Abrittus
Kastell Rasgrad, | |
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Alternativname | Abrittus/Abrittos/Ἄβριττος |
Limes | Mösischer Limes |
Abschnitt | rückwärtige Linie |
Datierung (Belegung) | konstantinisch, 2. Hälfte 4. Jahrhundert bis 6. Jahrhundert |
Typ | Legions- und Kohortenkastell |
Einheit | a) legio IX Claudia (Benefizarier), b) cohors II Lucensium |
Größe | 10 ha |
Bauweise | Steinkastell |
Erhaltungszustand | zahlreiche Mauerreste aller Bauperioden, des Walles und der Innenbebauung oberirdisch sichtbar, Grundmauern wurden konserviert |
Ort | Rasgrad |
Geographische Lage | 43° 31′ 16″ N, 26° 33′ 6″ O |
Vorhergehend | Sexaginta Prista (nördlich) |





Abrittus (auch: Abritus; Vorlage:ELSalt Abrittos) war ein römisches Kastell und Zivilsiedlung (vicus) bzw. frühbyzantinische Stadt in der Provinz Moesia beim heutigen Rasgrad/Razgrad (gleichnamige Oblast und Gemeinde), Ortsteil Hisarlik seliste (Siedlung am Hisarlik), in Bulgarien. Im Laufe der Zeit entwickelte es sich auch zu einem der größten urbanen Zentren dieser Region. Das Kastell zählt zu den am besten erforschten römischen Stätten in Bulgarien. Es war es das erste Mal, dass in Bulgarien eine römische Befestigungsanlage fast vollständig ausgegraben und konserviert wurde.
Name
Der Name der Stadt ist u.a. von der Inschrift eines Herkulesaltars aus Kalkstein bekannt, der 1954 gefunden wurde und aus der Zeit von 139-161 n.Chr. stammt.[1] Auf einem frühchristlichen Epitaph fand sich weiters die lateinische Inschrift CIV.ABR. die von B. Gerov und G. Mihailov als Abkürzung für „Civitas Abritanorum“ interpretiert, was später auch von Teofil Ivanov bestätigt wurde. Der Buchstabe A fand sich auch in die Mauern der nördlichen Hufeisentürme, in das Nordtor und im Ostwall eingemeißelt. Ivanov glaubt, dass sie für Abritus stehen. Abritus findet sich in weiterer Folge in einer griechischen Inschrift (Fundort unbekannt), die heute im Museum von Veliki Preslav aufbewahrt wird. Er wird auch häufig von griechischen, lateinischen, gotischen und byzantinischen Chronisten in ihren Werken erwähnt.
Lage und Funktion
Rasgrad liegt im Tal des Flusses Beli Lom, im Zentrum Nordostbulgariens. Diese Region wird als Ludogorie bezeichnet und gehört zur Donautiefebene, deren Topographie durch ein typisches ebenes bzw. leicht hügliges Erscheinungsbild gekennzeichnet ist. Die Beli Lom ist ein Nebenfluss der Roussenski Lom, die etwa 50 Kilometer weiter im Norden, bei Rousse in die Donau mündet, einst Standort des römischen Limeskastells und Flottenstützpunktes der Classis Moesica Sexaginta Prista.
Im Verlaufe vieler Jahrhunderte kreuzten sich in dieser Region viele Handelswege, die Zentraleuropa mit der Schwarzmeerregion und Asien verbanden. Das archäologische Reservat Abritus befindet sich rund 50 Kilometer südlich der Donau, in der Flur Hisarlik, ein Kilometer östlich von Rasgrad entfernt, entlang den Ufern des Flusses Beli Lom, und bedeckt in etwa eine Fläche von 1000 Hektar. Diese sehr fruchtbare Region wurde schon seit der Antike intensiv für Landwirtschaft, Weinbau und Viehzucht genutzt und versorgte vorrangig die Siedlungen und Militärstützpunkte an der Donaugrenze mit Nahrungsmitteln.
Abrittus diente als Festung der rückwärtigen Limeslinie, deren Besatzung die Donaugrenze des Römischen Reiches von Invasionen aus dem Norden und strategisch wichtige Straßen- und Handelsverbindungen mit Odessus (Varna), der Provinzmetropole Marcianopolis und Sexaginta Prista schützen sollte.
Forschungsgeschichte
Die erste bedeutende Entdeckung war die thrakische Vorgängersiedlung. Ihr folgte die Lokalisierung des spätrömischen Kastells bzw. der frühbyzantinischen Stadt. Zuletzt wurde auch die bulgarische Nachfolgesiedlung archäologisch untersucht.
Die Erkundungen in Abrittus begannen im Jahr 1887. 1893 entdeckte der in Razgrad ansässige Schuldirektor Anani Javasov 60 m östlich des Westtores die Überreste einer Basilika aus dem 6. Jahrhundert und wahrscheinlich auch Teile des Südtores. Er hielt die Basilika allerdings - aufgrund einer beim Bau wiederverwendeten antiken Inschrift - fälschlicherweise für einen Tempel des Apollo. 1928 konnte der NO-Fächerturm freigelegt werden. 1930 veröffentlichte Jasov seine Grabungsergebnisse am Hisarlik.
1953 grub Teofil Ivanov weitere Teile der Basilika aus. 1954 erkannten die Archäologen, dass es sich bei den bis dahin freigelegten Ruinen um das - das in zahlreichen antiken Quellen erwähnte - Abrittus handelte. 1955 – 1976 wurden die Grabungen durch das Archäologische Institut des Museums der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und dem Historischen Museums in Rasgrad durchgeführt. In dieser Zeit gelang es die genaue Position aller Türme und Tore zu bestimmen.
Die großflächigen Ausgrabungen mussten im Jahr 1972 vorübergehend eingestellt werden, da die römischen Mauerzüge nun unter dem Gelände einer Pharma-Fabrik verschwanden. Besonders in den zentralen und in den westlichen Sektionen der archäologischen Stätte wurden sie durch das Fabrikgelände stark eingeschränkt. Die damalige sozialistische Regierung Bulgariens war jedoch nicht dazu bereit, eines der größten medizinischen Produktionszentren auf dem Balkan umzusiedeln. Die bedeutendsten Ausgrabungkampagnen standen unter der Leitung von Teofil Ivanov. Aufgrund seiner Befunde war eine exakte Rekonstruktion des Kastells möglich, basierend auch auf vergleichenden Studien mit Hilfe von antiken Quellen und ähnlichen, am Limes aufgedeckten Lagern. Die stellenweise heute noch bis zu 2 m hohen Umfassungsmauern sind größtenteils freigelegt worden. Erst in den 1990er Jahren wurden die archäologischen Untersuchungen - etwas weiter weg von der Fabrik - wiederaufgenommen.
2002 wurde in der Nähe des Museums ein Lapidarium mit 60 Inschriftensteinen eingerichtet. Die an einigen Stellen noch einige Meter hohen Überreste des Kastells wurden restauriert und konserviert und sind nun Teil eines archäologischen Schaugeländes mit angeschlossenen Museum, in dem die Funde aufbewahrt und ausgestellt werden. Abrittus zählt zu den 100 nationalen touristischen Objekten Bulgariens.
Fundspektrum
1921 wurde nördlich des Hisarlik von Weinbauern 26 Bronzestatuen und Reliefs griechisch-römischer Gottheiten aus dem 2 und 3. Jahrhunderts n.Chr. Gefunden. Sie sind heute im Historischen Museum von Razgrad ausgestellt. Während der Ausgrabungen konnte auch eine große Menge an Gold- und Silbergegenständen geborgen werden, darunter einer der größten bekannten antiken Münzhorte, bestehend aus 835 Goldmünzen aus byzantinischer Zeit mit einem Gewicht von fast vier Kilogramm. Die Münzen waren noch in einem perfekt erhaltenen Zustand und somit ihre Aufschriften klar und deutlich lesbar. Es handelte sich um Prägungen aus zehn verschiedenen Herrschaftsperioden römischer Kaiser. Unter den erwähnenswerten Funden befand sich auch noch ein goldener Pegasos, der heute das Wahrzeichen der Stadt Razgrad darstellt.
Entwicklung
Erste Spuren menschlicher Siedlungstätigkeit sind seit dem frühen Paläolithikum (18.000 bis 15.000 v. Chr.) nachweisbar. Am Ufer des Belo Lom liegt der Hügel von Hissarlak, unter dem sich u.a. auch eine Kulturschicht aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. fand. Die Wurzeln des antiken Abrittus gehen auf eine thrakische Siedlung (4. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) zurück. Diese war wohl die Metropole der Strategie Rysiké, während der Regierungszeit der letzten thrakischen Könige.
Im Jahr 15 n.Chr. wurde die Region Teil der römischen Provinz Moesia inferior, in der Spätantike der neu eingerichteten Provinz Moesia secunda. Spätestens seit dem Jahr 148 n. Chr. waren hier auch römische Hilfstruppen stationiert. Deren Kastell wurde jedoch noch nicht erforscht. Teofil Ivanov hält es aufgrund der aufgefundenen Spolien auch für möglich, dass mit dem Bau des Kastells schon unter Marcus Aurelius begonnen worden sein könnte. Bekannt wurde dieser Ort vor allem durch die Schlacht von Abrittus, in der Kaiser Decius 251 im Kampf gegen die Goten fiel die die Donau zwischen den Kastellen von Augustae (Harlez) und Sexaginta Prista (Ruse). Die Festungsanlage wurde nach der Invasion der Goten weiter verstärkt.
Im 4. Jahrhundert wurden Tore und Mauern unter der Herrschaft Kaiser Konstantins des Großen (306–327) weiter ausgebaut und noch stärker befestigt. Nach Abzug des Militärs wurde das Kastell als befestigte Zivilstadt (civitas) genutzt. Abrittus wurden danach noch mehrmals von Feinden zerstört und wieder aufgebaut. Bis zu seinem endgültigen Niedergang erreichte die bebaute Fläche von Abrittus eine Größe von 300 Hektar. Hier hatten sich mittlerweile neben römischen Veteranen und Thrakern auch viele Zuwanderer angesiedelt. Nach der Etablierung des Christentums als offizieller Staatsreligion des Römischen Reiches avancierte Abrittus auch zu einem kirchlichen Zentrum. Laut einem Bericht des Hierokles war sie zu seiner Zeit der Sitz eines Bischofs und gehörte zur Kirchenprovinz Marcianopolis. Auf die römische Siedlung geht auch der Name des Titularbistums Abrittum zurück.
In der letzten Phase von Abrittus wurden unter Justinian noch einmal Baumaßnahmen zur Verbesserung der passiven Verteidigung in Gang gesetzt. Im Süden wurde zwischen Turm 19 und Turm 20 vor der Kastellmauer eine weitere schmale Mauer hochgezogen. Alle Tore bis auf das Westtor und die Schlupfpforten wurden zugemauert. Das Kastell wurde aber dennoch 585 von Awaren und Slawen schwer beschädigt und aufgegeben. Vom Ende des 9. bis Anfang des 10. Jahrhunderts wurde die Ruine von den Bulgaren besetzt und neu befestigt. Diese Festung wurde wiederum in der Mitte des 11. Jahrhunderts, während des Krieges mit Swjatoslaw I., Fürst der Kiewer Rus, von den Petschenegen niedergebrannt.
Kastell
Das spätantike Kastell wurde entweder im späten 3. Jahrhundert n.Chr. oder zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. auf einer leichten Erhebung am gegenüberliegenden Ufer, westlich des frührömischen vicus erbaut. Sein umwehrtes Areal hatte einen rechteckigen Grundriss und bedeckte eine Fläche von rund 10 Hektar. Bei Auswahl des Standortes des Kastells orientierten sich die römischen Architekten am Verlauf der thrakischen Vorgängersiedlung. An seiner Nord- und Ostseite wurde das Lager vom Fluß gesichert. Im Süden und Westen wurde ein Wehrgraben angelegt der später wieder aufgefüllt wurde. Einige Abschnitte sind heute noch sichtbar. Das Baumaterial stammte zum großen Teil aus Steinbrüchen in der näheren Umgebung des Kastells. Hinweise auf Marmorbrüche fehlen bisher, zur Ausgestaltung der Repräsentationsbauten musste er wohl aus anderen Provinzen importiert werden. Die Versorgung mit Frischwasser wurde durch eine aus Tonröhren bestehende Wasserleitung gewährleistet. Ihr Ausgangspunkt befand sich im 5-6 km entfernten Dorf Poroliste. Die Leitung führte unter dem Südtor hindurch und reichte bis in das Zentrum des Kastells. An der Mauer wurden zahlreiche Kanäle zum Abführen des Regen- und Schmelzwasser s nachgewiesen Dieses Abflusssystem stand jedoch nicht mit der Abwasserkanalisation der Festung in Verbindung.
Umwehrung
Die Stärke der Festungsmauer variierte zwischen 2,40 und 2,85 Meter; sie war 1.400 Meter lang und erreichte vermutlich eine Höhe von bis zu 12 Meter. Der Wehrgang befand sich in ca. 10 m Höhe. Ihre durchschnittlich 1,50 m tiefen Fundmante bestanden aus vermörtelten Kalkbruchstein. Der obere Teil der Fundamente wurde an Vorder- und Innenseite mit einem abschließenden Steinkranz versehen. Hierzu wurden Grabsteine und Architekturfragmente zweitverwendet (Spolien), die mit Reliefen verziert und teilweise auch mit lateinischen oder griechischen Inschriften versehen waren. Vermutlich stammten sie aus den umliegenden Nekropolen oder von zerstörten öffentlichen Gebäuden des 2. Jahrhundert n.Chr. Sie sollten die Verschiebungen kompensieren, die durch das Gewicht des aufgehenden Mauerwerks entstand. Das aufgehende Mauerwerk wurde in massiver Opus Implectum-Technik hochgezogen. Die Verblendung an Innen und Außenseite der Mauer wurde mit sorgfältig bearbeiteten Kalksteinblöcken verblendet, der Zwischenraum mit Gußmauerwerk, bestehend aus vermörtelten Bruchstein mit gelben und roten Ziegelfragmenten aufgefüllt. Im Osten passte sich der Wall dem Verlauf der Geländekante des Flussufers an und bog dadurch mittig ca. 104 Grad nach Nordwesten ab. Der Nordwall war 295 m lang, der östliche 358,90 m, der südliche 354 m und der westliche 339 m lang. An Nord-, Süd- und Westtor fanden sich an der Innenseite Stiegenaufgänge über der man den Wehrgang auf der Mauer erreichen konnte. Der Aufgang am Nordtor wurde aus zweitverwendeten Baumaterial errichtet und war 9,84 m lang und 1,60 m breit. Die Bogennische unter der Treppe wurde als Stapelplatz für Wurfgeschosse benutzt. Die Treppe am Südtor war 12,66 m lang und 2,10 m breit, am Westtor 6 m lang und 1,86 m breit. Am Osttor konnte kein Aufgang nachgewiesen werden.
Tore und Schlupfpforten
Der Wall war von vier Haupttoren, eines im Norden, im Süden, im Westen und an der NO-Ecke und neun kleinen Nebenpforten durchbrochen. Im Gegensatz zu den mittelkaiserzeitlichen Lagern lagen sie sich aber nicht genau gegenüber. Die Torkammern aller vier Torbauten waren in ihrer Bauweise fast identisch. Die äußeren und inneren Fasaden der Tore waren mit Kalksteinquadern verkleidet, die durch mit Blei verlötete Eisenklammern zusammengehalten wurden. An den Einfahrten befanden sich halbkreisförmige Nischen die in einer Höhe von 1,70 m eingebaut worden waren. Vermutlich waren in ihnen Statuen aufgestellt.
Die Tore im Westen und Norden besaßen mittig ein ca. 10 m hohes Torhaus mit Außen- und Innentor. Die Torhäuser hatten zwei Etagen in der die Seilwinden zum Heben und Senken der Fallgatter untergebracht waren. Vermutlich befanden sich über den Torhäusern auch noch eine Kampfplattform mit Zinnen als Brustwehr. Sie hatten jeweils nur eine 4 m hohe Durchfahrt die mit einem zweiflügeligen Holztor verschlossen werden konnte. Der äußere Durchgang am Nordtor hatte eine Breite von 4,16 m, der im Westen 4,50 m. Die Torkammer hatte eine Länge von 6,18 m. Im Norden wurde das Tor durch den Fächerturm (Nr. 10) der NO-Ecke und südlich durch einen Hufeisenturm (Nr. 11) flankiert. Sie waren 19 m voneinander entfernt. An den Außentoren standen an beiden Seiten Pilaster aus sorgfältig behauenen Kalksteinquadern.
Der östliche Torbau befand sich wegen des Geländeabbruchs zum Flußufer in der NO-Ecke. Er bestand – wie das Südtor – aus einem quadratischen Turm, durch den eine Durchfahrt (Breite 4,50 m) hindurchführte.
Das Südtor stand im Zentrum einer trichterartigen Einbuchtung der Mauer und war dem des Kastells Iatrus sehr ähnlich.
Der äußere und innere Durchgang am Nordtor wurden im 6. Jahrhundert zugemauert, am Süd- und Osttor nur der äußere Durchgang.
Die Schlupfpforten befanden sich im Westen zwischen Turm Nr. 28 und 27, im Fächerturm der SW-Ecke, im Osten an Turm Nr. 13 und 15 und im Süden östlich von Turm Nr. 17. sowie jeweils zwei an den Seiten der langrechteckigen Türme (Nr. 19 und 23).
Türme
Die Wehranlage umfasste vier Bautypen von Türmen. Sie wurde durch vier Fächertürme an den Ecken, 29 Hufeisentürme und sechs quadratische Zwischentürme (am Ost- und Südwall) verstärkt. Sie waren ursprünglich ca. 15 m bis 16 m hoch und mit drei Geschossen versehen. Die einzelnen Stockwerke waren wohl über einfache Holztreppen zu erreichen. Die Befunde der Ausgrabungen ergaben, dass die Türme mit Ziegeldächern abgedeckt waren. Überreste davon konnten in allen Türmen gefunden werden. Manche dieser gelben Dachziegelfragmente waren mit Stempeln versehen (FISC). Ihr Produktionsort ist unbekannt. Direkt unter dem Dach befand sich der Wehrgang von dem aus - vermutlich durch größere Rundbogenfester - auf den Feind gefeuert werden konnte. Die Wehrgänge in den unteren Geschosse waren nur mit schmalen Schießscharten versehen. Eine solche konnte am Ostwall ausgegraben werden. Das aufgehende Mauerwerk war von der selben Konstruktion wie die Kastellmauer. Die bis zu 1,50 m tiefen Fundmante bestanden ebenfalls aus vermörtelten Kalkbruchsteinen. Im Gegensatz zur Kastellmauer standen die Türme auf einen etwa 60 cm dicken Sockel dessen Kalksteinquader durch mit Blei verlöteten Eisenklammern zusammengehalten wurden. Die Böden bildete ein einfacher Kiesbelag, der aus gebrochenen Kalk- und Sandstein gewonnen wurde. Die Eingänge befanden sich zentral an der Turmrückwand, zusätzlich existierten höher gelegene Ausgänge zum Wehrgang auf der Kastelltmauer.
Am Nordwall standen acht Hufeisentürme, inklusive der beiden Flankentürme des Nordtores. Der Abstand zwischen ihnen schwankte zwischen 27,80 m und 28,33 m. Am Ostwall befanden sich hingegen nur ein Hufeisenturm, als südlicher Flankenschutz des Osttores der auch etwas von der Standartbauweise der übrigen Hufeisentürme abwich. Der Rest bestand aus vier Rechtecktürmen. Der Abstand zwischen ihnen betrug zwischen 21,50 m und 79,75 m. Am Südwall waren sieben Hufeisentürme und zwei langrechteckige Zwischentürme angebaut worden. Der Abstand zwischen ihnen variierte zwiśchen 19 m und 21,10 m.
Die Hufeisentürme kragten 10 m weit vor die Kastellmauer. Exemplarisch für alle sind die Türme Nr. 19 und 23, sie messen 18,90 m x 19 m x 10,25 m bzw. 10,45 m. Ihre Seitenwände gingen exakt im rechten Winkel von der Kastellmauer ab. Eine Ausnahme hierbei bildete nur Turm Nr. 11 im Osten dessen Seitenwände etwas weiter abgeschrägt an die Umwehrung angebaut waren.
Im Innenbereich der zwei langrechteckigen Türme am Ostwall (Nr. 19 und 23) standen zwei massive Pfeiler mit rechteckiger Grundfläche (2,10 mx 1,50 m) und in opus mixtum erbaut. Die Pfeiler trugen die Zwischenböden der zweiten und dritten Etage. Der Mauermörtel enthielt eine geringe Menge an kleinen Bruchstücken von Ziegeln oder Dachziegeln. In einer Höhe von 2,10 m verlief ein nach außen vorspringendes Kalksteingesims (Verkröpfung). Ein ähnliches Gesims wurde auch am nördlichen Tor beobachtet. Der Boden war in einer späteren Zeit etwas angehoben worden.
Bei den vier östlichen Rechtecktürmen (Abmessungen: 3,5 m bis 7,30 m) fällt vor allem auf, dass zwei von ihnen (Nr. 12 und 13) nicht hinter den Wall ragen, was bei ihren Nachbarn (Nr. 14 und 15) aber sehr wohl der Fall ist.
Innenbebauung
An Innenbauten konnten drei größere Gebäude aufgedeckt werden, ein Lagerhaus an der Westmauer, das Praetorium (Wohnhaus des Kommandanten) im Osten und noch zwei andere größere Gebäude. Bedeutend waren vor allem die großen Getreidelagerhäuser aus spätrömischer Zeit. Das zehn Meter südlich des Westtores gelegene Horreum wurde vollständig ausgegraben und dabei genauer untersucht. Es hatte einen rechteckigen Grundriss und stand vom 4. bis in das 6. Jahrhundert in Gebrauch. Das Gebäude orientierte sich von Nord nach Süd und maß 56 × 20 Meter. Das Praetorium war ein repräsentativer Bau mit einem Innenhof, umgeben von einem Portikus, gestützt auf 22 Marmorsäulen im Osten und 15 im Süden sowie einem kleinen Tempel.
Garnison
Aus einer Inschrift des späten 3. Jahrhunderts n.Chr., gefunden in Aquileia, ist der Name eines Optios, Valerius Longinus, bekannt, der in Abritus geboren wurde.[2]
Folgende Besatzungseinheiten sind für Abrittus bekannt:
Zeitstellung | Truppenname | Bemerkung | |
Mitte 2. Jahrhundert n.Chr. | unbekannte Auxiliarkohorte | Javasov fand bei seinen Untersuchungen der Basilika u.a. auch eine - heute verschollene – Inschrift, die eine Hilfstruppenkohorte und ihren kommandierenden Offizier nannte. Es ist nur mehr bekannt, dass sie zur Zeit des Iulius Crassus, Statthalter der Moesia Inferior in den Jahren von 140-142 oder 146-148 angefertigt wurde. Sie war der früheste Nachweis für die Anwesenheit von Auxiliaren in Abrittus. | |
spätes 2. bis 3. Jahrhundert n.Chr. | cohors II Lucensium (die zweite Kohorte der Lucensier) | Im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde hier das Hauptquartier dieser Kohorte eingerichtet. Unter Septimius Severus wurde sie in das Kastell Germania (heute Sapareva Banja) verlegt. | |
2. bis 3. Jahrhundert n.Chr. | Legio XI Claudia (die elfte claudische Legion) | In dieser Zeit wurde auch eine Vexillation dieser Legion, die ihr Stammlager in Durostorum hatte, als Benefiziarier hier stationiert. |
Zivilstadt
Die römische Siedlung wurde von Angehörigen der Besatzung des Kastells im späten 1. Jahrhundert n. Chr. als Vicus gegründet. Sein Kern stand an der Flussschleife bzw. am Nordufer des Beli Lom. Die Blütezeit des Ortes erstreckte sich vom 2. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. In dieser Zeitspanne wuchs das Lagerdorf zu einem bedeutenden Handelszentrum heran.
Die im Jahr 1954 entdeckte Zivilsiedlung befand sich etwa 300 bis 400 m südlich des Hisarlik und wies die Merkmale einer typisch römischen Stadt, mit einem rechtwinkeligen Straßennetz, Verwaltungsgebäuden und einem Marktplatz (Forum) auf. Sie wurde ebenfalls über eine Wasserleitung aus Tonröhren mit Wasser versorgt. Während der Ausgrabungen konnten an der Hauptstraße auch ein großes Gebäude und einige landwirtschaftliche Betriebe (villa rustica) entdeckt werden. Die Stadt existierte dank der Anwesenheit der Armee und ihrer Handelsverbindungen bis in das 6. Jahrhundert. Nach den aufgefundenen Inschriften zu urteilen, setzte sich die Bevölkerung hauptsächlich aus griechischen Händlern und Handwerkern, Sarmaten und Goten sowie Zuwanderern aus dem westlichen Kleinasien zusammen.
Nekropolen
Nördlich, westlich und östlich der Stadt wurden Hügelnekropolen (sog. tumuli) gefunden. In den nördlichen und östlichen waren vor allem Angehörige der thrakischen Oberschicht bestattet. Die Überreste der südlichen und östlichen Nekropole wurde teilweise ausgegraben. Die Bestattungen konnten die in die Zeit zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert n. Chr. datiert werden. Sie enthielten jedoch nur sehr dürftige Grabbeigaben. Die östliche Nekropole entstand im 5. Jahrhundert n. Chr. Die Art ihrer Architektur und Ausstattung waren bis dato in Bulgarien unbekannt gewesen.
Literatur
- Dinu Adameșteanu: Abrittus (Razgrad) Bulgaria. In: The Princeton encyclopedia of classical sites. Princeton University Press, Princeton 1976 (online).
- Iris von Bredow: Abrit(t)os. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 1, Metzler, Stuttgart 1996, ISBN 3-476-01471-1, Sp. 31.
- Teofil Ivanov: Abritus. Rimski kastel i rannovizantijski grad v Dolna Mizija, Teil 1 mit engl. Zusammenfassung, Abrittus, a Roman Castle and Early Byzantine Town in Moesia Inferior., Bulg. Akad. na naukite, Archeol. Inst. i Muzej, Sofia 1980.
- Teofil Ivanov: Urkrepitelvrata sistema na Abrittus, Archeologia 4; Bul. d'Archéologie sud-est européenne (Assoc. Internationale d'Etudes du Sud-East Européen, Commission d'Archéologie) 1 (1969) 44; 2 (1971) S. 43.
- Teofil Ivanov: Archäologische Forschungen in Abrittus (1953-1961), BAN, Sofia 1963.
- Teofil Ivanov, Stoyan Stoyanov: ABRITVS - Its History and Archaeology, Cultural and Historical Heritage Directorate, Razgrad 1985.
- Alexander P. Kazhdan: Oxford Dictionary of Byzantium, Oxford 1991: Oxford University Press, S. 6.