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Cosa Nostra

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Vorlage:Mehrfacheintrag Der Begriff Cosa Nostra (ital.: Unsere Sache) stand ursprünglich nur für die sizilianische Mafia in den USA; heute wird er auch für die Mafia im Mutterland verwendet. Beide Organisationen sind in so genannte Familien aufgeteilt, denen jeweils ein Boss (Capo) vorsteht.

Hierarchien

Die Hierarchie in der sizilianischen Mafia:

  1. Capo (Führer, Chef)
  2. Vize Capo (Stellvertreter des Capo)
  3. Consigliere (Berater des Capo, ein Capo hat max. 3 Consiglieri)
  4. Capodecina (Anführer von einer kleinen Gruppe, 10 Soldati)
  5. Soldati (die "Ehrenmänner", also einfache Mitglieder)

Die Hierarchie in der amerikanischen Mafia:

  1. Boss
  2. Underboss
  3. Consigliere
  4. Capo/Captain
  5. Soldier, Full Member, Man of Honour, "One of Us", "A Friend of Us", Goodfella
  6. Associate (nicht eingeschriebenes Mitglied)

Die Aufgabe eines Mafioso besteht entgegen der landläufigen Meinung nicht etwa aus Mord, sondern hauptsächlich darin, möglichst viel Geld einzunehmen. Für Morde, die meist von Mitgliedern niedrigen Ranges ausgeführt werden, bezahlt die Familie niemandem Geld; sie sind die Gegenleistung für den Schutz, welchen die Mafia ihrem Mitglied bietet.

Die sizilianische Cosa Nostra

Cosa Nostra ist die wichtigste Mafiaorganisation Europas. Sie hat eine hierarchische, paramilitärische Struktur mit genauen Verhaltensregeln. Ihre Hauptsitze befinden sich auf Sizilien. Sie zählt zirka 5.000 Mitglieder und mindestens 20.000 Sympathisanten.

Die Basisorganisation ist die Familie, nicht die des Blutes, sondern eine Mafiagruppe, die ein Territorium, im allgemeinen ein Land oder ein Viertel einer großen Stadt kontrolliert. In die Cosa Nostra tritt man durch Hinzuwahl (Kooptation) oder Aufruf ein.

Die sizilianische Mafia entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus bewaffneten Banden, welche die Güter der vorwiegend adligen Großgrundbesitzer vor allfälligen Aufständen der Bauern schützten. Da Sizilien schon seit langem Kolonialland war und weit entfernt von der Regierung in Rom, konnte sich hier die Mafia besonders gut verbreiten. Die Großgrundbesitzer schafften sich Söldner, die so genannten Soldati an, welche das Land vor Wilderern und Verbrechen schützten. Der Adel in Sizilien legte die Verwaltung seiner Güter weitgehend in die Hände korrupter Statthalter, welche diese Banden gründeten und auch den Grundstein für politische Korruption auf der Insel legten.

Die Cosa Nostra ist heute eine international operierende Verbrecherorganisation, die, über Jahrzehnte unentdeckt, von Sizilien aus ein Drogenhandelsnetzwerk etablierte. Diese Organisation wurde/wird von einer Kuppel befehligt, die sich aus den Oberhäuptern der wichtigsten Familien zusammensetzt. Seit den 1960er Jahren vertreibt diese Organisation den Großteil des Heroins in Amerika und Europa; auch ein großer Teil des Kokainmarktes wird von ihr betrieben.

Die Cosa Nostra in den USA

Die Anfänge

Unter den italienischen Immigranten, die ab 1870 in Scharen nach Amerika strömten, befanden sich auch viele Kriminelle, welche bald begannen, ihre Landsleute in den Großstädten zu erpressen. Viele von ihnen übernahmen die völlige Kontrolle über italienische Viertel in New York City, Chicago oder New Orleans, indem sie sich mit Gewalt zu den einzigen Lieferanten für importierte Waren aus Sizilien (Olivenöl, Käse, Brot und ähnliche) machten oder sich das Monopol für Geschäfte mit italienischen Lotterien verschafften.

Nicht zu verwechseln mit diesen Kriminellen ist die Black Hand oder Mano Negra (Schwarze Hand), eine ursprünglich anarchistische Organisation, welche ausschließlich Erpressung betrieb und bald wieder verschwand. Berühmte Mafiosi, wie Al Capone, waren Mitglied dieser Organisation. Die Mafia in den USA wurde aus ehemaligen Straßengangs gegründet.

In den [[1920er Jahren war in ganz Amerika Handel und Produktion von Alkohol]]verboten. Dies führte zur Entstehung eines riesigen Schwarzmarktes. Kriminelle aller Art importierten hauptsächlich Schnaps und Bier aus Kanada, Mexiko und sogar Schottland oder stellten den Alkohol in illegalen Brauereien selbst her. Darunter waren Iren, Juden, Griechen, Neapolitaner (wie Al Capone), Kalabrier und „echte“ Amerikaner, aber die erfolgreichsten von ihnen waren die Sizilianer. Zu Beginn der 1930er Jahre wurde Al Capone in Chicago verurteilt, und ein zunächst zusammengewürfeltes Syndikat entstand, das bald von Sizilianern übernommen wurde: das so genannte Outfit. In New York City kam es zum Krieg von Castellammare, einem blutigen rein sizilianischen Konflikt, der gut ein Jahr dauerte und in dem sich Salvatore Maranzano und Joe Masseria gegenüberstanden. Charles „Lucky“ Luciano spielte die beiden erfolgreich gegeneinander aus, wobei Maranzano sich zuerst durchsetzte und offiziell La Cosa Nostra gründete, ehe er ein halbes Jahr später auf Lucianos Anweisung selbst ermordet wurde. Luciano gründete darauf die sogenannte Kommission, ein zunächst siebenköpfiges Gremium, das sich vor allem aus New Yorker Bossen zusammensetzte.

1930 bis heute

In New York hatte sich die sizilianische Mafia 1931 in fünf Familien aufgeteilt, die später unter den Namen Gambino, Genovese, Colombo, Lucchese und Bonanno bekannt wurden. Alle fünf Familien mussten in den letzten Jahrzehnten starke Machteinbußen in Kauf nehmen. In etwa zwei Dutzend weiteren amerikanischen Großstädten entstanden ebenfalls Mafia-Clans. Die wichtigsten von ihnen waren jene von Philadelphia, Boston, New Orleans, Tampa, Dallas, Cleveland, Detroit, Buffalo und Kansas City. Heute ist die Mafia hauptsächlich noch in New York City und Chicago aktiv.

Die wichtigsten Geschäfte der Mafia waren von je her Kreditwucher, Prostitution, Drogenhandel und vor allem Glücksspiel und Gewerkschaftskorruption. Ersteres führte die Cosa Nostra zum Besitz mehrerer Kasinos in Las Vegas und auf General Batistas Kuba und zur totalen Kontrolle über Buchmacher und Lotterien in den wichtigsten Großstädten des Landes; letzteres dazu, dass mehrere international tätige Gewerkschaften von der Mafia unterwandert wurden, darunter die Gewerkschaften der Transport- und Hafenarbeiter.

Die Macht der Mafia wurde in den 1980er und 1990er Jahren teilweise gebrochen. Die Strafverfolgung feierte große Medienerfolge, darunter die Verurteilung des New Yorker Bosses John Gotti. Der Kodex der Omertà, der Schweigepflicht, ist in Auflösung, und die sizilianischen Traditionen geraten in Vergessenheit. Viele hochrangige Überläufer, beispielsweise Sammy Gravano, Al D'Arco, Angelo Lonardo und Salvatore Vitale, sagten gegen ihre Kumpane aus. Allerdings könnte die Mafia dadurch, dass sich die Aufmerksamkeit des FBI seit 2001 vor allem auf die Verfolgung von Terroristen gelenkt hat, wieder Aufwind bekommen.

Im Jahre 2005 wurden fundierte Zahlen und Daten über die italienische Mafia bekannt. So sollen laut italienischen Medienberichten 70 Prozent aller Unternehmer und Geschäftsleute auf Sizilien Schutzgeld (das sogenannte Pizzo) bezahlen. Allein auf Sizilien bringt das Schutzgeld der Mafia jährlich sieben Milliarden Euro, in Italien landesweit durch Schutzgeld und Erpressung 14 Milliarden ein. Neben Drogenhandel gehört der „Pizzo“ somit zum „Kerngeschäft“ der „Paten“ genannten Mafiabosse. Der gesamte Mafia-Umsatz wird von Bekämpfern des organisierten Verbrechens auf 100 Milliarden Euro geschätzt, was doppelt soviel ist, wie der Autokonzern FIAT an Umsatz erwirtschaftet.

Um diese großen Mengen Schutzgeld einzutreiben, hat es die Cosa Nostra längst nicht mehr nötig, Gewalt anzuwenden. Es hat sich bereits auf Sizilien bei den Geschäftsleuten die Tatsache etabliert, dass Widerstand tödlich ist und nur Zahlen Sicherheit schafft.

„Die Mafia, die nicht mehr schießt“ heißt der Titel einer im italienischen Fernsehen gezeigten Sendung, die für erheblichen Wirbel in Italien sorgte. Auch Parteifreunde des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, dessen enger politischer Vertrauter zu neun Jahren Haft wegen Mafia-Verstrickungen verurteilt wurde, wetterten heftig gegen die Enthüllungen.

Neapel wird demnach im Jahre 2005 vom blutigsten Bandenkrieg seit Jahrzehnten erschüttert. Politiker in Palermo verbreiten nach wie vor gerne die Illusion, die Cosa Nostra sei weitgehend besiegt. Doch Experten sind sich darüber einig, dass sie das Leben auf Sizilien immer mehr bestimmt.

Die römische Zeitung La Repubblica veröffentlichte eine Tarifliste, was sizilianische Geschäftsleute an die Mafia entrichten müssen: Selbst kleine Ladenbesitzer zahlen demnach 500 bis 1.000 Euro pro Quartal, bessere Geschäfte wie etwa Juweliere müssen 3.000 Euro abgeben, große Läden 5.000 Euro. Ausgenommen sind Geschäftsleute, die Verwandte im Gefängnis haben, einen Trauerfall in der Familie zu beklagen oder einen Polizeibeamten oder Carabiniere unter den Verwandten haben. Das Problem wird unter den Geschäftsleuten totgeschwiegen. Fast alle bezahlen die Schutzgelder, aber es möchte keiner zugeben. In ganz Italien werden derzeit 160.000 Unternehmen und Geschäfte erpresst, gut dreimal so viel wie vor 20 Jahren. Die Mafia-Einnahmen haben sich verzehnfacht.

Wie Betroffene berichten, läuft der Einstieg in die Schutzgelderpressung fast immer nach dem gleichen Muster ab. Meist beginnt es mit einem anonymen Telefonanruf, in dem sinngemäß der Ladengründer dazu ermahnt wird, sich Hilfe zu suchen. Wenige Tage später wird dann ein mehr oder weniger harmloses Attentat auf den Laden begangen, indem beispielsweise das Türschloss mit Leim verklebt wird. Während Angst und Ratlosigkeit den Geschäftsmann beschleichen, raten erfahrene Kollegen, abzuwarten. Nach einigen weiteren Tagen steht dann ein Mann vor der Tür, der freundlich und unaufdringlich nach einer kleinen Spende verlangt und meistens auch bekommt.

Literatur

Diego Gambetta, Die Firma der Paten: Die sizilianische Mafia und ihre Geschäftspraktiken, München: dtv, 1994 ISBN 3-423-30417-0
Klaus von Lampe, Organized Crime: Begriff und Theorie organisierter Kriminalität in den USA, Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Frankfurter Kriminalwissenschaftliche Studien Bd. 67) ISBN 3-631-34721-9
Peter Maas, Underboss. Ich war der Zweite Mann. Die Lebensgeschichte des Mafia-Bosses Sammy „The Bull“ Gravano, Bern: Scherz, 1998 ISBN 3-502-18430-5
Alexander Stille, Die Richter: Der Tod, die Mafia und die italienische Republik, München: C.H.Beck, 1997 ISBN 3-406-42303-5