch Steuern von den chilenischen Unternehmen und provozierte damit eine chilenische Intervention. Der Salpeterkrieg endete für Chile mit erheblichen Landgewinnen im Norden. Der Vertrag von Ancón regelte den Konflikt zwischen Chile und Peru. Die Städte Arica und Tacna blieben vorläufig unter chilenischer Kontrolle. Erst 1929 wurde Tacna an Peru zurückgegeben, Arica verblieb bei Chile. Bolivien verlor seine Pazifikzugänge und große Gebiete in der Atacamawüste. Bis heute gibt es immer wieder Konflikte um einen freien Pazifikzugang für Bolivien.
Konflikte mit Argentinien
Im Süden Chiles erhöhten sich die Spannungen mit Argentinien um strittige Gebietsansprüche in Patagonien. In Santiago de Chile meldeten sich reihenweise Studenten als Freiwillige, während die argentinische Flotte sich bereits in Richtung Magellanstraße aufgemacht hatte. Zuletzt konnte der Streit doch noch auf diplomatischen Wege beigelegt werden; im Fierro-Sarratea-Vertrag von 1878 verzichtete Chile auf Gebietsansprüche östlich der Wasserscheide der Anden und überließ damit den Großteil der patagonischen Ebene den Argentiniern. Am 23. Juli 1881 wurde ein Zusatzvertrag geschlossen, der den chilenischen Anspruch auf die Magellanstraße und den östlichen Teil von Feuerland dokumentierte und zusicherte.
Ab 1893 verschärften sich die Grenzprobleme mit Argentinien, nachdem Bolivien einen Teil der Puna de Atacama an Argentinien abgetreten hatte. Diese war seit dem Salpeterkrieg von Chile besetzt. Zwischen Chile und Argentinien kam es zu einem Wettrüsten. Erst der britische König Edward VII. konnte 1902 den Grenzstreit schlichten. Patagonien und Feuerland wurden neu aufgeteilt, davon fielen 54.000 km² an Chile und 40.000 km² an Argentinien. Die Grenzstreitigkeiten mit Bolivien wurden 1905 nur vorläufig beigelegt.
Bis in die 90er Jahre kam es immer wieder zu Reibereien und militärischen Drohgebärden zwischen den Ländern, etwa beim Streit um den Fitz Roy.
Um die Jahrhundertwende

1891 revoltierte die chilenische Marine gegen Präsident José Manuel Balmaceda und es kam zum Bürgerkrieg. In diesem Konfikt starben rund 6000 Menschen. Balmaceda verlor zwei größere Schlachten und beging am 18. September 1891 Selbstmord.
Am 16. August 1906 erschütterte ein sehr starkes Erdbeben mit anschließendem Tsunami die Stadt Valparaíso, die fast komplett zerstört wurde, dabei starben rund 20.000 Menschen.
In der Regierungszeit von Germán Riesco Errázuriz (1901 - 1906) wurde der Edelmetallanteil der Münzwährung verringert und damit der Peso deutlich abgewertet, was zu einem Anstieg der Inflation in Chile führte. Eine Spekulationswelle durchzog Chile und erschütterte die chilenische Wirtschaft. Drastische Preiserhöhungen waren die Folge, es kam zu Arbeiteraufständen und großen Demonstrationen in Santiago. Die Regierung setzte Militär ein, wobei rund 200 Menschen starben.
Mit der industriellen Ausbeutung der Bodenschätze entstand auch in Chile einer Schicht von Arbeitern. Sie begannen sich zu organisieren und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. 1907 schlug das Militär einen Streik in Iquique mit großer Härte gegen die Streikenden und ihre Familien nieder. Im Jahr 1912 wurde die Sozialistische Arbeiterpartei gegründet, und die kommunistische Bewegung fand unter den Arbeitern beachtlichen Zulauf. Trotz des auf Kupferexport fussenden Reichtums waren die Lebensbedingungen der meisten Menschen miserabel. So hatte Chile 1913 zwar ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 2653 US-Dollar und damit mehr als Italien, doch lag die Lebenserwartung nur bei 30 Jahren (im Vergleich zu 47 Jahren in Italien und immerhin 46 Jahren in Argentinien).
Zwischen den Weltkriegen
Chile blieb im Ersten Weltkrieg neutral, die innenpolitische Lage war aber weiterhin instabil. Präsident Arturo Alessandri Palma, der in Chile ein System der Sozialversicherung eingeführt hatte, wurde 1924 durch einen Militärputsch entmachtet. Bis 1932 regierte Carlos Ibáñez del Campo das Land mit diktatorischen Mitteln. 1932 wurde die verfassungsmäßige Ordnung wiederhergestellt, und die Radikalen erwiesen sich in den folgenden zwanzig Jahren als führende Partei. Sie verstärkten den staatlichen Einfluss auf das Wirtschaftsleben.
Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 traf Chile wie kaum ein anderes Land weltweit. Die Preise für die wichtigsten Exportgüter Kupfer und Salpeter fielen ins Bodenlose. 1932 lagen die Exporterlöse um 82% (!) niedriger als vier Jahre zuvor und die Wirtschaftsleistung war um 40% eingebrochen. Ab den 1930er Jahren erfolgte eine langsame Erholung des Landes, doch erst 1937 erreichten Wirtschaftsleistung und Export wieder die Werte von 1928. Die Erholung wurde 1938 durch einen Putschversuch der Nationalsozialistischen Bewegung Chiles und das darauffolgende Massaker unterbrochen.
1934 kam es zu einer großen Bauernrebellion in Ranquil. Die Mapuche versuchten Teile ihrer angestammten Gebiete zurückzuerobern. Erst der Einsatz der Armee konnte diesen letzten großen Mapucheaufstand beenden.
Beim Erdbeben von Chillán in der Nacht vom 24. auf den 25. Januar 1939 starben mehr als 25.000 der 41.000 Einwohner. Die Stadt besteht heute praktisch nur aus modernen Gebäuden, da das Erdbeben fast alle historischen Gebäude zerstörte.
Nachdem Chile lange Zeit - auch aus Rücksicht auf die zahlreichen deutschstämmigen Chilenen - im Zweiten Weltkrieg neutral geblieben war, beschloss 1944 der Präsident Juan Antonio Ríos Morales, Mitglied der radikalen Partei, als Verbündeter der USA in den Krieg einzutreten, aber der Einfluss Chiles auf den Kriegsausgang blieb bescheiden. 1945 gehörte das Land zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen.
Die Zeit der Christdemokraten
Erste Nachkriegszeit
Inzwischen hatten Unternehmen aus den USA die Rolle der Briten übernommen; sie besaßen den Großteil der chilenischen Kupferminen. Das Frauenwahlrecht wurde 1949 in Chile eingeführt, änderte aber wenig am politischen Kräfteverhältnis.
Großer Gegenspieler der Konservativen, die mit ihrem Kandidaten Jorge Alessandri 1958 zum letzten Mal die Präsidentschaftswahl gewannen, wurden die Christdemokraten, die zwar strikt antikommunistisch, nach europäischen Maßstäben aber in Fragen der Sozialpolitik gemäßigt links eingestellt waren. Unter der konservativen Präsidentschaft der fünfziger Jahre wurde die kommunistische Partei verboten, und einige ihrer Führer und Unterstützer, darunter der Dichter Pablo Neruda, mussten ins Exil gehen.
Mit der Machtübernahme Fidel Castros in Kuba im Jahr 1959 geriet Lateinamerika stärker ins Blickfeld der USA. Im kalten Krieg versuchten die Vereinigten Staaten, weitere kommunistische Regimes in Amerika zu verhindern und begannen über politische Einflussnahme und ihre Geheimdienste zusehends, auch in Chile aktiv zu werden.
Am 22. Mai 1960 erschütterte das bisher stärkste gemessene Erdbeben der Welt, mit anschließendem Tsunami, Chile. Es hatte die Stärke 9,5 auf der Richterskala. Es starben mehr als 2.000 Menschen.
Die Präsidentschaft von Eduardo Frei 1964-1970
Bei den Wahlen 1964 sah es lange Zeit nach einem knappen Entscheid zwischen drei Kandidaten aus. Eduardo Frei Montalva als Kandidat der Christdemokratischen Partei konnte die Wahl erst mit 56% der Stimmen gewinnen, als der Kandidat der rechten Parteien aufgabe und zur Unterstützung Freis aufrief. Der Sozialist Salvador Allende erhielt 39% der Stimmen. Frei bekam auch Wahlhilfe aus den USA. Er versuchte unter dem Motto "Revolution in Freiheit", Sozialreformen mit der Beibehaltung der demokratischen Ordnung zu verbinden und den Spagat zwischen den radikalen Forderungen der Linken und der rigorosen Abwehr von Reformen durch die Rechten zu schaffen. Eine Landreform verteilte über drei Millionen Hektar Großgrundbesitz an Bauerngenossenschaften. Frei scheiterte letztlich mit seinem Vorhaben, seine wichtigsten Reformen, darunter die teilweise Verstaatlichung der Kupferindustrie, gingen den Linken nicht weit genug, während die Konservativen schon den ersten Schritt zum Kommunismus vollzogen sahen.
Die Unidad Popular
Die Kräfte der Linken bildeten 1969 die Unidad Popular (UP), ein Wahlbündnis, dem neben der Kommunistischen und der Sozialistischen Partei noch viele andere kleine marxistische Parteien angehörten. Die UP vertrat eine sozialistische Linie, warb für die Verstaatlichung der Industrie und die Enteignung der Großgrundbesitzer.
Dieses Bündnis stellte 1970 als Präsidentschaftskandidaten Salvador Allende auf, der schon 1964 kandidiert hatte.
Allende erhielt bei den Wahlen vom 4. September 1970 36,6% der Stimmen. Sein konservativer Gegner, Jorge Alessandri, kam auf 35,3%, und der Christdemokrat Radomiro Tomic erzielte 28,1%. Absolut belief sich Allendes Vorsprung auf lediglich 36.000 Stimmen. Das Parlament ernannte ihn schließlich mit den Stimmen der Christdemokraten, denen er im Gegenzug die Erhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung versprach, zum Präsidenten. Auch wenn die UP zu keiner Zeit im Kongress über eine eigene Mehrheit verfügte, wurde mit Allende zum weltweit ersten Mal ein marxistischer Regierungschef demokratisch legitimiert.
Der Wahlsieg Allendes traf in den USA auf heftigen Widerstand: Mit dem Sieg der "Volksfrontregierung" unter marxistischen Einfluss in Chile war nach Kuba der zweite amerikanische Staat sozialistisch regiert. Dies konterkarierte die 1954 von Präsident Eisenhower postulierte Domino-Theorie, in der elementare außenpolitische Interessen der USA definiert wurden. Der Vietnamkrieg war voll im Gange, und einige Staaten Afrikas hatten sich schon der Sowjetunion zugewandt. Für die US-Amerikaner bedeutete Allendes Wahlsieg nicht nur einen schweren Imageschaden im Wettstreit der Ideologien, sondern auch einen finanziellen Verlust für US-Unternehmen, weil die Kupferminen mehrheitlich (etwa 80%) im Besitz von US-Unternehmen waren und bei einer linken Machtübernahme die Verstaatlichung drohte.
So kam es nicht überraschend, als am 22. Oktober der Oberbefehlshaber der chilenischen Armee, General René Schneider, bei einem Entführungsversuch durch eine vom US-Geheimdienst finanzierte Splittergruppe angeschossen und dabei tödlich verletzt wurde. Schneider hatte sich gegen Bestrebungen innerhalb des Militärs gestellt, schon 1970 einen Putsch gegen Allende durchzuführen.
Die Präsidentschaft Salvador Allendes 1970-1973
Salvador Allende (geboren 1908) studierte Medizin und war Mitbegründer der Sozialistischen Partei Chiles (1933). Er kam 1937 in den Kongress und war von 1939 bis 1942 während einer liberalen Regierung Gesundheitsminister. 1945 wurde Allende in den Senat gewählt, dem er 25 Jahre lang angehörte.
Wirtschaftliche Lage
Als Allende seinen christdemokratischen Vorgänger Frei ablöste, befand sich Chile bereits in einer prekären Situation: von 10 Millionen Einwohnern galten 1,5 Millionen Kinder als unterernährt, 500.000 Familien waren obdachlos, und die Arbeitslosigkeit lag bei 8,8 Prozent. Der Landbesitz konzentrierte sich bei einer kleinen Oberschicht: 80 Prozent des Nutzlandes befanden sich in der Hand von 4,2% der Grundeigentümer.
Der Schwerpunkt von Allendes Wirtschaftspolitik war die entschädigungslose Verstaatlichung der Bodenschätze, die Enteignung von ausländischen Großunternehmen, der Banken und eine Agrarreform, bei der 20.000 km² Fläche von Großgrundbesitzern an Bauern übergeben werden sollten. Die sozialistische Regierung wollte Chile weniger abhängig vom Rest der Welt, insbesondere von den USA, machen. Innenpolitisch strebte sie im Sinne des Marxismus eine Entmachtung der "Bourgeoisie" an.
Allendes Politik
Die Politik der Unidad Popular brachte zunächst starke Verbesserungen für die Arbeiter und die eigenen Gefolgsleute. Die Löhne wurden um 35 bis 60 Prozent erhöht.
Die Preise für die Miete und für wichtige Grundbedarfsmittel wurden eingefroren. Schulbildung und Gesundheitsversorgung wurden kostenfrei angeboten. Allende ließ Gefangene der "revolutionären Linken" frei. Jedes Kind bekam täglich einen Liter Gratismilch und Schuhe. Die Kindersterblichkeitsrate sank so um 20%, aber dem Land fehlten die ökonomischen Mittel, um all die sozialen Wohltaten zu finanzieren.
Allende begann den Aufbau eines kybernetischen Daten-Netzes, das u.a. eine Art frühen sozialistischen Vorläufer des Internets darstellte, das sog. Cybersyn-Projekt (das inzwischen weithin in Vergessenheit geraten ist). Es sollten, anders als z.B. in der zentralistischen Sowjetunion, Abläufe vernetzt werden. Es sollten Informationen ausgetauscht und auch die Bevölkerung an der Regierung beteiligt werden.
1971 ließ die Regierung - mit Zustimmung aller Parlamentsparteien - die Kupferminen verstaatlichen, die Eigentümer - vorwiegend Unternehmen aus den USA - blieben ohne Entschädigung.
Reaktion des Auslands
Die USA strichen daraufhin sämtliche Hilfsmittel für Chile. Alle diese Faktoren sorgten dafür, dass Chile 1971 eine Zahlungsbilanz von minus 26 Milliarden US-Dollar aufwies. Man deckte die Schulden, indem man Geld druckte. Dadurch verfünffachte sich der Geldumlauf, und die Inflationsrate überstieg die 300%-Marke. Gleichzeitig fehlten Devisen für den Import von Rohstoffen, Maschinen und Ersatzteilen, und die Kupferproduktion verlief nicht nach Wunsch, verschärft durch einen Kupferboykott, den die USA und 14 Gläubigerstaaten aus Protest gegen die Enteignung ausländischer Investoren verhängt hatten.
1972 spitzte sich die Lage weiter zu. Zu den hausgemachten Problemen aufgrund der desolaten Haushaltspolitik kam hinzu, dass die Regierung Allende aus westlicher Sicht nicht mehr kreditwürdig war, eine Haltung, die von der Regierung von US-Präsident Richard Nixon vehement unterstützt wurde. Nixon wollte die Kommunisten in Chile "ausquetschen", wie er es nannte. Aus Angst vor Enteignung setzte eine Kapitalflucht ins Ausland ein. Die Privatinvestitionen wurden aus Angst vor der Verstaatlichung zurückgeschraubt. Auf die Sowjetunion konnte Chile nur ideologisch zählen, Devisenhilfe konnte Allende aus Moskau nicht erwarten.
Proteste und Streiks
Die Proteste im Land schwollen an: Bauern protestierten gegen die Durchführung der Landverteilung, die Kollektive gegenüber Vertragsfarmern bevorzugte, sie besetzten Bauernland und so kam es zu Nahrungsmittelengpässen. 1972 mussten Lebensmittel rationiert werden und die Regierung war gezwungen, Devisen für die Einfuhr von Nahrungsmitteln aufzuwenden. Im Herbst 1972 streikten etliche Berufsgruppen, darunter Lastwagenfahrer, Bankangestellte, Arbeiter und Studenten, um eine Wende in der Wirtschaftspolitik zu erzwingen. Es kam zu Straßenschlachten.
Allende rief den Notstand aus. Radikale rechte Gruppen antworteten sogar mit Terror und Sabotage. Es gab in Allendes Amtszeit insgesamt sechshundert Terroranschläge auf Eisenbahnen, Brücken, Hochspannungsleitungen und Pipelines.
Das Militär
US-Präsident Nixon erteilte der CIA den Auftrag, das chilenische Militär zu einem gewaltsamem Putsch zu bewegen. Allende dagegen versuchte, die Militärs in die Regierung einzubeziehen: Er ernannte den General Carlos Prats zum Innenminister und berief weitere hochrangige Offiziere in sein Kabinett. Die Mittel für die Streitkräfte flossen auch unter der Regierung Allendes weiter großzügig.
Die Kongresswahlen vom März 1973 brachten keine Klarheit: die Unidad Popular gewann zwar leicht an Stimmen, blieb aber weit entfernt von der absoluten Mehrheit. Die konservativen Kräfte wiederum verfehlten die Zweidrittelmehrheit, die sie gebraucht hätten, um Allende des Amtes zu entheben. Durch Politik und Gesellschaft in Chile ging ein tiefer Graben.
Im Juni 1973 wurde ein erster Putschversuch eines Panzerregiments von regierungstreuen Militärs niedergeschlagen. Im Juli streikten erneut die Lastwagenfahrer und die Studenten mit Unterstützung weiter Kreise der konservativen Opposition. General Prats trat zurück, da er die Unterstützung der Armee verloren hatte. Am 22. August 1973 sprach der Kongress mit großer Mehrheit Allende das Misstrauen aus und forderte den Präsidenten zum Rücktritt auf, aber diese Aufforderung musste rechtlich unverbindlich bleiben und Allende folgte ihr nicht.
An Stelle des zurückgetretenen Prats ernannte Allende am 25. August 1973 den General Augusto Pinochet zum Oberkommandierenden des Heeres.
Der Putsch vom 11. September 1973
Drei Wochen später, am 11. September 1973 putschte die Armee erneut, blockierten die Verkehrswege und Kommunikation von Santiago de Chile nach Viña del Mar und Valparaíso und diesmal hatten die Militärs Erfolg. Mit Kampfflugzeugen bombardierten sie seit den frühen Morgenstunden den Präsidentenpalast "Moneda" und stürmten ihn am selben Abend. Allende wurde später tot aufgefunden. Bis heute ist ungeklärt, ob Allende ermordet wurde oder Suizid ausübte. Es gibt keine Beweise, die für oder gegen einen Suizid sprechen. Allendes Leibarzt spricht von einem Selbstmord, ausgeführt mit einer von Fidel Castro geschenkten goldenen Maschinenpistole.
Die Ära Pinochet 1973-1990
Die Zeit der Diktatur lässt sich grob in fünf Phasen einteilen. Der von Staatsterror begleitetend Konsolidierung nach dem Putsch (1973 - 1976) folgte ein wirtschaftlicher Aufschwung und der Höhepunkt der Macht (1977 - 1981), bis es zur einem schweren Wirtschaftseinbruch und massiven Protesten kam (1982 - 1983). Doch das Regime zeigte nur langsam Zeichen der Liberalisierung (1984 - 1987) bis es dann zu einer vom Regime kontrollierten Demokratisierung kam (1988 - 1990).
Augusto Pinochet
Augusto Pinochet wurde am 25. November 1915 in Valparaíso geboren. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf und begann seine Ausbildung unmittelbar nach dem Schulabschluss an der Militärakademie Chiles. Im Alter von 21 Jahren war er schon Leutnant und stieg bald weiter auf. 1956 diente er als Militärattaché an der chilenischen Botschaft in Washington. Mehrfach besuchte er in den folgenden Jahren Lehrgänge der US-Armee. Unter Eduardo Frei wurde er Brigadegeneral.
Während des Putschversuchs vom Juni 1973 stand Pinochet noch treu zur Regierung, aber die zunehmend desolate Situation Chiles änderte wohl seine Einstellung. Offenbar konnten ihn die Verschwörer in der Armee erst in letzter Minute von der Notwendigkeit des Umsturzes überzeugen. Umso radikaler fiel der Sinneswandel Pinochets aus: "Ich oder das Chaos" lautete das simple Motto des Generals, dem Präsident Allende bis zuletzt vertraute.
In der Erklärung der Putschisten vom 11. September 1973 heißt es:
- " ... erklären die Streitkräfte ... :
- 1. Der Präsident (Allende) der Republik hat seine hohen Vollmachten unverzüglich den chilenischen Streitkräften ... zu übergeben.
- 2. Die chilenischen Streitkräfte sind sich einig in ihrer Entschlossenheit, die verantwortliche historische Mission zu übernehmen und den Kampf für die Befreiung des Vaterlandes vom marxistischen Joch ... zu führen.
- 3. Die Arbeiter Chiles brauchen nicht daran zu zweifeln, dass der wirtschaftliche und soziale Wohlstand, den sie bis zum heutigen Tage erreicht haben, keine großen Veränderungen erfahren wird.
- 4. Die Presse, die Rundfunksender und die Fernsehkanäle der Unidad Popular haben von diesem Zeitpunkt an die Verbreitung von Information einzustellen, ansonsten werden sie zu Lande und aus der Luft angegriffen.
- 5. Die Bevölkerung von Santiago de Chile hat in ihren Häusern zu bleiben, damit der Tod unschuldiger Menschen vermieden wird.
- General Augusto Pinochet ..."
Unmittelbar nach der Machtübernahme
Sämtliche staatlichen Institutionen in ganz Chile waren binnen Stunden vom Militär besetzt. Pinochet setzte die Verfassung sofort außer Kraft, löste den Kongress auf, ordnete eine strenge Zensur an und verbot alle politischen Parteien. Die Armee und die kasernierten Carabineros gingen gegen alle vermeintlichen Gegner vor. Es kam zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Bei symbolischen Bücherverbrennungen wurden beispielsweise Bücher über Cubismo (Kubismus) verbrannt, weil man dachte, es seinen Bücher über Cuba.
Im Nationalstadion von Santiago wurden die Opfer interniert, viele von ihnen gefoltert und getötet. Insgesamt wurden vermutlich etwa 2000 bis 3000 Menschen während der Diktatur ermordet, der Großteil davon in den Wochen nach dem Putsch. Etliche Menschen verschwanden spurlos und auf bis heute ungeklärte Weise. Etwa 20.000 Menschen flohen noch 1973 ins Ausland. Insgesamt exilierten während der Militärdiktatur eine Million Chilenen.
Staatsterror und Gewalt
Für die Zeit unmittelbar nach dem Putsch sind die Berichte über die begangenen Verbrechen oft lückenhaft oder fehlen ganz. Etwa ab 1976 sind die Verbrechen dagegen relativ gut dokumentiert. Die Schätzungen über die Opferzahlen variieren deshalb sehr stark.
In den dünn besiedelten Wüstengebieten im Norden Chiles und in Patagonien errichtete das Militär Konzentrationslager, wo Oppositionelle und deren Sympathisanten nicht selten zu Tode gefoltert oder unter anderem mit Flugzeugen hinaus aufs Meer geflogen und dort hinausgeworfen wurden. Es kam unter einigen Offizieren zu makabren Wettstreiten um die größten Grausamkeiten.
Quelle | Datum der Schätzung | Tote |
---|---|---|
CIA-Direktor William Colby | Oktober 1973 | 2000 – 3000 |
Amnesty International | September 1974 | 5000 – 30.000 |
amerikanische Botschaft in Santiago | ca. 5000 | |
Vicaría de la Solidaridad | 1200 | |
Agrupación de Familiares de Ejecutados | ca. 2500 | |
Interamerikanische Menschenrechtskommission der OAS | ca. 1500 |
Konsolidierung der Macht
Nach den bürgerkriegsähnlichen, von unglaublicher und massenhafter Gewalt seitens der Militärs geprägten Wochen nach dem Putsch mit Tausenden Toten ging das Regime in den nächsten Jahren dazu über, die politische Opposition auszuschalten. Hunderte Menschen wurden entführt, gefoltert oder "auf der Flucht erschossen". Tausende wurden zwangsweise des Landes verwiesen oder in abgelegene Landesteile im Norden oder Süden verbannt. Nach 1977 war praktisch jeder Widerstand ausgeschaltet, alle Gegner ermordet, im Ausland oder eingeschüchtert. Auch bedingt durch den Wirtschaftsboom nahm das Ausmaß der Repression etwas ab.
Jahre | Anzahl |
---|---|
1973 | 309 |
1974 | 222 |
1975 | 75 |
1976 | 109 |
1977 | 12 |
1978 | 1 |
1984 | 1 |
1987 | 5 |
Die Zweite Welle der Repression
Mit der Wirtschaftskrise 1982/83 kam es zu massiven Protesten, in deren Folge erneut massiv gegen Oppositionelle vorgegangen wurde. So wurden währen der Protesttage 1983 und 1984 55 Menschen erschossen, Demonstranten und Unbeteiligte, zum Teil aus fahrenden Autos heraus. In den folgenden Jahren wurden 100.000 Menschen aus politischen Gründen festgenommen, davon 40.000 Demonstranten.
Die willkürliche Gewalt, Hausdurchsuchungen und Militäreinsätze in den poblaciones (Armenvierteln) Santiagos nahmen immer größere Ausmaße an. Hier kämpfte die linksgerichtete Stadtguerilla Movimiento de Izquierda Revolucionaria (MIR) gegen die Diktatur. Im Laufe der 80er Jahre wurden mindestens 84 Oppositionelle "bei bewaffneten Auseinandersetzungen" erschossen. Zwar nahm die Anzahl der Verschwundenen ab, doch die Folter von Regimekritikern wurde nicht weniger. Traurige Berühmtheit erlangten die 1986 erschossenen Brüder Vergara Toledo und die Jugendlichen Rodrigo Rojas und Carmen Quintana, die von Militärs bei lebendigem Leibe angezündet wurden, wobei Rojas starb.
Repressionsapparat
Während im ersten Jahr vor allem die vier regulären Teilstreikräfte (Heer, Marine, Luftwaffe, Carabineros) für die Morde, Entführungen und Folterungen verantwortlich sind, wird im Juni 1974 mit der Geheimpolizei eine spezialisierte Institution dafür gegründet. Die Dirección Nacional de Inteligencia DINA) ist verantwortlich für Verhaftungen, Verfolgungen sowie für die vielen Hundert desaparecidos (Verschwundenen) der nächsten Jahre. Zum Leiter wird der Oberst Manuel Contreras ernannt, was aber geheim gehalten wird. Die DINA soll bis zu 9300 Agenten und 20.000 bis 30.000 Informaten unterhalten haben. Sie entwickelt sich in den nächsten Jahren immer mehr näher zum Heer hin (die Luftwaffe zieht schrittweise ihr Personal ab) und zum anderen zu einem persönlichem Machtinstrument Pinochets auch gegen interne Rivalen. Im August 1977 wird die DINA nach internationalem und internen Druck aufgelöst und durch das Centro Nacional de Información (CNI) ersetzt. Pinochet gesteht ein, dass die DINA ihre Grenzen zuweilen überschritten habe. Der CNI wird kurz vor dem Übergang zu Demokratie in den Heeresgeheimdienst Dirección Nacional del Ejercito(DINE) überführt. Während der zweiten Repressionswelle ab 1983 wurde die Gewalt oft von parastaatliche Organisationen ausgeübt, die sich aber häufig aus Militärangehörigen zusammen setzten. Beispiele sind die Acción Chilena Antikomunista (in Anlehnung an die argentinische Acción Argentina Antikomunista), die Frente Nacionalista de Combate und das Comando 11 de Septiembre.
Operación Condor
Der chilenische Geheimdienst verfolgte die Gegner des Regimes auch im Ausland. 1974 starb Pinochets Vorgänger als Heereschef, General Prats, durch eine Autobombe in Buenos Aires, 1975 entging der christdemokratischer Ex-Minister Bernarndo Leighton nur knapp einem Attentat in Rom, und 1976 tötete eine weitere Autobombe den Außenminister der Regierung Allende, Orlando Letelier, in Washington. Diese Anschläge werden allgemein der DINA im Zusammenspiel mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA zugeschrieben.
Pinochets Wirtschaftspolitik
siehe auch Wirtschaft Chiles
Das öffentliche Leben und die Wirtschaft kehrten nach dem Staatsstreich rasch zu geordneten Bahnen zurück, die ökonomische Lage stabilisierte sich nach dem Putsch. Wenige Tage nach dem Staatsstreich war in der Frankfurter Allgemeine Zeitung zu lesen: "Chile: jetzt investieren!". Schon kurz nach der Machtübernahme Pinochets begannen auch die USA wieder, Chile intensiv mit Wirtschaftshilfe zu unterstützen. Auf amerikanischen Druck waren auf einmal auch internationale Organisationen wieder bereit, Chile Kredite zu gewähren.
1975 holte sich Pinochet Wirtschaftsberater aus den USA, die eine marktliberale Linie des Monetarismus vertraten, die heute von Ökonomen als neoliberal bezeichnet wird; viele von ihnen kamen aus dem Umfeld von Milton Friedman von der University of Chicago, daher ihre Bezeichnung Chicago Boys. Die Regierung setzte ein umfassendes Liberalisierungs- und Privatisierungsprogramm durch: Bis 1979 wurden 20% der Staatsbediensteten entlassen und der Staatshaushalt um die Hälfte zusammengestrichen. Davon profitierten die Investoren, weil die Zölle und Steuern stark sanken. Die Wirtschaftspolitik setzte auf Privatinitiativen und entzog weite Teile des Gesundheitswesens und der Bildung der staatlichen Verantwortung. Die Verstaatlichung der Kupferindustrie hielt Pinochet allerdings aufrecht. Aus den Einnahmen der Kupfergesellschaften wird bis heute das chilenische Militärbudget finanziert.
Die Einleitung neoliberaler Wirtschaftsformen führte zwar zum Rückgang der Inflation und 1977 bis 1980 zu einem Wirtschaftsaufschwung, jedoch folgte 1982/83 eine gravierende Rezession. Als Folge der rigorosen Wirtschaftspolitik klafften die Unterschiede zwischen Arm und Reich in Chile wieder deutlicher auseinander und breite Bevölkerungsschichten verarmten. Ab Mitte der 80er Jahre profitierte die Volkswirtschaft insgesamt von hohen Wachstumsraten.
Am Höhepunkt der Macht
Von 1977 bis 1981 wuchs die Wirtschaft Chiles um 46%, die Inflation sank aus dem dreistelligen Bereich auf 20% und die Arbeitslosenquote stabiliserte sich bei 15%. Die radikalen Reformen schienen Erfolg zu haben.
Bedingt durch die Wirtschaftliche Entspannung, vor allem aber durch die massive Repression der letzten Jahre, wurde der Widerstand gegen das Regime schwächer. Zahlreiche Oppositionelle waren ermordet worden oder ins Exil geflohen, und die die noch im Land waren, waren vor allem damit beschäftig, sich vor Pinochets Unterdrückungsapparat zu verstecken.
Am Höhepunkt seiner Macht wollte der Diktator eine neue Verfassung verabschieden. 1978 hielt Pinochet ein Referendum ab, das ihn im Amt bestätigen sollte. Er erhielt etwa 75% Zustimmung, die Abstimmung fand allerdings unter großem Druck statt, so dass man nicht von einer freien Wahl sprechen kann. Pinochet lockerte in der Folgezeit die Diktatur: Zivilisten erhielten Zutritt in das Kabinett und 1980 wurde — unter der Federführung des konservativen Ex-Präsidenten Jorge Alessandri — eine neue Verfassung geschrieben und per Volksabstimmung abgesegnet, die aber wieder unter großem Druck der Staatsmacht abgehalten wurde. 67% der Chilenen nahmen angeblich die Verfassung an. Die neue Verfassung legitimierte Pinochets umfassende Machtbefugnisse und stand ihm eine weitere Amtszeit als Präsident zu, die bis 1989 gelten sollte.
Die Wirtschaftskrise 1982
1981 wertete die Regierung die nationale Währung um 35 Prozent auf, um Importe zu verbilligen und ausländische Kapitalanleger anzulocken. Der überhöhte Wechselkurs verteuerte schlagartig die Exporterzeugnisse. Die Produktion sank erheblich und die Volkswirtschaft geriet in eine Krise.
Mit der weltweiten Rezession von 1982 und dem Verfall der Kupferpreise geriet Chiles wirtschaftspolitischer Kurs ins Schlingern. Das Land war im Ausland hoch verschuldet. Mit einem harten Sanierungsprogramm, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und dem Kürzen von Nahrungsmittelsubventionen steuerte die Regierung dagegen. Ein Drittel der Bevölkerung war unterernährt, Chile hatte rund 25% Arbeitslose und über 50% lebten unter der Armutsgrenze.
Die harte Wirtschaftspolitik erregte Proteste. 1982 kam es in vielen chilenischen Städten zu "Hungermärschen" und Protesttagen (Dias del protesto). Ihre Forderung lautet: "Brot, Arbeit, Gerechtigkeit und Freiheit". Viele Beobachter rechneten mit einem Sturz Pinochets. Doch durch die Ausrufung des Ausnahmezustandes 1983 konten die Proteste unter Kontrolle gebracht werden.
Vorsichtige Liberalisierung
Nach der wirtschaftlichen Stabilisierung ab 1983 und dem folgenden Aufschwung begannen auch erste Schritte der Liberalisierung. Die wirtschaftspolitik wurde pragmatischer und die Repression weniger stark. Dieser Prozess wurde jedoch häufig unterbrochen oder sogar rückgängig gemacht.
Aus den Selbsthilfeorganisationen in den poblaciones entwickelten sich eine Reihe von politischen Gruppierungen, die gegen die Diktatur kämpften. Es kam zu einer Welle an Bombenanschlägen in den großen Städten, vor allem gegen hochrangige Offiziere. Nachdem 1986 gar ein Mordanschlag, organisiert von einer Schweizerin, an Pinochet verübt wurde, verschärfte die Regierung innenpolitischen Repressionen erneut.
Auch die Lage im Ausland änderte sich seit den frühen 80er Jahren. Die Militärdiktaturen in Brasilien und Argentinien wurden durch Demokratien abgelöst, der Kalte Krieg begann sich in Glasnost und Perestroika aufzulösen und die US-Außenpolitik achtete seit der Iran-Contra-Affäre zunehmend auf die Menschenrechtssituation in von ihnen unterstützen Regimen.
Konflikte mit Argentinien
Beagle-Konflikt: Im Dezember 1978 kam es zu kriegerischen Drohungen zwischen Argentinien und Chile. Die unbewohnten Inseln Lennox, Picton und Nueva im Beagle-Kanal wurden zum Streitpunkt, vor allem weil in der Gegend größere Öl-Reserven vermutet wurden. Der Streit wurde erst durch Vermittlung des Vatikans mit einem Grenzvertrag am 2. Mai 1985 friedlich beigelegt, bei dem alle drei Inseln Chile zugesprochen wurden.
Falklandkrieg: Während des Falkland-Krieges 1982 unterstützte Chile Großbritannien passiv gegen Argentinien, aufgrund der in 1978 vorausgegangenen Drohungen Argentiniens, in Chile einzufallen. Chile ließ ein beschädigtes britisches Flugzeug auf seinem Territorium landen und versorgte es. Desweiteren half Chile Großbritannien mit Radar- und Spionagetätigkeiten. Der chilenische Exluftwaffenchef Fernando Matthei bestätigte später die geheime Kooperation.
Grenzziehung: Seit den 80er Jahren schwelte zwischen den beiden Staaten ein Konflikt um die Grenzziehung in Patagonien am Fitz Roy-Massiv. 1985 gründete die argentinische Regierung extra das Dorf El Chaltén, um ihren Anspruch zu untermauern. Eine gemeinsame Kommission legte die Grenzen erst zehn Jahre später fest, am 16. Dezember 1998. Es bleibt bis heute nur noch ein kleiner undefinierter Abschnitt im Bereich des Campos de Hielo Sur (südliche Eisfelder) übrig. Dieser Bereich beherbergt eines der grössten Süsswasserreservoirs Südamerikas.
Übergang zur Demokratie
Hauptartikel: Transition in Chile
Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der achtziger Jahre beruhigte sich Chile auch politisch wieder. Ab 1987 konnten politische Parteien wieder arbeiten. Pinochets verfassungsmäßige Amtszeit näherte sich ihrem Ende. Am 5. Oktober 1988 kam es zur von der Verfassung vorgesehenen Volksabstimmung, ob Pinochet bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen der einzige Kandidat sein durfte. Zur großen Überraschung internationaler Beobachter entschieden sich 54 Prozent der Wähler mit "Nein".
Pinochet beugte sich dem Votum: Am 14. Dezember 1989 fanden Präsidentschaftswahlen in Chile statt. Die Kandidaten der Rechten, Finanzminister Hernán Büchi und Francisco Javier Errázuriz erhielten nur 29,4% beziehungsweise 15,4% der Stimmen. Bei einer außerordentlich hohen Wahlbeteiligung von 90% erhielt der Christdemokrat Patricio Aylwin vom Parteienbündnis Concertación, einem breiten Mitte-Links-Bündnis aus Christdemokraten, Liberalen, Sozialdemokraten und Sozialisten, 55,2% der Stimmen. Erst nach mehr als einem Jahr, am 11. März 1990 trat Aylwin das Amt an.
Diese Zeit nutze Pinochet, um seinen Rückzug geordnet durchzuführen, das neoliberale Wirtschaftsmodell zu sicher, Freunde und Unterstützer in einflussreiche Positionen zu hiefen und nicht zuletzt auch für sein persönliches Wohl in der Demokratie zu sorgen. Zu Hilfe kam ihm dabei, dass die Verfassung von 1980 schon darauf zugeschnitten war und durch eine Reform am 30. Juli 1989 nur geringfügig geändert wurde.
Pinochets neoliberale Wirtschaftspolitik und die innenpolitische Stabilität nach den bürgerkriegsähnlichen Zuständen der Allende-Jahre imponierte vielen konservativen Politikern (darunter Franz Josef Strauß und Margaret Thatcher), aber auch einem großen Teil des chilenischen Volkes. Die historische Aufarbeitung der Ära Pinochet hat erst vor wenigen Jahren begonnen. Die Meinung der Chilenen ist tief gespalten, die einen sehen in ihm einen Diktator, der Freiheit und Gerechtigkeit bekämpfte, die anderen loben ihn als Retter des Vaterlandes vor dem kommunistischen Chaos.
Chile seit 1990
Die Präsidentschaft Aylwins 1990-1994
Der frisch gewählte Präsident Patricio Aylwin (Jahrgang 1918) hatte die Regierung Pinochet 1973 mit anfänglicher Sympathie begleitet, sich dann aber angesichts der Menschenrechtsverletzungen der Opposition angeschlossen. Er sorgte dafür, dass der gemäßigt linke Partido Democrático Cristiano (Christlich-Demokratische Partei), obwohl verboten, zur größten Oppositionspartei Chiles wurde.
Aylwin begann mit bescheidenen Wirtschaftsreformen und bemühte sich, die verfeindeten politischen Lager zu versöhnen, um ein demokratisches Zusammenleben zu ermöglichen. Behutsam begann er mit der Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur: Im November 1993 standen erstmals Offiziere wegen Menschenrechtsverletzungen vor Gericht. Die Hintermänner des Mordes an Orlando Letelier wurden zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Viele Exilanten kehrten zurück in ihre Heimat.
Die von Aylwin begonnenen Reformen verhalfen Chile zu erneutem wirtschaftlichen Aufschwung, der Anteil der Chilenen, die in Armut leben, ging unter seiner Präsidentschaft um ein Viertel zurück.
Die Präsidentschaft von Eduardo Frei Ruiz-Tagle 1994-2000
Nach einer Legislaturperiode, im März 1994, übergab er sein Amt an seinen gewählten Nachfolger Eduardo Frei Ruiz-Tagle (geboren 1942), dessen Vater von 1964 bis 1970 Präsident gewesen war und der ebenfalls den Christdemokraten angehört.
1996 wurde ein Modernisierungsprogramm beschlossen und eine Reform der Verfassung und Justiz geplant. Frei wurde im Dezember 1997 wieder gewählt.
Zwei Ereignisse erregten während seiner Amtszeit internationales Aufsehen. 1993 kam der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker nach Santiago, wo seine Tochter lebte, um der Strafverfolgung in Deutschland nach der deutschen Einheit zu entgehen. Er starb im Mai 1994.
Im Mittelpunkt des Weltinteresses stand Chile im September 1998. Ex-Diktator Augusto Pinochet war am 10. März 1998 im Alter von 82 Jahren als Oberbefehlshaber des chilenischen Militärs zurückgetreten. Im September 1998 wurde er in London, wo er sich medizinisch behandeln ließ, verhaftet. Der spanische Untersuchungsrichter Báltazar Garcón veranlasste einen internationalen Haftbefehl, um Pinochet für Verbrechen an spanischen Staatsbürgern in den Tagen nach dem Putsch von 1973 zur Verantwortung zu ziehen. Pinochet wurde in London unter Hausarrest gestellt, seine Ärzte bescheinigten ihm aufgrund seines Alters Verhandlungsunfähigkeit und nach 17 Monaten durfte er im März 2000 nach Santiago zurückkehren.
Seine Anhänger empfingen ihn jubelnd, während seine Gegner und Menschenrechtsgruppen weiter verlangten, dass ihm der Prozess gemacht würde.
Frei hatte 1998 außerdem noch die Aufgabe, Chiles Fußballfans zur Räson zu bringen. Beim entscheidenden Qualifikationsmatch für die Fußball-WM 1998 gegen den "Erzfeind" Peru bewachten über 60.000 Polizisten die ebenfalls 60.000 Zuschauer.
Die Präsidentschaft Ricardo Lagos' seit 2000
Am 19. Januar 2000 wurde der Sozialist Ricardo Lagos (geboren 1938) neuer chilenischer Präsident. Er bezwang in der Stichwahl vom 16. Januar seinen konservativen Gegner, Joaquín Lavín, nur knapp. Mit Lagos zog nach Allende der zweite sozialistische Präsident in die "Moneda" ein.
Lagos machte die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Senkung der Kriminalität zu Kernanliegen seiner Regierung. Sein Programm sah außerdem die Wiedereinführung der Tarifautonomie und die Einbindung des Armee-Budgets in den staatlichen Haushalt vor.
Ob diese Vorhaben umgesetzt werden können, ist fraglich. Zum einen bestimmen im Senat die Konservativen, zum Teil noch von Pinochet ernannt, zum anderen verfügt das Militär nach wie vor über großen Einfluss. Jede chilenische Regierung ist gezwungen, die Streitkräfte als Machtfaktor in ihre Überlegungen einzubeziehen.
Die Causa Pinochet
Ende 1998 lässt der spanische Sonderstaatsanwalt Baltazar Garzón Augusto Pinochet in einem Krankenhaus in London festnehmen, um ihn wegen Verbrechen an spanischen Bürgern zu belangen. Ein langwieriges Tauziehen über die Verhandlungsfähigkeit des Ex-Doktators beginnt.
Am 3. März 2000 kehrt Pinochet nach Chile zurück und wird mit militärischen Ehren empfangen. Menschenrechtsgruppen und die Angehörigen der Opfer von Pinochets Diktatur antworteten mit Protesten und Mahnwachen, allerdings gibt es auch Solidaritätskundgebungen mit mehreren Hundert Teilnehmern. Zwei Tage später entzieht das Berufungsgericht in Santiago auf Antrag des Ermittlungsrichters Juan Guzmán Tapia mit 13:9 Stimmen Pinochet seine Immunität. Es geht um die so genannte „Todeskarawane“, den Mord an 75 Regimegegnern im Oktober 1973, von denen 18 Leichname noch nicht aufgetaucht sind und die deshalb nicht unter das Amnestiegesetz von 1978 fallen. Eine Spezialeinheit der Armee unter dem Kommando des Generals Arellano Stark, dem Delegierten Pinochets, hatte die Menschen ermordet.
Am 1. Dezember 2000 leitet Guzmán überraschend das Verfahren ein. Am 5. Januar 2001 veröffentlicht das Militär einen Bericht, in dem sie erstmals das Schicksal der Verschwundenen untersuchen (allerdings nur von 200 von mehr als 1100): Angelbich wurden von den 18 Leichnamen 17 über dem Meer abgeworfen, was sich allerdings nicht belegen lässt. Die Militärs verlangen trotzdem die Einstellung nach dem Amnestiegesetz.
Die Anwälte setzten trotzdem weiter auf die Prozessunfähigkeit. Am 18. Januar attestiert ein Ärzteteam „subkortikale, gefäßbedingte Demenz“ – in Chile (anders als in Großbritannien zu wenig für eine Verfahrensunfähigkeit. Am 29. Januar erhebt Guzmán Anklage, und löst eine Solidaritätswelle unter Generälen und RN- und UDI-Politikern aus. Am 12. März kommt Pinochet gegen eine Kaution von 2.000.000 Pesos (etwa 3.500 Euro) frei. Im Juli 2001 erklärt ein Gericht Pinochet für nicht verhandlungsfähig. Damit ist das endgültige Ende der juristischen Verfolgung Pinochets wegen Menschenrechtsverletzungen beschlossen. Allerdings bedeutet das gleichzeitig das Ende der politischen Karriere als Senator auf Lebenszeit. Am 15. September 2005 wurde die Aufhebung der Immunität von Pinochet durch das Oberste Gericht bestätigt.
Menschenrechtsverletzungen
Am 30. November 2004 veröffentlichte die staatliche chilenische Comisión Nacional sobre Prisión Politíca y Tortura(etwa: Nationale Kommission über politische Verhaftungen und Folter) ihren Bericht über die Greueltaten des Pinochet-Regimes. In dem Bericht wird belegt, dass Menschen einfach aufgrund des Verdachts „links“ zu sein, von der Geheimpolizei verschleppt, gefoltert und getötet wurden. Es wird ebenfalls belegt, dass die Folterungen regimeweit eingesetzt wurden und keinesfalls Ausnahmen waren: sämtliche Teilstreitkräfte der Armee und alle Sicherheitsorgane – Polizei und Geheimdienste – waren beteiligt. Ebenso legt der Report dar, dass die Foltermethoden im Laufe der Zeit ständig weiterentwickelt wurden.
Am 14. Dezember 2004 erhob der zuständige Untersuchungsrichter in Santiago de Chile, Juan Guzmán, Anklage wegen Entführung von neun Personen (im Rahmen der Operation Condor) und Mord bei einem der Entführungsopfer und wegen der Ermordung von 119 Regimegegnern im Jahr 1975.
Siehe auch
- Chile
- Liste der Präsidenten Chiles
- Salvador Allende
- Unidad Popular
- Augusto Pinochet
- Feuerland
- Indigene Völker Südamerikas (speziell Mapuche)
- Transition in Chile
- Wirtschaft Chiles
Weblinks
- Erklärung des Parlamentes zur Zerstörung der chilenischen Demokratie durch Präsident Salvador Allende am 22. August 1973 (deutsch/englisch/spanisch)
- Artikel des Guardian über das Cybersyn-Projekt (englisch)
- Bericht der Rettig-Kommission von 1991 (spanisch)
- Bericht der Comisión Nacional sobre Prisión Politíca y Tortura über die Folterungen des Pinochet-Regimes (spanisch)
- Aufruf des Chilenischen Parlamentes an Militär und Polizei vom 22. August 1973, das Allende-Regime zu beenden (deutsch/englisch/spanisch)
Literatur
Überblick
- Imbusch,P./Messner,D./Nolte,D.(Hrsg.): Chile heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt 2004. (ISBN 3893545905) Fast 1000 seitiger Sammelband mit mehr als 50 Artikel zu den meisten Themen.
- Lützelberger, Therese: Chile: Chronologie, in: Imbusch,P./Messner,D./Nolte,D.(Hrsg.): Chile heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt 2004. (ISBN 3893545905), S. 907 - 936. Chronologiesche Stichpunkte
- Nohlen, Dieter / Nolte, Detlef: Chile, in: Nohlen, Dieter / Nuscheler, Franz:Handbuch der Dritten Welt, 1995, Band 2. (ISBN 3-8012-0202-x). S. 277 - 338. Sehr guter und knapper Komplettüberblick über die Geschichte und die heutigen Probleme.
- Simon Collier and William F. Sater, A History of Chile, 1808-2002, Cambridge Latin American Studies, ISBN 0-521-82749-3, (2004)
Bis 1945
- Robert N. Burr: By reason or force, Chile and the balancing of power in south america 1830-1905, University of California Press, ISBN 0-520-02629-2, (1974)
Christdemokraten und Allende
- Wessel, Günter, Die Allendes, Lübbe, ISBN 3-40461-537-9, (2004)
Diktatur Pinochets
- Nolte, Detlef: "Staatsterrorismus in Chile". In: Hans Werner Tobler /Peter Waldmann (Hrsg.), Staatliche und parastaatliche Gewalt in Lateinamerika, Frankfurt/M. 1991, S.75-104. (ISBN 3893548319) (Detailierte Übersicht über die Menschenrechtsverletzunge während der Diktatur)
Aufarbeitung der Diktatur
- Fuentes, Claudio: After Pinochet: Civilian policies toward the military in the 1990s Chilean democracy, Journal of Interamerican Studies and World Affairs, Fall 2000. online-Version (englisch)
- Imbusch,P./Messner,D./Nolte,D.(Hrsg.): Chile heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. Frankfurt 2004. (ISBN 3893545905)
- Krumwiede, Heinrich: Die chilenische Regimetransformation im Rückblick. Seite 253 - 274.
- Radseck, Michael: Militär und Politik in Chile. Seite 309 - 333.
- Huhle, Rainer: Schatten auf der Zukunft. Menschenrechte und Vergangenheitsbewältigung im postdiktatorialen Chile. Seite 275 - 295.
- Hunter, Wendy: Civil-Military Relations in Argentina, Brazil, and Chile: Present Trends, Future Prospects, in: Agüera, Felipve und Slash, Jeffrey (Herausgeber): Fault Lines of Democracy in Post-Transition Latin America. 2004 (englisch)
- Silva, Patricio: Searching for Civilian Supremacy: The Concertación Gouvernments and the Military in Chile, Bulletin of Latin American Research, 2002, Vol. 21, No. 3, Seite 375 – 395. (englisch)
Wirtschaft und Soziales
- Thorp, Rosemary:Progress, Poverty and Exclusion. An Economic History of Latin America in the 20th Century, John Hopkins University Press, 1998. Wirtschaftsgeschichte zu Lateinamerika, auch umfangreiche Daten zu Chile.