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Muskelrelaxans

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Muskelrelaxantien sind Arzneimittel, die eine reversible (wieder aufhebbare) Entspannung der Skelettmuskulatur bewirken. Entsprechend ihres Wirkmechanismus unterscheidet man zwischen den direkt an der motorischen Endplatte des Muskels angreifenden peripheren Muskelrelaxantien und den zentralen Muskelrelaxantien, die im Zentralnervensystem den Muskeltonus herabsetzen. Muskelrelaxantien werden zur Durchführung von Narkosen bzw. Operationen eingesetzt um den Tonus der Skelettmuskulatur herabzusetzen oder gänzlich aufzuheben (periphere Muskelrelaxantien) oder zur Behandlung von spinal ausgelösten Spastiken oder lokalen Muskelspasmen (zentrale Muskelrelaxantien) eingesetzt.


Periphere Muskelrelaxantien

Periphere Muskelrelaxanzien (engl. peripheral muscle relaxants) hlockieren die neuromuskuläre Reizübertragung an den motorischen Endplatten, was eine reversible (vorübergehende) Lähmung hervorruft, die der Organismus aber selbstständig abbaut. Die Dauer dafür ist abhängig von der Dosierung. Durch Gabe eines Antagonisten kann die Wirkung aktiv aufgehoben werden, z. B. am Ende einer Operation.

Wirkungsweise

Motorische Endplatte

Struktur
motorische Endplatte

Die Hauptwirkung der Muskelrelaxantien ist an die neuromuskuläre Endplatte gebunden. Sie ist eine Sonderform der Synapse und verbindet das Axon eines motorischen Nerven mit einer Muskelzelle. (siehe Abbildung)

Das Axon teilt sich in der Nähe der Muskulatur in zahlreiche Füßchen auf, wovon hier eins abgebildet ist. Das Füßchen ist durch einen schmalen Spalt von der Muskelzelle getrennt. Zwischen der Nervenzelle und der Muskelzelle besteht also keine direkte Strukturverbindnung.

Im Innern des axonalen Teils der Endplatte befinden sich Vesikel (Blasen). Sie beinhalten Acetylcholin. Am synaptischen Spalt sind Freisetzungstellen für das Acetylcholin ausgebildet.

An der Oberfläche der Muskelzelle befinden sich Rezeptoren für Acetylcholin.

Funktion

Bei Erregung der Nervenzelle wird Acetylcholin (als Botenstoff) aus den Vesikeln über die axonalen Freisetzungsstellen in den synaptischen Spalt abgegeben.

Das Acetylcholin diffundiert zu den Rezeptoren der Muskelzelle, bindet sich dort an und führt durch eine Änderung der allosterischen Konfiguration der Rezeptormoleküle zu einem Einstrom von Natrium-Ionen in die Muskelzelle. Damit kommt es zu einer Depolarisation des Membranpotenzials (Erregung), womit die Kontraktion der Muskelzelle ausgelöst wird.

Acetylcholin wird wiederum rasch durch Diffusion und enzymatischen Abbau (Acetylcholinesterase) aus dem synaptischen Spalt entfernt. Damit sind die Bindungsstellen am Rezeptor frei und stehen für erneute Erregung zur Verfügung.

Wirkung der Muskelrelaxantien

Die Substanzen lagern sich an die Acetylcholinrezeptoren der Muskelzelle an. Sie besetzen diese Bindungsstellen derart, dass sie für Acetylcholin nicht mehr zur Verfügung stehen.

Bei einer Erregung der Nervenzelle wird dann zwar der Botenstoff (Acetylcholin) freigesetzt, das Acetylcholin kann aber an der Muskelzelle nicht zu Wechselwirkungen mit den Rezeptoren gelangen. Im sog. klinischen Bild ist der Muskel gelähmt, aktive Bewegungen sind ausgeschlossen.

Depolarisierende Muskelrelaxantien führen am Anfang ihrer Wirkung zu einer kurzen Muskelkontraktion. Ursache liegt in der Bindung der Substanz an die Rezeptoren. Sie wirken hier wie Acetycholin erregend.

Nichtdepolarisierende Muskelrelaxantien binden sich zwar auch an die Rezeptoren, sie führen aber nicht zu einer Erregung der Muskelzelle.

Substanzen

Abgesehen von geringen und seltenen Nebenwirkungen haben bevorzugte Muskelrelaxantien im Sinne guter Steuerbarkeit ihrer Wirkung einen raschen Wirkungseintritt und kurze Wirkdauern.

depolarisierende Muskelrelaxantien

Depolarisationsblocker
Name Wirkungs
eintritt
Wirkungs
dauer
Nebenwirkungen Bemerkungen
Suxamethonium 60-90 sek 7-12 min Herzrhythmusstörungen, Hyperkaliämie, sog. "Muskelkater" einziger, beim Menschen eingesetzter Depolarisationsblocker, kommt jetzt wegen seiner Nebenwirkungen aus der Mode aber noch Standard für Notfallnarkosen bei nicht nüchternem Patienten, neuere Alternative: Rocuronium
Dekamethonium 10 min in der Humanmedizin nicht im Einsatz

nichtdepolarisierende Muskelrelaxantien

Nichtdepolarisationsblocker
Name Wirkungs
eintritt
Wirkungs
dauer
Nebenwirkungen Bemerkungen
Pancuronium 3-5 min 70-120 min Herzrhythmusstörungen, insbesondere Anstieg der Herzfrequenz (Tachycardie)
Pipecuronium 3-5 min 90-120 min sehr lange Wirkdauer. Nicht mehr im Handel.
Vecuronium 3-4 min 35-45 min gering
Rocuronium 0,45-3 min 30-40 min gering, einziges nichtdepolarisierendes MR für die Rapid Sequence Induction (=RSI)
Rapacuronium 60-90 s 15-25 min Herzfrequenzanstieg, Ventilationsstörungen beschrieben. wurde vom Markt genommen.
Atracurium 3-4 min 35-45 min Herzfrequenzanstieg, Bronchospasmus Hofmann-Elimination, deshalb im Abbau unabhängig von Leber- und Nierenfunktion
Cis-Atracurium 4-6 min 40-50 min Zellproliferation in vitro durch Monoacrylate (d. h. unter Laborbedingungen)
Mivacurium 3-5 min 10-25 min Histaminfreisetzung (Flush) bis hin zu leichten anaphylaktischen Reaktionen vor allem bei zu schneller Injektion Abbau abhängig von Leber- und Nierenfunktion; der Vorteil dieses Muskelrelaxans liegt in seiner kurzen Wirkdauer, es ist somit gut steuerbar.cave: Wirkverlängerung bei Cholinesterasemangel

Zentrale Muskelrelaxantien

Zentrale Muskelrelaxanzien (engl. central muscle relaxants) sind Medikamente, die eine zentrale Wirkung haben. Meist eingesetzt bei krankhafter Steigerung des Muskeltonus. Hierbei wird der Muskeltonus zum Erschlaffen gebracht ohne eine Lähmung auszulösen, also eine "dämpfende" Wirkung.