Schlacht bei Tannenberg (1914)
Vorlage:Schlacht Die Schlacht bei Allenstein in Ostpreußen (17. August bis 2. September 1914) war eine Schlacht des Ersten Weltkriegs zwischen deutschen und russischen Armeen. Sie endete mit einem Sieg der deutschen Streitkräfte und führte zur Vernichtung der angreifenden russischen Armee.
Erst im Nachhinein wurde sie zu Propagandazwecken (siehe unten: Propagandistische Verwendung) in "Schlacht bei Tannenberg" umbenannt. Die einzige in der deutschen Geschichtschreibung bekannte Schlacht bei Tannenberg fand am 15.7. im Jahre 1410 statt.
Strategische Voraussetzungen
Hauptartikel: Deutsche Ostfront (Erster Weltkrieg)
Infolge des Schlieffen-Plans hatte die deutsche Oberste Heeresleitung sämtliche verfügbaren Kräfte an die Westfront geworfen um einen schnellen Sieg gegen Frankreich zu erzielen. Ostpreußen bildete durch seine geographischen Lage als Gebietsvorsprung in russisches Territorium eine strategisch besonders verwundbare Position. Die Provinz wurde nur durch die VIII. Armee gedeckt und war somit auch kräftemäßig verwundbar. Diesen Umstand hatte das russische Große Hauptquartier schon in seiner Vorkriegsplanung berücksichtigt. Um seine westlichen Verbündeten zu entlasten schickte das russische Oberkommando zwei Armeen gegen besagtes deutsches Gebiet. Die I. Armee (Njemen-Armee) unter Paul von Rennenkampf stieß von Osten vor, die II. Armee (Narew-Armee) unter Alexander Samsonow drang von Süden in Ostpreußen ein.
Während der ersten Operationstage schien diese Strategie auch zu funktionieren. Die russische II. Armee rückte auf ostpreußisches Territorium vor und erzielte in der Schlacht von Gumbinnen am 19. August zumindest einen Propagandasieg. Der russische Generalstab rechnete damit, dass sich die Deutschen, welche in Ostpreußen nur die 8. Armee zur Verfügung hatten, über die Weichsel zurückziehen würden. Mit dieser Einschätzung lagen sie gar nicht so fern der Realität, denn der Oberbefehlshaber besagter Armee Generaloberst Maximilian von Prittwitz geriet in Panik und verlangte von der Obersten Heeresleitung Handlungsfreiheit für das Zurücknehmen seiner Kräfte. Daraufhin wurde er allerdings am 22. August abgelöst und das Kommando wurde an Hindenburg und General Ludendorff übergeben. Ersterer wurde als Pensionär aus dem Ruhestand reaktiviert. Der nicht-adlige Ludendorff hatte sich an der Westfront bereits ausgezeichnet. Für die beiden preußischen Offiziere kam eine Räumung deutschen Kernlands vor den Russen nicht in Frage. Das russische Oberkommando ging aber immer noch von diesem Gedanken aus, und die I. Armee wurde mit dem Ziel Königsberg in Marsch gesetzt, nicht ohne vorher einige Rasttage einzulegen. Die II. Armee sollte den als geschlagen angesehenen deutschen Truppen nur noch den Rückweg abschneiden. Somit bewegten sich beide Großverbände räumlich getrennt voneinander und konnten sich gegenseitig keine Unterstützung leisten.
Verlauf der Schlacht

Dem deutschen Generalstab standen nach dem Patt von Gumbinnen am 20. August zwei Möglichkeiten offen. Ludendorff erkannte folgerichtig, dass man aufgrund der Passivität der I. Armee beide Armeen getrennt schlagen und somit der zahlenmäßige Vorteil der Russen umgangen werden konnte. Schon vor seinem Eintreffen wurde ein Korps der 8. Armee unter General von François von Gumbinnen per Eisenbahn nach Süden westlich der Vormarschachse der russischen I. Armee verschoben. Nachdem er durch Luftaufklärung und das Abhören russischer Funksprüche über die Positionen wie auch Befehle des Gegners im Klaren war, setzte der Generalstabschef Hindenburgs eine generelle Absetzbewegung in Gang. Die Armee Rennenkampfs sollte nur durch einen kleinen Vorhang aus einer Landwehrdivision und der einzigen Kavalleriedivision an weiteren Operationen gehindert werden. Zwei Korps, unter von Mackensen und von Below, sollten im Eilmarsch der II. Armee entgegen marschieren, während die restlichen Truppen bei Allenstein eine Verteidigungsstellung beziehen sollten. Dieser Plan wurde durch die Inkompetenz der russischen Befehlshaber flankiert. Rennenkampf erkannte den Rückzug erst drei Tage nach seinem Beginn am 23. August. Der übergeordnete Frontbefehlshaber der beiden Armeen General Schilinski interpretierte dieses Verhalten zu diesem Zeitpunkt vollkommen falsch. Er sah es als sicher an, dass die deutschen Einheiten vor dem Druck der I. Armee ausgewichen seien und sich auf Königsberg zurückzögen. Dass die Truppen gegen die südliche II. Armee unter Samsonow gewendet werden könnten, zog er nicht in Betracht.
Während dieser Ereignisse hatte die II. Armee schon ihren zehnten Tag ununterbrochenen Marsches hinter sich, da man die meisten ihrer Truppen auf Befehl des Frontstabes schon aus der Eisenbahn ausgeladen hatte, bevor sie die Endpunkte des russischen Streckennetzes erreicht hatten. Allerdings bewegten sich nur die zentralen Anteile der Armee und der rechte Flügel auf deutsches Gebiet. Auf der linken Seite wurde das I. Korps unter Artamanow an der Grenze zurückgehalten, um laut Befehl Schilinskis die Flanke zu decken. Weiterhin drängte der Oberkommandierende auf einen schnellen Vorstoß der II. Armee, was das Zentrum und ihre westliche Flanke vollkommen trennten. Somit wurde hier aus der angedachten Flankensicherung die Isolierung eines Viertels der russischen Streitkräfte. Genau im Bereich des I. Korps positionierten sich die zwei Divisionen von Hermann von François, ohne dass die russischen Stäbe durch Aufklärung davon erfahren hätten.
Am 25. August gab Ludendorff den Befehl zum Angriff für diese Verbände. Hermann von François reagierte allerdings nicht und nahm erst am 27. nach einem Besuch des Generalstabschefs den Angriff auf. Er begründete sein Innehalten damit, das seine Artillerie noch nicht nah genug an seinen Ausgangsstellungen herangerückt sei und er einen Angriff somit noch nicht verantworten könne. Dies hatte zur Folge, dass die russischen Truppen der Mitte – in Unkenntnis der Gefahr, die ihrem linken Flügel drohte – gemäß dem Frontstabsbefehl immer weiter ins Landesinnere vorrückten. Als von François seinen eigentlichen Angriff startete, durchbrach er dank materieller Überlegenheit das ahnungslose russische I. Korps, welches den Rückzug antrat. Die deutschen Einheiten stießen bis zum Abend des Tages bis zur Grenze bei Soldau vor.
Doch auch an der rechten Flanke der russischen Armee hatten sich die Ereignisse bereits überschlagen. Das russische 6. Korps unter Blagoveschenskij war am weitesten in deutsches Territorium vorgedrungen. Allerdings hatte es nach Samsonows Befehl nur den Vormarsch der zentralen Einheiten zu decken und ihr Kommandeur war nicht darauf vorbereitet, auf gegnerische Truppen zu treffen. Dies rührte daher, dass das Frontkommando die beiden Großverbände in Königsberg wähnte. Unter diesen Umständen traf dieser östlichste Verband der II. Armee auf die zwei deutschen unter Mackensen und Otto von Below. Diese waren aufgrund der deutschen Absetzbewegung von Gumbinnen her gegen die II. Armee angerückt. Mit Hilfe des Überraschungsmoments gelang es den beiden deutschen Offizieren, ihre lokale Überlegenheit von zwei zu eins auszunutzen und das russische Korps in einen ungeordneten Rückzug zu treiben. Ludendorff schien allerdings vom Erfolg seiner eigenen Offensive überrascht. Er sah zwar die Möglichkeit, die russische Armee einzukesseln, doch drängte er auf Konsolidierung, weil die mittleren Anteile von Samsonows Verband bereits starken Druck auf die Verteidigungsstellungen der Deutschen bei Allenstein ausübten.
Infolgedessen ging er daran die eigenen Flügel zu schwächen. Belows Korps wurde abkommandiert die eigenen Verteidigungsstellungen zu verstärken und nur noch von Mackensens Korps sollte weiterhin an der Umfassung arbeiten. General von François erhielt von ihm Order, seinen Vormarsch einzustellen und ebenso Truppen an den zentralen Abschnitt abzutreten. Allerdings verweigerte der untergeordnete Kommandeur diesen Befehl und ignorierte ihn kommentarlos. So konnten sich seine Kavalleriespitzen bei Willenberg mit der Vorhut der Einheiten Mackensens am 28. August vereinigen. Somit war die II. Armee, die eigentlich den angenommenen Rückzug der Deutschen abschneiden sollte, selbst eingeschlossen worden.
Damit waren die russischen Soldaten vom Nachschub abgeschnitten und die Nachricht, dass deutsche Verbände den Rückzugsweg versperrten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Männern des Zaren. Zu der durch diesen Schock geschaffenen Verwirrung trug noch dazu bei, dass die verbleibenden Einheiten im Zuge der Kampfhandlungen selbst verstreut im Kessel lagen, und es Samsonow nicht gelang, Verbindung mit seinen Truppen herzustellen. Es kam zwar zu spontanen Ausbruchsversuchen kleinerer Einheiten, so dass 10.000 Mann durch den dünnen Kordon der deutschen Kräfte schlüpfen konnten, das Gros der Armee kapitulierte allerdings desorganisiert und demoralisiert. Den meisten Soldaten blieb das Gefühl durch ihre Truppenführer verraten worden zu sein. General Samsonow beging in dieser verzweifelten Lage Selbstmord.
Gründe für das russische Scheitern
Strategische Fehler der höheren Befehlshaber
Nach dem katastrophalen Ausgang der Schlacht wurde vom verantwortlichen Frontstab unter General Schilinski möglichst viel Schuld auf den toten Samsonow abgewälzt. Diese Vorwürfe halten einer genaueren Betrachtung jedoch nicht stand. Bereits vor dem Erreichen der Grenze zum Deutschen Reich erhielt der Befehlshaber der II. Armee widersprüchliche und unsinnige Befehle von seinem direkten Vorgesetzten. Dies war zum einen die bereits genannte Ausladung der Truppen vor den Endbahnhöfen. So marschierten manche Bataillone mehr als 50 km an Eisenbahnschienen entlang, bis sie überhaupt in die Nähe der Grenze kamen. Dies führte – da auch später ein Rasttag verweigert wurde – zu einer vorzeitigen Ermüdung der Soldaten. Ebenso wurde die Armee dadurch geschwächt, dass man ihr laufend Truppen entzog. Auf politischen Druck des verbündeten Frankreich plante man im Großen Hauptquartier der zaristischen Armee eine weitere Offensive, die über Schlesien den kürzesten Weg nach Berlin nehmen sollte. Für diese Operation stellte man in Westpolen die IX. Armee auf. Um diese zu bilden, wurden der II. Armee insgesamt 5 Divisionen und 400 Geschütze entzogen. Dieser Verlust hätte die Kampfkraft alleine schon stark geschwächt, doch wurden diese Einheiten nicht geplant abgezogen, sondern man löste sie nach und nach aus der Formation heraus, während man andere wieder dazuschlug, was es ihrem Befehlshaber schwer machte, überhaupt den Überblick über die eigenen Kräfte zu bewahren.
Selbst als die Kampfhandlungen begonnen hatten, mischte sich Schilinski noch durch diverse Befehle in Samsonows Kompetenzbereich ein, so zum Beispiel durch das Verbot, das I. Korps näher zur Haupttruppe zu ziehen. Auch sein ständiges Beharren auf einem weiteren Vormarsch der zentralen Korps trug seinen Teil zur Einkesselung der Armee bei.
Fehler des Armeestabs
Samsonow selbst befand sich auch ohne Feindberührung schon in einer prekären Situation, aber anstatt das Blatt zu wenden verschlimmerte er die Lage selbst noch. Seine Armee besaß zwar 42 Flugzeuge, doch diese waren zum größten Teil durch mechanische Schäden nicht einsatzbereit. Diese Kapazitäten zu nutzen und auf ihren Einsatz zu drängen, versäumte Samsonow. Während seine deutschen Gegner schon planmäßige Luftaufklärung betrieben, schien dem russischen General diese Option noch vollkommen gleichgültig zu sein. Ein weiteres Mittel zur Feinderkennung war traditionell die Kavallerie, doch sie wurde vom Armeestab zurückgehalten und sollte für Angriffsoperationen aufgespart werden. Somit marschierte die II. Armee ohne jede Feindaufklärung gewissermaßen blind nach Ostpreußen, ohne die Falle, die Ludendorff gestellt hatte, zu erahnen. Generell lässt sich sagen, dass der Führungsstil des Armeechefs keineswegs einem modernen Krieg des 20. Jahrhunderts mit seinen neuen Anforderungen gewachsen war. Samsonow hatte sein Hauptquartier bis zu den letzten Tagen direkt an der Grenze und war somit von seiner eigenen Armee 24 Stunden entfernt. So lange dauerte die Überstellung einer Nachricht von der Front an seinen Standort und wieder zurück zu den Truppen. Dadurch konnte er auf etwaige Veränderungen der Lage nicht schnell genug reagieren. Dies wurde noch dadurch verstärkt, das Samsonow nichts weiter tat, als einzelne Tagesbefehle auszustellen, was natürlich der Koordination nicht zuträglich war.
Fehlplanungen vor dem Krieg


Auch stellte der Stand der Ausrüstung und die Logistik der Truppen zum Zeitpunkt des Kriegseinsatzes eine ernste Behinderung der russischen Kampfkraft dar. Das zaristische Militär hatte zwar nach den Planungen seiner Offiziere reibungslos mobil gemacht, doch waren sie durch diese Mobilmachungsmaßnahmen keineswegs auf ihre Aufgabe vorbereitet. Während eine deutsche Artillerieeinheit im Feld pro Geschütz 3000 Schuss Munition erhielt, waren für eine russische Einheit 1000 Schuss veranschlagt. Die Kanonen der Armee Samsonows erhielten nur 737. Damit war eine maßgebliche Unterlegenheit der russischen Artillerie vorprogrammiert. Man rechnete im Hauptquartier einfach nicht damit, dass in diesem Krieg mehr Munition gebraucht würde, als im Russisch-Japanischen Krieg von 1905. Die gleiche Fehlkalkulation ergab sich auch bei der Bereitstellung von Feldlazaretten und auch bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln.
Die Artillerie wurde auch durch eine weitere strategische Fehlentscheidung geschwächt. Das Offizierskorps der Artillerie sah die Hauptaufgabe für schwere Geschütze in der Verteidigung von Festungen, die hinter der Grenze lagen. Das Feldheer wurde dagegen nur sehr mangelhaft mit schwerer Artillerie versorgt. Schwere Geschütze hatten ihren leichteren Pendants eine höhere Feuerkraft und eine größere Reichweite voraus. Dies verstärkte die Unterlegenheit der russischen Truppen auf diesem Gebiet noch mehr, da nun ihre eigenen Geschütze durch feindliche Artillerie gefährdet wurden, ohne die Angreifer selbst bekämpfen zu können.
Taktische und technische Fehler
Eine taktische Fehleinschätzung, welche die russische Armee durch das erste Kriegsjahr begleiten sollte, war die Einschätzung der Kavallerie. Russische Generäle hielten sie immer noch für die klassische Offensivwaffe. Doch durch Maschinengewehre und Repetierwaffen, die bis zu 800 m präzise feuern konnten, war die Defensivkraft der Infanterie dem Angriff von Reitern bereits weit überlegen. Die Kavalleriedivisionen brachten kaum Nutzen (außer in der Aufklärungsrolle) aber sie nahmen große Ressourcen in Anspruch. 4000 Mann einer Kavalleriedivision mit ihren Pferden benötigten bei einem Eisenbahntransport etwa denselben Raum wie eine 12.000 Mann starke Infanteriedivision, zusätzlich waren sie im Nachschub aufwändiger. Ein Pferd benötigte pro Tag mindestens 3 kg Getreide. Dadurch wurden wertvolle Nachschubressourcen für eine inzwischen ineffektive Waffe verwendet.
Ein noch kritischerer Schwachpunkt der Operationen bei Tannenberg war jedoch rein technischer Natur. Die russische Armee war zwar mit Funkgeräten ausgerüstet, doch war der Umgang mit Verschlüsselungsmethoden noch relativ neu. Während die deutschen Truppen nur kodiert funkten, kam es bei ihren Gegenspielern des öfteren zu Funksprüchen in normaler Sprache. Einer dieser Funksprüche, die zufällig von deutschen Funkern abgehört wurden, enthielt die komplette Marschanweisung für die Armee. Nachdem Ludendorff diese Informationen durch Flugzeuge verifiziert hatte, war er im Besitz eines immensen taktischen Vorteils.
Bewertung der deutschen Führung
Die Stellungnahmen zu der taktischen Leistung der deutschen Führung sind unterschiedlich. Den deutschen Operationen spielten Unregelmäßigkeiten wie die Befehlsverweigerungen François' in die Hände. Dies heißt jedoch nicht, dass diese Schlacht nicht berechtigt einen wichtigen Platz in der Kriegsgeschichte einnimmt, und zwar weniger wegen ihrer Auswirkung auf das Kriegsgeschehen als wegen der taktischen Leistung der deutschen Führung. Die Schlacht von Cannae, die als Mutter der Umfassungsschlacht gilt, ist bis dahin nie so lupenrein wiederholt worden wie durch die fortschrittliche und unkonventionelle Armeeführung durch Ludendorff.
Zunächst ist hierzu zu sagen, dass Ludendorff den Plan der Operation aufgrund der kritischen Lage schon im Zug von der Westfront entwickelte, also ohne den üblichen Blick ins Gelände. Als nächstes ist die fortschrittliche deutsche Luft- und Funkaufklärung zu nennen, die die deutsche Führung über jede Handlung der russischen Armeen informierte. Auch ist der Legende entgegenzutreten, der Sieg sei nur das Werk Ludendorffs. Die Ausarbeitung des Plans war zwar vor allem Erich Ludendorff und seinem de-facto Stabschef Max Hoffmann zuzuschreiben. Doch war Ludendorff, das zeigte sein unglückliches Wirken in der Weimarer Zeit, aggressiv, impulsiv und ein Opfer seiner Nerven. Der ruhige und souveräne Hindenburg schaffte als erfahrener Offizier einen Ausgleich zu dem eigentlichen Planer der Operation bei Tannenberg. Ebenso wirkte sich sein Charisma positiv auf die Kampfmoral der kaiserlichen Truppen aus. Das Tandem Hindenburg/Ludendorff ist beispielhaft für militärisches Zusammenwirken und bildete das Gegenstück zur desorganisierten russischen Führung.
Letztlich ermöglichte die Kombination aus eigenen Leistungen und den Versäumnissen der russischen Befehlshaber die Führung der Schlacht im taktischen Vorteil. So führten die Deutschen ein Angriffsgefecht bei Tannenberg und ein Verzögerungsgefecht bei Allenstein und setzten somit ihre Kräfte optimal ein. Dagegen waren die Russen durch mangelhafte Aufklärung und schlechte Organisation gezwungen, Begegnungsgefechte zu führen. Dadurch war den Truppen des Zaren nie das Maß an Vorbereitung auf eine Kampfhandlung gegeben, wie ihren Kontrahenten.
Folgen

Die Schlacht bei Tannenberg war der erste große Sieg der deutschen Armee im ersten Weltkrieg. Er erfuhr im Kaiserreich eine propagandistische Überhöhung, die bis heute das Bild der Schlacht verzerrt. Zwar war der Sieg in Ostpreußen ein notwendiger und auch überraschender Befreiungsschlag der kaiserlichen Armee, die russische Militärmacht war durch ihre Niederlage allerdings nur zeitweilig geschwächt. Das Zarenreich konnte die enormen Verluste an Menschen und Material durch seine große Population und durch seine industrielle Basis durchaus verkraften. Allein seine Friedensarmee bestand schon ohne Mobilisierungen aus etwa 2 Millionen Mann. Ohne weitere entscheidende Erfolge wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen bis die russische Armee wieder Kräfte gegen deutsches Territorium in Position gebracht haben würde. Man hatte bei Tannenberg zwar einen Angriff Russlands abgewehrt, doch mit seinen Reserven blieb das Zarenreich weiter ein bedrohlicher Gegner an der östlichen Flanke des kaiserlichen Deutschlands.
Weiterhin war durch den Erfolg die Bedrohung für Ostpreußen nicht vollkommen abgewendet, sondern nur gemildert, da die I. Armee unter Paul von Rennenkampf immer noch an ihren Grenzen stand. Sie sollte erst in der folgenden Schlacht an den Masurischen Seen besiegt werden, für die man nun Handlungsfreiheit erhalten hatte. Die psychologischen Auswirkungen auf Russland waren eher marginal, da die Bevölkerung durch eine gezielte Propaganda des Herrscherhauses und der politischen Parteien bis 1917 fest an einen Sieg glaubte. Denkbare positive Auswirkungen in der russischen Führung, etwa in der Form von Absetzungen der unfähigen Befehlshaber auf Armee- und Korpsebene unterblieben allerdings ebenso. Es gelang dem militärischen Personal, allen voran Schilinski, die Schuld auf den toten Oberkommandierenden der II. Armee abzuwälzen, der sich ja nicht mehr rechtfertigen konnte.
Propagandistische Verwendung

Obwohl der Ort Tannenberg eher am Rande des Kampfgebietes lag, wurde die im kaiserlichen Glückwunschtelegramm ursprünglich als "Schlacht bei Allenstein" bezeichnete Schlacht nachträglich in "Schlacht bei Tannenberg" umbenannt, um in Anspielung auf die 1410 bei Tannenberg gegen das Königreich Polen-Litauen verlorene Schlacht des Deutschen Ritter-Ordens einen eigenen deutschen Mythenort zu schaffen. Hindenburg sollte so symbolisch die „Scharte von 1410“ ausgewetzt haben. Angesichts der beiden völlig verschiedenen Gegner (1410 Polen und 1914 Russen) eigentlich eine irrwitzige Idee. Die kriegspsychologische Wirkung der Siege bei Allenstein und an den Masurischen Seen auf die deutsche Bevölkerung war jedoch immens und trug entscheidend zur Entwicklung des Hindenburg-Mythos bei. Besonders nach dem verlorenen Krieg und den für Deutschland harten Friedensbedingungen im Vertrag von Versailles wurde der Sieg von national-reaktionären Kreisen zum Symbol der Größe Deutschlands hochstilisiert (vgl. Dolchstoßlegende). Hindenburg selbst hatte daran einen maßgeblichen Anteil. Dieser Mythos trug so auch zu seinem Aufstieg zum Reichspräsidenten bei, dessen Amt er in den Emotionen der Deutschen eher wie ein „Ersatzkaiser“ ausübte.
1927 wurde am Ort (bei Hohenstein, heute Olsztynek) der Schlacht das monumentale Tannenberg-Denkmal errichtet, das die Nationalsozialisten später für ihre Propaganda und zur Verherrlichung des Krieges missbrauchten. Nach umfassenden Umbaumaßnahmen fand dort am 7. August 1934 unter gewaltigem propagandistischem Aufwand die Beisetzung Hindenburgs statt. Aus diesem Anlass ließ Adolf Hitler die Anlage in „Reichsehrenmal Tannenberg“ umbenennen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das monumentale Denkmal vor dem Anrücken der Roten Armee auf Befehl Hitlers gesprengt.
Literatur
- John Keegan: Der erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2001. ISBN 3-499-61194-5
- Alexander Solschenizyn: August Vierzehn, Luchterhand Verlag, Neuwied 1973
- Norman Stone: The Eastern Front 1914–1917, Penguin Books Ltd., London 1998 ISBN 0-14-026725-5
- Christian Zentner: Der erste Weltkrieg. Daten, Fakten, Kommentare, Moewig, Rastatt 2000. ISBN 3-8118-1652-7
Weblinks
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