Behandlungsvertrag
Der Behandlungsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Behandelnden und dem Patienten über die entgeltliche Durchführung einer medizinischen Behandlung. Der Behandlungsvertrag ist in Deutschland seit 2013 in § 630a Bürgerliches Gesetzbuch gesetzlich definiert und ist ein besonderer Typ des Dienstvertrags. Das entsprechende Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten hat die parlamentarischen Hürden genommen und wird in Kürze nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
Parteien des Behandlungsvertrags
Parteien des Behandlungsvertrages sind auf der einen Seite derjenige, der die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), auf der anderen Seite derjenige, der sich verpflichtet, dafür eine Vergütung zu gewähren (Patient). Soweit ein Dritter, zum Beispiel die Krankenkasse die Behandlung bezahlen muss, wird diese gleichwohl nicht Partei des Behandlungsvertrags.
Neben den Ärzten oder Zahnärzten, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten können auch Angehörige anderer Heilberufe als Behandelnde einen Behandlungsvertrag schließen, wie Heilpraktiker, Hebammen, Physiotherapeuten, Masseure, medizinische Bademeister, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten u. a., nicht dagegen Tierärzte, weil diese keine humanmedizinische sondern eine tierärztliche Behandlung durchführen.
Da der die Behandlung Zusagende die Behandlung nicht zwingend selbst durchführen muss, kann auch eine Institution, die Angehörige eines Heilberufes beschäftigt, einen Behandlungsvertrag schließen, zum Beispiel ein Krankenhausträger oder eine Praxisgemeinschaft, die eine juristische Person ist.
Bei geschäftsunfähigen „Patienten“ sind die gesetzlichen Vertreter Vertragspartei.
Der Behandlungsvertrag ist nicht formbedürftig. Er kommt auch zustande, wenn ein Patient nach einem Termin fragt (auch telefonisch) und einen Termin zugeteilt bekommt, wenn der Patient die Praxis betritt und die Sprechstunde aufsucht oder im Notfalleinsatz.
Hauptleistungspflichten
Behandelnder
Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Behandelnden, eine ordnungsgemäße Behandlung unter Beachtung der jeweils geltenden allgemein anerkannten fachlichen Standards selbst durchzuführen oder durch andere durchführen zu lassen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. Eine Delegation der Behandlung ist möglich, die besonderen sozialrechtlichen (z.B. § 15 Abs. 1 SGB V) oder berufsrechtlichen Regeln zur Delegation bleiben unberührt.
Eine Behandlung umfasst Diagnose und Therapie. Der Behandelnde schuldet keinen Behandlungserfolg, also nicht die Heilung, sondern lediglich eine fachgerechte Vornahme der Behandlung. Die Behandlung kann auch kosmetischen Zwecken dienen, etwa bei einer Schönheitsoperation. Bei den ebenfalls von dem Begriff des Behandelnden umfassten nicht ärztlichen Gesundheitsberufen kann es teilweise mangels entsprechender wissenschaftlich definierter Standards schwierig sein, die Ordnungsmäßigkeit einer Leistung zu definieren.
Patient
Der Patienten schuldet die Gewährung der vereinbarte Vergütung. Das gilt jedoch nicht, wenn und soweit ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist, zumeist die gesetzliche Krankenkasse, in der ca. 90% der Patienten in Deutschland krankenversichert sind. Bei gesetzlich Krankenversicherten hat der behandelnde Arzt, der Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung ist, regelmäßig nach § 85 Absatz 4 Satz 1 und 2 SGB V einen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch gegen die kassenärztliche Vereinigung. Die Vergütung für Leistungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählen oder deren Kosten nicht vollständig übernommen werden, kann der Behandelnde von dem gesetzlich krankenversicherte Patient direkt verlangen, z.B. Eigenanteile beim Zahnersatz, Mehrleistungsvergütungen bei Zahnfüllungen, iGeL-Leistungen, Zahnimplantate. Hat der Arzt keine Kassenzulassung, muss er den Patienten darüber informieren.
Privatpatienten zahlen die Behandlungskosten in der Regel selbst. Sie haben gegen ihre private Krankenversicherung oder als Beamte auch gegen die Beihilfestelle einen Erstattungsanspruch.
Die Höhe der Vergütung ist grundsätzlich frei vereinbar. Für Ärzte und Zahnärzte gilt jedoch bindend die amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. amtliche Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)). Vereinbarungen über eine abweichende Höhe der Vergütung oder über nicht in der Gebührenordnung enthaltene Leistungen müssen nach den Vorschriften dieser Gebührenordnungen getroffen werden.
Ist die Höhe der Vergütung nicht ausdrücklich vereinbart, so bestimmt sie sich, soweit vorhanden, nach den berufsspezifischen Gebührenordnungen, sonst ist die übliche Vergütung zu zahlen (§§ 612 Abs. 2, 630 b BGB).
Die Vergütung wird, wenn nichts abweichendes vereinbart worden ist, nach der Behandlungsleistung fällig (§ 614 BGB), bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen in der Regel jedoch erst dann, wenn dem Zahlungspflichtigen eine der einschlägigen Gebührenordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist (§ 12 Abs. 1 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. § 10 Abs. 1 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)).
Weitere Pflichten
Mitwirkung der Vertragsparteien
Patienten und Behandelnde haben nach § 630 c Abs. 1 BGB zur Durchführung der Behandlung im Rahmen des Behandlungsvertrages einvernehmlich zusammenzuwirken.
Die Patienten haben die für die Behandlung bedeutsamen Umstände aus ihrer Sphäre zeitnah offen zu legen und dem Behandelnden auf diese Weise ein Bild von ihrer Person und ihrer körperlichen Verfassung zu vermitteln. Sie haben die ärztlichen Anweisungen im Sinne einer Therapietreue zu befolgen (Compliance) und soweit erforderlich an der Behandlung mitzuwirken.
Verstößt ein Patient gegen diese Pflichten, kann ihn nach § 254 BGB im Schadensfall ein Mitverschulden zu seinen Lasten treffen.
Informationspflichten des Behandelnden
Der Behandelnde muss den Patienten über bestimmte Sachverhalte informieren. Die Informationspflichten bestehen nicht, wenn die Behandlung unaufschiebbar ist (z. B. bei Unfällen) oder wenn der Patient ausdrücklich deutlich, klar und unmissverständlich auf die Information verzichtet oder wenn wichtige therapeutische Gründe dagegen sprechen, etwa wenn der Patient infolge der Information sein Leben oder seine Gesundheit gefährden könnte.
Information über die für die Behandlung wesentlichen Umstände
Der Behandelnde hat dem Patienten nach § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB in einer für ihn verständlichen Weise sämtliche für die Behandlung wichtigen Umstände grundsätzlich schon zu deren Beginn zu erklären. Das betrifft insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zur und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Dem Patienten soll erläutert werden, wie er sich therapiegerecht verhalten sollte. Er ist auf Unverträglichkeitsrisiken, auf eine möglicherweise nicht sichere Wirkung des Eingriffs oder auf eine ärztlicherseits anzuratende Änderung der Lebensführung hinzuweisen. Die Information soll dem Patienten ein gesundheitsförderndes Verhalten ermöglichen (etwa körperliche Schonung nach einer Operation) und ihn auch vor den Folgen ungesunden Verhaltens warnen. Hierzu gehört beispielsweise der Warnhinweis, nach der Verabreichung reaktionszeit- und konzentrationsmindernden Medikamenten (z.B. Lokalanästhesie) kein Kraftfahrzeug zu führen oder keine Maschinen zu bedienen.
Inhaltlich sind die in § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB genannten Informationspflichten mit den von der Rechtsprechung entwickelten und als „therapeutische Aufklärung“ bzw. als „Sicherungsaufklärung“ bezeichneten Grundsätzen identisch.
Die Informationspflichten sind zu unterscheiden von den auf die konkrete Behandlung bezogenen Aufklärungspflichten des § 630 e BGB, welche die Eingriffs- und Risikoaufklärung, auch Selbstbestimmungsaufklärung genannt, betreffen.[1]
Die Verletzung der Informationspflicht kann zu einer Schadensersatzpflicht des Behandelnden führen. Die Beweislast trifft hier aber den Patienten. Eine unzureichende Erfüllung der Informationspflicht berührt nicht die Wirksamkeit der Einwilligung.
Information über Behandlungsfehler
Zur Abwendung von Gefahren, die aus einem Behandlungsfehler resultieren können, oder auf ausdrückliche Nachfrage des Patienten muss der Behandelnde den Patienten über erkennbare Behandlungsfehler informieren. Dieses mit der Patienteninformation verbundene „Eingeständnis“ darf jedoch ohne Zustimmung des Behandelnden ggf. weder Straf-, noch in Bußgeldverfahren zu [Beweisverbot|Beweiszwecken] gegen den Behandelnden verwendet werden. Diese Einschränkung gilt nicht für die Verwendung bei der Geldendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche gegen den Behandelnden.
Ist die Information nicht zur Abwendung weiterer gesundheitlicher Gefahren erforderlich, muss der Behandelnde unaufgefordert keine Behandlungsfehler offenbaren.
Information über finanzielle Folgen der Behandlung
Der Behandelnde muss den Patienten in Textform über eventuelle Behandlungskosten und deren voraussichtliche Höhe aufklären, wenn er weiß, dass die Behandlungskosten durch einen Dritten, in der Regel den Krankenversicherer, nicht oder nicht vollständig übernommen oder erstattet werden. Gleiches gilt, wenn sich aus den Umständen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Der Behandelnde wird nicht verpflichtet, über ihm nicht bekannte Tarifinhalte etwa einer privaten Krankenversicherung des Patienten zu informieren oder ihn gar wirtschaftlich oder juristisch zu beraten.
Bei einem pflichtwidrigen Verstoß gegen die Informationspflicht kann der Patient die Kostenforderung zurückweisen.[2]
Einholung der Einwilligung
Der Behandelnde muss nach § 630d BGB vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme, vor allem bei einem Eingriff in den Körper oder die Gesundheit des Patienten, aber auch bei sonstigen therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung, den Patienten ausdrücklich und unmissverständlich fragen, ob er in die Maßnahme einwilligt. Mit einer Behandlung ohne die eingeholte Einwilligung verletzt der Behandelnde seine Pflicht aus dem Behandlungsvertrag. Außerdem ist eine eventuelle mit der Behandlung notwendig verbundene den Körper verletzende Handlung nicht gerechtfertigt.
Der Einholung der Einwilligung muss die verständliche, ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten vorangehen, damit der Patient in der Lage ist, eine eigenverantwortliche und selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Nur nach einer Aufklärung ist die Einwilligung wirksam.
Der Patient kann seine Einwilligung jederzeit widerrufen.
Ist der Patient in der aktuellen Situation nicht fähig, selbst in die Behandlung einzuwilligen, muss der Behandelnde die Einwilligung der Eltern, eines Bevollmächtigten oder eines Vormundes oder Betreuers einholen, soweit nicht eine Patientenverfügung die Maßnahme gestattet oder untersagt.
Eine Patientenverfügung, die eine Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme enthält, ist nur mit vorangegangener ärztlicher Aufklärung oder bei erklärtem Aufklärungsverzicht wirksam. Enthält eine Patientenverfügung keinen ausdrücklich erklärten Verzicht auf eine ärztliche Aufklärung, ist die Patientenverfügung in diesen Fällen nur als Indiz für den mutmaßlichen Willen zu werten. Es bedarf dann immer einer Entscheidung des Betreuers oder des Bevollmächtigten über die Zulässigkeit des ärztlichen Eingriffs[3]
Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht
Aufklärungspflicht des Behandelnden
Der Behandelnde ist nach 630e BGB verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und spezifische Risiken der Maßnahme, die Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung der Maßnahme zur Diagnose oder zur Therapie und über die Erfolgsaussichten der Maßnahme im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie (sogenannten Eingriffs- und Risikoaufklärung oder Selbstbestimmungsaufklärung).
Können mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen, ist auch über bestehende Alternativen zur Maßnahme ist aufzuklären.
Sinn und Zweck der Aufklärung ist, dem Patienten die Schwere und Tragweite eines etwaigen Eingriffs zu verdeutlichen, so dass er eine ausreichende Entscheidungsgrundlage hat, selbstbestimmt zu entscheiden,ob er in eine medizinische Maßnahme einwilligt.
Die Aufklärung
- hat mündlich zu erfolgen, damit der Patient die Möglichkeit hat, dem Behandelnden Rückfragen zu stellen,
- muss rechtzeitig vor dem Beginn der beabsichtigten Maßnahme erfolgen, damit der Patient Zeit hat, die für und gegen die Maßnahme sprechenden Gründe abzuwägen und
- muss für den jeweiligen Patienten verständlich sein.
Die Aufklärung ist aus den gleichen Gründen ausnahmsweise entbehrlich wie die Erfüllung für Informationspflichten.
Ist der Patient einwilligungsunfähig und an seiner Stelle eine andere Person zur Einwilligung berechtigt, ist diese Person aufzuklären. Dem Patienten sind trotzdem die wesentlichen Umstände entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit er aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwider läuft
Dokumentationspflichten des Behandelnden
Einsichtgewährung in die Patientenakte
Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler
Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber der Patientin und dem Pa- tienten, die Pflicht zur Dokumentation der Behandlung und das Akteneinsichtsrecht der Patientin und des Patienten sowie die Grundzüge der Beweislast bei Fehlern festlegen
Werksvertragliche Bestandteile
Soweit eine Behandlung auch technische Bestandteile enthält, zum Beispiel die Anfertigung von Zahnprothesen, kann für diese Anteile das Gewährleistungsrecht des Werkvertrags gelten.[4][5][6] Die sonstigen bei der Anfertigung von Zahnersatz erforderlichen Tätigkeiten sind jedoch typische zahnärztliche Tätigkeiten auf der Grundlage medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse, die dem Dienstvertragsrecht zuzuordnen sind, so dass insoweit keine Gewährleistungsansprüche bestehen.[7]
Einzelnachweise
- ↑ Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. August 2012, Bundestags-Drucksache 17/10488 S. 21
- ↑ Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Mai 2000, Aktenzeichen VI ZR 173/99
- ↑ Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 23
- ↑ BGH, Urteil vom 09.12.1974, Az.: VII ZR 182/73
- ↑ NJW 1975, S. 305
- ↑ OLG München, Urteil vom 06.02.1997, Az.: 1 U 4802/95
- ↑ BSGE 25, 116, 118
Weblinks
- http://www.aekno.de/downloads/archiv/2004.02.016.pdf (PDF-Datei; 23 kB)